Bundesarbeitsgericht Urteil vom 25. Juni 2014 Fünfter Senat - 5 AZR 283/12 - I. Arbeitsgericht Saarbrücken Urteil vom 18. März 2011 - 3 Ca 378/10 - II. Landesarbeitsgericht Saarland Urteil vom 1. Februar 2012 - 2 Sa 96/11 - Für die Amtliche Sammlung: Ja Entscheidungsstichworte: Leistungsklage - Zulässigkeit bei behaupteter Masseforderung - Verg ü- tungsanspruch nach Insolvenzgeldantrag - Anspruchsübergang - Gren z- gänger - Doppelbesteuerungsabkommen mit Frankreich Bestimmungen: AEUV Art. 45; Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 Art. 3 Abs. 1, Art. 7 Abs. 2; ArbGG § 45; GG Art. 3 Abs. 1; Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik zur Vermeidung der Do p- pelbesteuerungen und über gegenseitige Amts - und Rechtsh ilfe auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen sowie der G e- werbesteuern und Grundsteuern vom 21. Juli 1959 (DBA Frankreich) Art. 14 Abs. 1 Satz 1, Art. 14 Abs. 2 Nr. 1; InsO § 21 Abs. 2 Nr. 1, § 22 Abs. 1 Satz 1, §§ 38, 53, 55 Abs. 2 Satz 2, § 108 Abs. 3 , §§ 179, 180 ; III aF §§ 187, 185 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 2, § 341 Abs. 4; SGB X § 115 Abs. 1; EStG § 3 Nr. 2, § 32b Abs. 1 Buchst. a Leitsatz: Der durch den Antrag auf Insolvenzgeld bewirkte gesetzliche Anspruch s- übergang erf asst - begrenzt auf die Höhe der monatlichen Beitragsb e- messungsgrenze - den Bruttolohnanspruch des Arbeitnehmers. - 2 - BUNDESARBEITSGERICHT 5 AZR 283/12 2 Sa 96/11 Landesarbeitsgericht Saarland Im Namen des Volkes! Verkündet am 25. Juni 2014 URTEIL Radtke, Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle In Sachen Beklagter, Berufungsbeklagter und Revisionskläger , p p . Klägerin, Berufungsklägerin und Revisionsbeklagte , hat der Fünfte Senat des Bundesarbeitsgerichts aufgrund der Beratung vom 25. Juni 2014 durch den Vizepräsidenten des Bundesarbeitsgerichts Dr. Müller - Glöge, den Richter am Bundesarbeitsgericht Dr. Biebl, die Richterin am Bundesarbeitsgericht Weber sowie die ehrenamtlichen Richter Kremser und Feldmeier für Recht erkannt: - 2 - 5 AZR 283/12 - 3 - 1. Auf die Revision de s Beklagten wird das Urteil des Landes arbeitsgerichts Saarland vom 1. Februar 2012 - 2 Sa 96/11 - aufgehoben. 2. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Saarb rücken vom 18. März 2011 - 3 Ca 378/10 - wird zurückgewiesen. 3 . Die Klägerin hat die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen . Von Rechts wegen! Tatbestand Die Parteien streiten darüber, ob die als Grenzgängerin in Deutschland nicht einkommen steuerpflichtige Klägerin nach Inanspruchnahme von Inso l- venzgeld noch Zahlung restlichen Nettolohns in Höhe der fiktiv ermittelten A b- züge für Lohnsteuer und Solidaritätszuschlag beanspruchen kann. Die 1972 geborene Klägerin war vom 15. Juni 2006 bis zum 30. November 2009 bei der C GmbH (im Folgenden: Schuldnerin ) b e schäftigt und erzielte zuletzt einen Monats verdienst von 3.100,00 Euro brutto, zuzüglich vermögenswirksamer Leis tungen von 22,83 Euro brutto. Das Amtsg e- richt Saa r brücken bestellte den Beklagten mit Beschluss vom 21. September 2009 ( - 112 IN 55/09 - ) zum vorläufigen Insolvenzverwalter über das Vermögen der Schuld nerin und legte der Schuldnerin ein allgemeines Verfügungsverbot auf. M it Beschluss vom 1. Dezember 2009 ( - 112 IN 55/09 - ) wurde da s Inso l- ven z verfah ren eröffnet und de r Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt. Die Klägerin ist deutsche Staatsangehörige und hat ihren Wohnsitz in i- schen der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik zu r Vermeidung der Doppelbesteuerungen und über gegenseitige Amts - und Rechtshilfe auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen 1 2 3 - 3 - 5 AZR 283/12 - 4 - sowie der Gewerbesteuern und Grundsteuern vom 21. Juli (im Folge n- den: DBA Frankreich) der Grenzgängerstatus zuerkannt. Die Klägerin erbrachte in den Monaten September bis November 2009 ihre Arbeitsleistung. Die Vergütung hierfür wurde in Höhe des zu erwartenden Insolvenzgelds von der B (im Folgenden: B - Bank) vo r fina n ziert, m it der die Kl ä- gerin mit Zustimmung der Bundesage n tur und des B e kla g ten Ford e rung s kau f- verträge abge schlossen hat te . Darin trat die Klägerin ihre Ansprüche auf das vom Beklagten für diese Monate abg e rechnete Nettoa r beitsentgelt und auf das von ihr beantragte Insolvenzgeld Zug um Zug gegen Zahlung en der B - Bank in Höhe der abgerechneten Nettob e träge an diese ab. I n den vom Bekla g ten für September bis November 2009 erstellten G e haltsabrechnungen, die der Ermit t- lung des Insolvenzgelda n spruchs der Kl ä g e rin zu Grunde lagen, sind u n ter der ü fiktive Lohnsteuer und als fiktiver Solid a rität s- zuschlag insgesamt 1.830,66 Euro au s gewiesen. Mit der am 24. März 2010 eingereichten Klage verlangt die Klägerin Zahlung d i es er in den Abrec h nungen ausgewiesenen Steuern . Sie hat geltend gemacht , i hre Verg ü tungsa n sprüche seien lediglich in Höhe des gezahlten I n solvenzgeld s auf die Bund e s agentur übergegangen . A n dernfall s werde sie schlechter gestellt als ihre in Deutschland wohnenden A r beitskollegen, weil sie vor der Insolvenz ihr Ne t t o gehalt ohne e i- nen Steuera b zug ausgezahlt beko m men und als Grenzgäng e rin ihre Nettoei n- künfte in Fran k reich zu versteuern h a be. Faktisch führe ein A n spruchsübergang unter Ei n schluss der fiktiv ermittelten Beträge zu einer Do p pelbesteuerung und verstoße gegen das Doppelbesteu e rungsabkommen mit Frankreich. Die Klägerin hat sinngemäß beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 1.830,66 Euro netto nebst Zinsen in gestaffelter Höhe zu zahlen . Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt und geltend gemacht, die Klägerin sei nicht aktivlegitimiert. Die Vergütungsansprüche seien mit dem A n- trag auf Insolvenzgeld insgesamt auf die Bundesagentur übergegangen. 4 5 6 - 4 - 5 AZR 283/12 - 5 - Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung der Klägerin der Klage stattgegeben. Mit der vom Lande s- arbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt der Beklagte weiterhin die vol l- ständige Klageabweisung. Entsch eidungsgründe Die Revision des Beklagten ist begründet. Das angegriffene Urteil ist aufzuheben ( § 562 Abs. 1 ZPO) . Das Landesarbeitsgericht hat der Berufung der Klägerin gegen das die Klage abweisende Urteil des Arbeitsgerichts zu U n- recht stattgegeben. D ie Klage ist unbegründet. A. Die Klage ist zulässig. I. Die Klägerin ist prozessführungsbefugt, weil sie mit der Klage ein b e- hauptetes eigenes Recht im eigenen Namen geltend macht (vgl. Zöller / Vollkommer ZPO 30. Aufl. V or § 50 Rn. 18; Musielak / Weth ZPO 11. Aufl. § 51 Rn. 15 f.) . Ob die eingeklagte Forderung der Klägerin zusteht oder infolge eines gesetzlichen Anspruchsübergangs der Bundesagentur, ist eine Frage der Akti v- legitimation, die erst im Rahmen der Prüfung der Begründetheit der Klage zu beantwort en ist (vgl. Musielak / Weth ZPO 11. Aufl. § 51 Rn. 18) . II. Der Zulässigkeit der Leistungsklage steht , soweit sie den Zeitraum 1. bis 20. September 2009 betrifft, nicht entgegen, dass es sich bei den erh o- benen Ansprüche n allenfalls um Insolvenzforderungen iSv. §§ 38, 108 Abs. 3 InsO und nicht, wie vom Landesarbeitsgericht angenomme n, um Masseford e- rungen iSv . § 55 Abs. 2 Satz 2 InsO handel n könnte . 1. Nach § 55 Abs. 2 Satz 2 InsO sind Masseverbindlichkeiten Verbindlic h- keiten aus einem Dauerschuldverhältnis, soweit der vorläufige Insolvenzverwa l- ter für das von ihm verwaltete Vermögen die Gegenleistung in Anspruch g e- nommen hat. § 55 Abs. 2 Satz 2 InsO bezieht sich allein auf eine Leistung an 7 8 9 10 11 12 - 5 - 5 AZR 283/12 - 6 - § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 1 iVm. § 22 Abs. 1 Satz 1 InsO ( BAG 12. September 2013 - 6 AZR 953/11 - Rn. 42 ) . Der Beklagte wurde erst am 21. September 2009 mit Beschluss vom selben Tag zum vorläufigen Insolven z- verwalter mit Verfügungsbefugnis über das Vermögen der Schuldnerin bestellt. handelt es sich, auch wenn sie erst nach dem 20. September 2009 fällig wurde , um eine Insolven z- forderung iSv. §§ 38, 108 Abs. 3 InsO (BAG 21. Februar 2013 - 6 AZR 406/11 - Rn. 28 f.; 12. September 2013 - 6 AZR 953/11 - Rn. 36 ) . 2. Die Leistungsklage ist dennoch insgesamt zulässig. Die Klägerin b e- ha uptet, die eingeklagten Forderungen stünden ihr als Masseverbindlichkeiten zu. Beruft sich der Arbeitnehmer auf eine vorweg zu berichtigende Masseve r- bindlichkeit iSv. § § 53, 55 InsO, ist die Klage nicht unzulässig, sondern unb e- gründet, wenn es sich tatsächlich um eine Insolvenzforderung iSv. § § 38, 108 Abs. 3 InsO handelt (BAG 21. Februar 2013 - 6 AZR 406/11 - Rn. 17 f.; 12. September 2013 - 6 AZR 953/11 - Rn. 17) , die unter den in § § 179, 180 InsO geregelten Voraussetzungen mit einer Feststellungsk lage zu verfolgen wäre. B . Die Klage ist nicht begründet. Die Klägerin hat gegen den Beklagten keinen A nspruch nach § 611 Abs. 1 BGB iVm . § 55 Abs. 2 Satz 2 In sO. Sie ist nicht aktivlegitimiert. Ihr Vergütungsanspruch ist gemäß § 187 SGB III aF auf die Bundesagentur für Arbeit übergegangen. I . Die fehlende Aktivlegitimation der Klägerin ergibt sich nicht bereits aus den mit der B - Bank geschlossenen Forderungskaufverträgen. Die geltend g e machten Forderungen werden, wovon das Landesarbeitsgerich t zutreffend ausgegangen ist, hiervon nicht erfasst. I I . Die streitgegenständlichen Ansprüche sind jedoch mit Stellung des A n- trags auf Inso lvenzgeld gemäß § 187 Satz 1 SGB III aF auf die Bundesagentur übergegangen. Der gesetzliche Anspruchsübergang nach § 187 SGB III in der hier anzuwendenden , ab 12 . Dezember 2006 g eltend en Fassung (im Folge n- 13 14 15 16 - 6 - 5 AZR 283/12 - 7 - den: aF) erfasst - begrenzt auf die Höhe der monatlichen Beitragsbemessung s- grenze ( § 341 Abs. 4 SGB III