BVerwG 4 B 10.17 , Beschluss vom 27. Juni 2018 | Bundesverwaltungsgericht
Beschluss
BVerwG 4 B 10.17 VG Schleswig - 24.04.2014 - AZ: VG 8 A 64/12 OVG Schleswig - 06.12.2016 - AZ: OVG 1 LB 6/14
In der Verwaltungsstreitsache hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 27. Juni 2018
durch die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Gatz, Petz
und Prof. Dr. Külpmann
beschlossen:
Die Beschwerden der Beklagten und des Beigeladenen gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts vom 6. Dezember 2016 werden zurückgewiesen. Die Beklagte und der Beigeladene tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu je 1/2, ihre außergerichtlichen Kosten tragen die Beklagte und der Beigeladene jeweils selbst. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 45 000 € festgesetzt. Gründe
1 Die allein auf den Zulassungsgrund nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützten Beschwerden der Beklagten und des Beigeladenen gegen die Nichtzulassung der Revision bleiben ohne Erfolg. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung, die ihr die Beschwerden beimessen.
2 Grundsätzlich bedeutsam ist eine Rechtssache, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zugrunde liegenden Einzelfall hinausgehenden, klärungsbedürftigen und entscheidungserheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) zu erwarten ist. In der Beschwerdebegründung muss dargelegt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO), d.h. näher ausgeführt werden, dass und inwieweit eine bestimmte Rechtsfrage des Bundesrechts im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig ist und warum ihre Klärung in dem beabsichtigten Revisionsverfahren zu erwarten ist (stRspr; siehe bereits BVerwG, Beschluss vom 2. Oktober 1961 - 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 ).
3 Als rechtsgrundsätzlich klärungsbedürftig wirft die Beklagte die Fragen auf,
ob eine Typisierung bezogen auf die Zulässigkeit einer Tischlerei im Mischgebiet noch anzuwenden ist, oder ob davon auszugehen ist, dass es heute "die" Tischlerei als klassischen holzverarbeitenden Betrieb so, wie er der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 7. Mai 1971 - 4 C 76.68 - (Buchholz 406.11 § 2 BBauG Nr. 7) zu Grunde lag, angesichts des Strukturwandels nicht mehr gibt und Tischlereien damit zu einer Branche gehören, deren Betriebe eine große Bandbreite unterschiedlicher Typen aufweisen, deren übliche Betriebsformen hinsichtlich des Störgrades derart variieren, dass bei der Vereinbarkeit des Betriebs mit einem Mischgebiet nunmehr die typisierende Betrachtung ausscheidet und stattdessen nur die konkreten Verhältnisse des Tischlereibetriebes im Rahmen einer Einzelfallprüfung zu Grunde zu legen sind,
und ob bei der bauplanungsrechtlichen Beurteilung der Störgrad einer kleinen Tischlerei (Kleinbetrieb für Möbeltischlerei) im Mischgebiet als Ausnahme einer typisierenden Betrachtung dann nicht zu unterwerfen ist, wenn es sich um einen Kleinbetrieb mit weniger als sechs Mitarbeitern handelt, dessen Arbeitsanteile derart verteilt sind, dass ca. 70 % der Arbeiten außer Haus stattfinden, ca. 15 % reine Maschinenarbeit unter Verwendung lärmgeminderter moderner Maschinen in abgeschlossenen Räumen und der Rest keinen Lärm verursachende Tätigkeiten sind, erhebliche Lärmminderungsmaßnahmen getroffen wurden und es sich damit um ein atypisches Vorhaben handelt, bei dem die Vereinbarkeit des Betriebes mit einem Mischgebiet anhand einer Einzelfallprüfung zu erfolgen hat.
4 In die gleiche Richtung zielen die von dem Beigeladenen aufgeworfenen Fragen,
ob der von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 7. Mai 1971 - 4 C 76.68 - Buchholz 406.11 § 2 BBauG Nr. 7) vorgegebene Leitsatz, dass Tischlereibetriebe in Wohngebieten - also auch in Mischgebieten gemäß § 6 BauNVO - als grundsätzlich unzulässige Betriebe eingeordnet werden, unter Beachtung der heute gegebenen Differenzierung von verschiedenen, unterschiedlich umweltbelastenden Tischlereibetrieben und weiterhin unter Beachtung des technischen Fortschritts noch als rechtmäßig erkannt werden kann, da dies unter Berücksichtigung der geänderten Verhältnisse mit der Berufsfreiheit gemäß Art. 12 Abs. 1 GG und dem Gleichbehandlungsgrundsatz gemäß Art. 3 Abs. 1 GG nicht mehr vereinbar ist,
hilfsweise (sinngemäß), ob der Begriff des atypischen Betriebes in Abweichung zur gegenwärtigen Betrachtungsweise in der Weise zu modifizieren ist, dass die für sog. Ein-Mann- und Kleinstbetriebe angenommene Atypik auch auf sog. Kleinbetriebe ausgeweitet werden muss, die mit einer geringen Beschäftigtenzahl vorwiegend im Bereich der Möbeltischlerei tätig sind.
5 Die aufgeworfenen Fragen lassen sich dahin zusammenfassen, dass in einem Revisionsverfahren geklärt werden soll, ob das Tischlereigewerbe bei der Prüfung der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit eines Vorhabens überhaupt noch einer Typisierung zugänglich ist, und - bejahendenfalls - ob Kleinbetriebe für Möbeltischlereien als atypische Fälle aus der Typisierung auszuscheiden sind. Die Fragen rechtfertigen nicht die Zulassung der Revision. Klärungsbedürftige Rechtsfragen werfen die Beschwerdeführer damit nicht auf.
6 1. Dass die bisherige - eingeschränkte - Typisierungslehre (vgl. z.B. BVerwG, Urteile vom 7. Mai 1971 - 4 C 76.68 - Buchholz 406.11 § 2 BBauG Nr. 7 und vom 24. September 1992 - 7 C 7.92 - Buchholz 406.12 § 15 BauNVO Nr. 22) in dem erstrebten Revisionsverfahren einer Verfeinerung oder Fortentwicklung bedürfte, zeigt die Beschwe