Leitsätze
Entscheidungsgründe
Kostenentscheidung
Tenor
Schlüsselwörter
Freier Dienstleistungsverkehr - Beschränkungen - Gewerbesteuer - Nationale Rechtsvorschriften über die Hinzurechnung bestimmter Beträge zur steuerlichen Bemessungsgrundlage bei Unternehmen, die Wirtschaftsgüter von überwiegend im Ausland ansässigen Vermietern mieten - Unzulässigkeit - Keine Rechtfertigung aus Gründen des Gemeinwohls
(EG-Vertrag, Artikel 59 [nach Änderung jetzt Artikel 49 EG])
Leitsätze
Artikel 59 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 49 EG) steht nationalen Rechtsvorschriften über die Gewerbesteuer entgegen, wonach der Bemessungsgrundlage ein Teil der Miet- und Pachtzinsen für die Benutzung von Wirtschaftsgütern im Eigentum eines anderen sowie der Wert dieser Wirtschaftsgüter hinzuzurechnen sind, sofern diese Güter nicht bereits beim Vermieter oder Verpächter der Gewerbesteuer unterliegen.
Eine solche Regelung, die den steuerlichen Vorteil, diese Hinzurechnungen nicht vornehmen zu müssen, für die Mehrzahl der Unternehmen vorsieht, die Wirtschaftsgüter von im Inland ansässigen Vermietern mieten, ihn aber stets jenen Unternehmen versagt, die Wirtschaftsgüter bei in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Vermietern mieten, bewirkt nämlich eine Ungleichbehandlung je nach dem Sitz des Dienstleistenden und ist weder aus Gründen der steuerlichen Kohärenz noch durch den Umstand gerechtfertigt, daß der in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Vermieter möglicherweise einer geringeren steuerlichen Belastung unterliegt.
Entscheidungsgründe
1 Das Finanzgericht Münster hat mit Beschluß vom 28. Juli 1997, beim Gerichtshof eingegangen am 11. August 1997, gemäß Artikel 177 EG-Vertrag (jetzt Artikel 234 EG) eine Frage nach der Auslegung des Artikels 59 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 49 EG) zur Vorabentscheidung vorgelegt.
2 Diese Frage stellt sich in einem Rechtsstreit zwischen der Eurowings Luftverkehrs AG (im folgenden: Eurowings) und dem Finanzamt Dortmund-Unna (im folgenden: Finanzamt), in dem es darum geht, ob der Bemessungsgrundlage der von Eurowings gemäß dem Gewerbesteuergesetz (GewStG) zu entrichtenden Gewerbesteuer bestimmte Beträge hinzuzurechnen sind.
Deutsche Rechtsvorschriften
3 Gemäß § 2 des Gewerbesteuergesetzes vom 21. März 1991 (BGBl. I S. 814) unterliegt jeder stehende Gewerbebetrieb, soweit er im Inland betrieben wird, der Gewerbesteuer.
4 Es handelt sich dabei um eine Realsteuer, der jeder Gewerbebetrieb unabhängig von der Leistungsfähigkeit und den persönlichen Verhältnissen seines Inhabers unterliegt.
5 Besteuerungsgrundlagen sind gemäß § 6 GewStG der Gewerbeertrag und das Gewerbekapital. Seit dem 1. Januar 1998 wird die Gewerbesteuer nur noch auf den Gewerbeertrag erhoben.
6 Der Gewerbeertrag ist der nach den Vorschriften des Einkommensteuergesetzes oder des Körperschaftssteuergesetzes zu ermittelnde Gewinn, dem gemäß § 8 GewStG bestimmte Beträge hinzugerechnet und von dem andere nach § 9 GewStG abgezogen werden. Mit diesen Hinzurechnungen und Kürzungen soll der objektive Gewerbeertrag unabhängig davon ermittelt werden, ob er auf dem Einsatz von Eigen- oder Fremdkapital beruht.
7 So sind dem Gewinn aus Gewerbebetrieb gemäß § 8 Nr. 7 GewStG (Hinzurechnungen) folgende Beträge wieder hinzuzurechnen:
"die Hälfte der Miet- und Pachtzinsen für die Benutzung der nicht in Grundbesitz bestehenden Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, die im Eigentum eines anderen stehen. Das gilt nicht, soweit die Miet- oder Pachtzinsen beim Vermieter oder Verpächter zur Gewerbesteuer nach dem Gewerbeertrag heranzuziehen sind, es sei denn, daß ein Betrieb oder ein Teilbetrieb vermietet oder verpachtet wird und der Betrag der Miet- oder Pachtzinsen 250 000 Deutsche Mark übersteigt. Maßgebend ist jeweils der Betrag, den der Mieter oder Pächter für die Benutzung der zu den Betriebsstätten eines Gemeindebezirks gehörigen fremden Wirtschaftsgüter an einen Vermieter oder Verpächter zu zahlen hat."
8 Das Gewerbesteuergesetz geht somit davon aus, daß der Nettogewinn aus dem gemieteten Wirtschaftsgut der Hälfte der entrichteten Miete entspricht.
9 Als Gewerbekapital gilt der Einheitswert des Gewerbebetriebs im Sinne des Bewertungsgesetzes mit bestimmten Hinzurechnungen gemäß § 12 Absatz 2 GewStG und Kürzungen gemäß § 12 Absatz 3 GewStG. Mit diesen Hinzurechnungen und Kürzungen sollen die Eigen- und Fremdmittel erfasst werden, die dem Betrieb objektiv zur Verfügung stehen.
10 Gemäß § 12 Absatz 2 Nr. 2 GewStG (Gewerbekapital) werden dem Einheitswert des gewerblichen Betriebes hinzugerechnet:
"die Werte (Teilwerte) der nicht in Grundbesitz bestehenden Wirtschaftsgüter, die dem Betrieb dienen, aber im Eigentum eines Mitunternehmers oder eines Dritten stehen, soweit sie nicht im Einheitswert des Gewerbebetriebs enthalten sind. Das gilt nicht, wenn die Wirtschaftsgüter zum Gewerbekapital des Vermieters oder Verpächters gehören, es sei denn, daß ein Betrieb oder ein Teilbetrieb vermietet oder verpachtet wird und die im Gewerbekapital des Vermieters oder Verpächters enthaltenen Werte (Teilwerte) der überlassenen Wirtschaftsgüter des Betriebs (Teilbetriebs) 2,5 Millionen Deutsche Mark übersteigen. Maßgebend ist dabei jeweils die Summe der Werte der Wirtschaftsgüter, die ein Vermieter oder Verpächter dem Mieter oder Pächter zur Benutzung in den Betriebsstätten eines Gemeindebezirks überlassen hat."
11 Ebenso wie Artikel 8 Nr. 7 Satz 2 GewStG schließt § 12 Absatz 2 Nr. 2 Satz 2 GewStG somit für Wirtschaftsgüter im Eigentum Dritter eine Hinzurechnung ihres Wertes aus, wenn sie bereits beim Vermieter oder Verpächter der Gewerbesteuer unterliegen.
12 Aus den Erklärungen von Eurowings im vorliegenden Verfahren geht hervor, daß die Gewerbesteuer in zwei Stufen ermittelt wird: Zunächst werden das Gewerbekapital und der Gewerbeertrag mit einer "Steuermeßzahl" multipliziert, die im ganzen Bundesgebiet einheitlich 0,2 % für das Gewerbekapital und 5 % für den Gewerbeertrag von Kapitalgesellschaften beträgt; der so erzielte "Steuermeßbetrag" wird anschließend mit einem von jeder Gemeinde festgesetzten Hebesatz multipliziert. Dieser Hebesatz reichte 1993 von 0 %, etwa in der Gemeinde Norderfriedrichskoog (Schleswig-Holstein), bis zu 515 % in Frankfurt/Main. In Dortmund galt 1993 ein Hebesatz von 450 %.
Sachverhalt des Ausgangsverfahrens
13 Eurowings führt in Deutschland und Europa Linien- und Charterfluege durch. Im Jahr 1993 leaste sie für 467 914 DM ein Flugzeug von einer irischen Kapitalgesellschaft mit Sitz in Shannon, der Air Tara Ltd. Der Teilwert des Flugzeugs betrug 1 320 000 DM. Als das Finanzamt mit Bescheid vom 21. Mai 1996 die Gewerbesteuer für 1993 festsetzte, rechnete es dem Gewerbeertrag gemäß § 8 Nr. 7 GewStG die Hälfte der tatsächlich entrichteten Miete, also 233 957 DM, hinzu. Ebenso rechnete es dem Gewerbekapital gemäß § 12 Absatz 2 GewStG den Teilwert des gemieteten Flugzeugs in Höhe von 1 320 000 DM hinzu.
14 Der gegen diesen Bescheid von Eurowings am 13. Juni 1996 erhobene Einspruch wurde mit Einspruchsentscheidung des Finanzamtes vom 8. Juli 1996 zurückgewiesen.
15 Hiergegen erhob Eurowings am 11. Juli 1996 beim Finanzgericht Münster mit der Begründung Klage, § 8 Nr. 7 und § 12 Absatz 2 GewStG seien mit den Artikeln 59 ff. EG-Vertrag unvereinbar.
16 Das Finanzgericht führt aus, Eurowings könne eine durch Artikel 59 EG-Vertrag verbotene Diskriminierung auch dann geltend machen, wenn nicht sie selbst, sondern die Gesellschaft irischen Rechts als Vermieterin diese Diskriminierung erleide.
17 Die als "Limited" bezeichneten Gesellschaften irischen Rechts seien deutschen Kapitalgesellschaften im Sinne von § 1 des Kapitalsteuergesetzes vergleichbar; wenn sie in Deutschland Flugzeuge vermieten würden, so würde ihre Tätigkeit gemäß § 2 GewStG in vollem Umfang als Gewerbebetrieb gelten.
18 Den gewerbesteuerlichen Hinzurechnungsvorschriften liege der gesetzgeberische Wille zugrunde, die Einmalbesteuerung der dem inländischen Gewerbebetrieb zur Verfügung stehenden Ertragskraft unabhängig von der Eigen- oder Fremdfinanzierung und den zivilrechtlichen Eigentumsverhältnissen am Betriebskapital sicherzustellen. Systemimmanent sei hiermit eine Ausnahme für den Fall verbunden, daß die fraglichen Mieten oder Wirtschaftsgüter bereits beim Vermieter der Gewerbesteuer unterlägen.
19 Sei der Vermieter eines Wirtschaftsguts in einem anderen Mitgliedstaat ansässig, so sei der Mieter steuerlich schlechter gestellt als dann, wenn der Vermieter im Inland ansässig sei. Dies könne eine verdeckte Diskriminierung im Sinne von Artikel 59 EG-Vertrag darstellen.
20 Es erscheine zweifelhaft, ob der Zweck der steuerlichen Kohärenz diese Bestimmungen des Gewerbesteuergesetzes rechtfertigen könne. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes (Urteile vom 11. August 1995 in der Rechtssache C-80/94, W