BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL I ZR 30/02 Verkündet am: 2. Dezember 2004 Führinger Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ : ja BGHR : ja Klemmbausteine III UWG § 4 Nr. 9 a) Eine nicht spätestens im Zeitpunkt des Kaufs, sondern erst nachfolgend auf-tretende Herkunftstäuschung kann keine Ansprüche aus ergänzendem wett-bewerbsrechtlichen Leistungsschutz begründen. b) Ein wettbewerbsrechtlicher Schutz gegen das sog. Einschieben in eine frem-de Serie ist jedenfalls nicht zeitlich unbegrenzt zu gewähren. c) Eine nach § 4 Nr. 9 Buchst. b Fall 1 UWG unlautere Rufausbeutung liegt nicht vor, wenn der Originalhersteller mit seinem Produkt einen neuen Markt erschlossen hat und der Nachahmer beim Eindringen in diesen Markt die an-gesprochenen Verkehrskreise in geeigneter Weise darüber informiert, daß sein eigenes von dem nachgeahmten Produkt zu unterscheiden sei. EGRL 71/98 Art. 16 Die Bestimmung des Art. 16 der Richtlinie 98/71/EG des Europäischen Parla-ments und des Rates vom 13. Oktober 1998 über den rechtlichen Schutz von Mustern und Modellen (ABl. EG Nr. L 289, S. 28) besagt, daß die Richtlinie die Vorschriften des nationalen Rechts über unlauteren Wettbewerb weder schwächt noch aber auch stärkt. BGH, Urt. v. 2. Dezember 2004 - I ZR 30/02 - OLG Hamburg LG Hamburg - 2 - Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhand-lung vom 2. Dezember 2004 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Ullmann und die Richter Dr. v. Ungern-Sternberg, Prof. Dr. Bornkamm, Pokrant und Dr. Schaffert für Recht erkannt: Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg, 3. Zivilsenat, vom 13. Dezember 2001 aufgehoben. Auf die Berufung der Beklagten wird die Klage unter teilweiser Ab-änderung des Urteils des Landgerichts Hamburg - Zivilkammer 15 - vom 5. Januar 2000 hinsichtlich der auf Auskunftserteilung und Feststellung der Verpflichtung der Beklagten zur Leistung von Schadensersatz gerichteten Klageanträge zu 2, 3, 5 und 6 abge-wiesen. Im übrigen Umfang der Aufhebung wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Von Rechts wegen - 3 - Tatbestand: Die Klägerin zu 1 stellt das weltbekannte und in Deutschland von der Klägerin zu 2 vertriebene L. - und D. -Spielzeug her. Dieses besteht vornehmlich aus Kunststoff-Klemmbausteinen, die auf der Oberseite zylindri-sche Klemmnoppen aufweisen und an der Unterseite so geformt sind, daß sich die einzelnen Steine miteinander verbauen lassen. Zum L. -Spielzeugsorti- ment gehören neben Grund- und Universalbaukästen auch zahlreiche mit Zu-satzelementen ausgestattete Bausätze, mit denen beispielsweise Autos, Häu-ser oder Boote gebaut werden können. Die Klägerin zu 1 hat beim Deutschen Patentamt zahlreiche Zusatzele-mente als Geschmacksmuster registrieren lassen, darunter ein am 2. Dezem-ber 1987 angemeldetes Zaunelement, ein am 4. Dezember 1985 angemeldetes Rotorelement und ein am 30. November 1984 angemeldetes Schalterhebel-/An-tennenelement. Sie ist des weiteren Inhaberin der beim Deutschen Patent- und Markenamt aufgrund Anmeldung vom 18. September 1987 eingetragenen Bild-marke Nr. 1 143 363 - 4 - Die Klägerin zu 1 ist zudem von der mit ihr verbundenen schweizeri-schen L. Produktion AG ermächtigt worden, deren Rechte aus der beim Deutschen Patent- und Markenamt aufgrund Anmeldung vom 25. Januar 1995 eingetragenen dreidimensionalen Marke Nr. 395 03 037, die den Acht-Noppen-Klemmbaustein der Klägerinnen in seiner konkreten körperlichen Gestalt schützt, geltend zu machen. Die Beklagte beabsichtigt, das von ihr bereits in mehreren Ländern des Gemeinsamen Marktes vertriebene, aus in China produzierten Kunststoff-Klemmbausteinen bestehende und mit dem L. -Spielzeug der Klägerinnen verbaubare Konstruktionsspielzeug "B. ", darunter die nachstehend bei der Wiedergabe des Klageantrags zu 1 abgebildeten Bausätze und Bau-elemente, künftig auch in Deutschland anzubieten. Sie will dabei auf den Pro-duktverpackungen an der Stelle, an der sich beim Vertrieb in anderen Ländern der Hinweis "This Product is compatible with all leading Brands" befindet, einen Aufkleber mit dem Text "B. ist ein einheitliches Bausystem der B. Firmengruppe und sollte nicht mit anderen Bausteinsystemen verwechselt werden!" anbringen. Die Klägerinnen haben den von der Beklagten beabsichtigten Vertrieb des "B. "-Spielzeugs in Deutschland unter Berufung auf die Senats- entscheidungen "Klemmbausteine I" (BGHZ 41, 55) und "Klemmbausteine II" (Urt. v. 7.5.1992 - I ZR 163/90, GRUR 1992, 619 = WRP 1992, 642) als nach § 1 UWG a.F. wettbewerbswidriges Einschieben in eine fremde Serie bean-standet. Die Beklagte täusche außerdem über die Herkunft ihres Spielzeugs. Bereits die weitgehende äußerliche Identität der beiderseitigen Klemmbausteine führe zu Verwechslungen. Abgesehen von der Qualität unterschieden sich die Klemmbausteine lediglich dadurch, daß die zylindrischen Noppen bei den Stei-nen der Klägerinnen den L. -Schriftzug trügen; dies könne der Käufer je- doch erst nach dem Kauf erkennen. Die Aufmachung der Umverpackungen der - 5 - Beklagten sei mit der der Klägerinnen verwechselbar. Der Hinweisaufkleber der Beklagten werde vom Verkehr nur in geringem Umfang wahrgenommen. Die Beklagte nutze, indem sie sklavisch nachgeahmte Bausteine auf den Markt bringen wolle, den guten Ruf der L. -/D. -Bausteine und -Elemente für sich aus. Der Acht-Noppen-L. -Klemmbaustein genieße als Marke kraft Ein- tragung sowie wegen seiner weitreichenden Bekanntheit kraft Verkehrsgeltung Schutz. Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Das Landgericht hat die Beklagte gemäß den Klageanträgen zu 1 und 4 unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel verurteilt, 1. es zu unterlassen, a) vornehmlich aus Klemmbausteinen bestehendes Konstruktions-spielzeug, bei dem einzelne Kunststoffteile eine zylindrische Nop-penform aufweisen und mit L. Bausteinen und L. Figuren verbaubar sind, in der Bundesrepublik Deutschland auszustellen, anzubieten, zu bewerben oder zu vertreiben, insbesondere das An-gebot und den Vertrieb der folgenden Bausätze zu unterlassen: - 6 - Nr. 2002 "911 RESCUE CREW" gemäß folgender Abbildung: Nr. 3015 "ATTACK COPTERS" gemäß folgender Abbildung: - 7 - Nr. 4311 "FOOTBALL STADIUM" gemäß folgender Abbildung: Nr. 6403 "PRESIDENTIAL TRANSPORT" gemäß folgender Abbil-dung: - 8 - b) den nachfolgend abgebildeten Acht-Noppen-Baustein im Zusam-menhang mit Konstruktionsspielzeug abzubilden, anzubieten oder zu vertreiben: c) die nachfolgend abgebildeten Konstruktionsspielzeugelemente aus Kunststoff auszustellen, anzubieten oder zu vertreiben: - 9 - 4. es zu unterlassen, Klemmbausteine aus Kunststoff, die durch zylindri-sche Noppen gekennzeichnet sind und mit "D. "-Klemmbau- steinen der Klägerinnen verbaubar sind, in der Bundesrepublik Deutschland auszustellen, anzubieten, zu bewerben oder zu vertrei-ben. Des weiteren hat das Landgericht die Beklagte gemäß den Klageanträ-gen zu 2 und 5 zur Auskunftserteilung verurteilt und gemäß den Klageanträgen zu 3 und 6 die Schadensersatzpflicht der Beklagten festgestellt. Das Landgericht hat es dabei dahinstehen lassen, ob die von den Kläge-rinnen geltend gemachten marken- und geschmacksmusterrechtlichen Ansprü-che begründet sind. Die Unterlassungsansprüche seien nämlich jedenfalls aus § 1 UWG unter dem Gesichtspunkt des ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes im Zusammenhang mit einer unzulässigen sklavischen Nachahmung, dem Einschieben in eine fremde Serie und der Rufausbeutung in Form eines Anhängens an das sehr bekannte und geschätzte Konstruktions-spielzeug der Klägerinnen begründet. Die Nachahmung fremder Waren sei noch nicht für sich genommen, sondern nur dann wettbewerbswidrig, wenn darüber hinausgehende Umstände vorlägen. Der von der Beklagten betriebene Nachbau sei dadurch gekennzeichnet, daß sich deren Bausteine mit den Er-zeugnissen der Klägerinnen verbauen ließen, daß diese Erzeugnisse von vorn-herein auf einen fortgesetzten Bedarf gleichartiger Erzeugnisse zugeschnitten seien und daß sich die Beklagte in diese Bedarfs-/Ergänzungsserie hineindrän-ge. Wie in dem der Entscheidung des Bundesgerichtshofs "Klemmbausteine II" zugrundeliegenden Fall sei zudem zu berücksichtigen, daß das Konstruktions-spielzeug der Klägerinnen mittlerweile weltbekannt sei und daher neben einer beachtlichen wettbewerblichen Eigenart auch einen hohen Bekanntheitsgrad aufweise und zudem einen nicht unbeachtlichen Ruf genieße. Die Fertigung - 10 - des Spielzeugs der Beklagten aus Klemmbausteinen eines Formats, das den Einbau in das System der Klägerinnen erlaube, diene jedenfalls auch dazu, sich an den Erfolg eines schon sehr bekannten und auf dem Markt geschätzten Sy-stems anzuhängen und von dem Ansehen, das die Klägerinnen für ihre Er-zeugnisse in Jahrzehnten gewonnen hätten, unmittelbar zu profitieren, womit den Klägerinnen ein Teil ihres Markterfolges in anstößiger Weise genommen werde. Daran ändere auch der Umstand nichts, daß für den Verbraucher wegen der Hinweise auf der Umverpackung der Bausätze der Beklagten keine Gefahr einer Fehlvorstellung über die betriebliche Herkunft des Spielzeugs bestehe. Die gemeinschaftsrechtliche Warenverkehrsfreiheit stehe dem von den Klägerinnen begehrten Verbot ebenfalls nicht entgegen. Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften habe zu der Frage der Gewährung eines ergän-zenden Leistungsschutzes bei Einschieben in eine fremde Serie in der Absicht, am Ruf und/oder Vorhandensein des Erstprodukts zu partizipieren, ohne daß für den Verbraucher Verwechslungsgefahr bestehe, allerdings ausgesprochen, daß die Untersagung des Marktzugangs in einem anderen Mitgliedstaat auf-grund nationaler Vorschriften