- 2 - BUNDESARBEITSGERICHT 10 AZR 101/10 17 Sa 666/09 Hessisches Landesarbeitsgericht Im Namen des Volkes! Verkündet am 23. Februar 2011 URTEIL Jatz, Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle In Sachen Beklagte, Berufungsklägerin und Revisionsklägerin, pp. Klägerin, Berufungsbeklagte und Revisionsbeklagte, hat der Zehnte Senat des Bundesarbeitsgerichts aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 23. Februar 2011 durch den Vorsitzenden Richter am Bun-desarbeitsgericht Prof. Dr. Mikosch, die Richter am Bundesarbeitsgericht Reinfelder und Mestwerdt sowie die ehrenamtliche Richterin Zielke und den ehrenamtlichen Richter Züfle für Recht erkannt: - 2 - 10 AZR 101/10 - 3 - 1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Hes-sischen Landesarbeitsgerichts vom 16. November 2009 - 17 Sa 666/09 - aufgehoben. 2. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 3. März 2009 - 12/7 Ca 7071/08 - abgeändert und die Klage ab-gewiesen. 3. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Von Rechts wegen! Tatbestand Die Parteien streiten über die Berücksichtigung von Vordienstzeiten der Klägerin bei der Fluggesellschaft EuroBerlin (künftig: EE) bei der Berechnung von Leistungen nach dem Tarifvertrag Übergangsversorgung für Flugbegleiter. Die 1969 geborene Klägerin ist seit dem 30. Oktober 1994 bei der Be-klagten als Flugbegleiterin beschäftigt. Zuvor war sie in gleicher Funktion vom 2. Juli 1990 bis zum 29. Oktober 1994 bei der EE tätig. Die Beklagte war Minderheitsgesellschafterin der EE, die im Zuge der deutschen Wiedervereinigung aufgelöst wurde. Nach vorangegangenen Ver-handlungen mit der Gewerkschaft ÖTV und dem Betriebsrat der EE stellte die Beklagte zeitlich gestaffelt einen Teil der Kabinendienstmitarbeiter der EE ein. Anlässlich dieser Verhandlungen hat der Mitarbeiter G der Beklagten am 26. Mai 1993 einen Vermerk verfasst, der auszugsweise wie folgt lautet: Im o. g. Gespräch wurde auf Grundlage des Entwurfes Regelungspunkte zur Einstellung der EuroBerlin-Kabinen-Mitarbeiter bei der DLH vom 10.11.1992 Einigkeit über folgende Punkte herbeigeführt: ... 3. Vordienstzeiten werden zu 100 % angerechnet. Bezüglich der Seniorität wurde keine Einigkeit erreicht. 1 2 3 - 3 - 10 AZR 101/10 - 4 - In dem abschließend durch die Beklagte und die ÖTV erstellten Er-gebnisprotokoll zur Einstellung der EuroBerlin-Kabinenmitarbeiter bei der DLH vom 22. Juni 1993 heißt es auszugsweise: I. Regelungen zur Einstellung
3. Der Eintritt bei der DLH erfolgt ohne Probezeit und Eignungsuntersuchung. Die Mitarbeiter werden nach dem sogenannten Ready-Entry-Prinzip umgeschult. 4. Die Vergütung des Kabinenpersonals (CdC und FB) bei Einstellung richtet sich nach der Lufthansa Express-Vergütungstabelle. Die Mitarbeiter werden entsprechend der Anzahl ihrer vollendeten Dienst-jahre eingestuft, maximal jedoch in Stufe vier. 5. Mitarbeiter, die zum Zeitpunkt der ersten Einstellung eines EE-Mitarbeiters bei der DLH tatsächlich in einem Beschäftigungsverhältnis bei der EE standen, aber später bei der DLH eintreten, erhalten über Ziffer 4 hinaus bei ihrer Einstufung das Datum der ersten Einstellung eines EE-Mitarbeiters bei der DLH (technisches Einstellungsdatum) zugrunde gelegt. Das technische Einstellungsdatum gilt für die zu diesem Zeitpunkt eingestellten Mitarbeiter sowie die im obigen Sinne kollektiv Gleichbehandelten, also folgende Tatbestände: a) Stufensteigerungen b) Seniorität c) Krankengeldzahlungsfristen d) Kündigungsfristen e) Jubiläen Für alle übrigen Tatbestände gilt das arbeitsrecht-liche Eintrittsdatum, d. h., dass z. B. der Zuschlag zum Urlaubsgeld und das 13. Gehalt nach Ein-stellung bei der DLH anteilig berechnet werden. 6. Vordienstzeiten bei der EE werden den Mitarbeitern bezüglich folgender Tatbestände angerechnet: a) Krankengeldzahlungsfristen b) Kündigungsfristen c) Jubiläen d) Seniorität 4 - 4 - 10 AZR 101/10 - 5 - Bis zur Einstellung des letzten EE-Mitarbeiters bei der DLH werden vorher eingestellte EE-Mitarbeiter der Senioritätsliste nicht zugeordnet, sondern er-halten eine vorläufige technische Lehrgangsnummer. Die Tarifpartner sind sich darüber einig, dass hin-sichtlich Ziffer 5 b) und Ziffer 6 d) eine Regelung im Tarifvertrag Förderungsaufstieg vom 9. Februar bzw. 10. April 1979 notwendig ist und insoweit eine redaktionelle Umsetzung erfolgen muss. Im Folgenden schlossen die Parteien den von der Beklagten für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten und gestellten Arbeitsvertrag vom 26. August 1994, der auszugsweise lautet: 2. Rechte und Pflichten (1) Die gegenseitigen Rechte und Pflichten ergeben sich aus den für Lufthansa Express geltenden Tarifverträgen und Betriebsvereinbarungen in ihrer jeweils geltenden Fas-sung, sowie aus den für Lufthansa Express gültigen Dienstvorschriften und Arbeitsanweisungen und aus den Bestimmungen dieses Vertrages. ... 4. Vergütung (1) Im Hinblick auf die vorgesehene Tätigkeit und unter Anrechnung der bei der EuroBerlin Fluggesellschaft vollendeten Dienstjahre wird Frau B in die Be-schäftigungsgruppe der Stewardessen/Stewards/Luft-hansa Express Stufe 04 des Vergütungstarifvertrages eingruppiert. ... 5. Zusätzliche Altersversorgung Lufthansa hat für die Mitarbeiter der Division Lufthansa Express eine Zusatzversorgung bei der Versorgungs-anstalt des Bundes und der Länder (VBL) geschaffen. Der entsprechende Versorgungstarifvertrag und die VBL- 5 - 5 - 10 AZR 101/10 - 6 - Satzung finden in ihrer jeweils geltenden Fassung An-wendung. 6. Sonstiges (1) Vordienstzeiten bei der EuroBerlin Fluggesellschaft wer-den für die Berechnung - der Dauer der Zahlung von Krankenbezügen gemäß MTV - von Jubiläen und Fristen für Firmenleistungen - der Seniorität - der Kündigungsfrist - hinsichtlich der Gewährung von Flugpreiser-mäßigungen (ohne Rechtsanspruch) in vollem Umfang angerechnet. Maßgeblich ist das Eintrittsdatum bei der EuroBerlin Fluggesellschaft, also der 02.07.1990. (2) Maßgebend für die Festlegung des Datums für Stufen-steigerungen gemäß VTV Bord (max. Stufe 4) ist das Datum der ersten Einstellung eines EuroBerlin-Mit-arbeiters bei der Deutschen Lufthansa, also der 01.01.1994. Der Tarifvertrag Übergangsversorgung für Flugbegleiter in der Neu-fassung vom 1. Juli 2003 (künftig: TV ÜV 2003) lautet ua.: § 2 Firmenrente (1) Flugbegleiter haben einen Anspruch auf Zahlung der Firmenrente, wenn sie wegen Erreichens der tarifvertrag-lichen Altersgrenze (§ 19 MTV Kabine) mit dem 55. oder ggf. einem späteren Lebensjahr aus dem fliegerischen Arbeitsverhältnis ausscheiden, ohne dass sie bereits Anspruch auf Altersrente aus der gesetzlichen Rentenver-sicherung und nach dem Tarifvertrag Lufthansa-Betriebs-rente haben. (2) Die Zahlung der Firmenrente beginnt in dem Monat nach dem altersbedingten Ausscheiden aus dem fliegeri-schen Arbeitsverhältnis und endet im Zeitpunkt der frü-hestmöglichen Inanspruchnahme der gesetzlichen Alters- 6 - 6 - 10 AZR 101/10 - 7 - rente, spätestens mit dem vollendeten 63. Lebensjahr. ... (3) Die Firmenrente besteht aus einem Grundbetrag und aus einem Zusatzbetrag. Der Grundbetrag beträgt nach einer Gesamtbeschäftigungszeit von 23 Jahren** 60 % der vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses zuletzt be-zogenen und mit dem Umstellungsfaktor 0,9717 (100 : 95 : 13 x 12) multiplizierten Gesamtvergütung (Grundvergütung, Purserzulage, Schichtzulage). ** Siehe Protokollnotiz II ... (4) Der Anspruch auf Firmenrente entsteht bereits vor-zeitig, wenn der/die Flugbegleiter(in) nach dem voll-endeten 45. Lebensjahr dauernd flugdienstuntauglich im Sinne von § 20 MTV Kabine geworden ist. Die Zahlung der Firmenrente beginnt am Ersten des Monats nach Beendigung des fliegerischen Arbeitsverhältnisses. ... § 17 Flugdienstuntauglichkeitsversicherung (1) Lufthansa verpflichtet sich, für Flugbegleiter ab Beginn ihres 6. fliegerischen Dienstjahres im Konzern eine Flug-dienstuntauglichkeitsversicherung abzuschließen. An-spruch auf die Versicherungssumme besteht nur, wenn das fliegerische Arbeitsverhältnis deshalb vorzeitig endet, weil der Flugbegleiter im Sinne von § 20 MTV Kabine dauernd flugdienstuntauglich geworden ist. (2) Ab 01.01.2006 betragen die Versicherungssummen in Abhängigkeit von Dienstalter und Beschäftigtengruppe: ... (5) Die Prämien zu der Flugdienstuntauglichkeitsversich-erung werden bis zum vollendeten 45. Lebensjahr von Lufthansa getragen. Die Protokollnotiz II zum TV ÜV 2003 lautet auszugsweise: (2) Für Flugbegleiter, die bei ihrer Einstellung/Wiederein-stellung das 32. Lebensjahr vollendet hatten, gilt § 2 Abs. (3) mit folgender Maßgabe: 7 - 7 - 10 AZR 101/10 - 8 - Beträgt die Gesamtbeschäftigungszeit bis zur Vollendung des 55. Lebensjahres rechnerisch weniger als 276 volle Beschäftigungsmonate, wird die Firmenrente gemäß § 2 Abs. (3) je fehlendem Beschäftigungsmonat um 1/276 gekürzt. Der zum Zeitpunkt des Eintritts der Klägerin bei der Beklagten geltende Tarifvertrag Übergangsversorgung für Flugbegleiter idF vom 31. August 1992 (TV ÜV 1992) hatte in Auszügen folgenden Inhalt: § 1 Geltungsbereich und Gegenstand ... (2) Leistungen aus diesem Tarifvertrag werden gewährt als: a) Firmenrente b) Versichertenrente c) Leistungen aus der Berufsuntauglichkeitsversiche-rung Die Vorschriften über die Firmenrente und die Ver-sichertenrente (§ 2 ff.) gelten nur für Flugbegleiter, die das 32. Lebensjahr vollendet haben und in einem un-gekündigten fliegerischen Arbeitsverhältnis stehen. Die Zusage der Firmenrente gilt von dem Zeitpunkt an, in dem der Flugbegleiter vom Geltungsbereich des Satzes 2 erfasst wird. ... § 2 Firmenrente (1) Der Flugbegleiter hat einen Anspruch auf Zahlung der Firmenrente, wenn er wegen Erreichens der tarifvertrag-lichen Altersgrenze mit dem 55. oder ggf. einem späte-ren Lebensjahr aus dem fliegerischen Arbeitsverhältnis ausscheidet, ohne dass er bereits Anspruch auf Ver-sorgungsleistungen der VBL/AV hat. ... (3) Die Firmenrente besteht aus einem Grundbetrag und aus einem Zusatzbetrag. Der Grundbetrag beträgt 60 % der vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses zuletzt bezogenen Gesamtvergütung (Grundvergütung, Purser-zulage, Schichtzulage). 8 - 8 - 10 AZR 101/10 - 9 - ... (5) Der Anspruch auf Firmenrente entsteht bereits vor-zeitig, wenn das fliegerische Arbeitsverhältnis nach voll-endetem 45. Lebensjahr deshalb vorzeitig endet, weil der Flugbegleiter dauernd fluguntauglich im Sinne von § 20 Abs. (1) a) und b) MTV BO geworden ist. Der Anspruch auf Firmenrente entsteht jedoch nicht, wenn die Fluguntaug-lichkeit zugleich Versorgungsleistungen der VBL/AV auslöst. ... § 7 Berufsuntauglichkeitsversicherung (1) Die DLH verpflichtet sich, für die Flugbegleiter ab Beginn ihres 4. fliegerischen Dienstjahres im Konzern eine Berufsuntauglichkeitsversicherung abzuschließen. An-spruch auf die Versicherungssumme besteht nur, wenn das fliegerische Arbeitsverhältnis deshalb vorzeitig endet, weil der Flugbegleiter im Sinne von § 20 Abs. (1) a) und b) MTV BO dauernd fluguntauglich geworden ist. (2) Die Versicherungssummen betragen: bis zum vollendeten 30. Lebens- jahr DM 20.000,-- im 31. Lebensjahr bis zum voll- endeten 32. Lebensjahr DM 50.000,-- im 33. Lebensjahr bis zum voll- endeten 40. Lebensjahr DM 100.000,-- im 41. Lebensjahr DM 110.000,-- im 42. Lebensjahr DM 120.000,-- im 43. Lebensjahr DM 130.000,-- im 44. Lebensjahr DM 140.000,-- im 45. Lebensjahr DM 150.000,-- Mit Wirkung vom 01.01.1991 werden die Versicherungs-summen um 25 % angehoben. (3) Die Prämien zu der Berufsuntauglichkeitsversicherung werden bis zum vollendeten 45. Lebensjahr von der DLH getragen. - 9 - 10 AZR 101/10 - 10 - Protokollnotiz IV (1) Für Flugbegleiter, die bei ihrer Einstellung/Wie-dereinstellung das 32. Lebensjahr vollendet hatten, gilt § 2 Abs. (3) mit folgender Maßgabe: Beträgt die Gesamtbeschäftigungszeit bis zur Vollendung des 55. Lebensjahres rechnerisch weniger als 276 volle Beschäftigungsmonate, wird die Firmenrente gemäß § 2 Abs. (3) je fehlendem Beschäftigungsmonat um 1/276 gekürzt. (2) Für Flugbegleiter, die bei ihrer Einstellung/Wieder-einstellung das 28. Lebensjahr vollendet hatten, gelten bis zur Vollendung des 45. Lebensjahres anstelle der Staffe-lung gemäß § 7 Abs. (2) folgende mit Wirkung vom 01.01.1991 um 25 % angehobene Versicherungssummen: im 4. und 5. Beschäftigungsjahr DM 50.000,-- 6. bis 13. Beschäftigungsjahr DM 100.000,-- 14. Beschäftigungsjahr DM 110.000,-- 15. Beschäftigungsjahr DM 120.000,-- 16. Beschäftigungsjahr DM 130.000,-- 17. Beschäftigungsjahr DM 140.000,-- Wiedereingestellten Flugbegleitern werden bis zu drei frühere Beschäftigungsjahre angerechnet; bis zu drei weitere Jahre werden angerechnet, wenn der wiederein-gestellte Flugbegleiter nach Vollendung des 33. Lebens-jahres ausgeschieden war. Mit Schreiben vom 10. Juli 1995 teilte der Leiter Tarifpolitik Konzern der Beklagten der Gewerkschaft ÖTV mit:
auf Ihre Bitte bestätigen wir, dass zu Gunsten der in den Kabinendienst der Lufthansa übernommenen ehemaligen EuroBerlin-Mitarbeiter dort verbrachte Beschäfti-gungsjahre im Rahmen der Wartezeit der sogenannten Loss-of-Licence Versicherung angerechnet werden.
Ein an die ehemaligen EuroBerlin-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter ge-richtetes S