BUNDESFINANZHOF Urteil vom 20.11.2018, VIII R 45/15ECLI:DE:BFH:2018:U.201118.VIIIR45.15.0
Karar Dilini Çevir:


BUNDESFINANZHOF Urteil vom 20.11.2018, VIII R 45/15
ECLI:DE:BFH:2018:U.201118.VIIIR45.15.0

Anfechtung einer Kapitalertragsteuer-Anmeldung durch den Vergütungsgläubiger; Erledigung der Kapitalertragsteuer-Anmeldung aufgrund der Einkommensteuerfestsetzung bei einem Antrag nach § 32d Abs. 4 EStG

Leitsätze

1. Die Drittanfechtungsklage gegen eine Kapitalertragsteuer-Anmeldung ist mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig, wenn sich die Kapitalertragsteuer-Anmeldung vor der Klageerhebung durch die Einbeziehung der Kapitalerträge in die Einkommensteuerfestsetzung aufgrund eines Antrags nach § 32d Abs. 4 EStG auf sonstige Weise gemäß § 124 Abs. 2 AO erledigt hat.

2. Der Vorrang der Überprüfung der Rechtmäßigkeit der einbehaltenen Kapitalertragsteuer im Festsetzungsverfahren verstößt weder gegen das Gebot des effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG, noch gegen Art. 3 GG und Art. 14 Abs. 1 GG (Verbot der Übermaßbesteuerung) oder gegen die Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 56 EG, Art. 63 AEUV).

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Finanzgerichts Köln vom 5. August 2015  3 K 1040/15 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Klage unzulässig war.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Tatbestand  I. 1 Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) war Inhaber von Aktien des amerikanischen Unternehmens A. Das Kreditinstitut B (B) behielt aufgrund einer "Entflechtung (Spin-off)" dieser Wertpapiere einen Steuerabzugsbetrag für Kapitalertragsteuer, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer in Höhe von insgesamt 919,57 EUR ein. Es meldete diesen Betrag mit der Kapitalertragsteuer-Anmeldung für Oktober 2012 bei dem Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --FA--) an. 2 Der Kläger wandte sich --nach erfolglosen Anträgen auf Auszahlung der einbehaltenen Kapitalertragsteuer bei dem für die Einkommensteuerveranlagung zuständigen Finanzamt C und beim Finanzgericht (FG) ... (Az. ...)-- an das für die Anmeldung der Kapitalertragsteuer zuständige beklagte FA. Er machte geltend, dass die Abführung der Kapitalertragsteuer in Höhe von 919,57 EUR rechtswidrig und der abgeführte Betrag daher an ihn zu erstatten sei. Auch nach Auffassung des Bundesfinanzhofs (BFH) führe der "Spin-off" der A-Aktien nicht zu steuerpflichtigen Kapitaleinkünften. 3 Das für die Einkommensteuerveranlagung des Klägers zuständige Finanzamt C erließ am 10. Februar 2014 einen Einkommensteuerbescheid für 2012. Aufgrund des Antrags des Klägers auf Überprüfung des Steuereinbehalts nach § 32d Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) wurden bei der Einkommensteuerfestsetzung die Erträge aus dem "Spin-off" in Höhe von 3.284,74 EUR bei der Berechnung der Einkünfte, die nach § 32d Abs. 1 EStG der Abgeltungsteuer unterliegen, berücksichtigt. Die von B abgeführte Kapitalertragsteuer in Höhe von 919,57 EUR wurde im Abrechnungsteil des Einkommensteuerbescheids auf die Einkommensteuerschuld angerechnet. Der hiergegen eingelegte Einspruch wurde für ruhend erklärt. 4 Der Einspruch des Klägers gegen die Kapitalertragsteuer-Anmeldung des B für Oktober 2012 wurde vom FA mit Einspruchsentscheidung vom 18. März 2015 mangels Rechtsschutzbedürfnisses als unzulässig verworfen. Die vom Kläger hiergegen am 15. April 2015 erhobene Klage hat das FG mit Urteil vom 5. August 2015  3 K 1040/15 (Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2016, 93) als unbegründet abgewiesen. 5 Der Kläger macht mit der Revision geltend, dass eine Drittanfechtung der Kapitalertragsteuer-Anmeldung zulässig sei. Sollte der Steuerpflichtige hinsichtlich seiner Einwendungen gegen die Anmeldung der Kapitalertragsteuer auf das Einkommensteuerverfahren verwiesen werden, führe dies zu einer Verletzung des Gebots des effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes --GG--). Zudem führe die Abführung von Kapitalertragsteuer aufgrund eines "Spin-off" zu einer verfassungswidrigen Übermaßbesteuerung. Es liege auch ein Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit nach Art. 63 Abs. 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) vor. Es sei unverhältnismäßig und diskriminierend, von dem Steuerpflichtigen einen Antrag auf Überprüfung des Steuereinbehalts nach § 32d Abs. 4 EStG im Veranlagungsverfahren zu verlangen, der zur Überprüfung aller Kapitalerträge führe. 6 Der Kläger beantragt,
das angefochtene Urteil der Vorinstanz sowie die Kapitalertragsteuer-Anmeldung vom 12. November 2012 und die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung vom 18. März 2015 aufzuheben, hilfsweise festzustellen, dass die Kapitalertragsteuer-Anmeldung vom 12. November 2012 und die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung vom 18. März 2015 rechtswidrig waren. 7 Das FA beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe  II. 8 Die Revision ist als unbegründet zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Es hat zwar die Klage zu Unrecht für zulässig erachtet und den Haupt- und Hilfsantrag als unbegründet abgewiesen. Gleichwohl ist der Tenor des Urteils zutreffend, so dass das Urteil trotz dieses Rechtsfehlers nicht aufzuheben ist (BFH-Urteile vom 10. Januar 2007 I R 75/05, BFH/NV 2007, 1506; vom 23. September 2008 I R 90/07, BFH/NV 2009, 588, m.w.N.). Die Revision ist deshalb mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass die Klage unzulässig ist. Aufgrund der offensichtlichen Unzulässigkeit der Klage ist es nicht verfahrensfehlerhaft, dass das FG die Beiladung des B zum Verfahren unterlassen hat. 9 1. Die Klage gegen die Kapitalertragsteuer-Anmeldung des B für Oktober 2012 ist unzulässig. Zwar war der Kläger grundsätzlich befugt, die Kapitalertragsteuer-Anmeldung im Rahmen einer sog. Drittanfechtung aus eigenem Recht anzufechten (a). Jedoch hatte sich die Kapitalertragsteuer-Anmeldung für Oktober 2012 bereits vor Erhebung der Klage am 15. April 2015 durch den Erlass des Einkommensteuerbescheids für 2012 vom 10. Februar 2014 aufgrund des Antrags des Klägers auf Überprüfung des Steuereinbehalts nach § 32d Abs. 4 EStG erledigt (b). Damit ist das Rechtsschutzinteresse des Klägers in Bezug auf die Anfechtung der Kapitalertragsteuer-Anmeldung entfallen (c). 10 a) Der Kläger war grundsätzlich befugt, als Gläubiger der Kapitalerträge und Schuldner der Kapitalertragsteuer (§ 44 Abs. 1 Satz 1 EStG) die Kapitalertragsteuer-Anmeldung des B anzufechten. Die nach § 45a EStG angemeldete Kapitalertragsteuer steht nach § 168 der Abgabenordnung (AO) einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleich. Ihr Regelungsgehalt beschränkt sich darauf, dass der Schuldner der Kapitalerträge die angemeldeten Beträge abzuführen hat. Da jedoch der Gläubiger der Kapitalerträge die Kapitalertragsteuer sowie den im Abzugsverfahren erhobenen Solidaritätszuschlag schuldet und demgemäß der Vergütungsschuldner die Steuerabzüge für Rechnung des Gläubigers der Kapitalerträge vorgenommen hat (§ 44 Abs. 1 Satz 3 EStG), werden im Fall der Rechtswidrigkeit der nach § 168 AO fingierten Steuerbescheide auch rechtlich geschützte Interessen des Gläubigers der Kapitalerträge berührt (BFH-Urteil vom 12. Dezember 2012 I R 27/12, BFHE 241, 151, BStBl II 2013, 682, m.w.N.). Danach ist eine Drittanfechtung der Kapitalertragsteuer-Anmeldung durch den Gläubiger der Kapitalerträge grundsätzlich möglich (s. hierzu auch Heuermann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, --HHSp--, § 168 AO Rz 8, m.w.N.). 11 b) Gegenstand der Drittanfechtungsklage ist die mit der Steueranmeldung verbundene Steuerfestsetzung gegen den Vergütungsschuldner. Die Überprüfung der Steueranmeldung beschränkt sich in diesem Fall darauf, ob der Vergütungsschuldner die Steueranmeldung vornehmen durfte. Dies ist bereits dann zu bejahen, wenn die Voraussetzungen für den Steuereinbehalt zweifelhaft sind. Auch ist im Rahmen dieses eingeschränkten Prüfungsumfangs im Grundsatz davon auszugehen, dass der Vergütungsschuldner zum Kapitalertragsteuerabzug dann berechtigt ist, wenn er sich hierbei auf ein Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen stützen kann. Dieser Grundsatz ist aber dann zu durchbrechen, wenn die Ansicht des Vergütungsgläubigers dem eindeutigen Wortlaut der einschlägigen Bestimmungen entspricht und auch aus deren Entstehungsgeschichte und Zweck kein Anhalt für ein abweichendes Regelungsverständnis besteht (BFH-Urteil in BFHE 241, 151, BStBl II 2013, 682), so dass die Anmeldung des Vergütungsschuldners eindeutig rechtswidrig ist. Ob dieser Prüfungsumfang durch die ab dem Veranlagungszeitraum 2016 geltende Regelung des § 44 Abs. 1 Satz 3 EStG (eingeführt durch Art. 3 Nr. 7 Buchst. a des Steueränderungsgesetzes 2015 vom 2. November 2015, BGBl I 2015, 1834), nach der der Steuerabzug unter Beachtung der im Bundessteuerblatt veröffentlichten Auslegungsvorschriften der Finanzverwaltung vorzunehmen ist, weiter eingeschränkt wird, ist im vorliegenden Fall nicht zu entscheiden, da die Regelung auf das Streitjahr keine Anwendung findet. 12 c) Der Senat kann offen lassen, ob die Kapitalertragsteuer-Anmeldung des B für Oktober 2012 i.S. dieser Rechtsprechung eindeutig rechtswidrig war, da die Klage mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig ist. Die angefochtene Kapitalertragsteuer-Anmeldung hatte sich bereits vor der Erhebung der Drittanfechtungsklage am 15. April 2015 durch die Festsetzung der Einkommensteuer im Jahresbescheid für 2012 vom 10. Februar 2014 gemäß § 124 Abs. 2 AO erledigt, da der Kläger mit der Einkommensteuererklärung einen Antrag auf Überprüfung des Steuereinbehalts nach § 32d Abs. 4 EStG gestellt hatte. 13 aa) Ein Verwaltungsakt bleibt nach § 124 Abs. 2 AO wirksam, soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist. Auf andere Weise erledigt ist ein Verwaltungsakt insbesondere dann, wenn seine Regelungswirkung weggefallen ist. Das ist immer dann der Fall, wenn die sachliche oder rechtliche Grundlage des Regelungsobjekts entfallen ist. Die rechtliche Grundlage ist insbesondere dann entfallen, wenn der Regelungsgehalt eines Verwaltungsakts aufgrund des Erlasses eines neuen Verwaltungsakts überholt ist. 14 bb) Nach diesen Grundsätzen hat sich die Kapitalertragsteuer-Anmeldung des B für Oktober 2012 durch den Erlass des Einkommensteuerbescheids für 2012 erledigt. Aufgrund des Antrags des Klägers als Gläubiger der Kapitalerträge nach § 43 Abs. 5 Satz 3 EStG i.V.m. § 32d Abs. 4 EStG auf Überprüfung des Steuereinbehalts wurden die von B angemeldeten Kapitalerträge in die Steuerfestsetzung miteinbezogen und die abgeführte Kapitalertragsteuer nach § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG auf die hierfür festgesetzte Steuer angerechnet. Dadurch wurde in dem Einkommensteuerbescheid der Regelungsgehalt der Kapitalertragsteuer-Anmeldung aufgenommen. Der Einkommensteuerbescheid löste danach die Kapitalertragsteuer-Anmeldung als Rechtsgrundlage für die von dem Vergütungsschuldner einbehaltene Kapitalertragsteuer ab, so dass sich die Kapitalertragsteuer-Anmeldung nach § 124 Abs. 2 AO auf andere Weise erledigt hat (FG Hamburg, Urteil vom 15. Dezember 2014  6 K 183/12, Betriebs-Berater --BB-- 2015, 725; Niedersächsisches FG, Urteil vom 17. Januar 2008  10 K 391/02, EFG 2008, 1041; Günther, Der Erbschaftsteuer-Berater 2015, 97; s.a. Müller-Franken in HHSp, § 124 AO Rz 247 f.; Heuermann in HHSp, § 168 AO Rz 9, m.w.N.; Güroff in Gosch, AO § 124 Rz 14.2; Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 124 AO Rz 20; zur Lohnsteueranmeldung

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