- 2 - BUNDESARBEITSGERICHT 6 AZR 847/11 7 Sa 136/11 Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg Im Namen des Volkes! Verkündet am 16. Mai 2013 URTEIL Gaßmann, Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle In Sachen Kläger, Berufungskläger und Revisionskläger, pp. Beklagte, Berufungsbeklagte und Revisionsbeklagte, hat der Sechste Senat des Bundesarbeitsgerichts aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 16. Mai 2013 durch den Vorsitzenden Richter am Bundes-arbeitsgericht Dr. Fischermeier, die Richterinnen am Bundesarbeitsgericht - 2 - 6 AZR 847/11 - 3 - Gallner und Spelge sowie die ehrenamtlichen Richter Jostes und Lauth für Recht erkannt: 1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Lan-desarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 26. Sep-tember 2011 - 7 Sa 136/11 - aufgehoben. 2. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Ar-beitsgerichts Stuttgart vom 6. Juli 2011 - 19 Ca 4755/10 - abgeändert: Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 100,16 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Pro-zentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 25,04 Euro seit dem 1. Juli 2009 sowie aus jeweils weiteren 25,04 Euro seit dem 1. August 2009, dem 1. Oktober 2009 und dem 1. Februar 2010 zu zahlen. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger die tägliche Pauschale gemäß § 11 Abs. 3 des Tarifvertrags über die kommunalen Nahverkehrs-betriebe Baden-Württemberg (BzTV-N BW) vom 13. November 2001 auch für solche Kalendertage in-nerhalb einer einheitlich angeordneten Rufbereitschaft zu zahlen, an denen keine Rufbereitschaft für volle Tage geleistet worden ist (sog. angebrochene Tage). 3. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tra-gen. Von Rechts wegen! Tatbestand Die Parteien streiten über die tarifliche Pauschale für Rufbereitschaft. Der Kläger ist seit dem 1. Januar 1986 bei der Beklagten beschäftigt. Arbeitsvertraglich ist der Bezirkstarifvertrag für die kommunalen Nahverkehrs-betriebe Baden-Württemberg (BzTV-N BW) vom 13. November 2001 in Bezug genommen. Der Kläger hat zu wechselnden Einsatzzeiten Rufbereitschaft zu leisten. Die Rufbereitschaft beginnt werktags um 15:00 Uhr und endet am nächsten Werktag um 6:25 Uhr. Wochenendrufbereitschaft beginnt am Freitag 1 2 - 3 - 6 AZR 847/11 - 4 - um 15:00 Uhr und endet am Montag um 6:25 Uhr. Die Parteien streiten darü-ber, ob bei mehrtägigen Rufbereitschaften für den letzten angebrochenen Tag, an dem nicht mehr Rufbereitschaft bis 24:00 Uhr angeordnet ist, noch eine Tagespauschale zu zahlen ist. § 11 Abs. 3 BzTV-N BW bestimmt: Für die Rufbereitschaft wird eine tägliche Pauschale je Entgeltgruppe bezahlt. Sie beträgt für die Tage Montag bis Freitag das Zweifache, für Samstag, Sonntag sowie für Feiertage das Dreifache des tariflichen Stundenentgelts gem. Abs. 1 Satz 2. Maßgebend für die Bemessung der Pauschale nach Satz 2 ist der Tag, an dem die Rufbereit-schaft beginnt.
Den Tarifvertragsparteien des BzTV-N BW war bei Tarifabschluss der am 25. Mai 2001 geschlossene Spartentarifvertrag Nahverkehrsbetriebe (TV-N NW) bekannt. Dieser regelt die Rufbereitschaftspauschale in § 11 Abs. 3 Satz 1 bis Satz 3 in derselben Weise wie der BzTV-N BW. Weiter heißt es im TV-N NW in einer Niederschriftserklärung vom 25. Juni 2001: Zu § 11 Abs. 3: Zur Ermittlung der Tage einer Rufbereitschaft, für die eine Pauschale gezahlt wird, ist auf den Tag des Beginns der Rufbereitschaft abzustellen. Beispiel: Beginnt eine Wochenendrufbereitschaft am Freitag um 15:00 Uhr und endet sie am Montag um 7:00 Uhr, so erhält der AN folgende Pauschalen: 2 Stundenentgelte für Freitag, je 3 Stundenentgelte für Samstag und Sonntag, keine Pauschale für Montag (weil die Rufbereitschaft an diesem Tag vor 15:00 Uhr endet). Der AN erhält somit 8 Stundenentgelte. Auch der am 5. Oktober 2000 geschlossene Tarifvertrag Versorgungs-betriebe (TV-V) regelt in § 10 Abs. 3 Satz 1 bis Satz 3 die Voraussetzungen der Rufbereitschaftspauschale in bis auf die Höhe des Stundensatzes identischer Weise. 3 4 5 6 - 4 - 6 AZR 847/11 - 5 - Weiter heißt es dort in einer Protokollerklärung zu § 10 Abs. 3: Zur Ermittlung der Tage einer Rufbereitschaft, für die eine Pauschale gezahlt wird, ist auf den Tag des Beginns der Rufbereitschaft abzustellen. Der Tarifvertrag zur Regelung der Arbeitsbedingungen bei den Nahver-kehrsbetrieben im Land Brandenburg - Spartentarifvertrag Nahverkehr Bran-denburg - (TV-N BRB) vom 27. Juni 2001 enthält in § 11 Abs. 3 Satz 1 bis Satz 3 eine mit § 10 Abs. 3 TV-V identische Regelung. Weiter heißt es in einem mit * nach § 11 Abs. 3 Satz 3 TV-N BRB eingefügten Beispiel: Beginnt eine Wochenendrufbereitschaft am Freitag um 15.00 Uhr und endet am Montag um 7.00 Uhr, so erhält der Arbeitnehmer folgende Pauschalen: 2 Stundenentgel-te für Freitag, je 4 Stundenentgelte für Samstag und Sonntag, keine Pauschale für Montag. Er erhält somit 10 Stundenentgelte. Schließlich bestimmt § 8 Abs. 3 des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst (TVöD) - Allgemeiner Teil - vom 13. September 2005: Für die Rufbereitschaft wird eine tägliche Pauschale je Entgeltgruppe bezahlt. Sie beträgt für die Tage Montag bis Freitag das Zweifache, für Samstag, Sonntag sowie für Feiertage das Vierfache des tariflichen Stundenentgelts nach Maßgabe der Entgelttabelle. Maßgebend für die Bemessung der Pauschale nach Satz 2 ist der Tag, an dem die Rufbereitschaft beginnt. ... Die Protokollerklärung zu Abs. 3 bestimmt: Zur Ermittlung der Tage einer Rufbereitschaft, für die eine Pauschale gezahlt wird, ist auf den Tag des Beginns der Rufbereitschaft abzustellen. In der Niederschriftserklärung zu § 8 Abs. 3 TVöD heißt es: Zur Erläuterung von § 8 Abs. 3 und der dazugehörigen Protokollerklärung sind sich die Tarifvertragsparteien über folgendes Beispiel einig: Beginnt eine Wochenendrufbe-reitschaft am Freitag um 15 Uhr und endet am Montag um 7 Uhr, so erhalten Beschäftigte folgende Pauscha len: zwei Stunden für Freitag, je vier Stunden für Samstag und 7 8 9 10 11 - 5 - 6 AZR 847/11 - 6 - Sonntag, keine Pauschale für Montag. Sie erhalten somit zehn Stundenentgelte. Der Kläger leistete im Jahr 2009 und 2010 wiederholt Rufbereitschaft, die an einem Montag um 15:00 Uhr begann und am darauf folgenden Montag um 6:25 Uhr endete. Die Parteien streiten darüber, ob der Kläger für die vier Montage 1. Juni 2009, 27. Juli 2009 und 14. September 2009 sowie 11. Januar 2010 die tarifliche Pauschale beanspruchen kann. Unstreitig betrug das tarifli-che Stundenentgelt des Klägers iSv. § 11 Abs. 3 Satz 2 iVm. § 11 Abs. 1 Satz 2 BzTV-N BW im streitbefangenen Zeitraum 12,52 Euro brutto. Mit Schreiben vom 21. September 2009 machte der Kläger eine Nachzahlung von je 25,04 Euro für die von ihm zwischen dem 25. Mai bis 1. Juni 2009, dem 20. bis 27. Juli 2009 sowie am 14. September 2009 geleisteten Rufbereitschaften geltend, mit Schreiben vom 12. Februar 2010 eine weitere Differenz von 25,04 Euro für die Rufbereitschaft zwischen dem 4. und 11. Januar 2010. Der Kläger hat die Auffassung vertreten, eine tägliche Pauschale sei für jeden begonnenen Tag einer Rufbereitschaft zu zahlen. Im Unterschied zu § 8 TVöD enthalte der BzTV-N BW auch keine abweichende Regelung von diesem Grundsatz. Der Kläger hat zuletzt beantragt, 1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 100,16 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 25,04 Euro seit dem 1. Juli 2009 und aus jeweils weiteren 25,04 Euro seit dem 1. August 2009, seit dem 1. Oktober 2009 und seit dem 1. Februar 2010 zu zahlen; 2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger die tägliche Pauschale gemäß § 11 Abs. 3 des Tarifvertrags über die kommunalen Nahver-kehrsbetriebe Baden-Württemberg (BzTV-N BW) vom 13. November 2001 auch für solche Kalender-tage innerhalb einer einheitlich angeordneten Rufbe-reitschaft zu zahlen, an denen keine Rufbereitschaft für volle Tage geleistet worden ist (sog. angebroche-ne Tage). 12 13 14 - 6 - 6 AZR 847/11 - 7 - Die Beklagte hat zur Begründung ihres Klageabweisungsantrags ange-führt, die Tarifvertragsparteien des BzTV-N BW hätten die Regelung des § 11 Abs. 3 TV-N NW übernommen. Da die Vorschrift des BzTV-N BW mi