BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL IV ZR 104/13 Verkündet am: 1. April 2015 Schick Justizangestellte als Urkundsbeamt in der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja AVB Unfallversicherung (hier Nr. 2.1.1.1, 2.1.2.2.1, 2.1.2.2.2 AUB 2000) 1. Findet das Schultergelenk in den Bestimmungen der Gliedertaxe über Ve r lust oder völlige Funktionsbeeinträchtigung eines Arms keine Erwähnung, ist der Invalid i- tätsgrad bei einer Gebrauchsminderung der Schulter nicht nach der Gliedertaxe sondern den Regeln zur Invaliditätsbestimmung für andere Körperteile zu ermitteln (Abgrenzung zu Senatsurteilen vom 24. Mai 2006 IV ZR 203/03, r+s 2006, 387 Rn. 19 ff. und vom 14. Dezember 2011 - IV ZR 34/11, r+s 2012, 143 Rn. 12 - "Arm im Schultergelenk"). 2. Die fristgebundene ärztliche Invaliditätsfeststellung muss die Schädigung sowie den Bereich, auf den sich diese auswirkt, ferner die Urs achen, auf denen der Dauerschaden beruht, so umreißen, dass der Versicherer bei seiner Leistungspr ü- fung vor der späteren Geltendmachung völlig anderer Gebrechen oder Invalid i- tätsursachen geschützt wird und stattdessen den medizin i schen Bereich erkennen kan n, auf den sich die Prüfung seiner Leistungsverpflichtung erstrecken muss (Fortführung des Senatsurteils vom 7. März 2007 - IV ZR 137/06, VersR 2007, 1114 Rn. 10 ff.). BGH, Urteil vom 1. April 2015 - IV ZR 104/13 - OLG Koblenz LG Bad Kreuznach - 2 - Der IV. Z ivilsenat des Bundesgerichtshof s hat durch die Vorsitzende Richterin Mayen, den Richter Felsch, die Richterin Harsdorf - Gebhard t , die Richter Dr. Karczewski und Dr. Schoppmeyer a uf die mündliche Ve r- handlung vom 1. April 2015 für Recht erkannt: Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 10. Z i- vilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 22. Fe b- ruar 2013 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Klage auf weitere Inval idi tätsleistungen in Höhe von 37.94 nebst Zinsen infolge des Unfalles vom 8. O k- tober 20 05 abgewiesen und die dagegen gerichtete B e- rufung de s Klägers zurückgewiesen worden ist. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidun g, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht z u- rückverwiesen. Von Rechts wegen Tatbestand: Der Kläger fordert soweit im Revisionsverfahren noch von Int e- resse weitere Invaliditätsleistung en in Höhe von 37.9 4 ner bei der Beklagten gehaltenen Unfallversicherung, der Allgemeine Unfallve r- 1 - 3 - sicherungsbedingungen der Beklagten (AUB 2000) zugrunde liegen. Vereinbart ist und für den Fall einer Invalidität durch Unf all eine nach deren Grad aus der Grundsumme errechnete Kapitalzahlung nebst Zuschlag ( " Treueb o- nus " ) von 10%. Unter " 2.1 Invaliditätsleistung " heißt es in den Bedingungen unter anderem: " 2.1.1 Voraussetzungen für die Leistung 2.1.1.1 Die versicherte Person ist durch den Unfall auf Dauer in ihrer körperlichen oder geistigen Leistungsfähi g- keit beeinträchtigt (Invalidität). Die Invalidität ist - innerhalb eines Jahres nach dem Unfall eingetreten und - innerhalb von fünfzehn Monaten nach dem Unfall von e i- nem Arzt schriftlich festgestellt und von Ihnen bei uns ge l- tend gemacht worden. 2.1.2 Art und Höhe der Leistung 2.1.2.2.1 Bei Verlust oder völliger Funktionsunfähigkeit der nachstehend genannten Körperteile und Sinnesorgane ge l- ten ausschließlich, soweit nicht etwas anderes vereinbart ist, die folgenden Invaliditätsgrade (Gliedertaxe): Arm 70% Arm bis oberhalb des Ellenbogengelenks 65% Arm unterhalb des Ellenbogengelenks 60% Hand 55% Daumen 20% Zeigefinger 10% anderer F inger 5% 2 - 4 - 2.1.2.2.2 Für andere Körperteile und Sinnesorgane bemisst sich der Invaliditätsgrad danach, inwieweit die normale kö r- perliche oder geistige Leistungsfähigkeit insgesamt beei n- trächtigt ist. Dabei sind ausschließlich medizinische G e- sichtsp unkte zu berücksichtigen. 2. 1 .2.2.3 Waren betroffene Körperteile oder Sinnesorgane oder deren Funktionen bereits vor dem Unfall dauernd b e- einträchtigt, wird der Invaliditätsgrad um die Vorinvalidität gemindert. Diese ist nach Ziffer 2.1.2.2.1 und Ziffer 2 .1.2.2.2 zu bemessen. " Am 8. Oktober 2005 schlug der Kläger bei einem Sturz mit der li n- ken Schulter auf und zog sich dabei nach den Feststellungen des Ber u- fungsgerichts eine Schulterprellung sowie eine Sprengung des linken Schultereckgelenks , der Verbi ndung des Schlüsselbeins mit dem Schu l- terblatt, mit positivem Klaviertastenphänomen (im Schweregrad Tossy II ) zu. Innerhalb eines Jahres nach dem Sturz traten dauerhafte Beeinträc h- tigungen im Bereich der linken Schulter ein, deren Umfang zwischen den Parte ien streitig ist. Mit Schreiben vom 13. Oktober 2006 attestierte der den Kläger behandelnde Arzt als Dauerschaden eine " Gebrauchsmind e- rung der li. Schulter " . Bereits am 24. August 1999 war der Kläger auf seinen linken Arm gestürzt. Die Beklagte hatte s einerzeit unter Heranziehung der Gliede r- taxe eine Invaliditätsleistung auf der Grundlage einer Invalidität von 1/7 Armwert erbracht. Für die vorgenannten Folgen des Unfalls vom 8. Okt o- ber 2005 lehnte sie Invaliditätsleistungen ab, weil eine dauerhafte Sch ä- digung nicht objektivierbar sei. Der Kläger hat geltend ge macht, der Grad seiner Invalidität bet r a- ge mindestens 3/7 des Armwert s; er habe bei dem Unfall vom 8. Oktober 2005 auch eine Verletzung des linken Schlüsselbeins und insbesondere 3 4 5 - 5 - des Sterno k lavi k ulargelenks, der Verbindung des Schlüsselbeins mit dem Brustbein, erlitten, die fehlverheilt sei und zur Funktionsbeeinträc h- tigung der Schulter beitrage. Die Beklagte schulde eine Invaliditätslei s- nus von 10% , mithin Das Landgericht hat den Invaliditätsgrad des Klägers nach Einh o- lung zweier medizinischer Gutachten mit 1/10 Armwert (das entspricht einer Gesamti nvalidität von 7%) bestimmt, dem Kläger danach zu züglich , zugesprochen und bezüglich des Unfalls vom 8. Oktober 2005 die we i- tergehende Klage ab gewiesen. Das Berufungsgericht hat die dagegen gerichtete Berufung des Klägers, der im Berufungsverfahren unter and e- rem geltend gemacht hatte, seine Schulterverletzung sei nicht nach der vereinbarten Gliedertaxe, sondern nach Nr. 2.1.2.2.2 AUB 2000 zu beu r- teilen, zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein u r- sprüngliches Klagebegehren weiter und fordert 37.940 D ifferenz zwischen seiner ursprünglichen Klagforderung und der vom Landgericht zugesprochenen Summe. Entscheidungsgründe: Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung des Berufungsurteils, soweit es die Folgen des Unfalls vom 8. Oktober 2005 betrifft, und zur Zurüc k- verweisung der Sache an das Berufungsgericht. 6 7 - 6 - I. Dieses hat den Invaliditätsgrad mit H ilfe des Armwert s der Gli e- dertaxe bestimmt. Das Schultergelenk habe keinen funktionellen Selbs t- zweck, sondern diene anatomisch allein dem funktionsgerechten Ei nsatz des Armes. Beim Kläger bestehe die Einschränkung der körperlichen Leistungsfähigkeit in einer funktionellen Beeinträchtigung des linken A r- m e s, so dass für die Invaliditätsbestimmung zwingend die Gliedertaxe gelte. Ohne Bedeutung sei , dass die Beeintr ächtigung auf einen Se h- nenschaden im Schultereckgelenk zurückzuführen sei. Nach der Rech t- sprechung des Bundesgerichtshofs sei bei Gelenkversteifungen stets der Invaliditätsgrad für den Verlust oder die Funktionsunfähigkeit der en t- sprechenden Gliedmaße " im Gelenk " anzunehmen. Das sachverständig beratene Landgericht habe den Invaliditätsgrad unter Berücksichtigung der erlittenen Verletzung des Schultereckgelenks zutreffend bestimmt. Der Sachverständige Prof. Dr. T . habe überzeugend dargelegt, dass die G e brauchsminderung des linken Arm s mit insgesamt 5/20 Armwert zu bewerten sei, dabei sei einerseits die Verletzung des Schultereckg e- lenks zu berücksichtigen, die der Sachverständige mit 2/20 Armwert b e- wertet habe, andererseits die vom Sachverständigen mit 1 /7 Armwert bewertete Vorinvalidität. Letztere müsse nach Nr. 2.1.2.2.3 AUB 2000 in Abzug gebracht werden. Den Nachweis dafür, dass bei dem Unfall vom 8. Oktober 2005 auch das linke Sternoklavi k ulargelenk verletzt worden sei, habe der Kl ä- ger bisher nich t erbracht. Eine weitere Sachaufklärung dazu erübrige sich, weil es für diese behauptete Verletzung an einer ärztlichen Fes t- ste l lung b innen 15 Monaten nach dem Unfall fehle ( Nr. 2.1.1.1 AUB 2000) . Die vom Kläger vorgelegte fristgerechte Feststellung einer daue r- haften Gebrauchsminderung der linken Schulter besage nichts über eine Verletzung des Sternoklavi k ulargelenks. Eine solche Verletzung und ihre 8 9 - 7 - fehlerhafte Verheilung seien als invaliditätsbegründender Dauerschaden somit nicht fristgerecht ärztlich fest gestellt. II. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. 1. Rechtsfehlerhaft is t ber eits die Bestimmung des Invaliditätsgr a- des anhand der Gliedertaxe der Nr. 2.1.2.2.1 AUB 2000. Deren Auslegung ergibt, dass die Verletzung des Schultereck g e- lenks vom Armwert nicht erfasst wird, so dass der Grad der Invalidität des Klägers nach Nr. 2.1.2.2.2 AUB 2000 zu bestimmen ist. a) Allgemeine Versicherungsbedingung