BVerwG 4 VR 3.19 , Beschluss vom 30. April 2019 | Bundesverwaltungsgericht
Beschluss
BVerwG 4 VR 3.19 OVG Münster - 18.01.2019 - AZ: OVG 7 B 280/19.NE
In der Verwaltungsstreitsache hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 30. April 2019
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Rubel und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Gatz und Petz
beschlossen:
Der Antrag wird abgelehnt. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5 000 € festgesetzt. Gründe
1 Der Antragsteller erstrebt die vorläufige Außervollzugsetzung des Bebauungsplans Nr. 62430/03 Werthmannstraße in Köln-Lindenthal der Antragsgegnerin. Er ist Miteigentümer des nördlich des Plangebiets gelegenen Grundstücks Werthmannstraße ... Auf seinen Antrag hat das Oberverwaltungsgericht den Bebauungsplan mit Urteil vom 18. Januar 2019 wegen eines Verstoßes gegen § 3 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 BauGB für unwirksam erklärt. Gegen die Nichtzulassung der Revision hat die Antragsgegnerin Beschwerde eingelegt, der das Oberverwaltungsgericht nicht abgeholfen hat. Aufgrund des Nichtabhilfebeschlusses hat das Oberverwaltungsgericht den an ihn gerichteten Eilantrag an das Bundesverwaltungsgericht verwiesen.
2 Das Bundesverwaltungsgericht ist für die Entscheidung über den Eilantrag zuständig. Ob dies bereits wegen des vorinstanzlichen Verweisungsbeschlusses der Fall ist, kann offenbleiben; denn jedenfalls mit Ergehen des Nichtabhilfebeschlusses vom 5. April 2019 ist die Zuständigkeit vom Oberverwaltungsgericht auf das Bundesverwaltungsgericht übergegangen (vgl. Schenke/Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, 24. Aufl. 2018, § 47 Rn. 158).
3 Der Antrag hat keinen Erfolg.
4 Nach § 47 Abs. 6 VwGO kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen geboten ist. Prüfungsmaßstab im Verfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO sind, jedenfalls bei Bebauungsplänen, zunächst die Erfolgsaussichten des in der Sache anhängigen Normenkontrollantrages, soweit sich diese im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes bereits absehen lassen (BVerwG, Beschlüsse vom 25. Februar 2015 - 4 VR 5.14 - ZfBR 2015, 381 Rn. 12 und vom 16. September 2015 - 4 VR 2.15 - BRS 83 Nr. 58 = juris Rn. 4). Ergibt diese Prüfung, dass der Normenkontrollantrag voraussichtlich unzulässig oder unbegründet sein wird, ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht im Sinne von § 47 Abs. 6 VwGO zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten. Erweist sich dagegen, dass der Antrag nach § 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO zulässig und (voraussichtlich) begründet sein wird, so ist dies ein wesentliches Indiz dafür, dass der Vollzug des Bebauungsplans bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache suspendiert werden muss. In diesem Fall kann eine einstweilige Anordnung ergehen, wenn dessen (weiterer) Vollzug vor einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren Nachteile befürchten lässt, die unter Berücksichtigung der Belange des Antragstellers, betroffener Dritter und/oder der Allgemeinheit so gewichtig sind, dass eine vorläufige Regelung mit Blick auf die Wirksamkeit und Umsetzbarkeit einer für den Antragsteller günstigen Hauptsacheentscheidung unaufschiebbar ist. Lassen sich die Erfolgsaussichten des Normenkontrollverfahrens nicht abschätzen, ist über den Erlass einer beantragten einstweiligen Anordnung im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden: Gegenüberzustellen sind die Folgen, die eintreten würden, wenn eine einstweilige Anordnung nicht erginge, der Normenkontrollantrag aber Erfolg hätte, und die Nachteile, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, der Antrag nach § 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO aber erfolglos bliebe. Die für den Erlass der einstweiligen Anordnung sprechenden Erwägungen müssen die gegenläufigen Interessen dabei deutlich überwiegen, mithin so schwer wiegen, dass der Erlass der einstweiligen Anordnung - trotz offener Erfolgsaussichten der Hauptsache - dringend geboten ist.
5 Hieran gemessen ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht dringend geboten.
6 Entgegen der Ansicht des Antragstellers streitet nicht für eine Suspendierung des Vollzugs des umstrittenen Bebauungsplans, dass sein Normenkontrollantrag erstinstanzlich Erfolg hatte. Nach dem Wechsel der Zuständigkeit für das Eilverfahren kommt es auf die Erfolgsaussichten der Nichtzulassungsbeschwerde der Antragsgegnerin und die Einschätzung des Senats an, ob das zu Lasten der Antragsgegnerin ergangene Urteil nach § 133 Abs. 5 Satz 3 VwGO rechtskräftig werden wird.
7 Der Senat sieht sich derzeit nicht imstande, den Ausgang des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde zu prognostizieren. Es ist nicht offensichtlich, dass die Beschwerde der Antragsgegnerin die Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO an die Darlegung des geltend gemachten Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) verfehlt. Ob die Beschwerde - möglicherweise wegen nachträglicher Divergenz nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO - Erfolg haben wird, hängt von dem Ausgang des Verfahrens 4 CN 7.18 ab, über das am 6. Juni 2019 mündlich verhandelt werden soll und in dem der Senat im Anschluss an sein Urteil vom 18. Juli 2013 - 4 CN 3.12 - (BVerwGE 147, 206 Rn. 13 ff.) die Anforderungen weiter klären will, die § 3 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 BauGB an die Angaben dazu stellt, welche Arten umweltbezogener Informationen verfügbar sind (vgl. auch BVerwG, Urteil vom 17. Mai 2018 - 4 CN 9.17 - ZfBR 2018, 681 Rn. 21 ff.).
8 Der Senat vermag der Antragsbegründung nicht zu entnehmen, dass trotz offener Erfolgsaussichten der Hauptsache der Erlass einer einstweiligen Anordnung dringend geboten ist. Dem Antragsteller geht es darum, die Erteilung von Baugenehmigungen an die Beigeladene zu verhindern. Dieses Interesse rechtfertigt den Erlass der beantragten einstweiligen Anordnung derzeit nicht, weil die Beigeladene bislang keine Baugenehmigungen beantragt hat und nach ihrem Vortrag auch nicht damit zu rechnen ist, dass dies bis Mitte Juni 2019 geschieht. Dahingestellt bleiben kann, ob der Eilantrag auch deshalb abzulehnen ist, weil dem Antragsteller zugemutet werden kann, künftige Baugenehmigungen anzufechten und um vorläufigen Rechtsschutz nach § 80a VwGO nachzusuchen (bejahend von Albedyll, in: Bader/Funke-Kaiser/Stuhlfauth/von Albedyll, VwGO, 7. Aufl. 2018, § 47 Rn. 143; Redeker/von Oertzen, VwGO, 16. Aufl. 2014, § 47 Rn. 49; Schenke/Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, 24. Aufl. 2018, § 47 Rn. 152; verneinend Schoch, in: Schoch/Schneider/Bier, § 47 Rn. 141), oder der Bebauungsplan - unterstellt - an einem Verfahrensfehler leidet, der geheilt werden kann und nach dem Vorbringen der Antragsgegnerin auch geheilt werden soll (vgl. dazu OVG Lüneburg, Beschluss vom 25. Februar 2014 - 1 MN 245/13 - NVwZ-RR 2014, 463 .
9 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 52 Abs. 1 GKG, § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG. Dabei legt der Senat für das Eilverfahren die Hälfte des Streitwerts im Hauptsacheverfahren zugrunde (vgl. Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit, abgedruckt bei Redeker/von Oertzen, VwGO, 16. Aufl. 2014, § 165 Rn. 19).
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