BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL I ZR 111/02 Verkündet am: 3. März 2005 Führinger Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ : nein BGHR : ja Fash 2000 UrhG § 69a Abs. 3, § 34 Abs. 1 und 3, § 8 Abs. 1 a) Bei komplexen Computerprogrammen spricht eine tatsächliche Vermutung für eine hinreichende Individualität der Programmgestaltung. In derartigen Fällen ist es Sache des Beklagten darzutun, daß das fragliche Programm nur eine gänzlich banale Programmierleistung ist oder lediglich das Programmschaffen eines anderen Programmierers übernimmt. b) Ist Gegenstand eines Vertrages allein die Übertragung einzelner Nutzungs-rechte, ist § 34 Abs. 3 UrhG nicht anwendbar, auch wenn es sich bei den zu übertragenden Nutzungsrechten um den wesentlichen Vermögenswert des ver-äußernden Unternehmens handelt. Die Verweigerung der Zustimmung kann in einem solchen Fall aber Treu und Glauben widersprechen (§ 34 Abs. 1 Satz 2 UrhG). c) Sind an der Schaffung eines Werkes verschiedene Urheber beteiligt, ist bei einer zeitlichen Staffelung der Beiträge eine Miturheberschaft zwar nicht ausge- - 2 - schlossen; sie setzt jedoch voraus, daß jeder Beteiligte seinen (schöpferischen) Beitrag in Unterordnung unter die gemeinsame Gesamtidee erbracht hat. BGH, Urt. v. 3. März 2005 I ZR 111/02 OLG Hamm LG Bielefeld - 3 - Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 3. März 2005 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Ullmann und die Rich-ter Prof. Dr. Bornkamm, Dr. Büscher, Dr. Schaffert und Dr. Bergmann für Recht erkannt: Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 21. März 2002 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Von Rechts wegen Tatbestand: Die Parteien streiten um die Nutzungsrechte an einem in der Modebranche einzusetzenden Computerprogramm mit der Bezeichnung Fash 2000. Diese Software war ursprünglich von dem Programmierer Mö. entwickelt wor- den, der sie dem Systemhaus MSR-S. GmbH (im folgenden: MSR) mit Ver- trag vom 1. Juli 1997 zur weiteren Nutzung auf unbestimmte Zeit zur Verfügung gestellt hatte. Nachdem über das Vermögen von MSR das Insolvenzverfahren er-öffnet worden war, bemühte sich der Insolvenzverwalter zusammen mit dem Pro-grammierer Mö. sowie drei ehemaligen Mitarbeitern von MSR, die an der Weiterentwicklung und Vermarktung des Programms beteiligt gewesen waren - 4 - (Rü. , S. und Ri. ), um eine bestmögliche Verwertung des Programms Fash 2000. Dazu brachte er die Beteiligten mit dem jetzigen Geschäftsführer der Klägerin (N. ) in Verbindung, der finanzielle Mittel für eine Auffanglösung zur Verfügung stellen sollte. Geplant war die Gründung einer Gesellschaft mit N. und Ri. als Geschäftsführern sowie Rü. und S. als Gesellschaftern. Die Gründe für das Scheitern dieses Plans sind streitig. Jedenfalls wurden in der Folge zwei Gesellschaften gegründet: die Klägerin mit N. und die Beklagte mit Ri. als Geschäftsführer. An der Beklagten beteiligte sich S. als Gesell- schafter; Rü. wurde als Mitarbeiter eingestellt. Noch vor Gründung der Beklagten verkaufte der Insolvenzverwalter das Pro-gramm Fash 2000 am 18. Juni 1999 zum Preis von 75.000 DM an die am selben Tag gegründete Klägerin. Neben dem Insolvenzverwalter waren an dem Vertrag auf Veräußererseite der Programmierer Mö. sowie Rü. und S. beteiligt, weil sie als Inhaber von Rechten an der Software in Betracht kamen. Der Kaufpreis kam in vollem Umfang der Masse zugute, weil der Anteil der anderen Veräußerer vereinbarungsgemäß mit Insolvenzforderungen verrechnet wurde, die ihnen gegenüber bestanden. Nach dem Erwerb von Fash 2000 arbeitete die Klägerin mit der Beklagten zusammen; insbesondere vermittelte sie der Beklagten Wartungsaufträge von Li-zenznehmern. Veranlassung zur Klage sah die Klägerin aufgrund eines Hinweises in einem Schreiben der Anwälte der Beklagten, dem zufolge die Beklagte und ihr Gesellschafter S. im Zusammenhang mit Fash 2000
noch drei Verträge abgewickelt hätten. Mit der Klage hat die Klägerin Unterlassung (Antrag zu 1: Unterlassung des Vertriebs der Software), Auskunft (Antrag zu 2: Auskunft über Vertrieb der Soft-ware, Antrag zu 3: Auskunft hinsichtlich weiterer Wartungsverträge), Feststellung - 5 - der Schadensersatzverpflichtung (Antrag zu 4) und Herausgabe der Programmun-terlagen (Antrag zu 5) begehrt. Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Sie hat geltend gemacht, die Klägerin habe die Software Fash 2000 lediglich für die zu gründende gemeinsame Gesellschaft erworben. Im übrigen hat sie sich darauf berufen, daß ihr Geschäftsführer (Ri. ) obwohl an der Weiterentwicklung des Programms beteiligt der Veräußerung an die Klägerin nicht zugestimmt habe. Das Landgericht hat der Klage hinsichtlich der Anträge zu 1, zu 2 und zu 5 durch Teilurteil stattgegeben; hinsichtlich des Antrags zu 3 hat es die Klage abge-wiesen. Über den Feststellungsantrag (Antrag zu 4) hat das Landgericht nicht ent-schieden, weil die Klägerin zuvor erklärt hatte, daß sie diesen Antrag als unbezif-ferten Leistungsantrag im Rahmen einer Stufenklage verstanden wissen wolle. Gegen dieses Urteil haben beide Parteien Berufung eingelegt. Im Hinblick auf die erfolgte Verurteilung hat die Beklagte über den Vertrieb der Software Fash 2000 nach dem 18. Juni 1999 in der Weise Auskunft erteilt, daß sie einer C. GmbH in Düsseldorf eine Update-Lizenz für die Version 5.0 dieses Pro- gramms erteilt habe. Im Berufungsverfahren hat die Klägerin die Auskunfts- und Herausgabeanträge (Anträge zu 2, 3 und 5) hilfsweise auch in der Form gestellt, daß die Leistung an die Klägerin und Ri. gemeinsam erfolgen solle. Das Be- rufungsgericht hat die Klage insgesamt abgewiesen. Hiergegen richtet sich die (vom Senat zugelassene) Revision der Klägerin, mit der sie ihre Klageanträge weiterverfolgt. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen. - 6 - Entscheidungsgründe: I. Das Berufungsgericht hat Ansprüche der Klägerin wegen möglicher Ur-heberrechtsverletzungen verneint, weil sie nicht Inhaberin von Nutzungsrechten an dem Programm Fash 2000 geworden sei. Zur Begründung hat es ausgeführt: Die Übertragung der Nutzungsrechte an dem Programm Fash 2000 durch den Vertrag vom 18. Juni 1999 sei unwirksam, weil Ri. , heute Geschäftsfüh- rer der Beklagten, an der Übertragung nicht mitgewirkt habe. Seine Mitwirkung als die eines der Miturheber an dem fraglichen Programm sei nach § 8 Abs. 2 UrhG für die Wirksamkeit der Übertragung erforderlich gewesen. Die Klägerin könne sich nicht darauf stützen, daß Ri. als Arbeitnehmer für MSR tätig gewesen und daher MSR als Arbeitgeber ausschließlich berechtigt gewesen sei (§ 69b UrhG); denn Ri. habe nach dem zwischen ihm und MSR geschlossenen Dienstleistungsvertrag keine weisungsgebundene Tätigkeit für MSR ausgeübt. Auch von einer konkludenten Übertragung der urheberrechtlichen Verwertungsbe-fugnisse könne nicht ausgegangen werden, da Ri. nach dem Dienstleistungs- vertrag nur projektbezogen habe eingesetzt werden sollen. Jedenfalls stehe einem Rechtserwerb der Klägerin das Fehlen der Zustimmung nach § 34 Abs. 1 Satz 1 UrhG entgegen. Schließlich könne sich die Klägerin auch nicht darauf berufen, daß Ri. durch Verzicht aus dem Kreis der Miturheber ausgeschieden sei. An- gesichts der Gesamtumstände stelle die entsprechende Behauptung der Klägerin kein schlüssiges Vorbringen dar. Das in erster Instanz anhängig gebliebene Feststellungsbegehren setze vor-aus, daß die Klägerin Inhaberin eines ausschließlichen Nutzungsrechts geworden sei. Da diesem Begehren kein Erfolg beschieden sein könne, könne das Beru-fungsgericht diesen Teil der Klage an sich ziehen und die Klage insgesamt abwei- - 7 - sen. Abzuweisen sei die Klage auch mit den Hilfsanträgen, weil der Vertrag vom 18. Juni 1999 auf einen Vollerwerb gerichtet gewesen sei und der Parteiwille nicht nachträglich in eine Veräußerung einzelner Urheberrechtsanteile umgedeutet werden könne. II. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision haben Er-folg. Sie führen zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverwei-sung der Sache an das Berufungsgericht. 1. Das Berufungsgericht hat es mit Recht nicht in Zweifel gezogen, daß das in Rede stehende Computerprogramm nach § 2 Abs. 1 Nr. 1, § 69a Abs. 1 und 3 UrhG als individuelle geistige Werkschöpfung der an ihrer Entwicklung und Erstel-lung beteiligten Personen Urheberrechtsschutz genießt. Dem unstreitigen Partei-vorbringen ist zu entnehmen, daß es sich bei Fash 2000 um eine über längere Zeit entwickelte komplexe Software mit einem nicht unerheblichen Marktwert han-delt. Auch wenn keine gesetzliche Vermutung für die Schutzfähigkeit von Compu-terprogrammen besteht, ist es nicht zu beanstanden, daß das Berufungsgericht dieses unstreitige Vorbringen hat ausreichen l