Bundesarbeitsgericht Urteil vom 9. Dezember 2015 Siebter Senat - 7 AZR 117/14 - ECLI:DE:BAG:2015:091215.U.7AZR117.14.0 I. Arbeitsgericht Würzburg Urteil vom 22. Januar 2013 - 10 Ca 1349/12 - II. Landesarbeitsgericht Nürnberg Urteil vom 4. September 2013 - 4 Sa 112/13 - Für die Amtliche Sammlung: Ja Entscheidungsstichworte: Befristung nach dem WissZeitVG - Verlängerung Bestimmungen: WissZeitVG § 1 Abs. 1, § 2 Abs. 1 Sätze 1, 2 und 4, Abs. 4, §§ 3, 6; TzBfG § 17 Sätze 1 und 2; KSchG § 7; Bayerisches Hochschulgesetz Art. 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1; BGB § 242; GG Art. 5 Abs. 3; EGB - UNICE - CEEP - Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge im Anhang der Richtlinie 1999/70/EG § 5; ArbGG § 72 Abs. 5; ZPO § 278 Abs. 6, § 551 Abs. 3 Sat z 1 Nr. 2 Buchst. a , § 559 Leitsatz: Eine Vertragsverlängerung iSv. § 2 Abs. 1 Satz 4 WissZeitVG setzt - anders als eine Vertragsverlängerung nach § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG - nicht voraus, dass die Verlängerungsvereinbarung noch während der Laufzeit des zu verlängernden Vertrags getroffen wird. Es ist auch nicht erforderlich, dass sich die Laufzeit des neuen Vertrags unmittelbar an den vorherigen Vertrag anschließt. Vielmehr ist innerhalb der jeweil i- gen Höchstbefristungsdauer nach § 2 Abs. 1 WissZeitVG auc h der meh r- fache Neuabschluss befristeter Arbeitsverträge zulässig. ECLI:DE:BAG:2015:091215.U.7AZR117.14.0 - 2 - BUNDESARBEITSGERICHT 7 AZR 117/14 4 Sa 112/13 Landesarbeitsgericht Nürnberg Im Namen des Volkes! Verkündet am 9. Dezember 2015 URTEIL Schiege , Urkundsbeamter der Geschäftsstelle In Sachen Klägerin, Berufungsklägerin und Revisionskläger in, pp. Beklagter, Berufungsbeklagter und Revisionsbeklagte r , hat der Siebte Senat des Bundesarbeitsgerichts aufgrund der mündlichen Ve r- handlung vom 9. Dezember 2015 durch die Vorsitzende Richterin am Bunde s- arbeitsgericht Gräfl, den Richter am Bundesarbeitsgericht Prof. Dr. Kiel, die Richterin am Bundesarbeitsgericht Dr. Rennpferdt sowie den ehrenamtlichen Richter Willms und die ehrenamtliche Richterin Steude für Recht erkannt: - 2 - 7 AZR 117/14 ECLI:DE:BAG:2015:091215.U.7AZR117.14.0 - 3 - Die Revision der Klägerin gegen das Urteil de s Landesa r- beitsgerichts Nürnberg vom 4. September 2013 - 4 Sa 112/13 - wird zurückgewiesen. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen. Von Rechts wegen! Tatbestand Die Parteien streiten darüber, ob das zwischen ihnen bestehende A r- beitsverhältnis durc h Befristung mit Ablauf des 31. August 2012 geendet hat. Die Klägerin schloss ihr Studium der Archäologie 1991 mit der Magi s- terprüfung ab . Sie war in der Zeit vom 16. Oktober 2000 bis zum 31. August 2012 aufgrund mehrerer befristeter A rbeitsverträge bei dem beklagten Freistaat an der Universität Würzburg beschäftigt. Zunächst war die Klägerin a uf Grundlage des Vertrags vom 16./24. Oktober 2000 in der Zeit vom 16. Oktober 2000 bis 15. Oktober 2004 als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für klassische Archäologie tätig . In § 1 Abs. 2 dieses Vertrag s heißt es , die Beschäftigung diene auch ihrer Weite r- bildung als wissenschaftlicher Nachwuchs oder ihrer beruflichen Aus - , Fort - oder Weite rbildung ( § 57b Abs. 2 Nr. 1 HRG) , insbesondere de r Vorbereitung einer Promotion. Die Klägerin wurde am 17. August 2004 promoviert. Mit Vertrag vom 23./27. August 2004 wurde das Arbeits verhältnis für die Zeit vom 16. Oktober 2004 bis zum 15. Oktober 2009 unter Berufung auf § 57b Abs. 2 Nr. 3 HRG verlängert. Unter dem 3./ 10. August 2009 schlossen die Parteien einen zum 31. März 2011 befristeten Verlängerungsvertrag. Mit Vertrag vom 17. August 2010 vereinbarten die Parteien unter Aufhebung des Verlängerungsv ertrags vom 3./10. August 2009 und unter Hinweis auf § 2 Abs. 1 Satz 2 WissZeitVG, dass die Klägerin in der Zeit vom 1. September 2010 bis zum 31. März 2011 als Lehrkraft für besondere Auf gaben beschäftigt wird . 1 2 3 4 - 3 - 7 AZR 117/14 ECLI:DE:BAG:2015:091215.U.7AZR117.14.0 - 4 - Dieser Vertrag wurde durch Änderungsvertrag vom 24. März 2011 bis zum 30. September 2011 verlängert . D er Vertrag lautet auszugsweise : § 1 § 1 wird durch folgende Vereinbarung ersetzt: Frau V wird als vollbeschäftigte Lehrkraft für bes. Aufgaben im Sinne von Art. 24 Abs. 2 BayHSchPG weiterbeschä f- tigt. Das Arbeitsverhältnis ist befristet gemäß § 1 Abs. 1 i.V.m. § 2 Abs. 1 Satz 2 Wissenschaft s- zeitvertragsgesetz (WissZeitVG) bis zum 30.9.2011 . Die Kläger in wandte sich mit einer Befristungskontrollklage gegen die Beendigung des Arbeitsverhältnisses auf g rund der Befristung zum 30. Septe m- ber 2011. Nachdem der Beklagte einen Vergleichsvorschlag unterbreitet und die Klägerin ihr Einverständnis mit diesem Vorschlag erklärt hatte, stellte das Arbeitsgericht am 28. November 2011 durch Beschluss gemäß § 278 Abs. 6 ZPO das Zustandekommen und den Inhalt fol genden Vergleichs fest : Die Klägerin wird befristet im Bereich der Klass i- schen Archäologie an der P hilosophischen Fakultät I der Universität Würzburg zu den bisherigen Kondit i- onen bis 31.08.2012 beschäftigt. 2. Die Kosten des Rechtsstreits w erden gegeneinander Der Beklagte übersandte daraufhin der Klägerin einen für die Zeit vom 28. November 2011 bis zum 31. August 2012 befristeten Arbeitsvertrag zur U n- terschrift , der als Befristungsgrund § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 TzBfG auswies. Die Klägerin unterzeichnete diesen Vertrag nicht und begründete dies mit Schre i- ben ihres Prozessbevollmächtigten vom 23. Januar 2012 wie folgt: Meine Mandantin hat daher keinerlei Veranlassung, i r- gendwelche neuen Verträge zu unterschreiben, da der bisherige Anstellungsvertrag nebst den bisherigen Änd e- 5 6 - 4 - 7 AZR 117/14 ECLI:DE:BAG:2015:091215.U.7AZR117.14.0 - 5 - rungen und Ergänzungen auch weiterhin Gegenstand des Beschäftigungsverhältnisses ist. Umso weniger besteht eine Veranlassung, diesen vorg e- legten Arbeitsvertrag zu unterschreibe n, da die bisherigen Befristungen allesamt auf dem WissZeitVG bzw. der Vo r- gängerregelung des HRG beruhen, während der vorgele g- te Vertragsentwurf die Befristung auf das TzBfG stützt. Mit der am 3. August 2012 beim Arbeitsgericht eingegangenen und de m Beklagten am 8. August 2012 zugestellt en Klage hat die Klägerin die Au f- fassung vertreten, die Befristung ihres Arbeitsvertrags zum 31. August 2012 sei unwirksam. Sie beruhe nicht auf einem gerichtlichen Vergleich iSv. § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 TzBfG . Auch eine Befristungsmöglichkeit nach dem Wiss ZeitVG sei nicht eröffnet. Die Befristungshöchstgrenze von sechs Jahren nach abg e- schlossener Promotion nach § 2 Abs. 1 Satz 2 WissZeitVG sei überschritten. D ie im Vergleich vereinbarte Befristung genüge nicht dem Z itiergebot des § 2 Abs. 4 WissZeitVG. Die Befristung halte auch ei ner Rechtsmissbrauchskontrolle nicht s tand . Der Beklagte habe sich mit der Befristung nach dem WissZeitVG i n einer mit Treu und Glauben unvereinbaren Weise zu ihrem Nachteil Vorteile verscha fft. Zudem hätten die Professoren Dr. K und S ihr Ende 2009/ Anfang 2010 Entfristungszusagen erteilt, ohne die sie sich im Hinblick auf ihr fortgeschrittenes Alter anderweitig beworben hätte. Die Klägerin hat beantragt festzustellen , das s das Arbeitsverhältnis nicht durch die Befristungsabrede vom 28. November 2011 zum 31. August 2012 endete. Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewi esen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter. Der Beklagte beantragt die Zurückweisung der Revision. 7 8 9 10 - 5 - 7 AZR 117/14 ECLI:DE:BAG:2015:091215.U.7AZR117.14.0 - 6 - Entscheidungsgründe Die Revision de r Kläger in ist zulässig, aber unbegründet. I. Entgegen der Ansicht de s Beklagten ist die Revision zulässig. Die R e- visionsbegründung setzt sich mit den tragenden Gründen der angefochtenen Entscheidung ausreichend auseinander. 1. Nach § 72 Abs. 5 ArbGG iVm. § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a ZPO muss die Revisionsbegründung diejenigen Umstände bezeichnen, aus denen sich die Rechtsverletzung ergeben soll. Die Revisionsbegründung muss den angenommenen Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts dabei in einer Weise aufzeigen, dass Gegenstand und Richtung des Revisionsangriffs erken nbar sind. Die Revisionsbegründung hat sich deshalb mit den tragenden Gründen des Berufungsurteils auseinanderzusetzen. Dies erfordert die konkrete Darl e- gung der Gründe, aus denen das angefochtene Urteil rechtsfehlerhaft sein soll. Dadurch soll sichergeste llt werden, dass der Revisionsführer das angefochtene Urteil im Hinblick auf das Rechtsmittel überprüft und mit Blickrichtung auf die Rechtslage durchdenkt. Außerdem soll die Revisionsbegründung durch die Kr i- tik des angefochtenen Urteils zur richtigen Rech tsfindung durch das Revision s- gericht beitragen. Die bloße Darstellung anderer Rechtsansichten ohne erken n- bare Auseinandersetzung mit den Gründen des Berufungsurteils genügt nicht den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Revisionsbegründung (st. Rspr., vgl. etwa BAG 8. Juli 2015 - 4 AZR 323/14 - Rn. 8; 14. Januar 2015 - 7 AZR 2/14 - Rn. 15) . 2. Diesen Erfordernissen wird die Revisionsbegründung gerecht. Die Kl ä- gerin setzt sich mit der Begründung des Landesarbeitsgericht s, die Befris tung sei nach § 2 Abs. 1 Satz 2 WissZeitVG gerechtfertigt und auch nicht recht s- missbräuchlich, ausreichend auseinander . Sie macht ua. geltend, die durch das Wiss ZeitVG eingeräumte Möglichkeit, Arbeitsverträge für die Dauer von zwölf Jahren sachgrundlos zu befristen, sei mit union srechtlichen Vorgaben nicht 11 12 13 14 - 6 - 7 AZR 117/14 ECLI:DE:BAG:2015:091215.U.7AZR117.14.0 - 7 - vereinbar. Träfe dies e Auffassung zu, wäre die Rüge geeignet, die angefocht e- ne Entscheidung insgesamt in Frage zu stellen. II. Die Revision hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Die Vorinstanzen haben die Klage zu Recht abgewi esen. Die Befristungskontrollklage ist unb e- gründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien hat aufgrund der im Vergleich vom 28. November 2011 vereinbarten Befristung am 31. August 2012 geendet. Die rechtzeitig angegriffene Befristung ist nach § 2 Abs. 1 Satz 2 Wiss Z eitVG g e- rechtfertigt. Dem Beklagten ist es nicht nach Treu und Glauben verwehrt, sich auf die Befristung zu berufen. 1. Mit de r vorliegenden Befristungskontroll klage greift die Klägerin au s- schließlich die in dem Vergleich vom 2 8. November 201 1 vereinbart e Befristung zum 31. August 2012 an . Die Klägerin hat die Klage nicht dadurch erweitert, dass sie in der Revisionsbegründung die Auffassung vertreten hat, im Rahmen der Missbrauchskontrolle sei eine umfassende Prüfung aller befristeten Arbeit s- ve rträge erforderlich. Die Beschränkung der Kontrolle auf die zuletzt geschlo s- sene Befristungsabrede schließt es nicht aus, dass bei der Prüfung der Rechtswirksamkeit dieser Befristung, insbesondere bei der unter Berücksicht i- gung aller Umstände vorzunehmende n Missbrauchskontrolle, auch die vora n- gegangenen befristeten Verträge zu berücksichtigen sind (BAG 18. Juli 2012 - 7 AZR 443/09 - Rn. 13, BAGE 142, 308) . Eine Klageerweiterung wäre im Ü b- rigen in der Revision unzulässig (BAG 19. Februar 2014 - 7 AZR 260/12 - Rn. 11) . 2. D ie Befristung zum 31. August 2012 gilt nicht bereits nach § 17 Satz 2 TzBfG iVm. § 7 Halbs. 1 KSchG als wirksam . Die Klägerin hat deren Rechtsu n- wirksamkeit rechtzeitig geltend gemacht. Sie hat mit der beim Arbeitsgericht am 3. August 2012 eingegangenen und dem Beklagten am 8. August 2012 zug e- stellten Klage die dreiwöchige Klagefrist des § 17 Satz 1 TzBfG eingehalten. Die se Klagefrist w ird auch durch die Erhebung einer Klage vor dem Ablauf der vereinbarten Vertragslaufzeit gewahr t (vgl. BAG 29. April 2015 - 7 AZR 519/13 - Rn. 10 ; 12. November 2014 - 7 AZR 891/12 - Rn. 10 ) . 15 16 17 - 7 - 7 AZR 117/14 ECLI:DE:BAG:2015:091215.U.7AZR117.14.0 - 8 - 3. Die Befristung ist nach § 2 Abs. 1 WissZeitVG gerechtfertigt. a) D er Beklagte kann die Befristungsabrede vom 28. November 2011 auf das WissZeitVG stützen. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend angeno m- men, dass die Befristung dem Zitiergebot nach § 2 Abs. 4 WissZeitVG genügt. aa ) Nach § 2 Abs. 4 Satz 1 WissZeitVG ist im Arbeitsvertrag anzugeben, ob die Befristung auf den Vorschriften des WissZeitVG beruht. Die Einhaltung des Zitiergebots erfordert nicht die Angabe der einzelnen Befristungsnormen (BAG 29. April 2015 - 7 AZR 519/13 - Rn. 11; 1. Juni 2011 - 7 AZR 827/09 - Rn. 13, BAGE 138, 91; vgl. BAG 21. Juni 2006 - 7 AZR 234/05 - Rn. 15, BAGE 118, 290 zu der mit § 2 Abs. 4 Satz 1 WissZeitVG wortgleichen Vorschrift des § 57b Abs. 3 Satz 1 HRG in der bis 17. April 2007 geltenden Fassung) . Dem Zitierg e- bot ist entsprochen, wenn sich aus der Befristungsvereinbarung ergibt, auf we l- che gesetzliche Vorschrift sich die Befristung stützt. Dabei genügt es, wenn sich anhand des schriftlichen Vertragstextes durch Auslegung ermitteln lässt, dass die Befristung auf dem WissZeitVG beruhen soll ( vgl. BAG 1. Juni 2011 - 7 AZR 827/09 - Rn. 13, aaO ; 17. Januar 2007 - 7 AZR 487/05 - Rn. 10 zu § 57b Abs. 3 Satz 1 HRG idF vo m 27. Dezember 2004 ; 5. Juni 2002 - 7 AZR 281/01 - zu I 2 der Gründe zu § 57b Abs. 5 HRG idF vom 19. Januar 1999) . bb ) Danach genügt die Befristungsabrede vom 28. November 2011 dem Zitiergebot. (1) Das L andesarbeitsgericht hat angenommen , aus dem Vergleichstext werde hinreichend deutlich, dass die Klägerin zu den bisherigen Vertragsbedi n- gungen besc i- März 2011 enthaltene Bezugnahme auf § 1 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Satz 2 WissZeitVG . (2) Diese Auslegung der Befristungsabrede durch das Lande sarbeitsg e- richt ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Es kann offen bleiben , ob die Auslegung des materiell - rechtlichen Inhalts eines Prozessvergleichs durch das Landesarbeitsgericht der vollen revisionsrechtlichen Überprüfung unterliegt ( so 18 19 20 21 22 23 - 8 - 7 AZR 117/14 ECLI:DE:BAG:2015:091215.U.7AZR117.14.0 - 9 - zB BAG 2 2. Mai 2003 - 2 AZR 250/02 - zu II 3 der Gründe ; 31. Juli 2002 - 10 AZR 513/01 - zu II 3 a der Gründe , BAGE 102, 103 ; 9. Oktober 19