BUNDESFINANZHOF Urteil vom 9.8.2011, VIII R 5/09
Häusliches Arbeitszimmer - Mittelpunkt der betrieblichen und beruflichen Betätigung
Tatbestand1 I. Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger und Revisionskläger (Kläger) Aufwendungen für sein häusliches Arbeitszimmer in den Streitjahren 2004 und 2005 unbegrenzt als Betriebsausgaben abziehen kann.2 Der seit 1977 als Rechtsbeistand zugelassene Kläger wurde in den Streitjahren zusammen mit seiner Ehefrau zur Einkommensteuer veranlagt und erzielte neben Versorgungsbezügen als pensionierter Beamter unter anderem Einkünfte aus selbständiger Arbeit als Dozent sowie aus einer schriftstellerischen und beratenden Tätigkeit.3 Der Kläger betrieb seine Kanzlei (als Rechtsbeistand) in seinem häuslichen Arbeitszimmer, in dem er auch seine schriftstellerische und beratende Tätigkeit ausübte, sich auf Lehr- und Vortragsveranstaltungen vorbereitete sowie darauf bezogene Lehrgangs- und Unterrichtsmaterialien erstellte und aktualisierte. Darüber hinaus nutzte er das Arbeitszimmer nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) zur Fortbildung durch Lektüre abonnierter Fachzeitschriften, zur Aktualisierung von Loseblattsammlungen sowie zur Aufbewahrung und Verwaltung seiner Akten.4 Seine freiberufliche Tätigkeit umfasste steuerjuristische Vorträge, Lehrveranstaltungen und Seminare, Erstellung steuerjuristischer Fachgutachten, Fachaufsätze sowie die Kommentierung von Steuergesetzen. Darüber hinaus erstellte er Unterrichtsmaterialien für einen Fernlehrgang und war zudem als deutscher Korrespondent für eine Zeitschrift tätig, für die er unentgeltlich etwa zwei Zeitschriftenbeiträge pro Jahr verfasste. Die daraus im Wesentlichen erzielten Gesamteinnahmen (im Jahr 2004 35.368 EUR und im Jahr 2005 58.158 EUR) entfielen 2004 zu 85 % sowie 2005 zu 99 % auf die Seminar- und Vortragstätigkeit des Klägers und im Übrigen auf die Autoren- und (nur 2004 ausgeübte) Rechtsberatungstätigkeit.5 Mit den Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre machte der Kläger unter anderem als Betriebsausgaben Aufwendungen für sein häusliches Arbeitszimmer in Höhe von 1.610,07 EUR für 2004 sowie von 1.602,47 EUR für 2005 geltend, die der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) nur in Höhe von jeweils 1.250 EUR berücksichtigte. Die dagegen nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage wies das FG mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2009, 649 veröffentlichten Urteil ab.6 Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 3, 2. Halbsatz des Einkommensteuergesetzes in der für die Streitjahre geltenden Fassung (EStG). Die Voraussetzungen für die Beschränkung des Betriebsausgabenabzugs auf jeweils 1.250 EUR lägen nicht vor, weil das Büro den Mittelpunkt seiner gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung bilde. Dort verfasse er Aufsätze und Kommentarbeiträge, plane Seminare und erstelle Seminarunterlagen. Demgegenüber trete die außerhalb des Büros stattfindende Leitung von Seminaren deutlich zurück, zumal er in den meisten der von ihm konzipierten und vorbereiteten Lehrveranstaltungen keine eigenen Referate halte, sondern diese durch von ihm engagierte und eingeführte Dozenten vorgetragen würden.7 Der Kläger beantragt sinngemäß,das angefochtene Urteil aufzuheben und die angefochtenen Einkommensteuerbescheide in Gestalt der Einspruchsentscheidung in der Weise zu ändern, dass weitere Betriebsausgaben für 2004 von 361 EUR und für 2005 von 353 EUR bei der Ermittlung der Einkünfte aus selbständiger Arbeit abgezogen werden.8 Das FA beantragt,die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe9 II. Die Revision ist unbegründet; die Entscheidung des FG, das Arbeitszimmer des Klägers bilde nicht den Mittelpunkt seiner gesamten beruflichen und betrieblichen Tätigkeit i.S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.10 1. Nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 3, 2. Halbsatz EStG kann ein Steuerpflichtiger die Aufwendungen für sein häusliches Arbeitszimmer nur dann uneingeschränkt als Betriebsausgaben geltend machen, wenn das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung bildet. Dabei darf dem Steuerpflichtigen für seine betriebliche oder berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung stehen (§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 2 EStG).11 a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) ist der "Mittelpunkt" i.S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 3, 2. Halbsatz EStG --für alle Berufsgruppen gleichermaßen (BFH-Beschlüsse vom 27. März 2009 VIII B 184/08, BFHE 224, 458, BStBl II 2009, 850; vom 14. Juli 2010 VI B 43/10, BFH/NV 2010, 2053)-- nach dem inhaltlichen (qualitativen) Schwerpunkt der betrieblichen und beruflichen Betätigung eines Steuerpflichtigen zu bestimmen (vgl. BFH-Urteile vom 13. November 2002 VI R 28/02, BFHE 201, 106, BStBl II 2004, 59; vom 15. März 2007 VI R 65/05, BFH/NV 2007, 1133, m.w.N; BFH-Beschluss vom 22. Oktober 2007 XI B