Bundesarbeitsgericht Urteil vom 8. Mai 2014 Sechster Senat - 6 AZR /12 - I. Arbeitsgericht Hannover Urteil vom 12. Mai 2011 - 4 Ca 379 /1 0 - II. Landesarbeitsgericht Niedersachsen Urteil vom 2 2 . März 2012 - 7 Sa 10 53 /1 1 - F ür die Amtliche Sammlung: Nein Entscheidungsstichwort e : Insolvenzanfechtung - inkongruente Deckung bei Erfüllung unter dem Druck der Zwangsvollstreckung Geltung tariflicher Ausschlussfristen - Säumnislage in der Revisionsinstanz Bestimmungen : InsO § 131 Abs. 1 Nr. 1; ZPO § 331 - 2 - BUNDESARBEITSGERICHT 6 AZR 465/12 7 Sa 1053/11 Landesarbeitsgericht Niedersachsen Im Namen des Volkes! Verkündet am 8. Mai 2014 VERSÄUMNISTEIL - UND SCHLUSSURTEIL Gaßmann , Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle In Sachen Kläger, Berufungskläger und Revisionskläger, p p . Beklagter, Berufungsbeklagter und Revisionsbeklagter, hat der Sechste Senat des Bundesarbeitsgerichts aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 8. Mai 2014 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesa r- beitsgericht Dr. Fischermeier, die Richterinnen am Bundesarbeitsgericht Gallner und Spelge sowie die ehrenamtlichen Richter Koch und Dr. Wollensak für Recht erkannt: - 2 - 6 AZR 465/12 - 3 - 1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des La n- desarbeitsgerichts Niedersachsen vom 22. März 2012 - 7 Sa 1053/11 - unter Zurückweis ung der weiter g e- henden Revision teilweise aufgehoben. 2. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des A r- beitsgerichts Hannover vom 12. Mai 2011 - 4 Ca 379/10 - unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise abgeändert und zur Klarstellung insge samt neu gefasst : Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.535,20 Euro nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 1. Mai 2007 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. 3. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu t r a- gen. 4. Das der Klage teilweise stattgebende Versäumnisteilu r- teil ist vorläufig vollstreckbar. Von Rechts wegen! Tatbestand Die Parteien streiten über die Verpflichtung des Beklagten, Arbeitsen t- gelt, das er unter dem Druck der Zwangsvollstreckung erlangte, im Weg der Insolvenzanfechtung an die Masse zurückzugewähren. Der Kläger ist Insolvenzverwalter in dem am 30. April 2007 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der S GmbH (Schul d n e rin) . Der Inso l- venzantrag der AOK vom 9. Februar 2007 war am 12. Februar 2007 beim I n- solvenzgericht eingegangen. Der B e klagte war bei der Schuldnerin beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis unterfiel dem allgemeinve r bindl i chen Ra h mentarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer im Maler - und L a ckiere r handwerk (RTV) vom 30. März 1992 in seiner jeweiligen Fassung. Nach § 49 Abs. 1 RTV in se i- ner Ursprungsfassung und in sämtlichen Folgefa s sungen ve r fallen alle beide r- seitigen Ansprüche aus dem Arbeitsve r hältnis und solche, die mit dem Arbeit s- 1 2 - 3 - 6 AZR 465/12 - 4 - verhältnis in Verbindung stehen, wenn sie nicht i n nerhalb von zwei Monaten nach der Fälligkeit gegenüber der and e ren Vertragspartei schrif t lich erhoben werden. Die Schuldnerin hatte im Monat vor und im Monat nach Stellung des I n- solvenzantrags aufgrund von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen zu Händen des Gerichtsvollziehers auf dessen Aufforderungen hin insgesamt 1.535,20 Eu - ro an den Beklagten geleistet, um Ansprüche auf Arbeitsentgelt zu erfüllen. A m 12. Januar 2007 leistete die Schuldnerin 500,00 Euro, am 8. Februar 2007 we i- tere 500,00 Euro und am 12. März 2007 535,20 Euro. Der Kläger focht die Zahlungen mit Schreiben vom 20. September 2010 nach § 129 Abs. 1, § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO an und forderte die geleisteten B e- träge nebst Zinsen iHv. fünf Pr ozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Inso l- venzeröffnung zurück. Der Kläger hat mit seiner dem Beklagten am 30. Dezember 2010 zug e- stellten Klage die Auffassung vertreten, die geleisteten Beträge seien nach § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO zurückzugewähren. T ari fliche Ausschlussfristen seien auf Ansprüche des Insolvenzverwalters aus § 129 Abs. 1, § 131 Abs. 1, § 143 Abs. 1 Satz 1 InsO nicht anzuwenden. Daran habe sich durch den Beschluss des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 27. Septembe r 2010 ( - GmS - OGB 1/09 - BGHZ 187, 105) nichts geändert. Durch diese Entscheidung sei lediglich die Rechtswegzuständigkeit im Verhäl t- nis von Bundesarbeitsgericht und Bundesgerichtshof geklärt worden. Rückg e- währansprüche aufgrund einer Insolvenzanfechtung b eruhten auf einem g e- set z lichen Schuldverhältnis und seien der Regelungsmacht der Tarifvertrag s- r- verfallen. Die Ausschlussfrist des § 49 Abs. 1 RTV stelle auf die Fälligkeit aller beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und damit darauf ab, ob die Ansprüche für den Gläubiger feststellbar seien. Dem Insolvenzverwalter werde jedoch die dreijährige Verjähru ngsfrist der § 146 Abs. 1 InsO, § 195 BGB eingeräumt, um zu prüfen, ob Anfechtungstatbestände gegeben seien. 3 4 5 - 4 - 6 AZR 465/12 - 5 - Der Kläger hat beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an ihn 1.535,20 Euro nebst Zinsen iHv . fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 30. April 2007 zu zahlen. Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Nachdem der Beklagte in der Berufungsverhandlung nicht erschienen und nicht vertreten gewesen war, hat das Landesarbeitsgericht die Berufung des Klägers gegen das Urteil erster Instanz durch sog. unechtes Versäumnisurteil zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Lei s- tungsantrag weiter. Entscheidungsgründ e Über die Revision ist durch Versäumnisteilurteil zu entscheiden, soweit die Klage begründet ist, weil der Beklagte in der Revisionsverhandlung trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht vertreten war . Die Revision hat ganz überwi e- gend - hinsichtlich der Haupts ache und des Hauptteils der Zinsforderung - E r- folg . Dem Kläger stehen die erhobenen Rückgewähransprüche zu. Unbegrü n- det ist die Revision lediglich, soweit die Vorinstanzen den Zinsantrag für den Tag der Insolvenzeröffnung am 30. April 2007 abgewiesen haben . Insoweit hat der Senat ein sog. unechtes Versäumnisteilurteil in Form eines Schlussurteils zu erlassen, das keinem Rechtsbehelf oder Rechtsmittel unterliegt (vgl. GMP/Müller - Glöge 8. Aufl. § 74 Rn. 149) . Die sog. gemischte Entscheidung eines Versäumniste il - und Schlussurteils dient dazu , den Streitstoff im Ganzen auf zu arbeiten (vgl. zB BGH 27. Januar 2012 - V ZR 272/10 - Rn. 6 ; OLG Dü s- seldorf 17. Dezember 2012 - I - 9 U 87/10 - zu I der Gründe) . A. Soweit der Klage entgegen der Auffassung der Vorinstanzen stattzug e- ben ist, hat der Senat durch Versäumnisteilurteil zu entscheiden. 6 7 8 9 10 - 5 - 6 AZR 465/12 - 6 - I. Eine Entscheidung nach Aktenlage (§ 331a ZPO) kommt nicht in B e- tracht. Dem stehen § 331a Satz 2, § 251a Abs. 2 Satz 1 ZPO entgegen, weil in der Revisionsinstanz bisher keine zw eiseitige mündliche Verhandlung stattg e- funden hat (vgl. BAG 26. Juli 2007 - 8 AZR 796/06 - Rn. 10 mwN, BAGE 123, 301; BGH 4. April 1962 - V ZR 110/60 - zu A der Gründe, BGHZ 37, 79) . II. Für das Säumnisverfahren gelten nach § 555 Abs. 1 Satz 1 ZPO grundsä tzlich §§ 330 ff. ZPO. 1. Ist der Revisionsbeklagte säumig, wird nach § 72 Abs. 5 ArbGG iVm. §§ 555, 557 ZPO durch (echtes) Versäumnis( - teil)urteil sachlich entschieden, wenn die Revision nach ihrer Begründung - wie hier im genannten U m- fang - zulässig und sachlich gerechtfertigt