BVerwG 9 A 3.06 , Urteil vom 12. März 2008 | Bundesverwaltungsgericht
Karar Dilini Çevir:
BVerwG 9 A 3.06 , Urteil vom 12. März 2008 | Bundesverwaltungsgericht
Urteil
BVerwG 9 A 3.06
In der Verwaltungsstreitsache hat der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 27. und 28. Februar 2008
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Storost,
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Vallendar, Dr. Nolte und Domgörgen sowie die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Buchberger
am 12. März 2008 für Recht erkannt:
Der Änderungs- und Ergänzungsplanfeststellungsbeschluss vom 28. Februar 2008 wird insoweit aufgehoben, als er unter B.1 für bestimmte Flächen des Lebensraumtyps 6510 die erste Mahd auf die Zeit vom 1. bis 15. Juni vorverlegt und für bestimmte Flächen des Lebensraumtyps 6410 eine zusätzliche Mahd für Mitte Juni anordnet. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. Gründe I
1 Der Kläger wendet sich als ein im Land Hessen anerkannter Naturschutzverein gegen den Planfeststellungsbeschluss des Beklagten vom 5. April 2001 i.d.F. der Änderungs- und Ergänzungsplanfeststellungsbeschlüsse vom 22. Dezember 2005 und 28. Februar 2008 für den Neubau der Bundesautobahn A 44, Teilabschnitt Hessisch Lichtenau-West bis Hessisch Lichtenau-Mitte (Verkehrskosteneinheit - VKE - 20).
2 Die geplante Autobahn soll eine Lücke im Netz der Bundesautobahnen auf der Achse Ruhrgebiet - Kassel - Dresden zwischen der A 7 bei Kassel und der A 4 bei Eisenach schließen. Im planfestgestellten Abschnitt wird die Trasse nördlich um Hessisch Lichtenau herumgeführt. Beginnend im Westen überquert sie das Steinbachtal auf einer Brücke, wird über die Anschlussstelle Hessisch Lichtenau-West mit der in Ost-West-Richtung durch Hessisch Lichtenau führenden B 7 verknüpft und durchquert dann teils in Tunnel-, teils in Tieflage den Schulberg und das Lichtenauer Hochland. Nach Osten schließt sich der bereits bestandskräftig planfestgestellte Abschnitt der Verkehrskosteneinheit (VKE) 31 mit der Anschlussstelle Hessisch Lichtenau-Ost an, in der die A 44 ebenfalls mit der B 7 verknüpft wird. Dieser Abschnitt ist bis auf das Teilstück zwischen der VKE 20 und der vorgenannten Anschlussstelle bereits fertiggestellt.
3 Die geplante Autobahn zählt zu den „Verkehrsprojekten Deutsche Einheit“ und ist im Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen als vierstreifige Autobahn in der Kategorie des vordringlichen Bedarfs ausgewiesen. Darüber hinaus bildet sie einen Bestandteil des von der Europäischen Gemeinschaft geplanten „Transeuropäischen Straßennetzes“.
4 Bei dem Lichtenauer Hochland handelt es sich um eine durch artenreiche Feucht- und Mähwiesen, Halbtrockenrasen und Quellbereiche geprägte Mittelgebirgslandschaft, die von der Europäischen Kommission am 7. Dezember 2004 unter der Ordnungsnummer DE 4724-304 in die Liste der Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung aufgenommen worden ist. In der zugrunde liegenden Gebietsmeldung vom 7. September 2001/22. April 2003 sind u.a. die Lebensraumtypen Pfeifengraswiesen auf kalkreichem Boden und Lehmboden (Code-Nr. 6410), extensive Mähwiesen der planaren bis submontanen Stufe (Code-Nr. 6510) und Kalktuffquellen (Code-Nr. 7220 - prioritär) sowie die Schmetterlingsart Dunkler Wiesenknopf-Ameisenbläuling (Maculinea nausithous - Code-Nr. 1065) aufgeführt. Durch Verordnung des Hessischen Ministeriums für Umwelt, ländlichen Raum und Verbraucherschutz vom 16. Januar 2008 (GVBl S. 30), die erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung in Kraft getreten ist (§ 5), ist das Lichtenauer Hochland als besonderes Schutzgebiet i.S.d. Art. 1 Buchst. l der Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. März 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen (ABl EG Nr. L 206 S. 7) - Habitatrichtlinie - FFH-RL - festgesetzt worden. Südlich und südöstlich von Hessisch Lichtenau liegen weitere Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung, darunter das erst während des jetzigen Klageverfahrens gelistete und gleichfalls mit der vorbezeichneten Rechtsverordnung ausgewiesene Gebiet „Glimmerode und Hambach bei Hessisch Lichtenau“. Andere FFH-Gebiete schließen sich im Zuge der weiteren Planungsabschnitte an.
5 Die geplante Trassenführung entspricht der Vorschlagslinie der Hessischen Straßenbauverwaltung im Raumordnungsverfahren für den Abschnitt Hessisch Lichtenau der A 44. Diese Linie wurde in der abschließenden Landesplanerischen Beurteilung vom Dezember 1996 gebilligt. Die Linienbestimmung erfolgte im Dezember 1997.
6 Im Zuge des ursprünglichen Planfeststellungsverfahrens erhob der Kläger Einwendungen gegen den Plan. Er machte u.a. geltend, die Planung widerspreche den Vorgaben des FFH-Rechts. Die Alternativenprüfung genüge nicht den rechtlichen Anforderungen.
7 Im Planfeststellungsbeschluss vom 5. April 2001 wurden diese Einwendungen zurückgewiesen: Das Vorhaben sei zwar mit erheblichen Beeinträchtigungen von FFH-relevanten Lebensraumtypen verbunden, werde aber durch zwingende Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses gerechtfertigt. Die Planungsziele, zu denen auch eine weitgehende Entlastung der benachbarten Ortsdurchfahrten gehöre, ließen sich mit einer alternativen Trassenführung nicht erreichen. Jedenfalls gebe es südlich von Hessisch Lichtenau keine aus umweltrechtlicher Sicht bessere Alternative.
8 Auf die vom Kläger dagegen erhobene Klage stellte das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 17. Mai 2002 - BVerwG 4 A 28.01 - (BVerwGE 116, 254) fest, dass der Planfeststellungsbeschluss vom 5. April 2001 rechtswidrig sei und nicht vollzogen werden dürfe. Der Beschluss trage den FFH-rechtlich gebotenen Anforderungen an eine Alternativenprüfung nicht ausreichend Rechnung. Dass das mit dem Vorhaben neben einem Lückenschluss im Autobahnnetz verfolgte weitere Ziel, Ortsdurchfahrten in Hessisch Lichtenau und den Nachbarorten zu entlasten, mit der planfestgestellten Nordtrasse wirkungsvoller erreicht werden könne als mit einer Südumfahrung, rechtfertige es entgegen der Auffassung des Beklagten nicht, Letztere aus der Alternativenprüfung auszuklammern. Soweit der Beklagte eine Südumfahrung immerhin hilfsweise berücksichtigt habe, sei die Prüfung zu undifferenziert; die Beeinträchtigungspotenziale in dem einen und dem anderen Schutzgebiet seien unbesehen gleichgesetzt worden. Der dem Beklagten bei der Alternativenprüfung unterlaufene Fehler nötige hingegen nicht zur Aufhebung der Planungsentscheidung, weil sich nicht ausschließen lasse, dass die Mängel des Planfeststellungsbeschlusses in einem ergänzenden Verfahren behoben werden könnten.
9 In der Folgezeit überarbeitete der Vorhabenträger seine Planung. Die Bestandsdaten wurden für die Nordtrasse aktualisiert und für den Untersuchungsraum im Süden neu erhoben. Zugleich wurden die hydrogeologischen Verhältnisse im Lichtenauer Hochland vertieft untersucht mit dem Ergebnis, dass entgegen früheren Annahmen die Pfeifengraswiesen grundwasserabhängig sind. Infolgedessen wurde das Vorhaben umgeplant, um schädigende Grundwasserabsenkungen zu vermeiden. Die überarbeiteten Pläne sehen vor, den Schulbergtunnel von 305 m auf 700 m zu verlängern. Davon sollen bei gleichbleibender Trassenlage und Gradiente 10 m in offener, 360 m druckwasserhaltend in bergmännischer und 330 m als wasserdichtes Rahmenbauwerk in Deckelbauweise ausgeführt werden. Aufgrund der veränderten Rahmenbedingungen ergab die ebenfalls überarbeitete FFH-Verträglichkeitsuntersuchung für die Nordtrasse, dass die Erhaltungsziele des FFH-Gebiets „Lichtenauer Hochland“ im Gegensatz zur Ursprungsplanung nicht erheblich beeinträchtigt würden. Eine vorsorglich als Grundlage für einen Alternativenvergleich durchgeführte Verträglichkeitsuntersuchung der Südlinie führte zu dem Ergebnis, diese Linie sei mit erheblichen Beeinträchtigungen der Erhaltungsziele des Gebiets „Glimmerode und Hambach bei Hessisch Lichtenau“ verbunden.
10 Im Anhörungsverfahren für die geänderte Baumaßnahme machte der Kläger mit Schreiben vom 22. März 2005 fristgerecht von der Möglichkeit zur Äußerung Gebrauch: Die Planung verstoße gegen die dem Gebiets- und Artenschutz dienenden Vorschriften des europäischen und deutschen Rechts. Sie lasse unberücksichtigt, dass das Gebiet um Hessisch Lichtenau als faktisches Vogelschutzgebiet zu qualifizieren sei. Die FFH-Verträglichkeitsuntersuchung sei in vielfacher Hinsicht mangelhaft. Die Erhaltungsziele des FFH-Gebiets „Lichtenauer Hochland“ seien unzulässig eingeengt worden. Bei der Kartierung seien Lebensräume und charakteristische Arten fehlerhaft erfasst und bewertet worden. Sowohl die bau- und anlagebedingten als auch die Reichweite der betriebsbedingten Beeinträchtigungen seien völlig unzureichend ermittelt worden. Fehleinschätzungen beträfen insbesondere die bau- und anlagebedingten Auswirkungen auf das Grundwasser, die Bewertung der eintretenden Flächenverluste, Schadstoffbelastungen und Trennwirkungen für die geschützten Gebietsbestandteile sowie Fehlbeurteilungen der vorgesehenen Kompensationsmaßnahmen. Die Alternativenprüfung sei weiterhin unzureichend, und zwar sowohl hinsichtlich einer Linienführung südlich von Hessisch Lichtenau als auch hinsichtlich möglicher Varianten nördlich der Stadt. Ein überwiegendes öffentliches Interesse, das trotz der erheblichen Beeinträchtigung des FFH-Gebiets durch das Projekt dessen Realisierung rechtfertigen könnte, sei den Planunterlagen nicht zu entnehmen, zumal die Planung überholte Verkehrsprognosen zugrunde lege. Der Artenschutzrechtliche Fachbeitrag gehe von unzutreffenden rechtlichen Annahmen aus und enthalte Untersuchungsdefizite.
11 Mit Beschluss vom 22. Dezember 2005 änderte und ergänzte der Beklagte den ursprünglichen Planfeststellungsbeschluss: Dem Vorhabenträger wurden Befreiungen von artenschutzrechtlichen Verboten des § 42 Abs. 1 Nr. 1 und 2 BNatSchG in der bei Erlass maßgeblichen Fassung erteilt. Darüber hinaus wurden ihm zum Schutz grundwasserabhängiger Biotope vor den Risiken des Tunnelbaus ein hydrogeologisches Beweissicherungsverfahren und hierdurch ggf. veranlasste Sicherungsmaßnahmen aufgegeben. Die Einwendungen des Klägers wies der Beklagte in dem Beschluss zurück: Eine Ausweisung des Lichtenauer Beckens als Vogelschutzgebiet sei zu Recht unterblieben, da dieser Bereich nicht den Auswahlkriterien des einschlägigen hessischen Fachkonzepts entspreche. Die durchgeführte FFH-Verträglichkeitsuntersuchung gebe keinen Anlass zu Beanstandungen. Die in den Standard-Datenbögen festgelegten Erhaltungsziele für das FFH-Gebiet „Lichtenauer Hochland“ seien umfassend berücksichtigt worden. Soweit es durch Flächeninanspruchnahme, Veränderungen des Bodenwasserhaushalts, Zerschneidung und Schadstoffeinwirkungen zu Gebietsbeeinträchtigungen kommen könne, verblieben diese infolge der vorgesehenen Schutzmaßnahmen unterhalb der Erheblichkeitsschwelle. Die gleichwohl vorsorglich durchgeführte Alternativenprüfung belege, dass es weder südlich noch nördlich von Hessisch Lichtenau eine unter dem Aspekt des FFH-Gebietsschutzes schonendere Streckenführung gebe. Das Vorhaben sei auch vereinbar mit den besonderen Anforderungen des deutschen und europäischen Artenschutzrechts. Soweit Verbotstatbestände verwirklicht seien, trage der Beschluss dem durch die erteilten Befreiungen Rechnung. Bei einer Gesamtabwägung setze sich der Bedarf für das Vorhaben gegenüber den widerstreitenden Belangen durch. Die Zulassung scheitere auch nicht an überwindbaren Hindernissen für das Gesamtprojekt der A 44; ausweislich der als Nachtrag durchgeführten Dach-Verträglichkeitsprüfung ergäben sich solche Hindernisse namentlich nicht aus dem Habitat- und Artenschutzrecht.
12 Gegen den Planfeststellungsbeschluss i.d.F. des Änderungs- und Ergänzungsbeschlusses vom 22. Dezember 2005 hat der Kläger fristgerecht Klage erhoben.
13 Auf Antrag des Vorhabenträgers hat der Beklagte im Vorfeld der mündlichen Verhandlung erneut ein ergänzendes Verfahren eingeleitet mit dem Ziel, etwaige Mängel des Planfeststellungsbeschlusses zu beheben. Der Kläger hat von der ihm mit Schreiben vom 12. Februar 2008 eingeräumten Möglichkeit, hierzu bis zum Beginn der mündlichen Verhandlung am 27. Februar 2008 Stellung zu nehmen, Gebrauch gemacht. In der mündlichen Verhandlung hat der Beklagte den Planfeststellungsbeschluss durch Beschluss vom 28. Februar 2008 wiederum geändert und ergänzt: Die Auflage zur hydrogeologischen Beweissicherung ist um die Anordnung eines Risikomanagements ergänzt worden, das ausschließen soll, dass Abweichungen von den prognostizierten Auswirkungen des Tunnelbaus auf die Grundwasserverhältnisse zu einer Schädigung der grundwasserabhängigen Pfeifengraswiesen führen. Die bereits vorher geplanten Schadensvermeidungsmaßnahmen sind modifiziert und ergänzt worden mit dem Ziel, den Stickstoffeintrag zu vermindern, den Habitatansprüchen des Dunklen Wiesenknopf-Ameisenbläulings zu entsprechen und für den Fall der FFH-Unverträglichkeit des Vorhabens dem Erfordernis der Kohärenzsicherung Rechnung zu tragen. Für diesen Fall hat der Beklagte die Zulassung hilfsweise auf eine Abweichung vom Verbot der Unzulässigkeit erheblich beeinträchtigender Projekte gestützt. Ferner sind in dem Beschluss Ausnahmen von den artenschutzrechtlichen Verboten des § 42 Abs. 1 Nr. 1 und 3 BNatSchG in seiner aktuell geltenden Fassung für den Dunklen Wiesenknopf-Ameisenbläuling und von dem Verbot des § 42 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG gleicher Fassung für näher bezeichnete Vogelarten erteilt sowie Konkretisierungen der zugunsten der geschützten Arten vorgesehenen Vermeidungs- und Ausgleichsmaßnahmen vorgenommen worden.
14 Der Kläger hat diesen Beschluss in sein Klagebegehren einbezogen und von der Gelegenheit Gebrauch gemacht, in einem nachgelassenen Schriftsatz hierzu Stellung zu nehmen.
15 Zur Begründung seiner Klage macht er geltend: Der Planfeststellungsbeschluss leide in mehrfacher Hinsicht an Verfahrensfehlern. Insbesondere sei die im Linienbestimmungsverfahren unterbliebene FFH-Verträglichkeitsprüfung der Gesamtplanung auch im Planfeststellungsverfahren nicht nachgeholt worden. Darüber hinaus widerspreche der Beschluss den einschlägigen arten- und gebietsschutzrechtlichen Regelungen. Dass das Lichtenauer Becken ein faktisches Vogelschutzgebiet sei, folge aus den vom Beklagten selbst in seinem Vogelschutzkonzept entwickelten Kriterien. Die FFH-Verträglichkeitsuntersuchung weise gravierende Mängel schon bei der Bestandserfassung und -bewertung geschützter Lebensraumtypen und Arten auf; eine noch vor Erlass des Ergänzungsbeschlusses vom 22. Dezember 2005 vorgelegte Grunddatenerfassung bestätige, dass geschützte Gebietsbestandteile im Einwirkungsbereich der Trasse in der Verträglichkeitsuntersuchung nur ganz unvollständig ermittelt worden seien. Auch die Dimension der Beeinträchtigungen geschützter Lebensraumtypen und Arten sei verkannt worden. Das gelte für die Flächenverluste an Pfeifengraswiesen und extensiven Mähwiesen sowie Habitatflächen des Dunklen Wiesenknopf-Ameisenbläulings ebenso wie für die Trennwirkungen auf diese Lebensraumtypen und Arten. Die Gutachten zur Beurteilung der hydrogeologischen Auswirkungen des Tunnelbaus seien unbrauchbar. Die Stickstoffbelastungen der Pfeifengraswiesen und extensiven Mähwiesen seien weit unterschätzt worden; tatsächlich seien Schädigungen der Pfeifengraswiesen in einem Belastungsband von mehr als 500 m zu erwarten. Diese Mängel der Verträglichkeitsprüfung infizierten zwangsläufig die nachgeholte Abweichungsprüfung. Auch unabhängig davon seien die vom Beklagten in seiner Abwägung angeführten öffentlichen Interessen an der Realisierung des Vorhabens weder zwingende Gründe noch überwögen sie das gegenläufige Interesse am Habitatschutz. Die Annahme des Beklagten, südlich von Hessisch Lichtenau gebe es keine habitatrechtlich günstigere Trassenalternative, erweise sich vor allem deshalb als unzutreffend, weil sie vorhandene Optimierungsmöglichkeiten verkenne. Aber auch die vorgeschlagene nördliche Trassenvariante, die Bahngelände in Anspruch nehme, sei vorzugswürdig. Rechtliche Hindernisse stünden ihr nach Stilllegung der Eisenbahnstrecke nicht entgegen. Die nunmehr vorgesehenen Kohärenzsicherungsmaßnahmen seien ungeeignet und verstärkten teilweise sogar die Beeinträchtigungen. Ausnahmen von artenschutzrechtlichen Verboten seien erteilt worden, ohne die dafür notwendigen Ermittlungen durchzuführen.
16 Der Kläger beantragt, den Planfeststellungsbeschluss des Beklagten vom 5. April 2001 i.d.F. des Änderungs- und Ergänzungsbeschlusses vom 22. Dezember 2005 sowie des weiteren Änderungs- und Ergänzungsbeschlusses vom 28. Februar 2008 aufzuheben, hilfsweise, ihn für rechtswidrig und nicht vollziehbar zu erklären.
17 Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
18 Er macht geltend: Auf der Grundlage der methodisch einwandfrei durchgeführten FFH-Verträglichkeitsuntersuchung sei im Planfeststellungsbeschluss zu Recht eine erhebliche Gebietsbeeinträchtigung verneint worden. Die nachträglich durchgeführte Grunddatenerfassung habe bei Erlass des Ergänzungsbeschlusses vom 22. Dezember 2005 noch nicht berücksichtigt werden können, da sie sich damals noch im Entwurfsstadium befunden und der Planfeststellungsbehörde nicht bekannt gewesen sei. Im Übrigen belege sie keine unzureichende Erfassung und Bewertung von Lebensraumtypen, sondern vielmehr die besondere Dynamik der in dem Gebiet stattfindenden Veränderungen. Selbst wenn man aber von einer erheblichen Gebietsbeeinträchtigung durch Flächenverluste, Zerschneidungswirkungen und Schadstoffbelastungen ausgehe, habe das Vorhaben jedenfalls im Wege der Abweichung zugelassen werden dürfen. Geeignete und zumutbare Alternativen stünden sowohl aus naturschutzfachlichen als auch aus naturschutzexternen Gründen nicht zur Verfügung. Unter den im Lichtenauer Hochland herrschenden Bedingungen seien die angeordneten Kohärenzsicherungsmaßnahmen geeignet, die Gebietsbeeinträchtigungen zu kompensieren. Artenschutzrechtlich sei das Vorhaben aufgrund der erteilten Befreiungen und Ausnahmen unbedenklich. II
19 A. Zulässigkeit der Klage
20 Die Klage ist zulässig.
21 Das Bundesverwaltungsgericht ist nach § 5 Abs. 1 i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 VerkPBG für diesen Rechtsstreit erstinstanzlich zuständig. Der Abschnitt, der den Gegenstand des angefochtenen Planfeststellungsbeschlusses bildet, ist Teil der Autobahnverbindung „A 4/A 44 zwischen der Landesgrenze Thüringen und der A 7 bei Kassel“, die durch Art. 1 der Verordnung vom 28. November 2000 (BGBl I S. 1678) unter der Nr. 22 in § 2 der Fernverkehrswegebestimmungsverordnung vom 3. Juni 1992 (BGBl I S. 1014) aufgenommen worden ist.
22 Der Kläger ist klagebefugt. Entgegen den vom Beklagten geäußerten Bedenken ergibt sich seine Klagebefugnis aus § 61 BNatSchG, der u.a. den aufgrund landesrechtlicher Vorschriften i.S.d. § 60 BNatSchG anerkannten Naturschutzvereinen das Recht einräumt, ohne eigene Rechtsverletzung Rechtsbehelfe gegen Planfeststellungsbeschlüsse einzulegen, die mit Eingriffen in Natur und Landschaft verbunden sind.
23 Der Wortlaut des § 61 BNatSchG sowie sein systematischer Zusammenhang mit § 69 Abs. 7 Satz 1 BNatSchG sprechen zwar dafür, dass Anknüpfungspunkt der durch § 61 BNatSchG vermittelten Klagebefugnis grundsätzlich nur eine Anerkennung nach neuem Recht ist (vgl. Senatsbeschluss vom 31. Juli 2006 - BVerwG 9 VR 11.06 - Buchholz 406.400 § 61 BNatSchG 2002 Nr. 6 Rn. 7 mit kritischer Anmerkung Louis, ZUR 2006, 589; OVG Bautzen, Beschluss vom 8. Dezember 2005 - 5 BS 184/05 - LKV 2006, 364). Der Kläger ist hingegen unter der Geltung der Vorgängerregelung des § 29 BNatSchG in der bis zum 3. April 2002 geltenden Fassung (BNatSchG a.F.) anerkannt worden, was nach Ablauf der in § 69 Abs. 7 Satz 1 BNatSchG bezeichneten Übergangsfrist an sich nicht mehr ausreichen dürfte. Dies ist aber unschädlich, da die Altanerkennung durch § 47 Abs. 3 Satz 1 des Hessischen Naturschutzgesetzes vom 4. Dezember 2006 (GVBl I S. 619) - HeNatG - in eine solche nach neuem Recht überführt worden ist. Dass die Überleitung nicht an eine einzelfallbezogene Prüfung der Anerkennungsvoraussetzungen geknüpft ist, stellt ihre Vereinbarkeit mit der rahmenrechtlichen Regelung des § 60 Abs. 1 und 3 BNatSchG nicht infrage. Haben Vereine bereits ein auf die früheren Anerkennungsvoraussetzungen ausgerichtetes Anerkennungsverfahren durchlaufen, so liegt es im Ermessen des Landesgesetzgebers, das prozessual zu berücksichtigen. Ein Verzicht auf eine verwaltungsseitige Prüfung der nunmehr geltenden Anerkennungsvoraussetzungen ist von dem rahmenrechtlichen Regelungsauftrag gedeckt, soweit alte und neue Anerkennungsvoraussetzungen inhaltlich übereinstimmen. Dies trifft für § 60 Abs. 3 i.V.m. § 59 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 4 bis 6 BNatSchG bzw. § 47 Abs. 1 Nr. 1 und 4 bis 6 HeNatG einerseits und § 29 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 und 3 bis 5 BNatSchG a.F. andererseits zu. Die Übereinstimmung umfasst auch die Ausformungen des Jedermann-Prinzips in Nr. 5 der Altregelung und Nr. 6 der Neuregelungen; Letztere haben dieses Prinzip nicht verschärft, sondern nur präzisiert (vgl. die Begründung des Gesetzentwurfs, BTDrucks 14/6378 S. 59). Unschädlich ist, dass die Überleitungsregelung bei Prozessbeginn noch nicht in Kraft getreten war; es genügte, dass die Klagebefugnis als Sachurteilsvoraussetzung im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vorlag (vgl. Beschluss vom 16. Dezember 1992 - BVerwG 7 B 180.92 - Buchholz 316 § 76 VwVfG Nr. 7 S. 6).
24 Die Klagebefugnis scheitert auch nicht an § 61 Abs. 1 Satz 2 BNatSchG, der das Vereinsklagerecht für den Fall ausschließt, dass der angefochtene Verwaltungsakt aufgrund einer Entscheidung in einem verwaltungsgerichtlichen Streitverfahren erlassen worden ist (sog. Zweitklageverbot). Eine Auslegung der Norm, die jeglichen gerichtlichen Rechtsschutz der Naturschutzvereine gegen behördliche Entscheidungen ausschlösse, die im Gefolge verwaltungsgerichtlicher Entscheidungen ergehen, wäre mit dem Sinn und Zweck des § 61 Abs. 1 BNatSchG unvereinbar. Die Ausschlussregelung in Satz 2 soll eine Doppelbefassung des Gerichts verhindern (vgl. die Begründung des Gesetzentwurfs, BTDrucks 14/6378 S. 61). Mit dieser Zielrichtung erweist sie sich als Ergänzung des Instituts der materiellen Rechtskraft (vgl. Müller/Stöckel, Naturschutzrecht, 2. Auflage 2003, § 61 Rn. 10). Die Rechtskraft wirkt zwischen den Beteiligten eines gerichtlichen Verfahrens. § 61 Abs. 1 Satz 2 BNatSchG dehnt ihre Bindungswirkung auf an jenem Verfahren nicht beteiligte Naturschutzvereine aus. Verwaltungsakte, die auf Verpflichtungsurteile in Klageverfahren Dritter hin erlassen werden, können deshalb von ihnen nicht angefochten werden. Ergeht dagegen im gerichtlichen Verfahren ein Bescheidungsurteil oder ein Feststellungsurteil, mit dem die Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit eines Planfeststellungsbeschlusses festgestellt wird, so verbleiben der Planfeststellungsbehörde für ihre erneute Entscheidung in dem durch das Urteil abgesteckten Rahmen mehr oder weniger weite, von der Rechtskraftwirkung nicht erfasste Spielräume. Soweit die neue behördliche Entscheidung diese Spielräume ausfüllt, steht unter dem Blickwinkel des § 61 Abs. 1 Satz 2 BNatSchG ebenso wenig eine gerichtliche Doppelbefassung in Rede wie unter dem der Rechtskraft; die Ausschlussregelung findet deshalb insoweit keine Anwendung. Ausgehend von diesem Verständnis des § 61 Abs. 1 Satz 2 BNatSchG kann die Vorschrift dem Kläger gegenüber schon deshalb nicht zum Tragen kommen, weil er das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 17. Mai 2002 selbst erstritten hat, die Bindungswirkung des Urteils ihm gegenüber sich also unmittelbar nach den Grundsätzen der Rechtskraft richtet.
25 Die materielle Rechtskraft des im Vorprozess ergangenen Urteils stellt kein Prozesshindernis für die vorliegende Klage dar. Durch die Änderungs- und Ergänzungsbeschlüsse hat der ursprüngliche Planfeststellungsbeschluss seine Gestalt verändert; ursprünglicher Beschluss und ergänzende Beschlüsse sind zu einer einheitlichen Planungsentscheidung verschmolzen (vgl. Urteil vom 23. Januar 1981 - BVerwG 4 C 68.78 - BVerwGE 61, 307 ; Beschluss vom 20. Dezember 1991 - BVerwG 4 C 25.90 - Buchholz 316 § 76 VwVfG Nr. 4 S. 3), gegen die sich das neue Klagebegehren richtet. Mithin unterscheiden sich die Streitgegenstände des alten und des neuen Verfahrens.
26 Dies gilt auch, soweit der Kläger über die Feststellung der Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit des Planfeststellungsbeschlusses in der ergänzten Fassung hinaus dessen Aufhebung begehrt. Zwar ist mit dem Urteil vom 17. Mai 2002 ein Aufhebungsanspruch des Klägers hinsichtlich des ursprünglichen Planfeststellungsbeschlusses rechtskräftig verneint worden. Dadurch wird ein erneutes Aufhebungsbegehren aber nicht gehindert; denn Gegenstand der ergänzenden Verfahren und der sie abschließenden Beschlüsse waren auch aufhebungsrelevante Gesichtspunkte der Planungsentscheidung wie die im Zuge des ersten ergänzenden Verfahrens anhand eines Nachtrags zur FFH-Gesamtbetrachtung neu beurteilte Frage, ob der Autobahnplanung in weiteren Abschnitten von vornherein unüberwindliche Planungshindernisse entgegenstehen. Ebenso enthalten die Änderungs- und Ergänzungsbeschlüsse die Anordnung zusätzlicher Maßnahmen, die einer isolierten Aufhebung zugänglich sein können.
27 B. Begründetheit der Klage
28 Die Klage ist jedoch im Wesentlichen unbegründet. Erfolg hat sie nur mit dem Aufhebungsbegehren, soweit der Änderungs- und Ergänzungsbeschluss vom 28. Februar 2008 unter B.1 für bestimmte Flächen des Lebensraumtyps (LRT) 6510 die erste Mahd auf die Zeit vom 1. bis 15. Juni vorverlegt und für bestimmte Flächen des LRT 6410 eine zusätzliche erste Mahd für Mitte Juni anordnet. Im Übrigen leidet der Planfeststellungsbeschluss an keinem Rechtsfehler, den der Kläger nach § 61 Abs. 2 Nr. 1 BNatSchG mit der Folge einer Aufhebung des Beschlusses oder der Feststellung seiner Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit geltend machen kann.
29 1.  Verfahren
30 Verfahrensmängel, die dem Aufhebungsbegehren oder dem hilfsweise geltend gemachten Feststellungsbegehren zum Erfolg verhelfen würden, haften dem Planfeststellungsbeschluss nicht an.
31 1.1 Der Beklagte war nicht gehindert, über die Behebung von Mängeln des ursprünglichen Planfeststellungsbeschlusses in einem ergänzenden Verfahren zu entscheiden. Zwar lassen sich in einem solchen Verfahren nur Mängel beheben, die nicht von solcher Art und Schwere sind, dass sie die Planung als Ganzes von vornherein infrage stellen (Urteile vom 21. März 1996 - BVerwG 4 C 19.94 - BVerwGE 100, 370 und vom 21. Juni 2006 - BVerwG 9 A 28.05 - BVerwGE 126, 166 ). Dies ist hier aber nicht der Fall. Dem Beklagten ging es im ersten ergänzenden Verfahren darum, den vom Bundesverwaltungsgericht beanstandeten Alternativenvergleich nunmehr ordnungsgemäß durchzuführen und außerdem auf nachträglich erkannte Fehleinschätzungen vor allem der hydrogeologischen Verhältnisse im Lichtenauer Hochland durch Planänderungen zu reagieren. Das zweite ergänzende Verfahren diente dazu, Defizite der FFH-Verträglichkeitsprüfung zu beheben, eine ordnungsgemäße Abweichungsprüfung durchzuführen und die artenschutzrechtliche Prüfung zu vervollständigen. Nicht nur zur Behebung gerichtlich beanstandeter, sondern auch zur Heilung selbst festgestellter Fehler kann ein ergänzendes Verfahren eingesetzt werden. Obgleich die Ergänzungs- und Änderungsbeschlüsse eine beträchtliche Zahl von Mängeln heilen sollten und die zu diesem Zweck zugelassenen Änderungen des Planungsvorhabens (insbesondere die Tunnelverlängerung) durchaus gravierender Art waren, ging es doch nur um Planungsdetails. Das durch die der A 44 im Fernstraßennetz zugewiesene Funktion und die unveränderte Trasse gekennzeichnete Grundkonzept der Planung wurde hiervon nicht berührt.
32 1.2 Es stellt keinen Verfahrensfehler dar, dass die Planfeststellungsbehörde im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens nicht die Verträglichkeit des Gesamtprojekts der A 44 zwischen Kassel und Eisenach mit den Erhaltungszielen aller in diesem Raum vorhandenen FFH-Gebiete geprüft, sondern sich damit begnügt hat, auf die vom Vorhabenträger in einer „FFH-Gesamtbetrachtung“ zusammengestellten Ergebnisse der einzelnen abschnittbezogenen Verträglichkeitsprüfungen und -vorprüfungen zu verweisen. § 20d des Hessischen Naturschutzgesetzes vom 16. April 1996 (GVBl S. 145) in der bei Erlass des Änderungs- und Ergänzungsbeschlusses vom 22. Dezember 2005 maßgeblichen Fassung des Änderungsgesetzes vom 18. Juni 2002 (GVBl S. 364) - HeNatG a.F. - schreibt im Einklang mit § 34 BNatSchG eine Verträglichkeitsprüfung im Rahmen der Projektzulassung nur für das jeweilige Projekt im Sinne dieser Vorschrift, bei einer abschnittsweise erfolgenden Planung also nur für den einzelnen Planungsabschnitt vor. Die FFH-Verträglichkeit der Gesamtplanung ist hingegen allein im Verfahren der Linienbestimmung zu beurteilen (§ 20d Abs. 7 HeNatG a.F., § 35 Satz 1 Nr. 1 BNatSchG). Eine Ausnahme ist auch nicht für den Fall vorgesehen, dass das Erfordernis einer die Gesamtplanung betreffenden Verträglichkeitsprüfung im Linienbestimmungsverfahren noch nicht zum Tragen kommen konnte, weil die Linienbestimmung - wie hier - vor Inkrafttreten der genannten gesetzlichen Vorschriften und vor Aufnahme der einzelnen FFH-Gebiete in die von der Kommission festgelegte Liste der Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung (Art. 4 Abs. 5 FFH-RL) erfolgt ist.
33 Auch das europäische Gemeinschaftsrecht macht es nicht erforderlich, eine abschnittübergreifende, auf die Autobahnplanung als Ganzes bezogene Verträglichkeitsprüfung im Planfeststellungsverfahren nachzuholen. Nach Art. 6 Abs. 3 FFH-RL ist eine Verträglichkeitsprüfung zwar nicht nur für Projekte, sondern ebenso für Pläne durchzuführen, zu denen § 35 Satz 1 Nr. 1 BNatSchG auch die Linienbestimmung von Bundesfernstraßen zählt. Dem nationalen Gesetzgeber steht es aber frei, auf ein vorgelagertes Verfahren der Linienbestimmung zu verzichten mit der Folge, dass nur das jeweilige einzelne Projekt mit seinen Auswirkungen auf die von ihm betroffenen FFH-Gebiete in den Blick zu nehmen ist. Dann ist nicht einzusehen, warum Abweichendes gelten sollte, wenn ein vorgelagertes Linienbestimmungsverfahren zu einer Zeit durchgeführt worden ist, zu der Art. 6 Abs. 3 FFH-RL mangels Listung der betroffenen Gebiete noch nicht anwendbar war. Dass die Habitatrichtlinie auf Gesetzes- und Verwaltungsebene verspätet umgesetzt worden ist, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Die betroffenen Gebiete mögen dadurch - schon vor Ablauf der Frist des Art. 4 Abs. 3 FFH-RL - den Status potenzieller FFH-Gebiete erlangt haben. Das damit verbundene vorläufige Schutzregime begründete aber nur die Verpflichtung, keine Eingriffe zuzulassen, die die ökologischen Merkmale der Gebiete ernsthaft beeinträchtigen könnten (vgl. EuGH, Urteile vom 13. Januar 2005 - Rs. C-117/03 - Slg. 2005, I-167 Rn. 25 und 29 und vom 14. September 2006 - Rs. C-244/05 - Slg. 2006, I-8445 Rn. 44, 47 und 51). Als eine dem Zulassungsakt vorgelagerte Entscheidung konnte die Linienbestimmung solche Eingriffe noch nicht auslösen. Das vorläufige Schutzregime erforderte es hingegen nicht, bereits bei der Linienbestimmung den Anforderungen des Art. 6 Abs. 2 bis 4 FFH-RL zu entsprechen und demgemäß eine Verträglichkeitsprüfung i.S.d. Art. 6 Abs. 3 FFH-RL vorzunehmen.
34 1.3 Unberechtigt ist auch der Einwand des Klägers, der Planfeststellungsbeschluss leide wegen unzureichender Einsichtgewährung in die Verträglichkeitsprüfungen und -vorprüfungen für die anderen Abschnitte der Gesamtstrecke an einem zur Aufhebung führenden Verfahrensfehler. Nach § 35 Abs. 1 Nr. 4 HeNatG a.F., § 60 Abs. 2 Satz 1 Nr. 6 BNatSchG ist einem anerkannten Naturschutzverein in Planfeststellungsverfahren, die von Behörden der Länder für mit Eingriffen in Natur und Landschaft verbundene Vorhaben durchgeführt werden, Einsicht in die einschlägigen Sachverständigengutachten zu geben. Als einschlägig im Sinne dieser Regelung können nur solche Gutachten angesehen werden, die von der Planfeststellungsbehörde in das Verfahren einbezogen und zur Grundlage ihrer Entscheidung gemacht worden sind (so bereits VGH München, Urteil vom 7. August 2001 - 8 A 01.40003 - BayVBl 2002, 563 ). Für die einzelnen Verträglichkeitsprüfungen und -vorprüfungen, die sich auf die weiteren Abschnitte der A 44 beziehen, trifft dies nicht zu. Wie der Beklagte bereits im Planfeststellungsbeschluss (S. 731) ausgeführt hat, haben der Planfeststellungsbehörde diese Untersuchungen mit Ausnahme derjenigen über den bestandskräftig planfestgestellten Abschnitt VKE 31, die der Kläger eingesehen hat, nicht vorgelegen; die Behörde hat sich bei ihrer Entscheidung allein auf die auch dem Kläger zur Einsicht überlassene FFH-Gesamtbetrachtung gestützt, die lediglich die Ergebnisse der Verträglichkeitsprüfungen und -vorprüfungen wiedergibt. Ob die Behörde damit auf einer tragfähigen Grundlage entschieden hat, ist eine Frage des materiellen Rechts; unter dem Blickwinkel der naturschutzrechtlichen Beteiligungsregelung unterliegt ihr Vorgehen jedenfalls keinen Bedenken. Im Übrigen wäre ein diesbezüglicher Beteiligungsmangel durch die nachträglich gewährte Einsicht in die einzelnen Untersuchungen geheilt worden (§ 17 Abs. 6c Satz 2 FStrG a.F., § 17e Abs. 6 Satz 2 FStrG n.F.).
35 1.4 Der Kläger sieht einen Verfahrensmangel ferner darin, dass der Beklagte ihm im zweiten ergänzenden Verfahren mit Schreiben vom 12. Februar 2008 entsprechend § 17a Nr. 6 FStrG i.V.m. § 73 Abs. 8 VwVfG für seine Stellungnahme eine Frist von zwei Wochen unter Bestimmung des Fristendes auf den Beginn der mündlichen Verhandlung am 27. Februar 2008 gesetzt, ihm das Schreiben aber erst am 13. Februar 2008 per Fax übermittelt hat; dadurch sei die gesetzliche Zweiwochenfrist verkürzt worden. Der behauptete Fehler kann jedoch nicht zum Erfolg der Klage führen, weil der Kläger nicht dargetan hat, dass er dadurch an der rechtzeitigen Geltendmachung seiner Belange gehindert worden ist. Tatsächlich hat er am 27. Februar 2008 dem Beklagten vor Ablauf der gesetzten Frist eine umfangreiche schriftliche Stellungnahme zugeleitet, die dieser in seinem Ergänzungs- und Änderungsbeschluss vom 28. Februar 2008 berücksichtigen konnte.
36 1.5 Ebenso wenig dringt der Kläger mit seiner Rüge durch, der Beklagte habe im zweiten ergänzenden Verfahren gegen die Regelungen über die Beteiligung anderer Naturschutzvereine sowie betroffener Fachbehörden und Privater verstoßen. § 61 Abs. 2 Nr. 1 BNatSchG schließt eine umfassende gerichtliche Überprüfung des Planfeststellungsbeschlusses auf die Klage eines anerkannten Naturschutzvereins hin aus und beschränkt die Kontrolle grundsätzlich auf die Überprüfung anhand jener Bestimmungen, die in der Vorschrift genannt sind (Beschluss vom 23. November 2007 - BVerwG 9 B 38.07 - NuR 2008, 176 ). Regelungen über Beteiligungsrechte und -zuständigkeiten anderer Personen bzw. Stellen zählen nicht zu diesen Bestimmungen. Die prozessuale Rechtsposition der anerkannten Vereine ist diejenige eines „Sachwalters der Natur“, nicht eines Sachwalters anderer Personen und Stellen, die mit eigenen Beteiligungsrechten bzw. -zuständigkeiten ausgestattet sind.
37 Sollten dem Beklagten insoweit Beteiligungsfehler unterlaufen sein, so sind diese außerdem unbeachtlich, weil nicht die konkrete Möglichkeit erkennbar ist, dass der Änderungs- und Ergänzungsbeschluss vom 28. Februar 2008 ohne sie anders ausgefallen wäre (vgl. Urteil vom 9. Juni 2004 - BVerwG 9 A 11.03 - BVerwGE 121, 72 m.w.N.). Dem Vorbringen des Klägers ist nicht zu entnehmen, dass im Falle einer weitergehenden Beteiligung von anderer Seite zusätzliche Gesichtspunkte in das Verfahren eingebracht worden wären, die eine abweichende Planungsentscheidung konkret hätten erwarten lassen.
38 1.6 Einen Verfahrensfehler stellt es schließlich nicht dar, dass der Beklagte im Beschluss vom 28. Februar 2008 die im Rahmen der FFH-rechtlichen Abweichungsprüfung gebotene Abwägung nachgeholt und ergänzend artenschutzrechtliche Ausnahmen erteilt hat, ohne seinem Anhörungsschreiben zu diesen Punkten weitere Planunterlagen beizufügen. Die genannten Regelungsbestandteile betrafen keine Änderungen des Planungsvorhabens, die in veränderten Planunterlagen hätten Niederschlag finden müssen, sondern allein die rechtliche Würdigung des insoweit unveränderten Vorhabens.
39 2.  Materiellrechtliche Erfordernisse
40 Der Planfeststellungsbeschluss verstößt mit Ausnahme einer Teilregelung zur Schadensvermeidung nicht gegen Vorschriften des materiellen Rechts, die dem Aufhebungs- oder dem hilfsweise gestellten Feststellungsbegehren zum Erfolg verhelfen würden.
41 2.1 Planrechtfertigung
42 Ob das Erfordernis der Planrechtfertigung für ein Vorhaben auf die Klage eines anerkannten Naturschutzvereins hin trotz dessen beschränkter Rügebefugnis (§ 61 Abs. 2 Nr. 1 BNatSchG) zu prüfen ist, kann offenbleiben (verneinend Beschluss vom 1. Juli 2003 - BVerwG 4 VR 1.03 - Buchholz 406.400 § 61 BNatSchG 2002 Nr. 3 S. 22 f.; offen lassend Urteil vom 9. Juni 2004 - BVerwG 9 A 11.03 - Buchholz 406.400 § 61 BNatSchG 2002 Nr. 5 S. 41 ). Denn das planfestgestellte Vorhaben verfügt über die notwendige Planrechtfertigung.
43 Das folgt aus der gesetzlichen Bedarfsfeststellung. Die A 44 zwischen Kassel und Eisenach war bereits im Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen zum Fernstraßenausbaugesetz i.d.F. vom 15. November 1993 (BGBl I S. 1878) - FStrAbG a.F. - als Vorhaben des vordringlichen Bedarfs enthalten. Der aktuelle Bedarfsplan zum Fernstraßenausbaugesetz i.d.F. vom 20. Januar 2005 (BGBl I S. 201) - FStrAbG - weist sie in gleicher Weise aus. Nach § 1 Abs. 2 Satz 1 FStrAbG entsprechen die in den Bedarfsplan aufgenommenen Bauvorhaben den Zielsetzungen des § 1 Abs. 1 FStrG und sind damit gemessen hieran vernünftigerweise geboten. Die gesetzliche Feststellung, dass ein verkehrlicher Bedarf besteht, ist für die Planfeststellung verbindlich. Die Verbindlichkeit erstreckt sich auch auf das gerichtliche Verfahren (stRspr; vgl. etwa Urteile vom 8. Juni 1995 - BVerwG 4 C 4.94 - BVerwGE 98, 339 und vom 19. März 2003 - BVerwG 9 A 33.02 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 173 S. 157). Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber mit der Bedarfsfeststellung für die A 44 die Grenzen seines gesetzgeberischen Ermessens überschritten hat, sind nicht ersichtlich. Davon wäre nur auszugehen, wenn die Bedarfsfeststellung evident unsachlich wäre, weil es für die Aufnahme des Vorhabens in den Bedarfsplan im Hinblick auf die bestehende oder künftig zu erwartende Verkehrsbelastung oder auf die verkehrliche Erschließung eines zu entwickelnden Raumes an jeglicher Notwendigkeit fehlte oder wenn sich die Verhältnisse seit der Bedarfsentscheidung des Gesetzgebers so grundlegend gewandelt hätten, dass das angestrebte Planungsziel unter keinen Umständen auch nur annähernd erreicht werden könnte (vgl. Urteil vom 8. Juni 1995 a.a.O. S. 347, Beschluss vom 30. Dezember 1996 - BVerwG 11 VR 21.95 - UPR 1997, 153 und Urteil vom 22. Januar 2004 - BVerwG 4 A 32.02 - BVerwGE 120, 87 ). Solche Gründe liegen nicht vor.
44 Dass sich die ursprüngliche Entscheidung des Gesetzgebers, die A 44 in den Fernstraßenbedarfsplan aufzunehmen, mit Blick auf die damaligen und die damals zu erwartenden Verkehrsverhältnisse auf sachliche Gesichtspunkte stützen konnte, stellt der Kläger nicht infrage. Er macht vielmehr geltend, die der ursprünglichen Entscheidung zugrunde liegende Prognosebasis sei durch Bevölkerungsrückgang und wirtschaftliche Stagnation völlig überholt mit der Folge, dass die Bedarfsfeststellung nach den Maßstäben der Rechtsprechung ihre Verbindlichkeit eingebüßt habe. Dem kann nicht gefolgt werden.
45 Die gesetzliche Bedarfsfeststellung im Fernstraßenausbaugesetz 1993 und die ihr zugrunde gelegte Verkehrsprognose liegen allerdings lange zurück. Dass diese Prognose im Zuge der Überarbeitung des Bedarfsplans aktualisiert worden wäre, ist nicht anzunehmen. § 4 FStrAbG sieht zwar eine Überprüfung der Bedarfsplanung in einem Turnus von fünf Jahren vor. Aus der Unterrichtung des Deutschen Bundestags durch die Bundesregierung über den Bundesverkehrswegeplan 2003, der die Grundlage für die nachfolgende Novellierung des Bedarfsplans bildete (BTDrucks 15/2050 S. 9), geht aber hervor, dass die im Bundesverkehrswegeplan 2003 als „laufende und fest disponierte Vorhaben“ bezeichneten Projekte keiner erneuten Bewertung unterzogen worden sind (vgl. S. 36 der Unterrichtung). Zu diesen Vorhaben gehört auch das planfestgestellte (vgl. S. 86 der Unterrichtung).
46 Dennoch kann nicht der Schluss gezogen werden, die mit der Bedarfsplanung angestrebten Ziele seien nicht einmal mehr annähernd erreichbar. Wie schon Anfangs- und Endpunkt der A 44 zwischen Kassel und der A 4 bei Eisenach zeigen, verfolgte der Gesetzgeber vornehmlich das Ziel, eine Lücke im Autobahnnetz im Verlauf der weiträumigen West-Ost-Verbindung zwischen den Räumen Rhein-Ruhr und der ostdeutschen Städteachse Erfurt - Dresden zu schließen. Als Teil der „Verkehrsprojekte Deutsche Einheit“ sollte dieser Lückenschluss dazu beitragen, die an der A 4 liegenden mitteldeutschen Räume mit Hilfe einer durchgängig leistungsfähigen Fernverkehrsstraße auf kurzer Distanz mit dem Westen Deutschlands zu verbinden, um das Zusammenwachsen von alten und neuen Bundesländern zu fördern. Zugleich sollte auch das strukturschwache ehemalige Grenzgebiet im Osten des Landes Hessen verkehrlich besser erschlossen werden. Ausweislich vorangegangener Planungen für Ortsumgehungen im Verlauf der B 7, die durch sprunghafte Verkehrszuwächse auf dieser Bundesstraße im Gefolge der innerdeutschen Grenzöffnung veranlasst waren, ging es zusätzlich auch darum, deren Ortsdurchfahrten zu entlasten. Trotz nachträglich eingetretener Änderungen der Prognosedaten sind diese Ziele nicht obsolet geworden.
47 Diese Einschätzung, die der Beklagte bereits dem Änderungs- und Ergänzungsbeschluss vom 22. Dezember 2005 unter Verweis auf eine Dimensionierungsprognose für das Jahr 2015 zugrunde gelegt hat, wird durch die im Änderungs- und Ergänzungsbeschluss vom 28. Februar 2008 in Bezug genommene Dimensionierungsprognose für das Jahr 2020 trotz nochmals reduzierter Prognosezahlen bestätigt. Während für die einzelnen Abschnitte der A 44 zunächst bezogen auf das Jahr 2010 ein Verkehrsaufkommen zwischen 28 160 und 48 770 Kfz/24 h als durchschnittliche werktägliche Verkehrsbelastung prognostiziert worden war (Planfeststellungsbeschluss S. 327, Tab. 9) und die Dimensionierungsprognose für das Jahr 2015 entsprechende Werte zwischen 31 000 und 58 900 Kfz/24 h angab (PFB S. 329, Tab. 10), nennt die neue Prognose Werte zwischen 25 500 und 50 500 Kfz/24 h (S. 61 und Plan 63). Gegenüber den früheren Prognosen liegen die aktuell ermittelten Werte also teilweise deutlich niedriger. Gleichwohl kann keine Rede davon sein, dass die mit dem Bedarfsplan verfolgten Ziele nicht einmal mehr annähernd erreichbar wären. Mit Rücksicht auf den prognostizierten Durchgangsverkehr von 14 700 Kfz/24 h von Kassel bis zum Anschluss an die A 4 (S. 71 der Dimensionierungsprognose 2020) wird der neuen Autobahn immer noch ein erheblicher Verkehrswert bezogen auf ihre Funktion zukommen, eine Lücke im Autobahnnetz zu schließen und dadurch das Zusammenwachsen der verbundenen Regionen in den östlichen und westlichen Bundesländern zu fördern. Der vergleichsweise große Anteil des die Autobahn nicht durchgängig nutzenden Verkehrs belegt zugleich ihre regionale Erschließungswirkung. Weiterhin bleibt auch das Ziel einer Entlastung des vorhandenen Straßennetzes von Bedeutung. Dies gilt namentlich für die B 7 mit ihren Ortsdurchfahrten, die bislang den durchgehenden Fernverkehr zu bewältigen hat; während sie im Prognose-Nullfall 2020 im Raum Hessisch Lichtenau mit voraussichtlich 15 000 bis 17 000 Kfz/24 h belastet wäre (Plan 58), ist im Planfall für denselben Bereich mit einer Verkehrsabnahme zwischen 39 und 75 % zu rechnen (Plan 64). Dass die A 44 angesichts der prognostizierten Belastungszahlen zwischen 25 500 und 50 500 Kfz/24 h mit einem vierstreifigen Autobahnquerschnitt nicht überdimensioniert ist, ergibt sich aus Nr. 3.1.3 i.V.m. Bild 5 der Richtlinien für die Anlage von Straßen, Teil: Querschnitte, Ausgabe 1996 (RAS-Q 96).
48 Der Senat hat keinen Anlass, die Grundaussagen der Dimensionierungsprognose 2020 in Zweifel zu ziehen. Sie trägt dem Haupteinwand des Klägers gegen die früher erstellten Prognosen Rechnung und berücksichtigt, dass sich im Planungsraum sowohl die Einwohner- als auch die Beschäftigtenzahl im Vergleich zu früheren Vorhersagen deutlich verringert hat. Neben diesen Strukturdaten sind auch die Verkehrsdaten anhand von Verkehrszählungen und Befragungen sowie von Veränderungen im Straßennetz aktualisiert worden. Konkrete Einwände, die die Prognoseergebnisse infrage stellen könnten, hat der Kläger gegen die aktualisierte Untersuchung nicht erhoben.
49 2.2 Gebietsschutz Vögel
50 Das Vorhaben widerspricht nicht den naturschutzrechtlichen Vorgaben des europäischen Gemeinschaftsrechts zum Gebietsschutz von Vögeln. Bei dem Landschaftsraum des Lichtenauer Beckens handelt es sich nicht um ein faktisches Vogelschutzgebiet, dessen Durchschneidung mit der geplanten Autobahn gegen das Beeinträchtigungs- und Störungsverbot des Art. 4 Abs. 4 Satz 1 der Richtlinie 79/409/EWG des Rates vom 2. April 1979 über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten (ABl EG Nr. L 103 S. 1 mit späteren Änderungen) - Vogelschutzrichtlinie - VRL - verstoßen könnte.
51 Nach Art. 4 Abs. 1 Satz 4 VRL, der die Bestimmung von Vogelschutzgebieten regelt, erklären die Mitgliedstaaten die für die Erhaltung der in Anhang I aufgeführten Vogelarten „zahlen- und flächenmäßig geeignetsten Gebiete“ zu Schutzgebieten. Unter Schutz zu stellen sind nicht sämtliche Landschaftsräume, in denen bedrohte Vogelarten vorkommen, sondern nur die Gebiete, die sich am ehesten zur Arterhaltung eignen. Maßgeblich sind ausschließlich ornithologische Kriterien (vgl. Urteil vom 21. Juni 2006 - BVerwG 9 A 28.05 - BVerwGE 126, 166 unter Bezugnahme auf EuGH, Urteile vom 2. August 1993 - Rs. C-355/90 - Slg. 1993, I-4221 Rn. 26 und vom 23. März 2006 - Rs. C-209/04 - Slg. 2006, I-2756 Rn. 33). Bei der Frage, welche Gebiete nach ornithologischen Kriterien zu den geeignetsten zählen, besteht ein fachlicher Beurteilungsspielraum der Mitgliedstaaten. Zu den Beurteilungskriterien gehören neben Seltenheit, Empfindlichkeit und Gefährdung der Vogelarten insbesondere die Populationsgröße und -dichte, die Artendiversität eines Gebiets, sein Entwicklungspotenzial und seine Netzverknüpfung sowie die Erhaltungsperspektiven der dort vorkommenden bedrohten Arten. Je bedrohter, seltener oder empfindlicher die Arten sind, desto größere Bedeutung ist dem Gebiet beizumessen, das die für ihr Leben und ihre Fortpflanzung ausschlaggebenden physikalischen und biologischen Elemente aufweist. Nur Habitate, die unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe für sich betrachtet in signifikanter Weise zur Arterhaltung beitragen, gehören zum Kreis der i.S.d. Art. 4 VRL geeignetsten Gebiete (Urteil vom 21. Juni 2006 a.a.O. Rn. 20 m.w.N.).
52 Die gerichtliche Kontrolle, ob die Nichtmeldung eines Gebiets fachlich vertretbar ist, umfasst auch die Netzbildung in den einzelnen Bundesländern, hat aber insoweit gleichfalls den Beurteilungsrahmen der Länder zu beachten. In dem Maße, in dem sich die Gebietsvorschläge eines Landes zu einem kohärenten Netz verdichten, verringert sich die richterliche Kontrollintensität. Mit dem Fortschreiten des mitgliedstaatlichen Auswahl- und Meldeverfahrens steigen die prozessualen Darlegungsanforderungen für die Behauptung, es gebe ein (nicht erklärtes) faktisches Vogelschutzgebiet, das eine Lücke im Netz schließen solle (Urteile vom 14. November 2002 - BVerwG 4 A 15.02 - BVerwGE 117, 149 und vom 21. Juni 2006 a.a.O. Rn. 23).
53 Als bedeutsames Erkenntnismittel für die Gebietsauswahl und als gewichtiges Indiz bei der nach Art. 4 Abs. 1 Satz 4 VRL gebotenen Eignungsbeurteilung stellt sich nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. etwa Urteil vom 19. Mai 1998 - Rs. C-3/96 - Slg. 1998, I-3031 Rn. 68 ff.) wie auch des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 21. Juni 2006 a.a.O. Rn. 21 m.w.N.) das Verzeichnis der „Important Bird Areas“ (IBA) dar. Ist ein Gebiet in dem IBA-Verzeichnis nicht enthalten und wird die sich daran knüpfende Indizwirkung noch durch die Ergebnisse standortbezogener gutachtlicher Erhebungen verstärkt, so rechtfertigt dies den Schluss, dass der fragliche Bereich nicht zu den zahlen- und flächenmäßig geeignetsten Gebieten i.S.d. Art. 4 Abs. 1 Satz 4 VRL gehört. Eine zusätzliche Bestätigung der Indizwirkung kann sich auch daraus ergeben, dass die EU-Kommission unter dem Blickwinkel des Vogelschutzes keinen Nachmeldebedarf im Planungsraum sieht (Urteil vom 21. Juni 2006 a.a.O. Rn. 21; vgl. auch Urteil vom 22. Januar 2004 - BVerwG 4 A 32.02 - BVerwGE 120, 87 ).
54 Nach diesen Grundsätzen ist das vom Beklagten seiner Beurteilung zugrunde gelegte hessische Auswahlkonzept für Vogelschutzgebiete, das anderen Gebieten den Vorzug vor dem Lichtenauer Becken gegeben hat, nicht zu beanstanden.
55 Das gilt zunächst für die darin enthaltenen Auswahlkriterien. Das Fachkonzept sieht für die Anhang I-Arten so genannte Mindesterfüllungsgrade vor; diese Arten sollen mit mindestens 20 % ihrer hessischen Populationen, stärker gefährdete oder seltene Arten mit mindestens 60 % ihrer hessischen Populationen in den Vogelschutzgebieten des Landes vertreten sein (S. 8 und 231 des Fachkonzepts). Um den Erfüllungsgrad für die jeweilige Art zu erreichen, sind zunächst die fünf wichtigsten Brut- und Rastgebiete einer Anhang I-Art in Hessen auszuwählen (Top-5-Kriterium). Existieren weitere Gebiete, die jeweils mehr als 10 % des hessischen Brut- oder Rastbestandes einer Anhang I-Art beherbergen, so werden diese Gebiete zusätzlich ausgewählt (10 %-Kriterium). Falls mit den beiden vorgenannten Kriterien der Mindesterfüllungsgrad für eine Art nicht erreicht werden kann, sind weitere Gebiete auszuwählen. Dabei finden im Interesse eines Bündelungseffekts insbesondere die für andere relevante Arten benannten Flächen Berücksichtigung. Diese Kriterien sind uneingeschränkt fachlicher Natur; andere als ornithologische Gesichtspunkte spielen für die Beurteilung keine Rolle. Mit ihnen hält sich das Land innerhalb des mit der normativen Vorgabe des Art. 4 Abs. 1 Satz 4 VRL abgesteckten Beurteilungsrahmens. Das Konzept stellt mit den genannten Mindesterfüllungsgraden sicher, dass beachtliche Anteile der relevanten Arten des Gebietsschutzes teilhaftig werden. Dass Bezugspunkt des Erfüllungsgrades der landesweite Bestand einer Art ist, gibt keinen Anlass zu Bedenken. Ein Land von der Größe Hessens hat keine solche Ausdehnung, dass zwingend auf kleinere räumliche Einheiten abgehoben werden müsste, um dem Anliegen der Netzbildung Rechnung zu tragen.
56 Dass in Anwendung der Auswahlkriterien das Lichtenauer Becken als Vogelschutzgebiet hätte berücksichtigt werden müssen, lässt sich ebenfalls nicht feststellen. Der Beklagte hat für seine Gebietsauswahl landesweit vorhandene Erkenntnisse der ornithologisch tätigen Fachverbände NABU und HGON sowie aktuelle Publikationen und Planunterlagen ausgewertet. Damit konnte er sich auf eine breite und fachkundig ermittelte Datenbasis stützen. Die Bestandserfassung erstreckte sich über sechs Jahre (1997 bis 2002). Es gibt keine Anhaltspunkte für die Annahme, dieser Zeitraum sei zu knapp bemessen gewesen, um trotz naturgemäß auftretender Bestandsschwankungen aussagekräftige Daten zu gewinnen. Die bei der Bestandserfassung gewonnenen Erkenntnisse haben Niederschlag in Landesverbreitungskarten gefunden, die für die erfassten Vogelarten die einzelnen Vorkommen nach Lage und Anzahl der Brutpaare ausweisen. Entgegen der Auffassung des Klägers ergibt sich aus diesen Karten nicht, dass das Lichtenauer Becken nach dem Top-5-Kriterium zu den für die Erhaltung der Heidelerche, des Wachtelkönigs und des Neuntöters geeignetsten Gebieten gehört. Die Landesverbreitungskarte vermerkt für die Heidelerche im Raum um Hessisch Lichtenau lediglich ein bis zwei Brutpaare. Anhand des Top-5-Kriteriums ausgewählt worden sind hingegen Gebiete mit Beständen zwischen zwölf und zwei bis vier Brutpaaren. Für den Wachtelkönig sind im Umkreis von Hessisch Lichtenau zwei getrennte Vorkommen mit jeweils ein bis zwei Brutpaaren kartiert worden, während die anhand des Top-5-Kriteriums identifizierten Gebiete einen Brutpaarbesatz zwischen fünf bis fünfzehn und eins bis sechs aufweisen. Ungeachtet der Frage, ob die Vorkommen im Bereich um Hessisch Lichtenau überhaupt räumlich zusammengefasst betrachtet werden dürfen, lassen auch diese Zahlenverhältnisse nicht den Schluss zu, der Beklagte habe bei seiner Entscheidung zugunsten der ausgewählten Gebiete seinen fachlichen Beurteilungsspielraum überschritten. Ebenso wenig ist eine solche Annahme für den Neuntöter gerechtfertigt. Kartiert für den Bereich um Hessisch Lichtenau sind ≥ 50 Brutpaare, mittels des Top-5-Kriteriums ausgewählt worden sind Gebiete, die zwischen 500 und 70 bis 100 Brutpaaren dieser Art als Lebensraum dienen.
57 Für eine ordnungsgemäße Gebietsauswahl spricht überdies das IBA-Verzeichnis, das in seiner aktualisierten, aus dem Jahr 2002 stammenden Fassung für das Land Hessen vom NABU-Landesverband Hessen und von der HGON erarbeitet worden ist. Unter den 40 Vorschlagsgebieten der IBA-Liste Hessen findet sich keines, das den Bereich des Lichtenauer Beckens ganz oder teilweise umfasst. Verstärkt wird die damit verbundene - negative - Indizwirkung durch den Umstand, dass die EU-Kommission in Reaktion auf die Gebietsmeldungen des Landes Hessen keinen Nachmeldebedarf geltend gemacht hat.
58 Hat sich hier demnach eine in sich stimmige Gebietsauswahl zu dem von der Vogelschutzrichtlinie angestrebten zusammenhängenden Netz verdichtet und sprechen außerdem weitere gewichtige Indizien gegen die Notwendigkeit, das Lichtenauer Becken in dieses Netz einzubeziehen, so führt das zu einer stark eingeschränkten richterlichen Kontrolldichte der behördlichen Auswahlentscheidung. Den strengen Anforderungen, die unter diesen Umständen an die Darlegung eines nicht erfassten faktischen Vogelschutzgebiets zu stellen sind, wird der Vortrag des Klägers nicht gerecht.
59 Er weist hierzu für die Heidelerche, den Wachtelkönig und den Neuntöter auf vergleichsweise hohe Zahlen von Brutpaaren hin, die im Zuge der Planung des streitigen Vorhabens gewonnen worden seien und eine Zuordnung zu den Top-5-Gebieten für diese Arten unabweisbar machten. Schon methodisch ist diese Argumentation verfehlt. Während die der behördlichen Gebietsauswahl zugrunde liegenden Untersuchungen und Beobachtungen sich auf einen Zeitraum von sechs Jahren beziehen, sind die vom Kläger angeführten vorhabenbezogenen Untersuchungen nur in den Jahren 2002 und 2003 durchgeführt worden (vgl. S. 36 des Deckblatts zur FFH-Verträglichkeitsuntersuchung „Lichtenauer Hochland“). Unter dem Aspekt der Stetigkeit sind die ermittelten Bestandszählungen daher nicht vergleichbar. Darüber hinaus weicht das Spektrum der jeweiligen Erkenntnisquellen voneinander ab. Grundlage des Auswahlkonzepts waren primär Beobachtungen der Fachverbände und lediglich ergänzend - soweit überhaupt verfügbar - zusätzliche im Zuge konkreter Planungen gewonnene Erkenntnisse. Der Kläger bezieht sich demgegenüber im Wesentlichen auf systematisch durchgeführte Untersuchungen im Zuge der Autobahnplanung, die tendenziell eine größere Prüftiefe aufweisen als allgemeine, flächendeckende Erhebungen. Schon diese Unterschiede verbieten den angestellten Vergleich mit den vom Beklagten in seinem Fachkonzept ausgewählten Gebieten.
60 Aber auch unabhängig davon begegnen die Darlegungen des Klägers durchgreifenden Bedenken. Hinsichtlich der Heidelerche können die vom Kläger unter Berufung auf den Planfeststellungsbeschluss und die Planunterlagen angegebenen Bestandszahlen der Beurteilung nicht unbesehen zugrunde gelegt werden. Die dort genannten Zahlen sind nämlich untereinander widersprüchlich, was darauf zurückzuführen ist, dass sie sich teils nur auf das Lichtenauer Hochland, teils auf den Planungsraum nördlich und südlich von Hessisch Lichtenau beziehen und im Übrigen unterschiedliche Beobachtungszeiträume (teils ein Beobachtungsjahr, teils beide Beobachtungsjahre) betreffen. Den Erläuterungen in der fachlichen Stellungnahme des ehemals zuständigen Fachreferenten im Regierungspräsidium Kassel vom 21. März 2006 (S. 5) zufolge hat das mit den Erhebungen für die Planung betraute Fachbüro Simon & Widdig für den Gesamtplanungsraum nicht sechs bis acht Brutpaare, sondern im Jahr 2002 ein Brutpaar und drei Brutverdachtsfälle und im Jahr 2003 drei Brutpaare ermittelt. Selbst wenn man für das Lichtenauer Becken diese Bestandszahlen und nicht diejenigen der Verbreitungskarten dem Vergleich zugrunde legte, würde sich nicht der Schluss aufdrängen, dieses Gebiet entspreche dem Top-5-Kriterium. Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht im Hinblick auf seine Lage in Nordhessen. Es trifft zwar zu, dass die ausgewählten Gebiete sämtlich im Süden und Südwesten Hessens liegen. Das bedeutet aber nicht, dass der nordhessische Bereich ohne das Lichtenauer Becken bei der Bildung des Schutznetzes für die Heidelerche völlig ausgespart bliebe; denn diese Vogelart ist auch über die nord- bzw. nordosthessischen Gebiete „Hessisches Rothaargebirge“ und „Knüll“ in das Netz einbezogen. Von einer Überschreitung des fachlichen Beurteilungsspielraums kann deshalb insoweit keine Rede sein. Gleiches gilt für den Wachtelkönig. Für ihn sind in den Erhebungen für die Autobahnplanung allein im Jahr 2002 hohe Bestandszahlen ermittelt worden. Schon im Folgejahr hat der Besatz nach den Erläuterungen in der fachlichen Stellungnahme vom 21. März 2006 (S. 5 f.) wieder deutlich abgenommen. Da die gleiche Entwicklung auch hessenweit zu beobachten war, erscheint der Schluss plausibel, dass Sonderereignisse zu den 2002 ermittelten Werten geführt haben. Angesichts dessen fehlt der Behauptung des Klägers, die Bestandszahlen des Wachtelkönigs im Lichtenauer Becken lägen dauerhaft hoch, eine tragfähige Grundlage. Zum Neuntöter ist schließlich zu beachten, dass er nach den unwidersprochen gebliebenen Angaben in der fachlichen Stellungnahme vom 21. März 2006 zu den Vogelarten mit einem in Hessen diffusen Verbreitungsbild gehört. Deshalb kann nach den Vorgaben des Fachkonzepts das Top-5-Kriterium auf diese Art nur in modifizierter Form unter ergänzender Berücksichtigung weiterer Einzelkriterien angewendet werden; hierbei ist insbesondere auch der Bündelungseffekt einer Gebietsauswahl, die den Schutz verschiedener Arten ermöglicht, ein wesentlicher Gesichtspunkt (vgl. S. 8) des Fachkonzepts. Aus diesem Grund reicht der Hinweis auf die Populationsgröße und -dichte des Neuntöters im Lichtenauer Becken nicht aus, um die Auswahl dieses Bereichs als Top-5-Gebiet für den Neuntöter als zwingend erscheinen zu lassen. Nach allem drängt sich aufgrund der Darlegungen des Klägers nicht der Schluss auf, das Lichtenauer Becken sei ein unverzichtbarer Baustein des Schutzgebietsnetzes in Hessen und daher bei der Gebietsauswahl zwingend zu berücksichtigen gewesen.
61 2.3 FFH-Gebietsschutz
62 Der Planfeststellungsbeschluss steht mit Ausnahme der Modifizierung der Schadensvermeidungsmaßnahme M 6 unter B.1 des Änderungs- und Ergänzungsbeschlusses vom 28. Februar 2008 in Einklang mit den Anforderungen der Habitatrichtlinie und des sie umsetzenden nationalen Rechts.
63 Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der durchgeführten Verträglichkeitsprüfung (Art. 6 Abs. 3 FFH-RL) ist der Erlass des Änderungs- und Ergänzungsbeschlusses vom 22. Dezember 2005, nachdem das Projekt im ersten ergänzenden Verfahren einer neuen, an die seit Erlass des ursprünglichen Planfeststellungsbeschlusses veränderten Verhältnisse angepassten Verträglichkeitsprüfung unterzogen worden ist. Einschlägige Umsetzungsvorschrift ist insoweit § 20d Abs. 1 und 2 HeNatG a.F., der inhaltlich der rahmenrechtlichen Regelung in § 34 Abs. 1 und 2 BNatSchG entspricht. Ob das Projekt im Falle seiner mangelnden FFH-Verträglichkeit im Wege der mit dem zweiten Änderungs- und Ergänzungsbeschluss getroffenen Abweichungsentscheidung (Art. 6 Abs. 4 FFH-RL) zugelassen werden durfte, ist entsprechend der Zielrichtung des ergänzenden Verfahrens, lediglich punktuell Fehler der früheren Entscheidung zu heilen, ebenfalls bezogen auf den Erlasszeitpunkt des ersten Änderungs- und Ergänzungsbeschlusses vom 22. Dezember 2005 zu beurteilen. Abweichendes würde nur gelten, wenn die Planfeststellungsbehörde ihre Entscheidung im ergänzenden Verfahren auf veränderte tatsächliche oder rechtliche Verhältnisse gestützt hätte. Das ist aber nicht der Fall, und zwar auch nicht bezogen auf die Dimensionierungsprognose 2020, die der Beklagte nur herangezogen hat, um die fortbestehende Tragfähigkeit der früheren Verkehrsprognosen zusätzlich zu untermauern. Als Umsetzungsregelung ist daher insoweit § 20d Abs. 3 bis 5 HeNatG a.F. (§ 34 Abs. 3 bis 5 BNatSchG) einschlägig.
64 Die genannten Vorschriften über den FFH-Gebietsschutz finden auf das Lichtenauer Hochland Anwendung. Bei Erlass des ersten Änderungs- und Ergänzungsbeschlusses war das Gebiet bereits durch Kommissionsentscheidung vom 7. Dezember 2004 in die Liste der Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung i.S.v. Art. 1 Buchst. k FFH-RL aufgenommen worden. Es unterlag damit nach Art. 4 Abs. 5 FFH-RL dem besonderen Gebietsschutz nach Art. 6 Abs. 2 bis 4 FFH-RL (vgl. EuGH, Urteile vom 13. Januar 2005 - Rs. C-117/03 - Slg. 2005, I-167 Rn. 24 f. und vom 14. September 2006 - Rs. C-244/05 - Slg. 2006, I-8445 Rn. 35). Dass das gelistete Gebiet im Zeitpunkt der Planänderungen und -ergänzungen noch nicht als besonderes Schutzgebiet (Art. 1 Buchst. l FFH-RL) ausgewiesen war (vgl. § 20b Abs. 1 HeNatG a.F., § 32 Abs. 1 HeNatG n.F.), ändert hieran nichts.
65 Die maßgeblichen gebietsschutzrechtlichen Bestimmungen stehen der Zulässigkeit des Vorhabens nicht entgegen. Zwar erweist sich die Beurteilung des Beklagten, das Projekt sei mit den Erhaltungszielen des FFH-Gebiets „Lichtenauer Hochland“ verträglich, als rechtsfehlerhaft. Dieser Fehler ist aber mit einer Einschränkung, die sich auf die Regelung unter B.1 des Beschlusses vom 28. Februar 2008 bezieht, unerheblich, weil die getroffene Abweichungsentscheidung keinen Anlass zu Beanstandungen bietet.
66 2.3.1 Verträglichkeitsprüfung
67 Projekte sind nach § 20d Abs. 1 Satz 1 HeNatG a.F. (§ 34 Abs. 1 Satz 1 BNatSchG) vor ihrer Zulassung auf ihre Verträglichkeit mit den Erhaltungszielen eines Gebiets von gemeinschaftlicher Bedeutung hin zu überprüfen. Sie dürfen grundsätzlich nur zugelassen werden, wenn die Verträglichkeitsprüfung ergibt, dass das Projekt nicht zu erheblichen Beeinträchtigungen des jeweiligen Gebiets in seinen für die Erhaltungsziele oder den Schutzzweck maßgeblichen Bestandteilen führen kann. Sind erhebliche Beeinträchtigungen nach den Ergebnissen der Verträglichkeitsprüfung zu besorgen, so ist das Projekt vorbehaltlich einer Abweichungsprüfung unzulässig.
68 Ob ein Projekt zu einer erheblichen Beeinträchtigung in diesem Sinne führen kann, erfordert eine Einzelfallbeurteilung, die wesentlich von naturschutzfachlichen Feststellungen und Bewertungen abhängt (vgl. Urteil vom 17. Januar 2007 - BVerwG 9 A 20.05 - BVerwGE 128, 1 ). Um die projektbedingten Einwirkungen zutreffend auf ihre Erheblichkeit hin beurteilen zu können, hat die Verträglichkeitsprüfung in einem ersten Schritt eine sorgfältige Bestandserfassung und -bewertung der von dem Projekt betroffenen maßgeblichen Gebietsbestandteile zu leisten. Auf dieser Basis sind sodann die Einwirkungen zu ermitteln und naturschutzfachlich zu bewerten.
69 Beide Bestandteile der Prüfung enthalten Mängel, die dazu geführt haben, dass der Beklagte zu Unrecht von der Verträglichkeit des Projekts ausgegangen ist.
70 2.3.1.1 Bestandserfassung und -bewertung
71 Auf der Grundlage der vom Kläger erhobenen Rügen lässt sich zwar nicht feststellen, dass die vom Vorhabenträger in das Planfeststellungsverfahren eingebrachte FFH-Verträglichkeitsuntersuchung „Lichtenauer Hochland“ (Deckblattfassung) die maßgeblichen Gebietsbestandteile des FFH-Gebiets fehlerhaft erfasst oder bewertet hat. Ein Mangel ergibt sich aber daraus, dass der Beklagte bei seiner Beurteilung nachträgliche Bestandsänderungen, die dem am 6. Dezember 2005 vom Gutachterbüro an das Regierungspräsidium Kassel übermittelten Rohentwurf der für das FFH-Gebiet „Lichtenauer Hochland“ durchgeführten Grunddatenerhebung 2005 zu entnehmen sind, unberücksichtigt gelassen hat.
72 2.3.1.1.1 Im Rahmen der Verträglichkeitsprüfung ist es nicht erforderlich, das floristische und faunistische Inventar des betreffenden FFH-Gebiets flächendeckend und umfassend zu ermitteln. Gegenstand der Verträglichkeitsprüfung ist die Verträglichkeit des Projekts mit den Erhaltungszielen des Gebiets (§ 20d Abs. 1 Satz 1 HeNatG a.F., § 34 Abs. 1 Satz 1 BNatSchG, Art. 6 Abs. 3 Satz 1 FFH-RL). Dem hat der Prüfungsrahmen Rechnung zu tragen. Erfasst und bewertet werden müssen nur die für die Erhaltungsziele maßgeblichen Gebietsbestandteile. § 10 Abs. 1 Nr. 9 BNatSchG, auf den § 2c HeNatG a.F. verweist, definiert die Erhaltungsziele als Erhaltung und Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustandes der in einem FFH-Gebiet vorkommenden Lebensraumtypen und Arten nach den Anhängen I bzw. II der Habitatrichtlinie. Solange ein FFH-Gebiet noch nicht unter Festlegung des Schutzzwecks zu einem besonderen Schutzgebiet erklärt worden ist, sind die Erhaltungsziele durch Auswertung der zur Vorbereitung der Gebietsmeldung gefertigten Standard-Datenbögen zu ermitteln, in denen die Merkmale des Gebiets beschrieben werden, die aus nationaler Sicht erhebliche ökologische Bedeutung für das Ziel der Erhaltung der natürlichen Lebensräume und Arten haben (Urteil vom 17. Januar 2007 a.a.O. Rn. 75 unter Bezugnahme auf EuGH, Urteil vom 14. September 2006 - Rs. C-244/05 - Slg. 2006, I-8445 Rn. 39, 45 und 51). Maßgebliche - den Gegenstand der Verträglichkeitsprüfung bildende - Gebietsbestandteile sind hiernach in der Regel die Lebensraumtypen des Anhangs I der Richtlinie, nach denen das Gebiet ausgewählt worden ist, einschließlich der „darin vorkommenden charakteristischen Arten“ (vgl. Art. 1 Buchst. e FFH-RL) sowie die Arten des Anhangs II der Richtlinie, die für die Gebietsauswahl bestimmend waren. Lebensraumtypen und Arten, die im Standard-Datenbogen nicht genannt sind, können dagegen kein Erhaltungsziel des Gebiets darstellen (vgl. Urteil vom 17. Januar 2007 a.a.O. Rn. 77).
73 Die Erfassungs- und Bewertungsmethode der Verträglichkeitsprüfung ist nicht normativ festgelegt (vgl. allgemein zur Methodik der Verträglichkeitsprüfung EuGH, Urteil vom 7. September 2004 - Rs. C-127/02 - Slg. 2004, I-7405 Rn. 52; Senatsurteil vom 17. Januar 2007 a.a.O. Rn. 68). Die Zulassungsbehörde ist also nicht auf ein bestimmtes Verfahren festgelegt. Auch hinsichtlich der Methodenwahl muss sie aber den für die Verträglichkeitsprüfung allgemein maßgeblichen Standard der „besten einschlägigen wissenschaftlichen Erkenntnisse“ (vgl. Urteil vom 17. Januar 2007 a.a.O. Rn. 62 unter Hinweis auf EuGH, Urteil vom 7. September 2004 - Rs. C-127/02 - Slg. 2004, I-7405 Rn. 54) einhalten. Untersuchungsmethoden, die in der Fachwissenschaft als überholt gelten, sind demnach unzulässig. Umgekehrt bestehen keine Einwände gegen eine fachwissenschaftlich anerkannte Untersuchungsmethode, wenn mit einer anderen, ebenfalls anerkannten Methode nicht voll übereinstimmende Ergebnisse erzielt würden.
74 Bei der Erfassung von Lebensraumtypen besteht ein besonderes Problem darin, dass sie eine wertende Zuordnung erfordert, die Zuordnungskriterien aber nicht rechtlich definiert sind. Die Lebensraumtypen stellen vielmehr außerrechtliche Kategorien der Pflanzensoziologie dar, die - wie für Typen kennzeichnend - eine Bandbreite von Erscheinungsformen aufweisen. Verweist eine Rechtsnorm auf einen solchen Typ, ohne selbst eine weitergehende Inhaltsbestimmung zu treffen, so werden damit die herrschenden fachwissenschaftlichen Auffassungen über die typprägenden Merkmale für maßgeblich erklärt. Die Verträglichkeitsprüfung hat sich deshalb bei der Typzuordnung an den einschlägigen Konventionen und Standardwerken zu orientieren. Angesichts der Vielzahl von Arten, die in wechselnden Zusammensetzungen in einem Lebensraum bestimmten Typs vorkommen können, ist bei der konkreten Zuordnungsentscheidung mehr als Plausibilität und Stimmigkeit nicht erreichbar. Deshalb ist es unabweisbar, die gerichtliche Kontrolle insoweit zurückzunehmen und der Behörde eine fachliche Einschätzungsprärogative zuzuerkennen.
75 Entsprechendes trifft für die Bestandsbewertung zu. Zwar bietet die Habitatrichtlinie Ansätze zur Gewinnung von Bewertungskriterien. Nicht nur die Gebietsauswahl, sondern auch die Verträglichkeitsprüfung hat sich an der in der 5. Begründungserwägung der Richtlinie zum Ausdruck kommenden Zielsetzung zu orientieren, einen günstigen Erhaltungszustand der natürlichen Lebensräume und der Arten von gemeinschaftlichen Interesse zu wahren oder wiederherzustellen. Was unter einem günstigen Erhaltungszustand zu verstehen ist, ergibt sich für natürliche Lebensräume aus Art. 1 Buchst. e und für Arten aus Art. 1 Buchst. i FFH-RL. Bedeutsam für die Bewertung sind danach diejenigen Faktoren, von denen eine nachhaltige Bestandssicherung des Lebensraumtyps oder der Art abhängt. Zusätzliche Anhaltspunkte liefert Anhang III Phase 1 der Habitatrichtlinie. Darin werden als Kriterien zur Gebietsauswahl für Lebensraumtypen des Anhangs I u.a. der Repräsentativitätsgrad des in dem jeweiligen Gebiet vorkommenden Lebensraumtyps, die relative Flächengröße sowie Erhaltungsgrad und Wiederherstellungsmöglichkeit von Struktur und Funktionen des Lebensraumtyps, für Arten des Anhangs II u.a. Populationsgröße und -dichte sowie Erhaltungsgrad und Wiederherstellungsmöglichkeit der für die betreffende Art wichtigen Habitatselemente genannt. Diese Kriterien sind auch für die Bewertung der maßgeblichen Gebietsbestandteile im Rahmen der Verträglichkeitsprüfung anzuwenden. Angesichts der Vielzahl der Kriterien, ihrer relativen Offenheit und ihres Angewiesenseins auf die Ausfüllung durch außerrechtliche Einschätzungen gilt für die Bestandsbewertung erst recht, dass in sie einer gerichtlichen Kontrolle nur eingeschränkt zugängliche Einschätzungen einfließen.
76 2.3.1.1.2 Diesen Vorgaben wird die Verträglichkeitsuntersuchung gerecht.
77 Sie ist bei der Bestandserfassung und -bewertung von den maßgeblichen Erhaltungszielen des FFH-Gebiets „Lichtenauer Hochland“ ausgegangen. Diese Erhaltungsziele sind den der Gebietsmeldung zugrunde liegenden Standard-Datenbögen (Ursprungsfassung 2000, anlässlich der Erweiterungsmeldung aktualisierte Fassung 2002) zu entnehmen. Die Bögen listen Lebensraumtypen des Anhangs I und Arten des Anhangs II der Habitatrichtlinie sowie diverse europäische Vogelarten und Zugvogelarten auf, die im Gebiet vorkommen. Anders als der „Standard-Datenbogen“ des Anhangs B der Verträglichkeitsuntersuchung, der erst nach der Gebietsmeldung als spezielle Arbeitshilfe für die Untersuchung erarbeitet worden ist und deshalb nicht als authentische Festlegung der Erhaltungsziele verstanden werden kann, enthalten sie jedoch keine ausdrücklichen Angaben zu Erhaltungszielen. Letztere lassen sich deshalb nur aus den Bestandsangaben der im Meldeverfahren gefertigten Bögen unter zusätzlicher Berücksichtigung von deren Rubrik „Güte und Bedeutung“ („hessenweite Bedeutung durch die enge Verzahnung verschieden ausgeprägter, funktionell zusammenhängender Offenlandbiotope, insbesondere: repräsentativ ausgeprägte Pfeifengraswiesen mit stabiler Maculinea-Population, artenreiche Mähwiesen, hohe Anzahl störempfindlicher Rote-Liste-Arten “) erschließen. Angesichts der Angaben in der zitierten Rubrik, die einen deutlichen Bezug zu den aufgelisteten Lebensraumtypen und Arten der Anhänge I bzw. II der Habitatrichtlinie aufweisen, sind diese Lebensraumtypen und Arten zum Gegenstand von Erhaltungszielen geworden. Damit decken sich die der Verträglichkeitsuntersuchung zugrunde gelegten Erhaltungsziele.
78 Soweit die Standard-Datenbögen aus den Jahren 2000 und 2002 darüber hinaus auch Vogelarten auflisten, kann ihnen entgegen der Auffassung des Klägers nicht entnommen werden, auch diese in der Verträglichkeitsuntersuchung nicht berücksichtigten Arten seien zu Erhaltungszielen erhoben worden. Sie könnten es nur als charakteristische Arten der geschützten Lebensraumtypen sein (vgl. Urteil vom 17. Januar 2007 a.a.O. Rn. 77). Die Bestandsangaben zu Vogelarten des Anhangs I der Vogelschutzrichtlinie und der Hinweis auf eine „hohe Anzahl störempfindlicher Rote-Liste-Arten“ unterstreichen zwar den besonderen Wert des Gebiets; ohne eine Zuordnung zu einzelnen der geschützten Lebensraumtypen kommt ihnen ein darüber hinausgehender, die genannten Vogelarten als charakteristische Arten festschreibender Erklärungsgehalt aber nicht zu.
79 Als charakteristische Arten eines Lebensraumtyps, die unter dem Blickwinkel der Erhaltungsziele bedeutsam sind (vgl. Art. 1 Buchst. e Spiegelstrich 3 FFH-RL) und deshalb den Umfang der gebotenen Bestandserfassung und -bewertung beeinflussen können, kommen allerdings nicht nur die im Standard-Datenbogen als solche angesprochenen Arten in Betracht. Die Habitatrichtlinie hebt mit dem Begriff der charakteristischen Arten auf den fachwissenschaftlichen Meinungsstand darüber ab, welche Arten für einen Lebensraumtyp prägend sind. Deswegen hat die Bestandserfassung und -bewertung grundsätzlich die nach dem Stand der Fachwissenschaft charakteristischen Arten einzubeziehen, selbst wenn diese im Standard-Datenbogen nicht gesondert als Erhaltungsziele benannt sind. Die Rüge des Klägers, die in der Verträglichkeitsuntersuchung erfolgte Bestandserfassung habe dem infolge einer unzulässigen Verengung des Begriffs der charakteristischen Arten nicht Rechnung getragen, ist indes unberechtigt.
80 Die Verträglichkeitsuntersuchung hat zwar zum LRT 6410 lediglich den Dunklen Wiesenknopf-Ameisenbläuling und zum LRT 6510 ebenfalls den Dunklen Wiesenknopf-Ameisenbläuling und zusätzlich den Braunen Feuerfalter als charakteristische Tierarten ausgewählt, die im Hinblick auf vorhabenbedingte Beeinträchtigungen einer gesonderten Prüfung bedürften; eine Auswahl charakteristischer Pflanzenarten hat sie wegen deren Berücksichtigung über den jeweiligen Lebensraumtyp sogar für gänzlich verzichtbar gehalten. Diese in Anlehnung an den Leitfaden des Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen zur FFH-Verträglichkeitsprüfung im Bundesfernstraßenbau (Ausgabe 2004 S. 32 f. - nachfolgend: BMVBW-Leitfaden) vorgenommene Einschränkung, die mit der Indikatorfunktion der genannten Arten für potenzielle Auswirkungen des Vorhabens gerechtfertigt worden ist, betrifft aber nicht schon die Stufe der Bestandserfassung und -bewertung, sondern erst die nachfolgende Prüfung von Beeinträchtigungen. Auf der Stufe der Bestandsaufnahme sind demgegenüber weitere charakteristische Arten einbezogen worden, wie die verwandten Bewertungsbögen belegen, die eine nach den Kategorien „Grundbestand“ und „wertsteigernd“ differenzierende Analyse der aufgefundenen Pflanzen- und Tierarten sowie eine darauf basierende Bewertung enthalten. Soweit dabei nicht alle vom Kläger als für die sachgerechte Durchführung einer Verträglichkeitsprüfung maßgeblich erachteten charakteristischen Arten berücksichtigt worden sind, ist dies kein ausreichender Beleg für Defizite der Bestandsaufnahme. Abgesehen davon, dass ein beträchtlicher Teil der vermissten Arten in den Ausführungen der Verträglichkeitsuntersuchung zu den LRT 6410 und 6510 ausdrücklich erwähnt wird (vgl. S. 19 bis 21), weichen die Angaben zu den als charakteristisch, typisch usw. bezeichneten Arten in den verschiedenen Standardwerken schon nach der vom Kläger selbst unterbreiteten Aufstellung deutlich voneinander ab. Angesichts des sachlichen Beurteilungsspielraums, über den die Behörde insoweit verfügt, ließen sich Defizite der Untersuchung in dieser Hinsicht nur dadurch nachvollziehbar belegen, dass der Nachweis geführt würde, es seien solche Arten nicht einbezogen worden, über deren Berücksichtigungsfähigkeit ein weitgehender fachwissenschaftlicher Konsens besteht. Dem wird die Klagebegründung nicht gerecht. Dies gilt insbesondere auch, soweit sie den Raubwürger als charakteristische Tierart der LRT 6410 und 6510 bezeichnet. Die Verträglichkeitsuntersuchung weist ausdrücklich darauf hin, dass diese Vogelart in den einschlägigen hessischen Bewertungsbögen nicht als wertsteigernd aufgeführt ist (S. 15 f.); nach der Stellungnahme der Planungsgruppe Ökologie und Umwelt vom Mai 2006 hat dies seinen - plausiblen - Grund darin, dass der Raubwürger als lebensraumübergreifende Vogelart nicht eng an einen der genannten Lebensraumtypen gebunden ist (S. 31; vgl. auch S. 42 der Verträglichkeitsuntersuchung). Entsprechendes gilt für den Neuntöter (vgl. S. 39 f. der Verträglichkeitsuntersuchung).
81 Auch die Methodik der Erfassung und Bewertung von Lebensraumtypen in der Verträglichkeitsuntersuchung unterliegt nicht den vom Kläger geltend gemachten Bedenken.
82 Die Erfassungsmethode für Lebensraumtypen ist in der Stellungnahme der Planungsgruppe Ökologie und Umwelt vom Mai 2006 dargestellt und in der mündlichen Verhandlung ergänzend erläutert worden. Danach sind die in Betracht kommenden Flächen daraufhin untersucht worden, ob und in welchem Umfang auf ihnen Bestände von Kennarten der Lebensraumtypen vorhanden sind. Der Kläger wendet dagegen ein, die Bestandserfassung habe einschlägige pflanzensoziologische Definitionen nicht beachtet. Er versucht diese These mit Verbreitungskarten bestimmter Kennarten zu untermauern, die von der mit der ersten FFH-Grunddatenerfassung betrauten Coenos Landschaftsplanung GmbH gefertigt worden sind. Wie die Planungsgruppe Ökologie und Umwelt in ihrer Stellungnahme schlüssig erläutert hat, verkennt seine Argumentation indes, dass selbst Kennarten eines Lebensraumtyps nicht ausschließlich in solchen Flächen, die dem betreffenden Lebensraumtyp zuzuordnen sind, sondern auch in anderen Vegetationseinheiten vorkommen. Nicht das Vorhandensein von Kennarten als solches, sondern die Häufigkeit, mit der Kennarten in einer Vegetationseinheit vorhanden sind, entscheidet also über deren Zuordnung zu einem bestimmten Lebensraumtyp.
83 Ein methodischer Mangel liegt auch nicht darin, dass die Kartierer bei der Zuordnung der Flächen darauf verzichtet haben, die Mengenanteile der Kennarten zu dokumentieren. Nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung entspricht eine solche Dokumentation nicht dem Standard der Erfassungstechnik. Vielmehr wird es als ausreichend angesehen, repräsentative Dauerbeobachtungsstellen einzurichten und deren Erfassungsergebnisse zu dokumentieren, aus denen dann Rückschlüsse auf die bei der Zuordnung im Übrigen vorgenommenen Wertungen gezogen werden können. In dieser Weise ist auch die Verträglichkeitsuntersuchung für das Lichtenauer Hochland verfahren. Ein derartiges Vorgehen ist rechtlich vertretbar. Eine alle Flächen abdeckende Dokumentation der Erfassungsergebnisse unter Angabe der Mengenanteile wäre mit einem außerordentlich hohen Aufwand verbunden, der angesichts der Möglichkeit, die erwähnten Rückschlüsse aus den Auswertungen der Dauerbeobachtungsstellen zu ziehen, nicht verlangt werden kann.
84 Dass das Coenos-Gutachten, dem die vom Kläger geforderte Erfassungsmethode zugrunde liegt, deutlich mehr Flächen den geschützten LRT 6410 und 6510 zugeordnet hat als die Verträglichkeitsuntersuchung, stellt hiernach die Vertretbarkeit der in der Verträglichkeitsuntersuchung gewonnenen Erfassungsergebnisse nicht in Frage. Unterschiedliche Untersuchungsmethoden schlagen sich zwangsläufig in unterschiedlichen Untersuchungsergebnissen nieder. Deshalb besteht kein Anlass, sich mit den umfänglichen Darlegungen des Klägers zur Zuordnung einzelner Flächen weiter auseinanderzusetzen.
85 Ebenfalls unbedenklich ist die angewandte Bewertungsmethode. Die Bewertung der erfassten LRT-Flächen haben die Gutachter anhand einer durch die Bewertungsbögen vorgegebenen Methode vorgenommen. Bewertungskriterien waren das Arteninventar, Habitate und Strukturen sowie Beeinträchtigungen. Die so gewonnenen Einzelergebnisse sind anhand eines gleichfalls vorgegebenen Bewertungsschemas zu einer Gesamtbewertung des Erhaltungszustands der einzelnen Flächen mit den Wertstufen A bis C verknüpft worden. Die angewandten Kriterien entsprechen den oben dargestellten Maßstäben der Habitatrichtlinie; die Art und Weise ihrer Verknüpfung erscheint sachgerecht. Die gewählte Bewertungsmethode entspricht im Übrigen bundesweit anerkannten Grundsätzen (vgl. die Beschlüsse der LANA auf ihrer 81. Sitzung im September 2001). Die Kritik des Klägers, angewandte Subkriterien wie Blütenreichtum, Strukturreichtum usw. seien zu unscharf, verkennt, dass die damit umschriebenen, für den Erhaltungszustand prägenden Eigenschaften nur wertend erfasst werden können.
86 Unberechtigt sind schließlich auch die Argumente, mit denen der Kläger die Bestandserfassung und -bewertung des Dunklen Wiesenknopf-Ameisenbläulings in Zweifel zieht. Begehungen zur Erfassung des Falters haben während der dafür geeigneten Hauptflugzeit nicht - wie der Kläger mutmaßt - nur einmal, sondern dreimal im Bereich der zuvor im Coenos-Gutachten ermittelten Vorkommen stattgefunden (vgl. S. 46 der Stellungnahme der Planungsgruppe Ökologie und Umwelt). Die Untersuchungsdichte entsprach damit derjenigen des vorgenannten Gutachtens, auf das sich der Kläger stützt. Dass bei den Begehungen weit weniger Exemplare der Art erfasst wurden als im Coenos-Gutachten und zwei Vorkommen überhaupt nicht festgestellt werden konnten, erklärt die vorerwähnte Stellungnahme plausibel mit dem im vorausgegangenen Jahr für die Reproduktion der Art ungünstigen Mahdzeitpunkt. Auch die Verträglichkeitsuntersuchung selbst weist auf diesen Umstand hin (S. 28). Bei der Abschätzung der Populationsgröße hat die Verträglichkeitsuntersuchung die Erfassungsdaten des Coenos-Gutachtens im Übrigen durchaus berücksichtigt (Tabelle 7 auf S. 28). Dass die Untersuchungsparameter unzureichend gewesen wären, lässt sich ebenfalls nicht feststellen. Aktionsradien, Eiablageplätze usw. müssten nur dann im Einzelnen ermittelt werden, wenn das Erfahrungswissen über die Lebensgewohnheiten der Art nicht ausreichte, um aus vorhandenen Informationen (Fundorte, Vegetationsstrukturen usw.) darauf verlässliche Schlüsse zu ziehen. Dass dies nicht möglich wäre, hat der Kläger nicht substanziiert dargelegt.
87 Soweit er schließlich auf von ihm veranlasste Bestandserfassungen von Maculinea nausithous im Jahr 2007 verweist, kommt dem für die Verträglichkeitsbeurteilung keine Bedeutung zu. Der maßgebliche Beurteilungszeitpunkt lässt die Berücksichtigung dieser erst nach dem ersten Änderungs- und Ergänzungsbeschluss durchgeführten Untersuchungen nicht zu.
88 2.3.1.1.3 Obgleich die Verträglichkeitsuntersuchung ordnungsgemäß den Bestand an Lebensraumtypen und Arten erfasst und bewertet hat, bedürfen ihre Ergebnisse hinsichtlich der Lebensraumtypen wegen nachträglicher, jedoch vor dem maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt eingetretener Änderungen der Verhältnisse der Modifikation. Das folgt aus der Grunddatenerhebung 2005, deren Bestandsaufnahme der Lebensraumtypen bei Erlass des Änderungs- und Ergänzungsbeschlusses abgeschlossen war und in die zu diesem Zeitpunkt der oberen Naturschutzbehörde bereits zugeleitete Rohfassung des darüber gefertigten Untersuchungsberichts Eingang gefunden hatte.
89 Die Verträglichkeitsprüfung ist ein Verfahrensschritt innerhalb der Planfeststellung; über die Zulässigkeit des Vorhabens ist „unter Berücksichtigung der Ergebnisse der Verträglichkeitsprüfung“ zu entscheiden (Art. 6 Abs. 3 Satz 2 FFH-RL). Das besagt indessen nicht, dass die Planfeststellungsbehörde abweichend vom grundsätzlich maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt Änderungen der tatsächlichen Verhältnisse, die sich erst im Anschluss an eine durchgeführte Verträglichkeitsuntersuchung ergeben haben und bekanntgeworden sind, außer Betracht lassen dürfte. Dies widerspräche dem Schutzzweck der Habitatrichtlinie und dem daraus folgenden fachlichen Beurteilungsstandard der „besten einschlägigen wissenschaftlichen Erkenntnisse“. Die Planfeststellungsbehörde hat zwar in der Regel ihrer Ermittlungspflicht genügt, wenn eine Verträglichkeitsprüfung durchgeführt und auf deren Grundlage in angemessenem zeitlichen Zusammenhang entschieden worden ist. Es besteht also keine Pflicht, bis zum Entscheidungstermin fortwährend nachzuermitteln. Vor neuen Erkenntnissen dürfen aber nicht die Augen verschlossen werden. Das gilt zunächst für Erkenntnisse, die der Planfeststellungsbehörde selbst zugänglich gemacht werden. Gleiches trifft aber auch für Sachverhaltsfeststellungen zu, von denen die in das Planfeststellungsverfahren eingebundenen Fachbehörden innerhalb ihres Zuständigkeitsbereichs Kenntnis erlangen. Dies ist aus dem die Planfeststellung bestimmenden Grundsatz formeller Konzentration (vgl. § 75 Abs. 1 Satz 1 VwVfG) abzuleiten. Der Bündelung der Entscheidungszuständigkeiten bei der Planfeststellungsbehörde korrespondiert eine spezifische Einbindung der in ihrem Aufgabenbereich berührten Fachbehörden in das Planfeststellungsverfahren. Die Fachbehörden stehen in der Verantwortung, neben ihrer Fachkompetenz ihre Erkenntnisse über den Sachverhalt in das Verfahren einzubringen und so dazu beizutragen, dass die Entscheidung auch bezogen auf die in ihren Aufgabenbereich fallenden öffentlichen Belange auf zutreffender tatsächlicher Grundlage ergeht. Für die Frage, welchen Sachverhalt die mit Konzentrationswirkung ausgestattete Entscheidung zu berücksichtigen hat, ist deshalb nicht allein auf den Erkenntnisstand der Planfeststellungsbehörde, sondern daneben auch auf denjenigen der in ihrem Aufgabenbereich berührten Naturschutzbehörden abzustellen.
90 Hiernach waren die Feststellungen der Grunddatenerfassung 2005 zu Veränderungen der LRT 6410 und 6510 zu berücksichtigen. Die Ergebnisse der 2005 durchgeführten Erhebung sind den Angaben des Beklagten zufolge der Planfeststellungsbehörde zwar erst nach Erlass des Änderungs- und Ergänzungsbeschlusses vom 22. Dezember 2005 bekannt geworden. Darauf kommt es aber nicht an, weil die am Planfeststellungsverfahren als Fachbehörde beteiligte obere Naturschutzbehörde von den wesentlichen Ergebnissen der Grunddatenerhebung 2005 schon vorher Kenntnis erlangt hat. Bereits durch Sachstandsbericht des Gutachters vom 12. September 2005 wurde sie darüber informiert, dass die Biotopkartierung und die Abgrenzung der Lebensraumtypen erfolgt seien, wobei sich Änderungen gegenüber dem früheren Zustand ergeben hätten. Anfang Dezember 2005 und damit ebenfalls noch vor Erlass des Änderungs- und Ergänzungsbeschlusses leitete das Gutachterbüro ihr eine erste Fassung der Grunddatenerhebung zu. Diese auch als Rohentwurf bezeichnete Fassung wies in ihrem Textteil und den beigefügten Karten bereits den damals aktuellen Bestand an LRT-Flächen mit Angaben zur Gesamtfläche, zu den Flächenanteilen der einzelnen Wertstufen sowie zu Lage und räumlicher Ausdehnung der zugehörigen Vegetationsflächen aus. Trotz unterschiedlicher Zielrichtung der Verträglichkeitsuntersuchung aus dem Jahr 2002 und der mit Rücksicht auf die Berichtspflicht nach Art. 17 FFH-RL durchgeführten Grunddatenerhebung 2005 sind die jeweiligen Ergebnisse der Bestandserfassung und -bewertung vergleichbar; beide Untersuchungen wurden nach derselben Methode durchgeführt. Unter diesen Umständen hätten der Verträglichkeitsbeurteilung die infolge der vom Beklagten näher erläuterten dynamischen Gebietsentwicklung veränderten Verhältnisse zugrunde gelegt werden müssen.
91 Diese Änderungen reichen weit: Es sind im gesamten Gebiet, namentlich jedoch auch im planungsbetroffenen Bereich Flächen der LRT 6410 und 6510 sowohl neu entstanden als auch zwischenzeitlich entfallen. Die Gesamtfläche des LRT 6410 ist von 3,6 ha auf 3,1 ha zurückgegangen, die Gesamtfläche des LRT 6510 von 64,5 ha auf 69,06 ha angewachsen. Außerdem haben sich die Flächenanteile der einzelnen Wertstufen bei beiden Lebensraumtypen deutlich verschoben (vgl. im Einzelnen die Angaben in Tab. 1 des Schriftsatzes des Beklagten vom 29. August 2007).
92 2.3.1.2 Erfassung und Bewertung von Beeinträchtigungen
93 Jedenfalls auf der Grundlage der veränderten Daten hätte die Verträglichkeitsprüfung zu einem negativen Ergebnis führen müssen.
94 Ob ein Projekt das betreffende Schutzgebiet in seinen für die Erhaltungsziele bedeutsamen Bestandteilen erheblich beeinträchtigen kann, ist anhand seiner Auswirkungen auf den Erhaltungszustand der Gebietsbestandteile zu beurteilen. Maßgebliches Beurteilungskriterium ist der günstige Erhaltungszustand der geschützten Lebensräume und Arten im Sinne der Legaldefinitionen des Art. 1 Buchst. e und i FFH-RL; ein günstiger Erhaltungszustand muss trotz Durchführung des Vorhabens stabil bleiben (Urteil vom 17. Januar 2007 - BVerwG 9 A 20.05 - BVerwGE 128, 1 ). Das gemeinschaftsrechtliche Vorsorgeprinzip (Art. 174 Abs. 2 Satz 2 EG), das in Art. 6 Abs. 3 FFH-RL seinen Niederschlag gefunden hat (vgl. EuGH, Urteil vom 7. September 2004 - Rs. C-127/02 - Slg. 2004, I-7405 Rn. 58), verlangt allerdings nicht, die Verträglichkeitsprüfung auf ein „Nullrisiko“ auszurichten. Ein Projekt ist vielmehr dann zulässig, wenn nach Abschluss der Verträglichkeitsprüfung kein vernünftiger Zweifel verbleibt, dass erhebliche Beeinträchtigungen vermieden werden (Urteil vom 17. Januar 2007 a.a.O. Rn. 60 unter Bezugnahme auf EuGH, Urteil vom 7. September 2004 a.a.O. Rn. 59). Um zu einer verlässlichen Beurteilung zu gelangen, muss die Verträglichkeitsprüfung die „besten einschlägigen wissenschaftlichen Erkenntnisse“ (vgl. EuGH, Urteil vom 7. September 2004 a.a.O. Rn. 54) berücksichtigen und setzt somit die „Ausschöpfung aller wissenschaftlichen Mittel und Quellen“ (vgl. Schlussanträge der Generalanwältin Kokott zu Rs. C-127/02, Slg. 2004, I-7405 Rn. 97) voraus (Urteil vom 17. Januar 2007 a.a.O. Rn. 62). Unsicherheiten über Wirkungszusammenhänge, die sich auch bei Ausschöpfung dieser Erkenntnismittel derzeit nicht ausräumen lassen, müssen freilich kein unüberwindbares Zulassungshindernis darstellen. Insoweit ist es zulässig, mit Prognosewahrscheinlichkeiten und Schätzungen zu arbeiten, die kenntlich gemacht und begründet werden müssen (Urteil vom 17. Januar 2007 a.a.O. Rn. 64). Zugunsten des Projekts dürfen bei der Verträglichkeitsprüfung die vom Vorhabenträger geplanten oder im Rahmen der Planfeststellung behördlich angeordneten Schutz- und Kompensationsmaßnahmen berücksichtigt werden, sofern sie sicherstellen, dass erhebliche Beeinträchtigungen verhindert werden (Urteil vom 17. Januar 2007 a.a.O. Rn. 53 m.w.N.). Für Kompensationsmaßnahmen (im Sinne der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung, vgl. § 19 Abs. 2 BNatSchG) wird sich diese Feststellung allerdings nur ausnahmsweise treffen lassen, da die genannten Maßnahmen in der Regel erst deutlich verzögert wirken und ihr Erfolg selten mit einer jeden vernünftigen Zweifel ausschließenden Sicherheit vorhergesagt werden kann (vgl. Schlussanträge der Generalanwältin Kokott zu Rs. C-239/04 - Slg. 2006, I-10183 Rn. 35).
95 Nach diesen Grundsätzen erweist sich die - auch im Änderungs- und Ergänzungsbeschluss vom 28. Februar 2008 nicht aufgegebene, sondern für den Fall abweichender Einschätzung um Hilfserwägungen ergänzte - Beurteilung, das Vorhaben sei mit den Erhaltungszielen des FFH-Gebiets „Lichtenauer Hochland“ zu vereinbaren, als nicht haltbar. Für die Überprüfung ist im Einklang mit der durchgeführten Verträglichkeitsuntersuchung davon auszugehen, dass die Beeinträchtigungen des FFH-Gebiets durch den planfestgestellten Abschnitt und durch den Nachbarabschnitt VKE 31 gemeinsam zu berücksichtigen sind. Nur durch eine solche summierende Betrachtung lässt sich das Ausmaß der Gebietsbeeinträchtigungen sachgerecht erfassen. Erhebliche Beeinträchtigungen sind danach für Flächen sowohl des LRT 6410 als auch des LRT 6510 in Rechnung zu stellen. Lediglich für den Dunklen Wiesenknopf-Ameisenbläuling hat die Planfeststellungsbehörde zu Recht eine erhebliche Beeinträchtigung verneint.
96 2.3.1.2.1 Pfeifengraswiesen
97 Für den LRT 6410 lassen sich erhebliche Beeinträchtigungen durch vorhabenbedingte Grundwasserabsenkungen zwar mit der gebotenen Sicherheit ausschließen. Unter Berücksichtigung der in der Grunddatenerfassung 2005 gewonnenen Erkenntnisse über den Bestand an Pfeifengraswiesen ist aber zu besorgen, dass Flächen dieses Lebensraumtyps durch Stickstoffeinträge beim Betrieb der Straße und Trennwirkungen erheblich beeinträchtigt werden.
98 2.3.1.2.1.1 Der Kläger sieht die - durch unmittelbare Flächeninanspruchnahme nicht betroffenen - Pfeifengraswiesen nordöstlich und südwestlich der Autobahntrasse in erster Linie durch Grundwasserabsenkungen gefährdet, die während der Bauphase, danach aber auch dauerhaft durch die bauliche Anlage als solche aufträten. Hieran ist richtig, dass sich mit dem Vorhaben für die Pfeifengraswiesen ein hohes, auch vom Beklagten nicht in Abrede gestelltes Risikopotenzial verbindet. Die Einschätzung der Planfeststellungsbehörde, unter Beachtung der planfestgestellten Vorkehrungen seien die Risiken sicher beherrschbar, hält aber gerichtlicher Überprüfung stand.
99 Die behördliche Beurteilung stützt sich auf zwei vom Vorhabenträger eingeholte Gutachten der HGN Hydrogeologie GmbH vom 18. September 2003 (HGN 2003) und vom 30. November 2004 (HGN 2004). Beide Gutachten sind in Ansatz und Durchführung plausibel. Im Rahmen des ersten Gutachtens sind u.a. verfügbare Daten über die meteorologischen Standortverhältnisse ausgewertet, Bohrungen zur Bestimmung der geologischen Gegebenheiten und der Grundwasserstände vorgenommen, Pumpversuche zur Erfassung des hydraulischen Systems (Grundwasserfluss) durchgeführt und Parameter des Bodenwasserhaushalts ermittelt worden. Ergänzend zur analytischen Auswertung der Bohrungen und Versuche haben die Gutachter ein Modell zur Bewertung der hydraulischen Verhältnisse auf der Hochfläche entwickelt. Das zweite Gutachten baut auf dem ersten auf; es hat das Grundwasserströmungsmodell unter Auswertung weiterer Daten präzisiert und zusätzlich ein Bodenwasserhaushaltsmodell entwickelt, das dazu dient, Auswirkungen von Grundwasserabsenkungen auf den für die Vegetation wesentlichen Bodenwasserhaushalt zu ermitteln. Beide Gutachten kommen übereinstimmend zu dem Ergebnis, dass ohne flankierende Maßnahmen das Grundwasser unter den Pfeifengraswiesen in einem die Pflanzen gefährdenden Ausmaß (im Hochwasserfall um maximal 0,5 m und im Niedrigwasserfall während der Monate Mai bis September um maximal 1 m) abgesenkt würde. Werde die Trasse hingegen bis zum Standort der im ursprünglichen Planfeststellungsbeschluss vorgesehenen Grünbrücke abgedichtet und erfolgten die Arbeiten nach dem vorgeschlagenen Bauzeitenplan, so komme es lediglich zu einer für die Pflanzen unbedenklichen temporären Absenkung des Grundwasserspiegels in weit geringerer Stärke während der für das Pflanzenwachstum weniger bedeutsamen Hochwasserphase in den Monaten Oktober bis April (vgl. HGN 2004 S. 46).
100 Die vom Kläger gegen die Gutachten vorgebrachten Einwände stellen deren Aussagekraft nicht infrage. Bereits die vom Beklagten mit seiner Klageerwiderung vorgelegte Stellungnahme der Planungsgruppe Ökologie und Umwelt hat sich mit ihnen detailliert auseinandergesetzt und insbesondere die Vorwürfe entkräftet, die sich gegen die Durchführung von Bohrungen und Pumpversuchen richten (S. 37 f.). Soweit hinsichtlich der Auswertung des Pumpversuchs im Keuper an der Grundwassermessstelle 02/375 noch Unklarheiten verblieben, sind diese durch die Erläuterungen in der Stellungnahme der HGN vom 19. Februar 2008 und die ergänzenden Ausführungen des HGN-Gutachters in der mündlichen Verhandlung ausgeräumt worden. Ein Kausalzusammenhang zwischen dem Pumpversuch und der Absenkung in der weit entfernten Grundwassermessstelle 02/365 erscheint mit Rücksicht auf die Messstände in anderen Messstellen als ausgeschlossen; die Absenkung lässt sich stattdessen plausibel auf die Wetterbedingungen zurückführen, die auch in anderen Messstellen Absenkungen bewirkt haben.
101 Der Vorwurf des Klägers, aus den Messergebnissen der Grundwassermessstelle 441 seien Fehlschlüsse für die baubedingten Auswirkungen des in Deckelbauweise zu erstellenden Tunnelteils gezogen worden, ist nicht berechtigt. Nach den zwischen Juli 2001 und Februar 2003 dort gemessenen Werten schwanken die Grundwasserstände zwischen 391 und 392 m NN in der Niedrigwasserphase sowie zwischen 394 und 395 m NN in der Hochwasserphase (vgl. HGN 2003 S. 21 Abb. 7). Die Gradiente liegt im Bereich der Messstelle am östlichen Ende des Planfeststellungsabschnitts auf 392,6 m NN; der Gradiententiefstpunkt wird mit 392,365 m NN ca. 80 m weiter östlich im Nachbarabschnitt VKE 31 erreicht. Hieraus folgt, dass die Aussage der Gutachten zutrifft, in der Niedrigwasserphase werde die Gradiente über dem Grundwasserspiegel liegen. Der Kläger weist zwar zu Recht darauf hin, dass für den Bau der Straße der Boden bis über die Gradiente hinaus abgetragen werden muss. Angesichts der im Bauzeitenplan vorgesehenen zügigen Wiederverfüllung ist dieser Aspekt aber zu vernachlässigen. Dass bei mittleren und hohen Wasserständen die Gradiente teilweise deutlich unterhalb des Grundwasserspiegels liegen wird, ist in die Berechnungen beider Gutachten einbezogen worden; die Zuflussmengen während der Bauphase lassen sich den Tabellen 7-4 und 7-5 von HGN 2004 ebenso entnehmen wie die daraus abgeleiteten Grundwasserabsenkungen im Trassenumfeld einschließlich der Pfeifengraswiesen (HGN 2004 Anlage 4 Bl. 1 und 2). Der aus den prognostizierten Absenkungen abgeleiteten Empfehlung des Gutachtens HGN 2004, den gedeckelten Trogbereich bei Niedrigwasser (Sommer bis Herbst) zu errichten, trägt die Planung Rechnung (vgl. Deckblatt zum Erläuterungsbericht des Vorentwurfs Schulbergtunnel S. 13). Die Bauzeitenanteile, die auf die Deckelbauweise entfallen, summieren sich zwar auf mehr als 20 Monate. Für den Wasserhaushalt bedeutsam ist aber nach den in der mündlichen Verhandlung vom HGN-Gutachter befriedigend erläuterten Angaben im Planfeststellungsbeschluss (S. 253) allein die mit vier Monaten veranschlagte vierte Bauphase. Sie soll nach dem Bauzeitenplan jedenfalls ganz überwiegend in den Sommermonaten erfolgen (PFB S. 253).
102 Dass der Einschnitt südöstlich des Schulbergtunnels bei Hochwasserlagen in das Hochwasser eingreifen wird, ist unbedenklich. Auch diesen Punkt haben die Gutachter der Straßenbauverwaltung ausweislich der Stellungnahme der Planungsgruppe Ökologie und Umwelt (S. 39) berücksichtigt. Dass sie ihm keine Bedeutung für den Bodenwasserhaushalt der Pfeifengraswiesen beimessen, leuchtet aufgrund ihrer vom Kläger nicht substanziiert angegriffenen Angaben zur Reichweite der einschnittsbedingten Grundwasserabsenkung ein; dies umso mehr, als sie darauf hingewiesen haben, dass die Entwässerung im Bereich südöstlich des Tunnels maßgeblich durch den deutlich tieferen Einschnitt der Eisenbahntrasse bestimmt wird.
103 Dass das hydrogeologische Gutachten HGN 2004 von einem einheitlichen Wurzelparameter der charakteristischen Arten des LRT 6410 ausgegangen ist, hat nicht zu Fehlbeurteilungen der Auswirkungen des Vorhabens auf den Wasserhaushalt der Pfeifengraswiesen geführt. Allerdings variiert die Wurzeltiefe der betreffenden Arten deutlich; sie reicht, wie der Beklagte eingeräumt hat, von 20 - 40 cm bis zu 1,3 m. Die pauschalierende Annahme eines Wurzelparameters von 75 cm erweist sich gleichwohl als unbedenklich, weil die flachwurzelnden Arten nach den vom Kläger nicht substanziiert bestrittenen Darlegungen des Beklagten keinen fortwährenden direkten Grundwasseranschluss benötigen, sondern in der Lage sind, ein temporäres Absinken des Grundwasserstandes durch eine erhöhte Saugspannung zu kompensieren. Da die prognostizierten Grundwasserabsenkungen mit Werten von 10 bis 50 cm gering sind und sich zugleich auf einen kurzen, weitgehend mit der winterlichen Ruhephase der Pflanzen zusammenfallenden Zeitraum während der Bauphase beschränken, ist der Schluss gerechtfertigt, Schäden seien auf der Grundlage der prognostizierten Absenkungswerte auszuschließen.
104 Die Überlegungen, mit denen der Kläger anlagebedingte Beeinträchtigungen der hydrologischen Verhältnisse begründet, sind nicht stichhaltig. Das gilt zum einen für die Auswirkungen des Tunnelbauwerks. Die Bohrpfähle für den in Deckelbauweise zu errichtenden Tunnelteil, in denen der Kläger eine für das Grundwasser undurchdringliche Sperrwand sieht, können den Grundwasserfluss schon deshalb nicht wesentlich beeinflussen, weil sie generell in Grundwasserfließrichtung gesetzt werden sollen (vgl. die Stellungnahme der Planungsgruppe Ökologie und Umwelt S. 38). Selbst vereinzelt auftretende horizontale Strömungen würden der Stellungnahme zufolge nicht wesentlich behindert, weil die Tunneltrasse auf der Wasserscheide zwischen dem Stedtebach im Nordosten und der Losse im Südwesten verläuft. Aus demselben Grund können auch oberflächennahe Abflüsse von Regensickerwasser durch die Entfernung oberer Schichten im Deckelbereich nicht wesentlich eingeschränkt werden. Die Behandlung des Bodens - lagenweiser Abtrag, Zwischenlagerung und lagen

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