BUNDESFINANZHOF Urteil vom 21.12.2017, IV R 44/14
ECLI:DE:BFH:2017:U.211217.IVR44.14.0
Korrespondierende Bilanzierung in Höhe der Rückstellung für die Erstellung des Jahresabschlusses - Klagebefugnis des Empfangsbevollmächtigten einer atypisch stillen Gesellschaft bei deren Vollbeendigung - keine Beiladung weiterer Gesellschafter - Widerstreitende Steuerfestsetzung
Leitsätze
1. NV: In Höhe der in der Gesamthandsbilanz einer Personengesellschaft gebildeten Rückstellung für die Erstellung des Jahresabschlusses ist in der Sonderbilanz des Gesellschafters eine Forderung zu aktivieren, wenn zum Bilanzstichtag feststeht, dass der Jahresabschluss gegen eine entsprechende Vergütung durch den Gesellschafter aufgestellt werden wird.
2. NV: Diese Grundsätze der korrespondierenden Bilanzierung gelten auch bei einer atypisch stillen Gesellschaft, da diese für steuerliche Zwecke wie eine im Innenverhältnis bestehende (fiktive) KG behandelt wird.
3. NV: Die Sondervergütungen des nur mittelbar über eine Obergesellschaft an der Gesellschaft beteiligten Gesellschafters sind bereits bei der Gewinnermittlung der Untergesellschaft (hier der atypisch stillen Gesellschaft) zu erfassen.
4. NV: Die Befugnis des Empfangsbevollmächtigten einer atypisch stillen Gesellschaft, gegen die Gewinnfeststellungsbescheide Klage zu erheben, erlischt mit der Vollbeendigung der Gesellschaft. Insoweit lebt die überlagerte Klagebefugnis der Gesellschafter der atypisch stillen Gesellschaft wieder auf.
Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz vom 23. September 2014 3 K 1685/12 aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des gesamten Verfahrens hat der Kläger zu tragen.
Tatbestand I. 1 Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger), der als Steuerberater und Wirtschaftsprüfer eine Steuerberaterpraxis betreibt, und A waren im Streitjahr 2008 Gesellschafter einer Beteiligungsgesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR). Die GbR und E waren am Stammkapital der M-GmbH, einem im Bereich der Erbringung von Personaldienstleistungen --Personalberatung, Personalvermittlung und Arbeitnehmerüberlassung-- tätigen Unternehmen, beteiligt. 2 Daneben war der Kläger zusammen mit C und D Gesellschafter der B-GbR. 3 Die B-GbR beteiligte sich mit Vertrag vom 1. April 2007 atypisch still am Handelsgewerbe der M-GmbH. Steuerlicher Berater der M-GmbH war der Kläger. Gemäß § 4 Abs. 2 des Vertrags war u.a. vereinbart, dass der Prinzipal (M-GmbH), dem die alleinige Geschäftsführung oblag, den Wechsel des steuerlichen Beraters nur mit Einwilligung des stillen Gesellschafters vornehmen dürfe. 4 Für die M-GmbH & atypisch Still reichte der Kläger als deren Empfangsbevollmächtigter im März 2010 die Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung von Grundlagen für die Einkommensbesteuerung 2008 ein. Beigefügt war der vom Kläger aufgestellte Jahresabschluss der M-GmbH zum 31. Dezember 2008. In der Bilanz ist eine Rückstellung für die Erstellung des Jahresabschlusses für das Streitjahr in Höhe von 12.000 EUR ausgewiesen. In der Gewinn- und Verlustrechnung ist eine entsprechende Aufwandsposition unter dem Konto 6827 "Abschluss- und Prüfungskosten" unter der Bezeichnung "3095 JA 2008 [Name des Klägers]" gewinnwirksam erfasst. Daneben sind in der Gewinn- und Verlustrechnung auf dem Konto 6827 weitere Aufwendungen in Höhe von 6.195 EUR und auf dem Konto 6831 "Lohnbuchhaltung" Aufwendungen in Höhe von 8.991 EUR als Ausgaben erfasst. Insgesamt erklärte die M-GmbH & atypisch Still einen laufenden Verlust in Höhe von 39.094,82 EUR, der jeweils hälftig auf die M-GmbH und die B-GbR verteilt werden sollte. 5 Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) folgte im Wesentlichen der Erklärung, qualifizierte jedoch die auf den Konten 6827 und 6831 gebuchten Aufwendungen als Sondervergütungen des Klägers bei der M-GmbH & atypisch Still und stellte entsprechend dieser Rechtsauffassung mit Bescheid für 2008 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen (im Weiteren Gewinnfeststellungsbescheid) vom 16. November 2010 neben dem laufenden Gewinn (hier Verlust) der Mitunternehmerschaft einen Sonderbetriebsgewinn des Klägers fest. Der Gewinnfeststellungsbescheid wurde dem Kläger als Empfangsbevollmächtigtem der M-GmbH & atypisch Still bekanntgegeben. 6 Hiergegen legte der Kläger Einspruch ein, mit dem er sich gegen die Feststellung des Sonderbetriebsgewinns dem Grunde und der Höhe nach wandte. Das FA habe die Aufwendungen zu Unrecht als Sondervergütungen des Klägers i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 Halbsatz 2 i.V.m. Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) beurteilt. Mit Einspruchsentscheidung vom 3. Mai 2012 reduzierte das FA den festgestellten Sonderbetriebsgewinn des Klägers um versehentlich erfasste Stornobuchungen. 7 Bereits zuvor war mit Beschluss des Amtsgerichts X vom ... August 2010 über das Vermögen der M-GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Im Februar 2011 hatte die Insolvenzverwalterin dem Insolvenzgericht gemäß § 208 Abs. 1 der Insolvenzordnung angezeigt, dass Masseunzulänglichkeit vorliegt. 8 Die von dem Kläger als Feststellungsbeteiligter der M-GmbH & atypisch Still am 1. Juni 2012 erhobene Klage, mit der er die Herabsetzung der ihm zugerechneten Sondervergütungen um 17.412,57 EUR begehrte, hatte teilweise Erfolg. Das Finanzgericht (FG) gab der Klage insoweit statt, als die als Rückstellung passivierten Aufwendungen für die Erstellung des Jahresabschlusses 2008 in Höhe von 12.000 EUR nicht als Sondervergütung des Klägers im Streitjahr zu erfassen seien. 9 Am Bilanzstichtag, 31. Dezember 2008, liege noch keine Verbindlichkeit der Gesellschaft gegenüber dem Kläger vor. Die Rückstellung sei vielmehr für die öffentlich-rechtliche Verpflichtung zur Aufstellung des Jahresabschlusses zu bilden gewesen. Der Kläger habe keine Tätigkeit im Dienste der Gesellschaft i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 Halbsatz 2 EStG erbracht. 10 Hiergegen richtet sich die Revision des FA, mit der es die Verletzung des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 Halbsatz 2 EStG rügt. 11 Es beantragt,
die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen. 12 Der Kläger beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe II. 13 Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). 14 1. Zu Recht hat das FG von einer (zusätzlichen) Beiladung des Klägers als Klagebevollmächtigter i.S. des § 48 Abs. 1 Nr. 1 Alternative 2, Abs. 2 FGO abgesehen. 15 a) Bei einer atypisch stillen Gesellschaft übernimmt der Empfangsbevollmächtigte grundsätzlich die Rolle des nicht vorhandenen Geschäftsführers. Dem Empfangsbevollmächtigten stehen dieselben prozessualen Befugnisse zu wie einem vertretungsberechtigten Geschäftsführer nach dem Regeltatbestand des § 48 Abs. 1 Nr. 1 Alternative 1 FGO; er handelt im eigenen Namen im Interesse der Feststellungsbeteiligten und damit für diese als gesetzlicher Prozessstandschafter (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 12. Mai 2016 IV R 27/13, Rz 16, m.w.N.). 16 b) Eine (zusätzliche) Beiladung des Klägers als Prozessstandschafter der Gesellschafter der M-GmbH & atypisch Still kam im Streitfall schon deshalb nicht in Betracht, weil Letztere aufgrund der Feststellungen des FG bereits vor der Klageerhebung (1. Juni 2012) vollbeendet war. 17 aa) Die M-GmbH & atypisch Still war durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der M-GmbH kraft Gesetzes (§ 728 des Bürgerlichen Gesetzbuchs) aufgelöst (vgl. Baumbach/Hopt/Roth, HGB, 37. Aufl., § 234 Rz 5). Zudem hatte die M-GmbH ihren Geschäftsbetrieb bereits zum 31. Juli 2009 faktisch eingestellt. Zu diesem Zeitpunkt waren sämtliche Arbeitsverhältnisse gekündigt und alle Kunden abgeworben. Ebenfalls verfügte sie ausweislich der Anzeige der Masseunzulänglichkeit vom ... Februar 2011 über kein Aktivvermögen mehr, so dass die Vollbeendigung auch ohne die Durchführung eines Liquidationsverfahrens eingetreten ist (vgl. BFH-Urteil vom 30. März 2017 IV R 3/15, Rz 28). 18 bb) Mit der Vollbeendigung der Personengesellschaft ist deren Befugnis erloschen, in Prozessstandschaft für ihre Gesellschafter Rechtsbehelfe gegen die Gewinnfeststellungsbescheide einzulegen (§ 48 Abs. 1 Nr. 1 FGO). Insoweit lebt die bis zum Zeitpunkt der Vollbeendigung überlagerte Klagebefugnis der einzelnen Gesellschafter wieder auf (BFH-Urteil vom 22. Januar 2015 IV R 62/11, Rz 12). Gleiches gilt für die Klagebefugnis des Empfangsbevollmächtigten einer atypisch stillen Gesellschaft. Mit deren Vollbeendigung erlischt die Klagebefugnis des Empfangsbevollmächtigten und die bisher überlagerte Klagebefugnis der Gesellschafter lebt wieder auf. 19 c) Im Streitfall kann deshalb dahinstehen, ob dem Kläger überhaupt eine Empfangsvollmacht au