BUNDESFINANZHOF Urteil vom 21.10.2015, XI R 40/13
Karar Dilini Çevir:


BUNDESFINANZHOF Urteil vom 21.10.2015, XI R 40/13

Zeitliche Grenze für die Erklärung des Verzichts auf die Umsatzsteuerbefreiung einer Grundstückslieferung

Leitsätze

1. Der Verzicht auf die Umsatzsteuerbefreiung der Lieferung eines Grundstücks (außerhalb eines Zwangsversteigerungsverfahrens) kann nur in dem dieser Grundstückslieferung zugrunde liegenden notariell zu beurkundenden Vertrag erklärt werden.

2. Ein späterer Verzicht auf die Umsatzsteuerbefreiung ist unwirksam, auch wenn er notariell beurkundet wird.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 22. August 2013  16 K 286/12 aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des gesamten Verfahrens hat der Kläger zu tragen.

Tatbestand  1 I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) erwarb im Jahr 2003 von der "A-GmbH" das Grundstück Z in X (Grundstück) und verpachtete es umsatzsteuerpflichtig an seine Organgesellschaft, die "B-GmbH" (GmbH), die es ihrerseits zur Ausführung steuerpflichtiger Umsätze verwendete. Die ihm beim Erwerb in Rechnung gestellte und von ihm gezahlte Umsatzsteuer zog der Kläger im Besteuerungszeitraum 2003 als Vorsteuer ab. 2 Mit notariellem Vertrag vom 22. Oktober 2009 veräußerte der Kläger das Grundstück an seine Ehefrau (F). Ein Verzicht auf die Steuerbefreiung dieses Grundstücksumsatzes wurde in dem notariellen Vertrag nicht erklärt. Die F verpachtete das Grundstück umsatzsteuerpflichtig an die GmbH. 3 Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) änderte mit Bescheid vom 13. Februar 2012 die unter Vorbehalt der Nachprüfung stehende Umsatzsteuerfestsetzung für das Streitjahr 2009 und berichtigte den Vorsteuerabzug zu Lasten des Klägers nach § 15a des Umsatzsteuergesetzes (UStG), weil dieser vor Ablauf des Berichtigungszeitraums das Grundstück im Streitjahr umsatzsteuerfrei veräußert habe. Über die Höhe des Berichtigungsbetrages (... EUR) besteht zwischen den Beteiligten Einvernehmen. 4 Die gegen die Steuerfestsetzung nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage, mit der der Kläger begehrte, die Umsatzsteuer für das Streitjahr um ... EUR herabzusetzen, begründete er zunächst damit, in Bezug auf das Grundstück liege eine gemäß § 1 Abs. 1a UStG nicht steuerbare (Teil-)Geschäftsveräußerung vor. Die F, die Erwerberin des Grundstücks, habe mit dessen Verpachtung die Leistung fortgesetzt, die auch er, der Kläger, gegenüber der GmbH zuvor erbracht habe. 5 Das Finanzgericht (FG) wies in der mündlichen Verhandlung vom 4. April 2013 darauf hin, dass der Kläger aufgrund der Organschaft umsatzsteuerrechtlich keine Vermietungsleistung gegenüber der GmbH erbracht habe und daher kein (Teil-)Vermietungsunternehmen habe übertragen können. Es regte an, "ob der Kläger nicht zwecks Vermeidung des § 15a UStG noch die Option des Grundstücksumsatzes an seine Ehefrau zur Steuerpflicht erklären will. Er würde dadurch die Vorsteuerkorrektur vermeiden. Die Ehefrau ... hätte als Konsequenz dann bei entsprechender Rechnungstellung den Vorsteuerabzug. Sie würde aber wohl auch die Umsatzsteuer nach § 13b UStG als Leistungsempfängerin schulden". Das FG vertagte die mündliche Verhandlung. 6 Hierauf änderten der Kläger und F § 3 Ziffer I des ursprünglichen Kaufvertrags über das Grundstück vom 22. Oktober 2009 mit notariell beurkundeter "Neufassung" vom 12. April 2013 wie folgt: " ... Der Verkäufer verzichtet auf die Umsatzsteuerfreiheit des Vertragsgegenstandes, so dass für den Kaufpreis von ... EUR Umsatzsteuer in Höhe von ... EUR anfällt (Umsatzsteueroption). Da der Käufer Steuerschuldner der durch diese Option ausgelösten Umsatzsteuer ist, verändert sich der Kaufpreis hierdurch nicht. Der Käufer schuldet dem Finanzamt auf den vereinbarten Kaufpreis die gesetzliche Umsatzsteuer (§ 13b UStG), Umkehr der Steuerpflicht." 7 Die Klage hatte nach Durchführung einer weiteren mündlichen Verhandlung (nunmehr) Erfolg. 8 Das FG war der Ansicht, dass die Vorsteuer nicht nach § 15a UStG berichtigt werden könne, weil der Kläger das Grundstück umsatzsteuerpflichtig veräußert habe. 9 Es führte zur Begründung seiner Entscheidung aus, § 9 Abs. 3 Satz 2 UStG, wonach der Verzicht auf die Steuerbefreiung bei einem Grundstücksumsatz nur in dem gemäß § 311b Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) notariell zu beurkundenden Vertrag erklärt werden könne, sei nicht dahingehend auszulegen, dass nur in einem ersten notariellen Vertrag abschließend über eine Option zur Umsatzsteuerpflicht eine Vereinbarung getroffen werden könne, die danach keiner Ergänzung mehr zugänglich wäre. 10 Entgegen der vom FA vertretenen Rechtsansicht enthalte § 9 UStG keine zeitliche Vorgabe, in der die Option ausgeübt werden müsse. Es bedürfe hinsichtlich der Optionsausübung auch keiner zeitlichen Beschränkung. Denn nach § 9 Abs. 3 Satz 2 UStG sei der Empfänger der Grundstückslieferung in die Optionsausübung unmittelbar eingebunden und trage nach § 13b UStG die sich daraus ergebenden umsatzsteuerrechtlichen Konsequenzen, weil er nunmehr Steuerschuldner dieses Umsatzes werde. 11 Die Vorentscheidung ist in Deutsches Steuerrecht/Entscheidungsdienst 2015, 426 veröffentlicht. 12 Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts und macht geltend, das FG habe seine Pflicht zur Unparteilichkeit verletzt. 13 Es bringt im Wesentlichen vor, die vom FG vertretene Rechtsansicht widerspreche § 9 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 UStG und § 164 der Abgabenordnung (AO). Sowohl die Ausübung als auch der Widerruf der Option zur Umsatzsteuerpflicht seien jeweils Verfahrenshandlungen, die, wie sich aus der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 10. Dezember 2008 XI R 1/08 (BFHE 223, 528, BStBl II 2009, 1026) und vom 6. August 1998 V B 146/97 (nicht veröffentlicht --n.v.--, juris) ergebe, auch dann nur bis zur formellen Bestandskraft der Steuerfestsetzung ausgeübt und geändert werden könnten, wenn die betreffende Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehe. 14 Bezogen auf den Streitfall führt das FA aus, es habe der Umsatzsteuererklärung des Klägers für 2009 mit Schreiben vom 22. Juli 2010 zugestimmt, so dass die Umsatzsteuerfestsetzung für das Streitjahr mit Ablauf des 26. August 2010 formell bestandskräftig und hinsichtlich einer Option zur Umsatzsteuerpflicht nach § 9 UStG nicht mehr änderbar sei. 15 Die vom FG vertretene Rechtsansicht hätte in den Fällen der Verlagerung der Steuerschuldnerschaft auf den Leistungsempfänger nach § 13b UStG zur Folge, dass bei der Frage, ob eine Option zur Umsatzsteuerpflicht noch möglich sei, immer geprüft werden müsse, ob dessen Steuerfestsetzung noch geändert werden könne. 16 Zudem habe das FG gegen § 76 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) verstoßen, weil es "rechtsberatend" auf eine nachträgliche Option zur Umsatzsteuerpflicht hingewiesen habe. Es habe den Prozessbevollmächtigten des Klägers in der die Unparteilichkeit verletzenden Art eines "Obersteuerberaters" darauf aufmerksam gemacht, wie das Verfahren noch zu gewinnen sei. 17 Das FA wendet sich auch gegen die Kostenentscheidung des FG und rügt, ihm seien die Kosten des Verfahrens in voller Höhe auferlegt worden, obwohl der Kläger erst auf den Hinweis des FG die Voraussetzungen für eine Option zur Umsatzsteuerpflicht geschaffen habe. 18 Das FA beantragt,
die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage als unbegründet abzuweisen. 19 Der Kläger beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen. 20 Er hält die Entscheidung des FG für zutreffend und bringt vor, § 9 Abs. 3 Satz 2 UStG sehe keine Frist zur Ausübung der Option zur Umsatzsteuerpflicht vor. Für den hier vorliegenden Fall der erstmaligen nachträglichen Optionsausübung seien weder das BFH-Urteil in BFHE 223, 528, BStBl II 2009, 1026 noch der BFH-Beschluss vom 6. August 1998 V B 146/97 (n.v., juris) einschlägig. Das Optionsrecht bestehe über die formelle Bestandskraft hinaus bis zum Wegfall des Vorbehalts der Nachprüfung nach § 164 Abs. 4 AO fort. 21 Auch eine nachträgliche Option in einer notariell beurkundeten Neufassung des Vertrags i.S. von § 311b Abs. 1 BGB erfülle die Voraussetzungen des § 9 Abs. 3 Satz 2 UStG. Der Verzicht auf die Steuerbefreiung nach § 9 Abs. 3 Satz 2 UStG "nur" im gemäß § 311b Abs. 1 BGB notariell zu beurkundenden Vertrag bedeute lediglich eine Beurkundungspflicht. Weder sehe der Wortlaut des § 9 Abs. 3 Satz 2 UStG eine Optionsausübung nur im Erstvertrag vor, noch schließe er eine notarielle Ergänzung dieses Vertrags aus. 22 Wie sich aus der Gesetzesbegründung ergebe, diene § 9 Abs. 3 Satz 2 UStG dem Schutz des Leistungsempfängers vor einer nachträglichen Ausübung der Option durch den leistenden Unternehmer, durch die eine nachträgliche Steuerschuld beim Leistungsempfänger entstehe. Der Leistungsempfänger sei aber an einer nachfolgenden Neufassung des gemäß § 311b Abs. 1 BGB notariell zu beurkundenden Vertrags gleichfalls beteiligt. Dadurch seien seine Interessen ausreichend gewahrt. 23 Es sei im Übrigen nicht erkennbar, dass ein davon abweichendes Verständnis des § 9 Abs. 3 Satz 2 UStG in der Praxis die Gefahr von Steuerausfällen zur Folge hätte. Die Vermeidung von Steuerausfällen sei nicht Zweck dieser Norm; dieses Ziel sei in der Gesetzesbegründung zu § 9 Abs. 3 Satz 2 UStG nicht erwähnt. 24 Zudem seien nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union --EuGH-- (auch) im Falle einer Einschränkung des Optionsrechts stets die übergeordneten Prinzipien der Neutralität, der Effektivität und der Verhältnismäßigkeit zu beachten. Danach dürfe die Entscheidungsfreiheit des Unternehmers, bis zur materiellen Bestandskraft der betreffenden Steuerfestsetzung optieren zu können, nicht willkürlich eingeschränkt werden. 25 Eine enge Auslegung des § 9 Abs. 3 Satz 2 UStG, die eine nachträgliche Optionsausübung in einem gleichfalls notariell zu beurkundenden Vertrag ausschließe, stehe überdies nicht im Einklang mit den Urteilen des V. Senats des BFH vom 19. Dezember 2013 V R 6/12 (BFHE 245, 71, BFH/NV 2014, 1126) und V R 7/12 (BFHE 245, 80, BFH/NV 2014, 1130). 26 Im Übrigen habe das FG in der (ersten) mündlichen Verhandlung lediglich einen Hinweis auf gesetzliche Regelungen gegeben und auf eine sachgerechte Ergänzung hingewirkt sowie im Rahmen seiner umfassenden Aufklärungspflicht auf steuermindernde Umstände aufmerksam gemacht.

Entscheidungsgründe  27 II. Die Revision ist begründet; sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FGO). 28 Die Vorsteuer ist im Streitfall entgegen der Vorentscheidung nach § 15a UStG zu berichtigen, weil sich hinsichtlich des im Jahr 2003 erworbenen Grundstücks die für den ursprünglichen Vorsteuerabzug maßgebenden Verhältnisse innerhalb des zehnjährigen Berichtigungszeitraums geändert haben. Der Kläger hat dieses Grundstück im Jahr 2009 steuerfrei veräußert; die nachträgliche Option im Jahr 2013 ändert daran nichts. 29 1. Ändern sich bei einem Wirtschaftsgut, das --wie hier-- nicht nur einmalig zur Ausführung von Umsätzen verwendet wird, innerhalb von fünf Jahren ab dem Zeitpunkt der erstmaligen Verwendung die für den ursprünglichen Vorsteuerabzug maßgebenden Verhältnisse, ist nach § 15a Abs. 1 Satz 1 UStG für jedes Kalenderjahr der Änderung ein Ausgleich durch eine Berichtigung des Abzugs der auf die Anschaffungs- oder Herstellungskosten entfallenden Vorsteuerbeträge vorzunehmen. Nach Satz 2 dieser Vorschrift tritt --wie im Streitfall-

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