Bundesarbeitsgericht Urteil vom 29. Januar 2015 Zweiter Senat - 2 AZR 164/14 - ECLI:DE:BAG:2015:290115.U.2AZR164.14.0 I. Arbeitsgericht Köln Urteil vom 24. Mai 2013 - 1 Ca 9278/12 II. Landesarbeitsgericht Köln Urteil vom 9. Januar 2014 - 6 Sa 533/13 - Für die Amtliche Sammlung: Ja Entscheidungsstichwort e : Betriebsbedingte Änderungskündigung - Sozialauswahl Bestimmung en : GG Art. 6 Abs. 1; KSchG § 1 Abs. 3 Satz 1, § 2 Satz 1; BGB §§ 1360 ff., § § 1601 ff.; ZPO § 138 Abs. 3, § § 320, 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b Leits atz : Im Rahmen der Sozialauswahl ist eine um drei Jahre längere Betriebsz u- gehörigkeit nicht geeignet, drei Unterhaltspflichten aufzuwiegen, wenn der Unterhaltsverpflichtete seinerseits eine Betriebszugehörigkeit von imme r- hin sechs Jahren aufzuweisen hat. ECLI:DE:BAG:2015:290115.U.2AZR164.14.0 - 2 - BUNDESARBEITSGERICHT 2 AZR 164/14 6 Sa 533/13 Landesarbeitsgericht Köln Im Namen des Volkes! Verkündet am 29. Januar 2015 URTEIL Freitag, Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle In Sachen Beklagte, Berufungsklägerin, Anschlussberufungsbeklagte und Revisionsklägerin, gegen Kläger, Ber ufungsbeklagter, Anschlussberufungskläger und Revisionsbeklagter, hat der Zweite Senat des Bundesarbeitsgerichts aufgrund der mündlichen Ve r- handlung vom 29. J anuar 2015 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesa r- beitsgericht Kreft, die Richterin am Bundesarbeitsgericht Rachor, den Richter - 2 - 2 AZR 164/14 ECLI:DE:BAG:2015:290115.U.2AZR164.14.0 - 3 - am Bundesarbeitsgericht Dr. Niemann sowie d en ehrenamtlichen Richter Söller und die ehrenamtliche Richterin Schipp für Recht erkannt: 1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des La n- desarbeitsgerichts Köln vom 9. Januar 2014 - 6 Sa 533/13 - wird als unzulässig verworfen, soweit sie sich gegen die Zurückweisung der Berufung ge gen ihre Verurteilung zur Zahlung von 5.009,42 E uro brutto nebst Zin sen in dem Urteil des Arbeitsgerichts Köln vo m 24. Mai 2013 - 1 Ca 9278/12 - richtet. 2. Im Übrigen wird die Revision der Beklagten zurückg e- wiesen. 3. Die Beklagte hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen. Von Rechts wegen! Tatbestand Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Ä n- derungskündigung und eine Bonuszahlung. Die Beklagte entwickelt und vertreibt interaktive Unterhaltungssoftware. In ihrem Betrieb am Unternehmenss itz in K beschäftigt s ie rund 108 Arbei t ne h- mer. Der im Februar 1972 geborene, verheiratete und zwei minderjährigen Ki n- dern zum Unterhalt verpflichte te Kläger ist seit Oktober 2006 mit einer W o che n- arbeitszeit von 38,75 Stunden bei ihr tätig . Sein Bruttomonatsentgelt b e trägt 3.287,08 Euro . Nach Maßgabe einer Zusatzvereinbarung hat er An spruch auf eine Bonuszahlung. Mit Schreiben vom 5. November 2012 kündigte die Beklagte das A r- beitsverhältnis der Parteien zum 28. Februar 2013. Zugleich bot sie dem Kläger ab dem 1. März 2013 e ine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit einer A r- beitszeit von zehn Wochens tunden und einer Bruttomonatsve rgütung von 848,28 Euro an. 1 2 3 - 3 - 2 AZR 164/14 ECLI:DE:BAG:2015:290115.U.2AZR164.14.0 - 4 - Der Kläger hat das Än derungsangebot abgelehnt und fristgerecht Klage erhoben. Er hat g emeint, die Kündigung sei sozi al nicht gerechtfertigt. D ie B e- klagte habe bei seiner Auswahl die gesetzlichen K riterien nicht ausrei chend berücksichtigt . Zudem stehe ihm ein Bonus für das Geschäftsjahr 2011 in Höhe von 12,7 % seines Jahresgrundgehalts zu . Er habe alle festgelegten Ziele e r- reicht. Der Kläger hat beantragt 1. festzustellen, dass sein Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten vom 5. November 2012 nicht aufgelöst worden ist ; 2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 5.009,52 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshä n- gigkeit zu zahlen. Die Beklagte hat beantragt , die Klage abzuweisen. Sie hat die Künd i- gung als wirk sa m verteidigt. Einen Bonus für das Geschäftsjahr 2011 könne der Kläger nicht beanspruchen. Er habe drei Ziele verfehlt. D ie Vorinstanzen haben der Klage stattgege ben. Mit ihrer Revision e r- strebt die Bekl agte weiterhin deren A bweisung. Entscheidungsgründe Die Revision hat keinen Erfolg. A. Hinsichtlich des Feststellungsantrags ist die Revision unbegrün det. Das Landesarbeitsgericht hat ohne Rechtsfehler angenommen, dass die Kündi gung jedenfalls deshalb unwirksam ist, weil die Beklagte bei der Auswahl des Klägers soziale Gesichtspunkte nicht ausreichend berücksichtigt hat. I. Nach § 2 Satz 1 iVm. § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG ist eine Änderungsk ü n- digung trotz Vorliegens dringender betrieblicher Erfordernisse iSd. § 1 A bs. 2 KSchG sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des A r- 4 5 6 7 8 9 10 - 4 - 2 AZR 164/14 ECLI:DE:BAG:2015:290115.U.2AZR164.14.0 - 5 - beitnehmers die Dauer der Betriebszuge hörigkeit, das Lebensalter, bestehende Unterhalts pflichten und eine Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berüc ksichtigt hat. 1 . § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG verlangt vom Berücksicht ig ung der dort aufgeführten Auswahl kriterien . Dem Gesetzeswor t- laut ist nicht zu ent nehmen, wie die genannten sozialen Gesichtspunkte zue i- nander ins Verhältnis zu setzen sind. Keinem Kriterium kommt eine Priorität gegenüber den anderen zu . Vielmehr sind stets die individuellen Unterschiede zwischen den vergleichbar daten zu b e- rücksichtigen und abzuwägen. Dabei braucht der Arbeit ge ber t- so wenig ist entsche i- de nd, ob das Arbeitsgericht diese lbe Auswahl getroffen hätte, wenn es eige n- verantwortlich die sozialen Erwägungen hätte anstellen und die sozialen Grundda ten hätte gewichten müssen. Der dem Arbeitgeber einzuräumende Wertungsspielraum führt dazu, dass nur deutlich schutzwürdigere Arbeitnehmer sich mit Erfolg auf einen Auswahlfehler berufen können (BAG 22. März 2012 - 2 AZR 167/11 - Rn. 19; 7. Juli 2011 - 2 AZR 476/10 - Rn. 48; jeweils mwN) . 2. Bei einer Änderungskündigung ist die Sozialauswahl nicht allein daran auszurichten, welcher von mehreren vergleichbaren Arbeitnehmern durch den Verlust des Arbeitsplatzes am wenigsten hart getroffen würde. Da es bei der ordentli chen Änderungskündigung - unabhängig davon, ob der Arbeitnehmer sie unter Vorbehalt angenommen hat oder nicht - um die soziale Rech tfertigung des Änderungsangebot s geh t, ist darauf Bedacht zu nehmen, wie sich die vo r- geschlagene Vertragsänderung auf den soz ialen Status vergleichbarer Arbei t- nehmer auswirkt. Es ist zu prüfen, ob der Arbeitgeber, statt die Arbeitsbedi n- gungen des gekündigten Arbeitnehmers zu ändern, diese Änderung einem ve r- gleichbaren Arbeitnehmer hätte anbieten können, dem sie eher zumutbar g e- w esen wäre . Auch h ierfür sind allein die Kriterien Betriebszugehörigkeit, Unte r- haltspflichten, Lebensalter und Schwerbehin derung maßgebend. E ine Hera n- ziehung zusätzlicher F aktoren und Kriterien muss wegen der klaren gesetzl i- chen Regelung unterbleiben. Es ko mmt allenfalls eine Ergänzung im Rahmen 11 12 - 5 - 2 AZR 164/14 ECLI:DE:BAG:2015:290115.U.2AZR164.14.0 - 6 - der Gewichtung der Grunddaten aus § 1 Abs. 3 KSchG in Betracht, soweit die ergänzenden Faktoren einen un mittelbaren Bezug zu diesen D aten haben (BAG 12. August 2010 - 2 AZR 945/08 - Rn. 46 mwN) . 3. Bei der Prüfung ausreichenden Berücksichtigung sozialer G e- sichtspunk te im Rahmen der Auswahl des zu kündigenden Arbeitnehmers b e- sitzt das Landesarbeitsgericht einen gewissen Beurteilungsspielraum. Sein U r- teil kann wegen der mit ihm verbundenen Würdigung auch tatsäch licher U m- stände vom Revisionsgericht nu r darauf überprüft werden, ob es d en Inhalt der Nor