BUNDESFINANZHOF Urteil vom 6.7.2011, II R 35/10
Bewertung eines besonders gestalteten und ausgestatteten Mietwohngrundstücks im Sachwertverfahren
Tatbestand1 I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) war am Bewertungsstichtag (1. Januar 1997) Eigentümer eines … qm großen Grundstücks an einem See in X. Hiervon entfielen … qm auf die Landfläche und der Rest auf einen Anteil am See.2 Das Grundstück ist mit einem im Jahr 1996 fertig gestellten Wohngebäude bebaut, das über ein Erdgeschoss, ein Obergeschoss und ein ausgebautes Dachgeschoss sowie zwei Untergeschosse verfügt und einen kreuzförmigen Grundriss hat.3 Im Erdgeschoss befinden sich u.a. ein Teil der "Hauptwohnung" mit einem Wohnraum (… qm), einem Herren-/Bibliothekszimmer (… qm), einem Esszimmer (… qm), einer Küche (… qm), einer Anrichte (… qm), einer Eingangshalle (… qm) und einem Windfang, in den die Haupteingangstür des Gebäudes führt, sowie eine … qm große "Einliegerwohnung", die aus einem Wohnraum, einem Schlafraum, einer Küche, einem Bad mit WC und einem Flur besteht.4 Vom Windfang aus führen Zugänge in die Eingangshalle, in ein ebenfalls im Erdgeschoss gelegenes "Besucherzimmer" mit WC und in das Treppenhaus, das zusätzlich über eine eigene Eingangstür vom Freien verfügt, alle Geschosse des Hauses miteinander verbindet und auch den Zugang zur "Einliegerwohnung" bildet. Von der Eingangshalle aus erreicht man das Wohnzimmer, die Anrichte und ebenfalls das Treppenhaus. Auf der dem Treppenhaus gegenüberliegenden Seite der Eingangshalle befindet sich ein Personenaufzug, der vom ersten Untergeschoss bis zum Dachgeschoss führt. Dem Wohnzimmer nach Süden zur Seeseite vorgelagert ist eine … qm große Terrasse. Der Eingangs-/Vorfahrtsbereich ist mit einer von vier Säulen getragenen acht Meter hohen Überdachung versehen.5 Im ersten Obergeschoss befinden sich zwei spiegelbildlich gegenüber angeordnete Raumeinheiten mit jeweils … qm Wohnfläche. Sie bestehen jeweils aus Wohnzimmer, Schlafzimmer, Küche, Bad, WC, Umkleideraum und Flur und sind über einen Vorraum sowohl vom Treppenhaus als auch vom Aufzug aus zugänglich. Die beiden Wohnzimmer grenzen aneinander an und sind durch eine Leichtbauwand getrennt, in die nach den vorliegenden Plänen eine Doppelschiebetür eingebaut ist. Von den Wohnzimmern führen Türen auf eine seeseitig vorgelagerte Loggia. Im nördlichen, straßenseitigen Gebäudevorsprung befindet sich ein Gästeappartement mit (…) qm Fläche, das aus einem Zimmer, einem Bad und einer Garderobe besteht und vom Treppenhaus aus zugänglich ist.6 Im Dachgeschoss befinden sich der "Hauptwohnung" im Erdgeschoss zugeordnete Räumlichkeiten, und zwar u.a. ein Wohn-/ Hobbyraum (… qm), ein Umkleidezimmer (… qm), ein Schlafzimmer (… qm), ein Bad mit WC (… qm), ein weiteres WC, ein Wintergarten (… qm), ein Vorraum (… qm), ein Abstellraum sowie Terrassen vor dem Vorraum und dem Wintergarten.7 Das erste Untergeschoss unterkellert sowohl das Wohnhaus als auch den straßenseitigen Vorplatz und umfasst eine Nutzfläche von … qm. Unter dem Wohnhaus befinden sich u.a. ein Schwimmbad mit einer Wasserfläche von … qm, ein Whirlpool, ein Fitness- und ein Ruheraum, eine Trockensauna, ein Dampfbad, ein Tauchbecken, ein Solarium, WCs und Duschen, eine Personalküche mit Garderobe und Bad, ein Wirtschaftsraum mit Waschküche, mehrere Vorrats- und Lagerräume, u.a. je einer für Rotwein und Weißwein, und weitere Räume. Da das Grundstück zum See hin abfällt, ist das Schwimmbad zur Seeseite hin ebenerdig. Dort befinden sich große Schiebetüren aus Glas und vorgelagert eine Terrasse, die über zwei symmetrisch angeordnete Freitreppen mit der Terrasse auf der Erdgeschossebene verbunden ist. Am Seeufer befindet sich ein Bootsanlegesteg.8 Unterhalb des Vorplatzes ist eine stützenlos ausgeführte, mit der Hausunterkellerung durch eine Schleuse verbundene Tiefgarage mit … PKW-Stellplätzen und einer Grundfläche von … qm. Über eine in der Mitte der Decke angeordnete Glaspyramide sowie über seitliche, bodentiefe Fensterbänder mit davor liegenden Kellerfensterschächten erhält die Tiefgarage Tageslicht.9 Die Fahrzeuge gelangen durch einen Lastenaufzug, der oberirdisch in einem gläsernen Aufzugsgebäude untergebracht ist, in die Tiefgarage. Diesem Gebäude gegenüber auf der anderen Seite der Glaspyramide befindet sich ein der Form und Größe nach dem Aufzugsgebäude entsprechendes Gebäude, in dem eine Autowaschanlage eingerichtet ist. Die Fläche oberhalb der Tiefgaragendecke, die vollständig mit Erde überdeckt und mit Granitplatten belegt ist, wird als Skulpturengarten genutzt.10 Im zweiten Untergeschoss, das das erste Untergeschoss nur teilweise unterkellert, befinden sich im Wesentlichen technische Anlagen, wie die Heizung, die Lüftungszentrale der Küchen und Bäder, der Gasanschlussraum, die Schwimmbadtechnik, eine Hebeanlage und die Regeltechnik. Außerdem nimmt das im ersten Untergeschoss gelegene Schwimmbecken einen Teil des Raumes des zweiten Untergeschosses ein.11 Insgesamt umfasst das Gebäude Wohnflächen von über 1000 qm, Nutzflächen von rd. 700 qm, Funktionsflächen von rd. 300 qm und Verkehrsflächen von rd. 600 qm. Der umbaute Raum beträgt über 10.000 cbm.12 Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) stellte durch Wert- und Artfortschreibungsbescheid vom 29. Dezember 1998 auf den 1. Januar 1997 die Grundstücksart Mietwohngrundstück und einen Einheitswert von … DM fest. Das FA bewertete das Grundstück im Sachwertverfahren. Als Wert des Grund und Bodens setzte es … DM (… qm x 45 DM/qm), als Gebäudewert … DM und als Wert der Außenanlagen … DM an. Auf den sich daraus ergebenden Gesamtwert (Ausgangswert) von … DM wandte das FA die Wertzahl 80 an. Dies führte zu einem Grundstückswert (Einheitswert) von abgerundet … DM.13 Im Einzelnen bewertete das FA das Wohngebäude einschließlich der beiden Untergeschosse mit Ausnahme der Tiefgarage ausgehend von einem umbauten Raum von … cbm mit einem Raummeterpreis von 184 DM/cbm. Das FA ordnete dabei gemäß Anlage 13 zu Abschn. 38 der Richtlinien zur Bewertung des Grundvermögens (BewRGr) zwei Merkmale der Kategorie "mittel" (Raummeterpreis 100 DM), ein Merkmal der Kategorie "gut" (Raummeterpreis 140 DM), acht Merkmale der Kategorie "sehr gut" (Raummeterpreis 180 DM) und sieben Merkmale der Kategorie "aufwendig" (Raummeterpreis 220 DM) zu. Der hieraus errechnete Gesamtwert von 3.320 DM ergab nach der Division durch die Anzahl der Merkmale (18) abgerundet einen Raummeterpreis von 184 DM.14 Für besondere Ausstattungen des Gebäudes nahm das FA darüber hinaus Zuschläge in Höhe von insgesamt … DM vor, und zwar für die wasserdruckhaltende Kellerabdichtung (sog. weiße Wanne), das Schwimmbad, sieben Kamine und den Personenaufzug. Die … qm große Überdachung des Haupteingangs des Gebäudes bewertete das FA mit … DM.15 Den vor dem Gebäude liegenden Kellerbereich, in dem sich insbesondere die Tiefgarage befindet, bewertete das FA wie das Wohngebäude mit einem Raummeterpreis von 184 DM und nahm insoweit Zuschläge in Höhe von insgesamt … DM für die "weiße Wanne" und die … qm große Lichtkuppel ("Glaspyramide") vor. Das PKW-Aufzugsgebäude einschließlich der Technikräume im ersten Untergeschoss sowie das Autowaschhaus bewertete das FA jeweils mit Raummeterpreisen von 60 DM. Beim unterkellerten Aufzugsgebäude setzte das FA zudem Zuschläge für die "weiße Wanne" und den Lastenaufzug in Höhe von insgesamt … DM an.16 Einspruch und Klage blieben erfolglos. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage, mit der der Kläger eine Bewertung des Grundstücks im Ertragswertverfahren und eine Herabsetzung des Einheitswerts auf … DM, hilfsweise unter Beibehaltung der Bewertung im Sachwertverfahren auf … DM begehrt hatte, durch das in Entscheidungen der Finanzgerichte 2010, 1978 veröffentlichte Urteil mit der Begründung ab, die Voraussetzungen, unter denen Mietwohngrundstücke nicht wie im Regelfall im Ertragswertverfahren, sondern im Sachwertverfahren zu bewerten seien, seien erfüllt. Für das zu bewertende Grundstück könne weder eine Jahresrohmiete ermittelt noch die übliche Miete geschätzt werden. Es handle sich um ein ausschließlich zu eigenen Wohnzwecken des Klägers und seiner Familie genutztes Grundstück, bei dem es nach Art, Lage und Ausstattung vergleichbare, in derselben Region liegende vermietete Objekte zum Hauptfeststellungszeitpunkt 1. Januar 1964 (§ 21 Abs. 2 Satz 1 des Bewertungsgesetzes --BewG--) nicht gegeben habe. Die Unterschiede zu den üblicherweise als Mietwohngrundstücken bewerteten, im Hauptfeststellungszeitpunkt vorhandenen Objekten seien derart gravierend, dass es nicht möglich sei, die übliche Miete zu schätzen. Die übliche Miete könne insbesondere nicht aus dem Mietspiegel für im Hauptfeststellungszeitpunkt 1. Januar 1964 vorhandene Mietwohngrundstücke abgeleitet werden. Auch eine Rückrechnung der aktuellen Miete für eine vom Kläger benannte Maisonettewohnung in einem Gebäude in ver-gleichbarer Lage auf den Hauptfeststellungszeitpunkt scheide aus.17 Das FA habe den Sachwert auch der Höhe nach zutreffend ermittelt. Es sei sachgerecht, zur Schätzung der zutreffenden Raummeterpreise für die Bewertung auf die Hilfsmittel zurückzugreifen, die insbesondere der Richtliniengeber für die Bewertung anderer Arten von Grundstücken im Sachwertverfahren, also vornehmlich der Ein- und Zweifamilienhäuser, Geschäftsgrundstücke und sonstigen bebauten Grundstücke zur Verfügung gestellt habe. Dass es keine den Anlagen 13, 14, 15 und 16 zu Abschn. 38 BewRGr entsprechenden speziellen Zusammenstellungen für die Bewertung von Mietwohngrundstücken im Sachwertverfahren gebe, beruhe darauf, dass diese Grundstücksart nur in seltenen Ausnahmefällen nicht im Ertragswert-, sondern im Sachwertverfahren bewertet werde. Es erscheine sachgerecht und naheliegend, bei der Ermittlung des zutreffenden Raummeterpreises von Mietwohngrundstücken in diesen Ausnahmefällen die Bewertungsansätze für andere Arten von Grundstücken entsprechend anzuwenden, zumal die Baupreisverhältnisse und damit die Gebäudenormalherstellungskosten i.S. des § 85 BewG sich kaum danach unterscheiden dürften, ob ein Gebäude nach seiner Herstellung z.B. als Ein-, Zwei- oder Mehrfamilienhaus genutzt werde. Entscheidend seien die Güte der Bauausführung und die Qualität der für die einzelnen Bauteile und Gewerke verwendeten Materialien; insoweit bestünden keine Bedenken, die für andere Grundstücksarten existierenden Zusammenstellungen, also insbesondere die Anlagen zu Abschn. 38 BewRGr, auch bei der Bewertung von Mietwohngrundstücken anzuwenden.18 Fehler des FA bei der Eingruppierung der verschiedenen Ausstattungsmerkmale des Gebäudes und der Außenanlagen nach den Kriterien der Anlagen 13 und 16 zu Abschn. 38 BewRGr und bei der Bemessung der Zuschläge wegen besonderer Ausstattungsmerkmale seien nicht feststellbar und würden vom Kläger bis auf die Frage der Bewertung der Untergeschosse auch nicht geltend gemacht.19 Der vom FA für den umbauten Raum der Untergeschosse angesetzte Raummeterpreis sei ebenfalls nicht zu beanstanden. Insoweit sei keine eigenständige Bewertung vorzunehmen, sondern der Raummeterpreis für das aufstehende Gebäude anzusetzen, da es sich um den nicht gesondert zu bewertenden Kellerbereich handle. Das Wohngebäude, zu dem die beiden Untergeschosse gehörten, sei zutreffend einheitlich in der Gebäudeklasse 1.224 der Anlage 14 Teil A zu Abschn. 38 BewRGr (mehrgeschossige Massivgebäude mit sehr guter Ausstattung) mit einem Raummeterpreis von 184 DM bewertet worden. Dieser Wertansatz treffe für die beiden Untergeschosse ebenfalls zu. Dies gelte auch für die unter dem Vorplatz des Gebäudes liegende Tiefgarage, die aufgrund ihres unselbständigen Charakters als Keller anzusehen und daher mit dem niedrigsten für das Gebäude anzusetzenden Raummeterpreis zu bewerten sei. Dies ergebe sich aus dem funktionellen und bautechnischen Zusammenhang der Tiefgarage mit dem zu bewertenden Wohngebäude. Die Zufahrt für PKW über das gläserne Lastenaufzugsgebäude liege zwar räumlich getrennt vor dem Wohngebäude, aber noch innerhalb des umfriedeten Grundstücks. Die Tiefgarage könne nur von den Bewohnern des Hauses und nach entsprechender Gestattung von etwaigen Gästen genutzt werden. Die Untergeschossräume überschritten auch nicht den im Jahr 1958 für Keller üblichen Größenrahmen.20 Mit der Revision rügt der Kläger Verletzung des § 76 BewG. Das Grundstück sei im Ertragswertverfahren zu bewerten. Die dafür maßgebende übliche Miete könne und müsse geschätzt werden, und zwar auf der Grundlage des auf den 1. Januar 1964 aufgestellten Mietspiegels für X. Auf den darin für Wohnungen mit sehr guter baulicher Ausstattung in Mietwohngrundstücken vorgesehenen Mietansatz von 4,50 DM/qm sei ein Zuschlag von 30,4 v.H. vorzunehmen. Dieser Zuschlag ergebe sich, indem man die im Jahr 2003 für eine Maisonnette-Wohnung, die sich in einem dem vorliegend zu bewertenden Grundstück nach Lage und Ausstattung vergleichbaren Objekt befinde, gezahlte Miete von 13,43 DM/qm zu der im Mietspiegel 2003 für X vorgesehenen Höchstmiete von 10,30 EUR/qm in Beziehung setze. Auf der Grundlage der sich daraus ergebenden Miete von 5,87 DM/qm und einer Wohnfläche von … qm ergebe sich hieraus eine Jahresmiete von … DM. Die Monatsmiete je Stellplatz belaufe sich auf 60 DM, die Jahresmiete für die Stellplätze insgesamt somit auf … DM. Auf die sich hieraus errechnende Gesamtmiete von … DM sei der in Anlage 13 zum BewG vorgesehene Vervielfältiger von 9,1 anzuwenden, so dass s