BUNDESFINANZHOF Urteil vom 27.9.2017, XI R 15/15
ECLI:DE:BFH:2017:U.270917.XIR15.15.0
Verpflichtung von Rechtsanwälten zur Abgabe der Zusammenfassenden Meldung trotz Schweigepflicht
Leitsätze
Ein Rechtsanwalt, der Beratungsleistungen an im übrigen Gemeinschaftsgebiet ansässige Unternehmer erbracht hat, die ihm ihre Umsatzsteuer-Identifikationsnummer mitgeteilt haben, kann die u.a. für diese Fälle vorgeschriebene Abgabe einer Zusammenfassenden Meldung mit den darin geforderten Angaben (u.a. Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Mandanten, Gesamtbetrag der Beratungsleistungen an den Mandanten) nicht unter Berufung auf seine Schweigepflicht verweigern.
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Finanzgerichts Köln vom 15. April 2015 2 K 3593/11 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Tatbestand I. 1 Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine Rechtsanwaltsgesellschaft mit beschränkter Haftung, erbrachte im II. Quartal 2010 (Meldezeitraum) u.a. sonstige Leistungen aus anwaltlicher Tätigkeit an Unternehmer als Leistungsempfänger, die im übrigen Gemeinschaftsgebiet ansässig sind. Die Klägerin nahm deshalb an, dass gemäß § 3a Abs. 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) der Ort der Leistung nicht im Inland liege und im Wege der Umkehr der Steuerschuldnerschaft ("reverse charge") die Leistungsempfänger in ihrem Ansässigkeitsstaat die Umsatzsteuer des Ansässigkeitsstaats schulden. Dementsprechend erteilte sie Rechnungen ohne deutsche Umsatzsteuer und sah von deren Abführung ab. 2 In ihrer Umsatzsteuer-Voranmeldung für das II. Quartal 2010 erklärte die Klägerin insoweit zwar gemäß § 18b Satz 1 Nr. 2 UStG innergemeinschaftliche sonstige Leistungen, gab aber keine Zusammenfassende Meldung i.S. des § 18a UStG ab. 3 Im Hinblick darauf erinnerte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Bundeszentralamt für Steuern --BZSt--) die Klägerin mit "Erinnerung" vom 17. Oktober 2011, der eine Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt war, an die Abgabe der Zusammenfassenden Meldung für das II. Quartal 2010 und bat, diese unverzüglich zu übermitteln. 4 Das Finanzgericht (FG) wies die dagegen mit Zustimmung des BZSt erhobene Sprungklage, mit der die Klägerin geltend machte, sie dürfte als Rechtsanwaltsgesellschaft gemäß § 102 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b der Abgabenordnung (AO) die Weitergabe solcher Informationen verweigern, die ihr in ihrer anwaltlichen Eigenschaft anvertraut oder bekannt geworden seien, was die Nennung der Identität nebst Umsatzsteuer-Identifikationsnummer (USt-IdNr.) ihrer im Ausland ansässigen Mandanten einschließe, mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2015, 1657 veröffentlichten Urteil ab. 5 Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts. Das FG habe die von ihm vorgenommene Güterabwägung zwischen anwaltlicher Schweigepflicht und Gleichmäßigkeit der Besteuerung unzutreffend vorgenommen und überdies zu Unrecht angenommen, dass eine konkludente Einwilligung der Mandanten in die Weitergabe ihrer Daten angenommen werden könne. 6 Überdies verletze die Pflicht zur Abgabe der Zusammenfassenden Meldung ihre Dienstleistungsfreiheit (Art. 56 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union --AEUV--); denn die Pflicht zur Offenbarung der USt-IdNr. könne Mandanten aus anderen Mitgliedstaaten davon abhalten, sie zu beauftragen, wenn sie dafür auf die Verschwiegenheitspflicht verzichten müssten. Auch dies sei nicht gerechtfertigt. 7 Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben. 8 Ferner werden folgende Anträge gestellt: "- Die Erinnerung an die Abgabe der [Zusammenfassenden Meldung] gemäß § 18a UStG für den Meldezeitraum 1. April bis 30. Juni 2010 wird ersatzlos aufgehoben ... - Es wird festgestellt, dass die [Klägerin] von der Pflicht zur Abgabe einer [Zusammenfassenden Meldung] entbunden ist, soweit und solange keine gesetzliche Grundlage vorliegt, die die Verschwiegenheitsverpflichtungen der [Klägerin] angemessen berücksichtigt." 9 Das BZSt beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe II. 10 Die Revision ist unbegründet; sie ist daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Klägerin gemäß § 18a Abs. 2 UStG zur Abgabe der von ihr angeforderten Zusammenfassenden Meldung verpflichtet war. Dem stand die anwaltliche Pflicht zur Verschwiegenheit nicht entgegen, weil die im übrigen Gemeinschaftsgebiet ansässigen Empfänger der Beratungsleistungen durch die Mitteilung (Verwendung) ihrer USt-IdNr. gegenüber der Klägerin in die Weitergabe der Daten an die Steuerbehörden eingewilligt haben. 11 1. Das FG hat im Ausgangspunkt zu Recht angenommen, dass die Erinnerung des BZSt vom 17. Oktober 2011 ein Verwaltungsakt ist. 12 a) Verwaltungsakt ist jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist (§ 118 Satz 1 AO). 13 aa) Die bloße Erinnerung an die Abgabe einer Steuererklärung ist kein Verwaltungsakt, wenn sich der Inhalt des Schreibens darin erschöpft, an eine bereits bestehende Erklärungspflicht zu erinnern (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 2. Juli 1997 I R 45/96, BFH/NV 1998, 14, unter II.1., Rz 8, m.w.N., bei früherer Aufforderung; s.a. Söhn in Hübschmann/ Hepp/Spitaler --HHSp--, § 118 AO Rz 543 "Steuererklärung"). 14 Dagegen ist die Erinnerung ein Verwaltungsakt, wenn sie nach ihrem objektiven Erklärungsinhalt als Maßnahme der Behörde zur Schaffung einer Rechtsgrundlage für die Einleitung des Zwangsmittelverfahrens gemäß § 328 AO zu verstehen ist (vgl. BFH-Urteil vom 11. Oktober 1989 I R 101/87, BFHE 159, 98, BStBl II 1990, 280, unter II.1., Rz 11). Die Abgabe von (vollständigen) Steuererklärungen darf zwar mittels Zwangsgeld durchgesetzt werden (vgl. BFH-Beschluss vom 22. Dezember 1993 I B 59/93, BFH/NV 1994, 447, Leitsatz, juris, Rz 10). Die abstrakte Pflicht zur Abgabe von Steuererklärungen oder zur Beifügung bestimmter Unterlagen ist aber nicht bereits als solche mit Zwangsmitteln durchsetzbar; sie bedarf einer Konkretisierung und Individualisierung durch einen Verwaltungsakt, der erst die Grundlage für den Einsatz von Zwangsmitteln darstellen kann (vgl. BFH-Urteil vom 16. November 2011 X R 18/09, BFHE 235, 452, BStBl II 2012, 129, Rz 18). 15 Ebenfalls ein Verwaltungsakt ist eine in die Form einer Erinnerung gekleidete Aufforderung zur Abgabe einer Steuererklärung, nachdem der Steuerpflichtige mitgeteilt hatte, dass er nach seiner Meinung die Erklärung nicht abgeben müsse, weil er nicht erklärungspflichtig sei (Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 149 AO Rz 13; Heuermann in HHSp, § 149 AO Rz 17; in diese Richtung deutend auch BFH-Urteil in BFHE 159, 98, BStBl II 1990, 280, unter I., II.1., Rz 3 und 11). Gleiches gilt, soweit er sich auf ein Auskunftsverweigerungsrecht beruft und die Finanzbehörde auf der Auskunft besteht (ebenso Schuster in HHSp, § 102 AO Rz 68; Seer in Tipke/Kruse, a.a.O., § 102 AO Rz 30 i.V.m. § 101 AO Rz 15; Schindler in Beermann/Gosch, AO § 102 Rz 29; Niewerth in Lippross/Seibel, Basiskommentar Steuerrecht, § 102 Rz 12). 16 bb) Diese Rechtsprechung ist auf die Erinnerung zur Abgabe einer Zusammenfassenden Meldung zu übertragen. 17 Die Zusammenfassende Meldung ist zwar keine Steuererklärung (vgl. Hildesheim in Offerhaus/Söhn/Lange, § 18a UStG Rz 8a; Kemper, Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 2015, 373, 375; Kraeusel in Reiß/Kraeusel/Langer, UStG § 18a Rz 313); jedoch waren im Meldezeitraum nach § 18a Abs. 8 (seit 1. Juli 2010: Abs. 11) UStG a.F. auf die Zusammenfassende Meldung ergänzend die für Steuererklärungen geltenden Vorschriften der AO anzuwenden. 18 b) Ausgehend davon ist das FG zu Recht davon ausgegangen, dass die Erinnerung des BZSt vom 17. Oktober 2011 ein Verwaltungsakt ist. Das Schreiben enthält neben der Erinnerung die in die Form einer Bitte gekleidete Aufforderung, die Zusammenfassende Meldung unverzüglich zu übermitteln. Zudem zeigt die Beifügung einer Rechtsbehelfsbelehrung, dass das BZSt einen Verwaltungsakt erlassen wollte. 19 2. Die Klägerin ist gemäß § 18a Abs. 2 UStG zur Abgabe einer Zusammenfassenden Meldung verpflichtet. 20 a) Der Unternehmer i.S. des § 2 UStG hat nach § 18a Abs. 1 Satz 2 UStG a.F. (seit 1. Juli 2010: § 18a Abs. 2 Satz 1 UStG) bis zum 10. Tag (seit 1. Juli 2010: 25. Tag) nach Ablauf jedes Kalendervierteljahres (Meldezeitraum), in dem er im übrigen Gemeinschaftsgebiet steuerpflichtige sonstige Leistungen i.S. des § 3a Abs. 2 UStG, für die der in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Leistungsempfänger die Steuer dort schuldet, ausgeführt hat, dem BZSt eine Zusammenfassende Meldung nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz durch Datenfernübertragung zu übermitteln, in der er folgende Angaben nach § 18a Abs. 4 (seit 1. Juli 2010: Abs. 7) Satz 1 Nr. 3 UStG a.F. zu machen hat: - die USt-IdNr. jedes Leistungsempfängers, die ihm in einem anderen Mitgliedstaat erteilt worden ist und unter der die steuerpflichtigen sonstigen Leistungen an ihn erbracht wurden (Buchst. a), - für jeden Leistungsempfänger die Summe der Bemessungsgrundlagen der an ihn erbrachten steuerpflichtigen sonstigen Leistungen (Buchst. b) sowie seit 1. Juli 2010: - einen Hinweis auf das Vorliegen einer im übrigen Gemeinschaftsgebiet ausgeführten steuerpflichtigen sonstigen Leistung i.S. des § 3a Abs. 2 UStG, für die der in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Leistungsempfänger die Steuer dort schuldet (Abs. 7 Buchst. c). 21 b) Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall vor. Die Klägerin ist Unternehmerin. Sie führte im Meldezeitraum gegen Entgelt Rechtsberatungsleistungen aus und hat in ihrer Umsatzsteuer-Voranmeldung für den Meldezeitraum gemäß § 18b Satz 1 Nr. 2 UStG selbst eine Bemessungsgrundlage für Umsätze i.S. des § 3a Abs. 2 UStG erklärt, die sie im Meldezeitraum (§ 18b Satz 3 UStG) an im übrigen Gemeinschaftsgebiet i.S. des § 1 Abs. 2a Satz 1 UStG ansässige Leistungsempfänger ausgeführt hat. Weiter hat sie damit implizit angegeben, dass der im anderen Mitgliedstaat ansässige Leistungsempfänger die Steuer dort schuldet. 22 3. Die Klägerin durfte die Abgabe der Zusammenfassenden