BUNDESGERICHTSHOFIM NAMEN DES VOLKESURTEILIX ZR 51/02 Verkündet am:27. Mai 2003BürkJustizhauptsekretärinals Urkundsbeamtinder Geschäftsstellein dem RechtsstreitNachschlagewerk:jaBGHZ:ja GesO §§ 5, 7; KO § 6Auch mit der Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens erlischt eine vomSchuldner erteilte Vollmacht.KO § 15 Satz 1, § 17 Abs. 1; GesO § 9 Abs. 1 Satz 1a)Erbringt die Partei eines gegenseitigen Vertrages eine Vorleistung, so handelt essich bei dem Anspruch auf Rückzahlung für den Fall der Nichtdurchführung desVertrages um eine bedingte, nicht um eine künftige Forderung.b)Die Abtretung eines solchen Anspruchs ist regelmäßig insolvenzfest; in ihr liegtweder eine insolvenzabhängige Lösungsklausel, noch stellt der Rückzahlungsan-spruch eine originäre Masseforderung dar, noch beeinflußt die Abtretung des An-spruchs das Wahlrecht des Verwalters in unzulässiger Weise.BGH, Urteil vom 27. Mai 2003 - IX ZR 51/02 - KG Berlin LG Berlin - 2 -Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlungvom 20. Februar 2003 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Kreft und die RichterKirchhof, Dr. Fischer, Dr. Ganter und Kayserfür Recht erkannt:Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des22. Zivilsenats des Kammergerichts vom 31. Januar 2002 auf-gehoben.Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil der Zivilkam-mer 9 des Landgerichts Berlin vom 20. Juli 2000 wird zurück-gewiesen.Der Beklagte trägt die Kosten der Rechtsmittelzüge.Von Rechts wegenTatbestand: Mit notariellem Vertrag vom 20. Dezember 1995 verkaufte die B. (B. vermögen, fortan: Verkäuferin) an M. (fortan: Käufer oder Schuldner) eine noch nicht vermessene Teil-fläche eines im Grundbuch von Prenzlauer Berg verzeichneten Grundstücks.Der Kaufpreis betrug vorläufig 1.731.000 DM. Er war mit der Beurkundung fällig - 3 -und wurde von der L. (fortan: Klägerin) finanziert.Diese hatte von der Zentralbank bestätigte Schecks über die Kaufpreissummebei dem amtierenden Notar hinterlegt.Im Anschluß an die Regelung der Kaufpreiszahlung heißt es in § 2 Nr. 3des Vertrages:"b) Für den Fall, daß der Vertrag nicht vollzogen wird, oder für den Fallder Vertragsrückabwicklung hat der Käufer schon jetzt seinen Anspruch aufRückzahlung des Kaufpreises gegen den Verkäufer an die L. - G. - abgetreten. Die entsprechende Abtretungsanzeige liegt diesemVertrag als Anlage 3 bei. Die Anlage wurde verlesen.Der Verkäufer verpflichtet sich, für diesen Fall Zahlungen ausschließlichauf das von der L. in der Abtretungsanzeige benannte Konto zu lei-sten.b) Über die Voraussetzungen der Wirksamkeit der Abtretung hat derNotar belehrt. Der Verkäufer nimmt die Abtretung zur Kenntnis. Gleichzeitig er-klärt der Verkäufer, für diesen Fall ausschließlich Zahlungen an ein von derL. insoweit zu benennendes Konto zu leisten."Die Abtretungsanzeige vom 4. Dezember 1995 lautet auszugsweise:"Ich/wir habe(n) die Forderung gegen Sie aus dem noch abzuschließen-den Kaufvertrag betreffend das Kaufobjekt ... 1.731.000,00 DM ... fällig beiRückabwicklung des o.g. Grundstückskaufvertrages bzw. bei nicht zustandekommen des Kaufvertrages an das obengenannte Kreditinstitut abgetreten." - 4 -Weiterhin bestimmt der Vertrag in § 3 Nr. 2:"Dem Käufer ist bekannt, daß er zur Erreichung seines Grundstücks einWegerecht mit der B. AG vereinbaren muß. Der Verkäufer räumtdem Käufer ein vertragliches Rücktrittsrecht für den Fall ein, daß es dem Käufernicht gelingt, mit der B. AG ein dinglich gesichertes Wegerecht zurErreichung des vertragsgegenständlichen Grundstücks zu vereinbaren. DasRücktrittsrecht erlischt am 31.12.1996. ... Dem Verkäufer ist bekannt, daß derKäufer die L. ermächtigt hat, den Rücktritt in seinem Namen zuerklären. Der Verkäufer akzeptiert dies und wird eine Rücktrittserklärung auchdann anerkennen, wenn diese von der L. - G. - imNamen des Käufers abgegeben wird."Der Kaufpreis wurde im Beurkundungstermin bezahlt. Die Auflassungdes Grundstücks erfolgte nicht. Eine Vereinbarung über das Wegerecht kamnicht zustande.Am 1. September 1996 wurde das Gesamtvollstreckungsverfahren überdas Vermögen des Käufers eröffnet und der Beklagte zum Verwalter bestellt.Unter dem 20. Dezember 1996 erklärte die Klägerin im Namen des Käufers ge-genüber der Verkäuferin den Rücktritt vom Kaufvertrag, weil das Wegerechtbisher nicht dinglich gesichert sei.Der Beklagte lehnte mit Schreiben vom 8. Januar 1997 die Erfüllung desKaufvertrages ab und begehrte die Rückzahlung des Kaufpreises an sich. ImAugust 1999 vereinbarten die Verkäuferin und die Parteien dieses Rechts-streits, den Kaufvertrag rückabzuwickeln, den Kaufpreis nach Rückgabe des - 5 -Grundstücks an die Verkäuferin auf ein Konto der Klägerin zurückzuzahlen undzwischen den Parteien notfalls einen Feststellungsrechtsstreit darüber zu füh-ren, wem der Betrag im Verhältnis zur Verkäuferin zustehe. Entsprechend die-ser Vereinbarung sind die Beteiligten verfahren.Das Landgericht hat der Feststellungsklage der Klägerin stattgegeben,das Berufungsgericht hat die Klage abgewiesen. Hiergegen richtet sich die zu-gelassene Revision der Klägerin.Entscheidungsgründe: Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Wieder-herstellung des erstinstanzlichen Urteils.A.Das Berufungsgericht meint, die Rücktrittserklärung der Klägerin sei ge-genstandslos, weil die Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens zum Er-löschen der beiderseitigen Erfüllungsansprüche geführt habe. Zudem könne derKlägerin aufgrund der Vollmacht keine weitergehende Befugnis zustehen alsdem Schuldner; dessen Verfügungsbefugnis sei jedoch nach §§ 5, 7 GesOentfallen.Die Abtretungserklärung erfasse zwar auch den nach der Erfüllungsab-lehnung entstandenen Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises. Die Abtre-tung dieses Anspruchs sei jedoch unwirksam. Der bedingte Rückzahlungsan-spruch sei wie ein künftiger Anspruch zu behandeln; daher scheitere die Abtre- - 6 -tung an § 15 KO. Bei einem bedingten Anspruch dürfe die Entstehung des Voll-rechts weder vom Willen des Zedenten abhängen noch der künftige Schuldnerin der Lage sein, dies zu verhindern. Hier hänge die Frage, ob der Kaufvertragvollzogen werde, jedoch vom Verhalten des Zedenten und der Verkäuferin ab.Im übrigen sei die Abtretung des Rückzahlungsanspruchs jedenfalls deshalbunwirksam, weil der Zweck des § 15 KO es verbiete, die Entstehung eines An-spruchs an die Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens zu knüpfen, undweil die Konkursfestigkeit einer solchen Abtretung das Wahlrecht des Gesamt-vollstreckungsverwalters nach § 9 GesO beeinflusse.B.Dies hält revisionsrechtlicher Prüfung nicht stand.I.Der von der Klägerin erklärte Rücktritt ist - wie auch das Berufungsge-richt im Ergebnis zu Recht ausführt - unwirksam.1. Die Rücktrittserklärung der Klägerin ist nicht deshalb gegenstandslos,weil die Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens das Schuldverhältnisumgestaltet und die beiderseitigen Ansprüche aus dem Vertrag erlöschen läßt.Die vom Berufungsgericht herangezogene Rechtsprechung hat der Senat- nach Erlaß des Berufungsurteils - aufgegeben.Nach der neuen Rechtsprechung des Senats verlieren die gegenseitigenAnsprüche auf weitere Leistungen nur ihre Durchsetzbarkeit; der Vertrag bleibt - 7 -ungeachtet der Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens und der Erfül-lungsablehnung durch den Beklagten bestehen (BGHZ 150, 353, 359). Er istrein insolvenzmäßig abzuwickeln (vgl. MünchKomm-InsO/Kreft, § 103 Rn. 13).Mithin beeinflußt grundsätzlich weder die Eröffnung des Gesamtvollstreckungs-verfahrens noch die Erfüllungsablehnung das vertraglich eingeräumte Rück-trittsrecht.2. Richtig ist aber die Hilfserwägung des Berufungsgerichts. Die der Klä-gerin vom Schuldner erteilte, als Vollmacht zu wertende "Ermächtigung", denRücktritt in seinem Namen zu erklären, ist mit Eröffnung des Gesamtvollstrek-kungsverfahren wirkungslos geworden (§§ 5, 7 GesO).Mit dem Eröffnungsbeschluß des Gesamtvollstreckungsverfahrens ver-liert der Schuldner vollständig seine Verfügungsbefugnis (§ 5 Satz 2 Nr. 1 Ge-sO). Dementsprechend erlöschen Vollmachten, die sich auf insolvenzbefange-nes Vermögen beziehen. Dies ist in § 117 Abs. 1 InsO nunmehr ausdrücklichausgesprochen, war aber auch bisher geltendes Recht (Häsemeyer, Insolvenz-recht 3. Aufl. Rn. 20.69; Marotzke, Festschrift für Henckel S. 579, 584 f.; Jae-ger/Henckel, KO 9. Aufl. § 23 Rn. 48; vgl. zur GesO Haarmeyer/Wutzke/Förster,GesO 4. Aufl. § 5 Rn. 14; Smid, GesO 3. Aufl. § 5 Rn. 74).Die Gesamtvollstreckungsordnung regelt ihrem fragmentarischen Cha-rakter entsprechend das Erlöschen von Vollmachten nicht. Aus dem mit § 6 KOübereinstimmenden Verlust der Verfügungsbefugnis des Schuldners nach § 5Satz 2 Nr. 1 GesO folgt jedoch, daß die Regelungen der Konkursordnung übervom Schuldner erteilte Vollmachten auch für die Gesamtvollstreckungsordnunggelten. Bei Inkrafttreten der Konkursordnung von 1877 hatte man die Frage, obVollmachten nach Konkurseröffnung fortbestehen, dem allgemeinen Recht - 8 -überlassen (Hahn, Die gesamten Materialien zu den ReichsjustizgesetzenBd. 4, 1881, S. 62 f, 102, 656). Danach erloschen Vollmachten mit Konkurser-öffnung (Marotzke, aaO S. 581 f). Die Novelle zur Konkursordnung von 1898wollte daran nichts ändern. Soweit § 23 KO nach den Vorstellungen der Geset-zesverfasser auch das Erlöschen von Vollmachten regeln sollte (Mugdan, Diegesamten Materialien zu den Reichs-Justizgesetzen Bd. 7, 1898, S. 239), han-delt es sich wegen der Wirkungen des § 6 KO um eine überflüssige Bestim-mung (Marotzke, aaO S. 583 f m.w.N.). Der Bevollmächtigte kann nur diejeni-gen Rechte geltend machen, die dem Vollmachtgeber gegenwärtig zustehen.Verliert dieser mit Insolvenzeröffnung seine Verfügungsbefugnis (§ 6 KO, § 5Satz 2 Nr. 1 GesO, § 80 Abs. 1 InsO), kann auch der Bevollmächtigte nichtwirksam verfügen. So war es hier, als die Klägerin den Rücktritt vom Kaufver-trag erklärte.II.Die Klage hat jedoch Erfolg, weil die Klägerin entweder den durch dieEröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens in Verbindung mit der Erfül-lungsablehnung oder den aufgrund der Vereinbarung vom August 1999 ent-standenen Rückzahlungsanspruch geltend machen kann. Die Abtretung dieserAnsprüche ist im vorliegenden Fall insolvenzfest.1. Das Berufungsgericht geht zutreffend davon aus, daß die in dem nota-riellen Kaufvertrag vom 20. Dezember 1995 enthaltene Abtretungserklärung alledenkbaren Rückzahlungsansprüche erfaßt. Sie betrifft ganz allgemein solcheAnsprüche, falls es, aus welchen Gründen auch immer, nicht zum Vollzug desKaufvertrages kommt. Daher sind nicht nur diejenigen Ansprüche abgetreten, - 9 -die dem Schuldner aufgrund eines Rücktritts nach § 3 Nr. 2 des Kaufvertrageszustehen, sondern auch solche, die erst mit oder nach Eröffnung des Gesamt-vollstreckungsverfahrens entstehe