BVerwG 4 AV 1.18 , Beschluss vom 19. November 2018 | Bundesverwaltungsgericht
Beschluss
BVerwG 4 AV 1.18
In der Verwaltungsstreitsache hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 19. November 2018
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Rubel und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Gatz und Prof. Dr. Külpmann
beschlossen:
Die Erinnerung der Antragsteller gegen den Beschluss vom 30. August 2018 wird zurückgewiesen. Das Verfahren über die Erinnerung ist gerichtsgebührenfrei. Die Antragsteller tragen die Kosten des Erinnerungsverfahrens als Gesamtschuldner. Außergerichtliche Kosten der Beigeladenen werden nicht erstattet. Gründe I
1 Gegenstand des Verfahrens war ein Planfeststellungsbeschluss für Betrieb und Errichtung einer Höchstspannungsleitung. In einem nichtöffentlichen Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage gaben die Beteiligten teils einzeln, teils gemeinsam Erklärungen zum weiteren Vorgehen und zum Verständnis einzelner Formulierungen des Planfeststellungsbeschlusses ab, die jeweils als "vorgelesen und genehmigt" protokolliert wurden. Im Anschluss erklärten die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt und einigten sich über die Verteilung der Kosten. Das Verfahren wurde mit einem zwei Tage später ergangenen Beschluss eingestellt. Den Antrag der vormaligen Kläger, ihnen eine vollstreckbare Ausfertigung des "in dem Protokoll über die Sitzung vom 23.04.2018 enthaltenen Vergleichs" zu erteilen, hat die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle abgelehnt. Dagegen wendet sich die Erinnerung. II
2 Gegen die Entscheidung der Urkundsbeamtin haben die Antragsteller fristgerecht den statthaften Rechtsbehelf der Erinnerung (Entscheidung des Gerichts) nach § 151 Satz 1, § 152 Abs. 2 VwGO eingelegt (vgl. Kraft, in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 171 Rn. 6; Pietzner/Möller, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand Mai 2018, § 171 Rn. 18; Heckmann, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 171 Rn. 31). Der Rechtsbehelf bleibt ohne Erfolg. Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle hat es im Ergebnis zutreffend abgelehnt, nach § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 724 Abs. 1, § 725 ZPO eine Vollstreckungsklausel zu erteilen.
3 Es fehlt an einem Vollstreckungstitel nach § 168 Abs. 1 VwGO. Die Beteiligten haben keinen gerichtlichen Vergleich nach § 168 Abs. 1 Nr. 3 VwGO geschlossen. Die einzelnen zu Protokoll gegebenen Erklärungen sind nicht als "Vergleich" bezeichnet; auch die Beteiligten haben in dem Erörterungstermin weder ausdrücklich noch der Sache nach auf eine solche Bezeichnung hingewirkt. Die Erklärungen führten nach der Vorstellung aller Beteiligten auch nicht zur Beendigung des Verfahrens, wie die nachfolgend abgegebenen übereinstimmenden Erledigungserklärungen belegen. In einem solchen Fall liegt kein gerichtlicher Vergleich vor, wie ihn § 168 Abs. 1 Nr. 3 VwGO voraussetzt und der nach § 106 Satz 1 VwGO geschlossen wird, um den Rechtsstreit vollständig oder teilweise zu erledigen und damit unmittelbar zu beenden (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 14. April 1970 - 7 B 104.69 - Buchholz 310 § 106 VwGO Nr. 7 S. 4 und vom 27. Oktober 1993 - 4 B 175.93 - Buchholz 310 § 106 VwGO Nr. 17 S. 10 ; VG Stuttgart, Beschluss vom 22. April 2016 - 2 K 2042/16 - AuAS 2016, 122 ; Pietzner/Möller, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand Mai 2018, § 168 Rn. 20; W.-R. Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, 24. Aufl. 2018, § 106 Rn. 20). Ob etwas anderes gilt, wenn in einem protokollierten Vergleich sich ein Kläger zur Rücknahme einer Klage verpflichtet (so VGH Mannheim, Urteil vom 26. Januar 2005 - 5 S 1662/03 - NVwZ-RR 2006, 81 ) oder die Beteiligten das Verfahren übereinstimmend für erledigt erklären (so BVerwG, Beschluss vom 29. Dezember 1992 - 4 B 223/92 - Buchholz 310 § 161 VwGO Nr. 99 S. 43), mag offen bleiben. Ein solcher Fall liegt nicht vor.
4 Eine Auslegung der Erklärungen bestätigt dieses Ergebnis: Die Klarstellung der Beigeladenen zum Klageantrag 1 zu den vorgesehenen Schutzmaßnahmen, die Verständigung zu den Klageanträgen 2 und 3 über die Maßgeblichkeit der Bundesbodenschutzverordnung und die Erklärung der Beigeladenen zum Klageantrag 4 zum Inhalt einer einzelnen Formulierung des Planfeststellungsbeschlusses bedürfen keiner Vollstreckung, sondern dienten dazu, Missverständnisse und Unklarheiten zu beseitigen.
5 Vollstreckungsbedürftig erscheint dagegen die Verständigung der Kläger und der Beigeladenen hinsichtlich der Klageanträge 2 und 3, bestimmte Maststandorte zu beproben. Die Verpflichtung ist indes nicht ausreichend bestimmt, um vollstreckungsfähig zu sein. Denn sie nimmt zu den Modalitäten auf eine Handlungshilfe Bezug, die der Erklärung nicht beigefügt ist (vgl. OVG Weimar, Urteil vom 17. Dezember 2008 - 1 KO 750/07 - NJOZ 2010, 128 ; OVG Magdeburg, Beschluss vom 12. Juli 2011 - 3 O 475/10 - NVwZ-RR 2012, 126 ) und die eine Vielzahl von Handlungspflichten und Empfehlungen enthält, so dass auch eine die Bestimmtheit allenfalls ausnahmsweise gewährleistende Bezugnahme ausscheidet (vgl. zu Ausnahmefällen BGH, Urteil vom 14. Oktober 1999 - I ZR 117/97 - BGHZ 142, 388 ). Entsprechend unbestimmt bleibt auch die Erklärung zur Notwendigkeit und zum Umfang von Folgemaßnahmen und Art und Weise der Einbindung der Landwirtschaftlichen Untersuchungs- und Forschungsanstalt in die Beprobung. Damit erweisen sich die Erklärungen als nicht aus sich heraus so verständlich, dass für jeden Dritten erkennbar wäre, was der Gläubiger vom Schuldner verlangen kann (vgl. Geimer, in: Zöller, ZPO, 32. Aufl. 2018, § 794 Rn. 14 und Seibel ebd., § 704 Rn. 4).
6 Ausreichend bestimmt ist dagegen die Entfernung der Mastfundamente bei den Masten 6 und 7 der Leitung mit der Bauleitnummer 2351. Für diese bedingte Verpflichtung käme die Erteilung einer Vollstreckungsklausel indes nur unter den Voraussetzungen des § 726 Abs. 1 ZPO in Betracht. Entsprechendes mag für die Hinzuziehung einer bodenkundlichen Baubegleitung erwogen werden, weil sie einen Wunsch der Kläger voraussetzt.
7 Die einzelnen abgegebenen Erklärungen erweisen sich damit zum überwiegenden Teil entweder als nicht vollstreckungsbedürftig, mangels Bestimmtheit als nicht vollstreckungsfähig oder wegen ihrer Bedingtheit mindestens nicht unmittelbar vollstreckungsfähig. In ihrer Gesamtheit sind sie erkennbar nicht für eine Vollstreckbarkeit formuliert. Es kann daher nicht angenommen werden, dass die Beigeladene den Antragstellern insoweit einen Vollstreckungstitel einräumen wollte (vgl. BVerwG, Beschluss vom 27. Oktober 1993 - 4 B 175.93 - Buchholz 310 § 106 VwGO Nr. 17 S. 10), obwohl die Erklärungen nicht in der äußeren Form eines Vergleichs abgegeben worden sind.
8 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 159 Satz 2, § 162 Abs. 3 VwGO.
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