- 2 - BUNDESARBEITSGERICHT 2 AZR 386/11 10 Sa 1582/10 Hessisches Landesarbeitsgericht Im Namen des Volkes! Verkündet am 19. Juli 2012 URTEIL Schmidt, Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle In Sachen Kläger, Berufungsbeklagter und Revisionskläger, pp. Beklagte, Berufungsklägerin und Revisionsbeklagte, hat der Zweite Senat des Bundesarbeitsgerichts aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 19. Juli 2012 durch den Vorsitzenden Richter am Bundes-arbeitsgericht Kreft, die Richterinnen am Bundesarbeitsgericht Rachor und - 2 - 2 AZR 386/11 - 3 - Dr. Rinck sowie die ehrenamtlichen Richter Dr. Sieg und Claes für Recht erkannt: 1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Hessi-schen Landesarbeitsgerichts vom 18. März 2011 - 10 Sa 1582/10 - wird zurückgewiesen, soweit dieses auf die Berufung der Beklagten das Urteil des Arbeits-gerichts Frankfurt am Main vom 6. September 2005 - 8/9/5 Ca 9810/04 - abgeändert und die Klage abge-wiesen hat. 2. Die weitergehende Revision des Klägers wird als unzu-lässig verworfen. 3. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen. Von Rechts wegen! Tatbestand Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen betriebs-bedingten Kündigung sowie Weiterbeschäftigungs- und Wiedereinstellungsan-sprüche des Klägers. Die Beklagte ist die - inzwischen aufgelöste - deutsche Tochtergesell-schaft der in Athen ansässigen E Bank. Ihr Hauptsitz befand sich in Frankfurt am Main. Filialen unterhielt sie in Berlin, Stuttgart, Düsseldorf, Nürnberg und München. In diesen und am Hauptsitz waren jeweils Betriebsräte oder ein Betriebsobmann gewählt. Diese bildeten einen Gesamtbetriebsrat. Die Beklagte beschäftigte insgesamt 90 Arbeitnehmer, davon nach ihrer Behauptung 38, nach der Behauptung des Klägers 49 Arbeitnehmer in der Hauptniederlassung. Der 1963 geborene Kläger war seit 2003 bei der Beklagten und deren Rechtsvorgängerin als angehender Filialleiter beschäftigt. Er erhielt eine monatliche Bruttovergütung iHv. etwa 4.200,00 Euro. 1 2 3 - 3 - 2 AZR 386/11 - 4 - Im Juni 2004 beschloss die Beklagte eine Änderung ihrer Organisation. Die Filialen in Berlin und Stuttgart sollten geschlossen, in den anderen Filialen sollte Personal abgebaut werden. Mit Schreiben vom 1. Oktober 2004 akzeptierte der Verwaltungsrat in Athen den Wunsch des Leiters der Hauptniederlassung, kurzfristig aus dem Arbeitsverhältnis auszuscheiden. Am 8. Oktober 2004 schlossen die Beklagte und der Gesamtbetriebsrat einen Interessenausgleich mit einer als Anlage beigefügten Liste der Namen von Mitarbeitern, deren Arbeitsverträge gekündigt werden sollten. Auf der Liste befand sich auch der Name des Klägers. Der Interessenausgleich war auf Seite 1 paraphiert und auf Seite 2 unterschrieben. Die Namensliste war ebenfalls paraphiert. In dem Interessenausgleich heißt es: ... 1. Gegenstand des Interessenausgleiches ist die Umstrukturierung bzw. der Personalabbau in den Betrieben in Düsseldorf, Frankfurt, München und Nürnberg sowie die Stilllegung der Betriebe in Berlin und Stuttgart. Die vorbezeichneten Betriebsände-rungsmaßnahmen werden bis zum 31.03.2005 durchgeführt. 2. Die Arbeitsverträge der von der Betriebsänderung betroffenen Arbeitnehmer(innen) werden betriebsbe-dingt unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungs-frist frühestens zum 31.12.2004 gekündigt. Reichen die Kündigungsfristen über den 31.12.2004 hinaus, wird auf den nächstmöglichen Zeitpunkt gekündigt. ... Eine Liste der betroffenen Arbeitnehmer(innen) ist diesem Interessenausgleich als Anlage beigefügt. Die Liste enthält folgende Angaben: Name, Vorna-me. ... Mit Schreiben vom 8. Oktober 2004 hörte die Beklagte den Betriebsrat der Hauptniederlassung zur beabsichtigten ordentlichen Kündigung des mit dem Kläger bestehenden Arbeitsverhältnisses an. Mit Schreiben vom 14. Oktober 2004 stimmte der Betriebsrat der Kündigung zu. Am 20. Oktober 2004 kündigte die Beklagte die Arbeitsverhältnisse von insgesamt neun in der 4 5 6 7 - 4 - 2 AZR 386/11 - 5 - Hauptniederlassung beschäftigten Arbeitnehmern, darunter das des Klägers. Gegenüber diesem erfolgte die Kündigung durch zwei gleichlautende Kündi-gungsschreiben vom selben Tage. Hiergegen erhob der Kläger Kündigungsschutzklage. Er hat die Ansicht vertreten, der Interessenausgleich sei unwirksam. Der Gesamtbetriebsrat sei für dessen Abschluss nicht zuständig gewesen. Interessenausgleich und Namens-liste seien zudem nicht mit ihm verhandelt, sondern ihm lediglich zur Unter-schrift vorgelegt worden. Dringende betriebliche Erfordernisse lägen nicht vor. Die Beklagte habe ihn auf der Stelle des Hauptniederlassungsleiters oder auf frei gewordenen Arbeitsplätzen weiterbeschäftigen können. Die Sozialauswahl sei grob fehlerhaft. Die Beklagte habe weitere - namentlich benannte - Arbeit-nehmer in die Sozialauswahl einbeziehen müssen. Der Kläger hat - soweit für die Revision von Belang - beantragt festzustellen, dass sein Arbeitsverhältnis durch die Kündi-gungen der Beklagten vom 20. Oktober 2004 nicht aufge-löst wird; hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, ihn zu den bisherigen Arbeits-bedingungen unter Anrechnung der bisherigen Betriebs-zugehörigkeit mit Wirkung ab 1. Juli 2005 als Filialleiter wieder einzustellen, hilfsweise sein Angebot auf Wieder-einstellung per 1. Juli 2005 zu den bisherigen Arbeitsbe-dingungen als Filialleiter unter Anrechnung der bisherigen Betriebszugehörigkeit anzunehmen; hilfsweise dazu die Beklagte zu verurteilen, ihn zu den bisherigen Arbeits-bedingungen unter Anrechnung der bisherigen Betriebs-zugehörigkeit mit Wirkung ab 1. Juli 2005 als angehenden Filialleiter/Sachbearbeiter wieder einzustellen, hilfsweise sein Angebot auf Wiedereinstellung per 1. Juli 2005 zu den bisherigen Arbeitsbedingungen als angehenden Filialleiter/Sachbearbeiter unter Anrechnung der bisheri-gen Betriebszugehörigkeit anzunehmen. Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat vorgetragen, der Gesamtbetriebsrat habe bei der Erstellung des Interessenausgleichs ein-schließlich der Namensliste und des Sozialplans eine aktive Rolle gespielt. Die 8 9 10 - 5 - 2 AZR 386/11 - 6 - sozialen Gesichtspunkte für die Auswahl der zu kündigenden Arbeitnehmer, seien mit ihm erörtert und gemeinsam festgelegt worden. Der Aufgabenbereich des Klägers sei entfallen. Er sei als angehender Leiter einer in Hannover zu errichtenden Filiale eingestellt worden. Zu der geplanten Eröffnung sei es jedoch nicht gekommen. Der Kläger sei selbst bei Einbeziehung sämtlicher Standorte allenfalls mit anderen Filialleitern vergleichbar gewesen. Von diesen seien zwei entlassen worden. Die übrigen seien sozial schutzwürdiger als der Kläger. Freie, geeignete Arbeitsplätze habe es nicht gegeben. Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben, das Landesarbeitsge-richt hat sie abgewiesen. Mit Urteil vom 12. Mai 2010 (- 2 AZR 731/08 -) hat der Senat das Urteil des Landesarbeitsgerichts aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückver-wiesen. Dieses hat nach Beweisaufnahme über die Behauptung der Beklagten, Interessenausgleich und Namensliste seien bei Unterzeichnung fest miteinan-der verbunden gewesen, die Klage erneut abgewiesen. Mit der vom Landes-arbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter. Entscheidungsgründe Die Revision des Klägers hat keinen Erfolg. A. Die Revision ist unbegründet, soweit der Kläger die Feststellung be-gehrt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die Kündigung der Beklagten beendet worden ist. Das Landesarbeitsgericht hat diese zu Recht für sozial gerechtfertigt gehalten. I. Die Klage ist zulässig. Die Beklagte ist parteifähig (§ 50 ZPO). Die Parteifähigkeit einer GmbH endet weder allein durch deren Auflösung noch durch die Eintragung der Auflösung in das Handelsregister (BAG 24. Juni 2004 - 2 AZR 215/03 - zu B I 1 a der Gründe mwN, AP BGB § 613a Nr. 278 = EzA BGB 2002 § 626 Unkündbarkeit Nr. 5). Eine aufgelöste juristische Person ist 11 12 13 14 - 6 - 2 AZR 386/11 - 7 - zum Zweck der Schuldentilgung und Vermögensverteilung als fortbestehend zu behandeln (BGH 17. Oktober 1994 - II ZR 159/93 - WM 1995, 406). II. Die Klage ist unbegründet. Sie richtet sich nach dem - objektiv zutref-fenden - übereinstimmenden Verständnis der Parteien gegen eine einheitliche, wenngleich in zwei gleichlautenden Schreiben vom selben Tag erklärte Kündi-gung. Diese ist iSv. § 1 Abs. 2 KSchG durch dringende betriebliche Erfordernis-se bedingt, die einer Weiterbeschäftigung des Klägers entgegenstehen. 1. Sind bei einer Betriebsänderung nach § 111 BetrVG die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitge-ber und Betriebsrat namentlich bezeichnet, so wird nach § 1 Abs. 5 Satz 1 KSchG zum einen vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse iSv. § 1 Abs. 2 KSchG bedingt ist. Zum anderen kann die soziale Auswahl nur noch auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden (§ 1 Abs. 5 Satz 2 KSchG). Die Vermutungsbasis, dh. den Umstand, dass eine Betriebsän-derung nach § 111 BetrVG vorlag und für die Kündigung des Arbeitnehmers kausal war und der Arbeitnehmer in einem wirksam zustande gekommenen Interessenausgleich benannt ist, hat der Arbeitgeber substantiiert darzulegen und ggf. zu beweisen (BAG 3. April 2008 - 2 AZR 879/06 - Rn. 21, AP KSchG 1969 § 1 Namensliste Nr. 17 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 15; 31. Mai 2007 - 2 AZR 254/06 - AP BetrVG 1972 § 111 Nr. 65 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 12). 2. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 1 Abs. 5 Satz 1 KSchG sind erfüllt. a) In der Hauptniederlassung war eine Betriebsänderung geplant. aa) Bezugsgröße für die Frage, ob eine Betriebsänderung durch Personal-abbau iSv. § 111 Satz 3 Nr. 1 BetrVG, § 17 Abs. 1 KSchG vorliegt, ist die Anzahl der im einzelnen Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer. Zwar kommt es nach § 111 Satz 1 BetrVG bei der Feststellung, ob der Betriebsrat überhaupt ein Beteiligungsrecht in wirtschaftlichen Angelegenheiten hat, auf die Anzahl 15 16 17 18 19 - 7 - 2 AZR 386/11 - 8 - der Arbeitnehmer in dem Unternehmen an. Die Unternehmensgröße von mehr als 20 wahlberechtigten Arbeitnehmern ist aber nur Voraussetzung für das Entstehen von Beteiligungsrechten des Betriebsrats. Für das Vorliegen einer Betriebsänderung im Sinne der Norm ist hingegen erforderlich, dass die Ska-lenwerte des § 17 Abs. 1 KSchG im jeweiligen Betrieb erzielt werden. Dies gilt auch dann, wenn für den Abschluss des Interessenausgleichs gem. § 50 Abs. 1 BetrVG der Gesamtbetriebsrat zuständig ist (BAG 12. Mai 2010 - 2 AZR 551/08 - Rn. 33, AP KSchG 1969 § 1 Namensliste Nr. 20 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 21; Fitting 26. Aufl. § 111 Rn. 24). bb) Danach plante die Beklagte in der Hauptniederlassung eine Betriebs-änderung. Dort waren nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts entweder 38 oder 49 Arbeitnehmer beschäftigt. Die Beklagte beabsichtigte, neun Arbeitnehmer zu entlassen. Ein solcher Personalabbau erfüllt die Voraus-setzungen einer Betriebsänderung iSv. § 111 Satz 1 BetrVG iVm. § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KSchG, ohne dass es noch auf die beschlossenen Einzelmaßnah-men ankäme (vgl. BAG 15. Dezember 2011 - 2 AZR 42/10 - Rn. 14, EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 84; 31. Mai 2007 - 2 AZR 254/06 - Rn. 16, AP BetrVG 1972 § 111 Nr. 65 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 12). b) Für den Abschluss des Interessenausgleichs war der Gesamtbetriebs-rat zuständig. aa) Nach § 50 Abs. 1 iVm. § 111 Satz 1 BetrVG ist eine mitbestimmungs-pflichtige Betriebsänderung mit dem Gesamtbetriebsrat zu vereinbaren, wenn sich die geplante Maßnahme auf alle oder doch mehrere Betriebe auswirkt und einer einheitlichen Regelung bedarf (BAG 11. Dezember 2001 - 1 AZR 193/01 - BAGE 100, 60). Eine betriebsübergreifende Regelung muss zwingend erforder-lich sein. Deren bloße Zweckmäßigkeit kann in den Angelegenheiten der zwingenden Mitbestimmung die Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats nicht begründen (BAG 11. Dezember 2001 - 1 AZR 193/01 - aaO; 11. November 1998 - 7 ABR 47/97 - AP BetrVG 1972 § 50 Nr. 19 = EzA BetrVG 1972 § 50 Nr. 17). Wird ein geplanter Personalabbau auf der Grundlage eines unterneh-menseinheitlichen Konzepts durchgeführt und sind mehrere Betriebe betroffen, 20 21 22 - 8 - 2 AZR 386/11 - 9 - so dass das Verteilungsproblem betriebsübergreifend gelöst werden muss, ist gem. § 50 Abs. 1 BetrVG der Gesamtbetriebsrat für den Abschluss des Interes-senausgleichs zuständig (BAG 7. Juli 2011 - 6 AZR 248/10 - Rn. 24, AP BetrVG 1972 § 102 Nr. 165 = EzA BetrVG 2001 § 26 Nr. 3; 19. Juni 2007 - 2 AZR 304/06 - BAGE 123, 160; Fitting 26. Aufl. § 50 Rn. 59). bb) So liegen die Dinge hier. Neben der Hauptniederlassung waren auch die Betriebe Berlin und Stuttgart von einer Betriebsänderung betroffen. Sie sollten stillgelegt werden. Dabei bestand ein betriebsübergreifendes Rege-lungsbedürfnis. Dem Interessenausgleich lag ein einheitliches, alle Betriebe in den Blick nehmendes Umstrukturierungskonzept zugrunde, das einer Regelung durch die einzelnen Betriebsräte nicht zugänglich war. c) Ist der Gesamtbetriebsrat für den Abschluss des Interessenausgleichs zuständig, folgt hieraus seine Zuständigkeit auch für die Vereinbarung der Namensliste. Diese ist Teil des Interessenausgleichs (KR/Griebeling 10. Aufl. § 1 KSchG Rn. 703f). Ihre Vereinbarung fällt in den Zuständigkeitsbereich des Gremiums, welches für den Abschluss des Interessenausgleichs zuständig ist. Eine nach § 50 Abs. 1 BetrVG begründete originäre Zuständigkeit des Gesamt-betriebsrats erstreckt sich auf die gesamte Angelegenheit im Sinne dieser Bestimmung, nicht nur auf bestimmte Teile oder einen allgemeinen Rahmen. Eine einheitliche mitbestimmungspflichtige Angelegenheit kann nicht aufgespal-ten werden in Regelungsbereiche, die in die Zuständigkeit des Gesamtbetriebs-rats fallen und solche, für die die örtlichen Betriebsräte zuständig sind. Dies wäre mit den Geboten der Rechtssicherheit und