Leitsätze
Parteien
Entscheidungsgründe
Kostenentscheidung
Tenor
Schlüsselwörter
1 Staatliche Beihilfen - Begriff - Rechtlicher Charakter - Auslegung anhand objektiver Kriterien - Gerichtliche Nachprüfung - Umfang
(EG-Vertrag, Artikel 92 Absatz 1 [nach Änderung jetzt Artikel 87 Absatz 1 EG])
2 Staatliche Beihilfen - Begriff - Beihilfen aus staatlichen Mitteln
(EG-Vertrag, Artikel 92 Absatz 1 [nach Änderung jetzt Artikel 87 Absatz 1 EG])
Leitsätze
1 Der Begriff der staatlichen Beihilfe, wie er im Vertrag definiert ist, hat rechtlichen Charakter und ist anhand objektiver Kriterien auszulegen. Deshalb hat der Gemeinschaftsrichter die Frage, ob eine Maßnahme in den Anwendungsbereich von Artikel 92 Absatz 1 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 87 Absatz 1 EG) fällt, grundsätzlich unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des bei ihm anhängigen Rechtsstreits und des technischen oder komplexen Charakters der von der Kommission vorgenommenen Beurteilungen umfassend zu prüfen. (vgl. Randnr. 25)
2 Artikel 92 Absatz 1 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 87 Absatz 1 EG) erfaßt alle Geldmittel, auf die der öffentliche Sektor tatsächlich zur Unterstützung von Unternehmen zurückgreifen kann, ohne daß es dafür eine Rolle spielt, ob diese Mittel auf Dauer zum Vermögen dieses Sektors gehören. (vgl. Randnr. 50)
Parteien
In der Rechtssache C-83/98 P
Französische Republik, vertreten durch K. Rispal-Bellanger, Abteilungsleiterin in der Direktion für Rechtsfragen des Ministeriums für auswärtige Angelegenheiten, sowie durch F. Million und J.-M. Belorgey, Chargés de mission in derselben Direktion, als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift: Französische Botschaft, 8 B, boulevard Joseph II, Luxemburg,
Rechtsmittelführerin,
betreffend ein Rechtsmittel gegen das Urteil des Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften (Zweite erweiterte Kammer) vom 27. Januar 1998 in der Rechtssache T-67/94 (Ladbroke Racing/Kommission, Slg. 1998, II-1) wegen teilweiser Aufhebung dieses Urteils, andere Verfahrensbeteiligte: Ladbroke Racing Ltd mit Sitz in London (Vereinigtes Königreich), Prozeßbevollmächtigte: C. Vajda, QC, und Solicitor S. Kon, Zustellungsanschrift: Kanzlei der Rechtsanwälte Arendt und Medernach, 9-10, rue Mathias Hardt, Luxemburg, Klägerin im ersten Rechtszug, und Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch Rechtsberater G. Rozet und J. Flett, Juristischer Dienst, als Bevollmächtigte, Zustellungsbevollmächtigter: Carlos Gómez de la Cruz, Centre Wagner, Luxemburg-Kirchberg, Beklagte im ersten Rechtszug,
erläßt
DER GERICHTSHOF
unter Mitwirkung des Präsidenten G. C. Rodríguez Iglesias, der Kammerpräsidenten J. C. Moitinho de Almeida, D. A. O. Edward, L. Sevón und R. Schintgen sowie der Richter P. J. G. Kapteyn (Berichterstatter), J.-P. Puissochet, G. Hirsch, P. Jann, H. Ragnemalm und V. Skouris,
Generalanwalt: G. Cosmas
Kanzler: R. Grass
aufgrund des Berichts des Berichterstatters,
nach Anhörung der Schlußanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 23. November 1999,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
1 Die Französische Republik hat mit Rechtsmittelschrift, die am 26. März 1998 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, gemäß Artikel 49 der EG-Satzung des Gerichtshofes ein Rechtsmittel gegen das Urteil des Gerichts erster Instanz vom 27. Januar 1998 in der Rechtssache T-67/94 (Ladbroke Racing/Kommission, Slg. 1998, II-1; im folgenden: angefochtenes Urteil) eingelegt, mit dem das Gericht die Entscheidung 93/625/EWG der Kommission vom 22. September 1993 betreffend mehrere Beihilfen der französischen Regierung zugunsten des Pari mutuel urbain (PMU) und der Renngesellschaften (ABl. L 300, S. 15; im folgenden: streitige Entscheidung) teilweise für nichtig erklärt hat.
Sachverhalt und Verfahren vor dem Gericht
2 Im angefochtenen Urteil hat das Gericht folgende Feststellungen getroffen:
"1 Die Ladbroke Racing Ltd (im folgenden: Klägerin) ist eine Gesellschaft englischen Rechts, die von der Ladbroke Group plc kontrolliert wird; diese veranstaltet u. a. bei Pferderennen im Vereinigten Königreich und in anderen Ländern der Europäischen Gemeinschaft Wetten und erbringt entsprechende Dienstleistungen.
2 Der Pari mutuel urbain (im folgenden: PMU) ist ein wirtschaftlicher Interessenverband (Groupement d'intérêt économique; im folgenden: GIE), dem die führenden Rennvereine Frankreichs angehören (Artikel 21 des Dekrets 83-878 vom 4. Oktober 1983 über Pferderennvereine und Totalisatorwetten) und der gegründet wurde, um die Rechte dieser Vereine bei der Organisation von Totalisatorwetten für Pferderennen außerhalb von Rennplätzen wahrzunehmen. Die Wahrnehmung dieser Rechte durch den PMU erfolgte anfänglich in Form eines $gemeinsamen Dienstes` (Dekret vom 11. Juli 1930 zur Ausdehnung der Totalisatorwetten außerhalb der Pferderennplätze). Gemäß Artikel 13 des Dekrets 74-954 vom 14. November 1974 über Pferderennvereine nimmt seit diesem Tag ausschließlich der PMU die Rechte der Rennvereine in bezug auf die Totalisatorwetten außerhalb der Rennplätze wahr. Dieses ausschließliche Recht des PMU wird außerdem dadurch geschützt, daß es anderen Personen als dem PMU untersagt ist, Wetten für Pferderennen abzuschließen oder entgegenzunehmen (Artikel 8 der interministeriellen Verordnung vom 13. September 1985 über den Pari mutuel urbain). Es erstreckt sich auf Wetten, die im Ausland für die in Frankreich veranstalteten Rennen entgegengenommen werden, und auf Wetten, die in Frankreich für im Ausland veranstaltete Rennen entgegengenommen werden; diese Wetten können ebenfalls nur von den zugelassenen Vereinen und/oder dem PMU abgeschlossen werden (Artikel 15 Absatz 3 des Gesetzes 64-1279 vom 23. Dezember 1964 mit dem Finanzgesetz für 1965 und Artikel 21 des Dekrets 83-878).
3 Am 7. April 1989 reichten sieben Unternehmen der Ladbroke-Gruppe, darunter die Klägerin, bei der Kommission eine Beschwerde gegen mehrere Beihilfen ein, die die französische Regierung dem PMU gewährt habe und die mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar seien.
...
5 Mit Schreiben vom 11. Januar 1991 teilte die Kommission den französischen Behörden mit, daß sie beschlossen habe, das Verfahren gemäß Artikel 93 Absatz 2 EWG-Vertrag bezüglich der folgenden sieben Maßnahmen zugunsten des PMU einzuleiten (ABl. C 38, S. 3):
$1. Zahlungserleichterungen in Form der für die Zahlung der staatlichen Abgaben von den Jahren 1980 und 1981 an eingeräumten Fristen;
2. Verzicht auf 180 Millionen ffrs bei den Abgaben für 1986;
3. Befreiung von [dem Aufschub des Mehrwertsteuer-Vorsteuerabzugs] um einen Monat;
4. Verwendung der nicht angeforderten Gewinne zur Zahlung einer zusätzlichen Entlassungsentschädigung im Jahr 1985;
5. Freistellung des PMU [vom Arbeitgeberbeitrag zum Wohnungsbau];
6. Verzicht auf die sich aus der Abrundung der Spielgewinne auf das untere Zehntel ergebenden Beträge von 1982 bis 1985;
7. Befreiung von der Körperschaftsteuer.`
...
13 Am 22. September 1993 erließ die Kommission die Entscheidung 93/625/EWG ... und schloß damit das gegen Frankreich eingeleitete Verfahren ab.
...
16 In der angefochtenen Entscheidung unterschied die Kommission zwischen zwei Kategorien von Beträgen, die bei Pferderennwetten einbehalten werden, nämlich zwischen $Abgaben` oder $öffentlichen Abgaben`, also Beträgen, die in den allgemeinen Staatshaushalt fließen, einerseits und $nichtöffentlichen Entnahmen`, also den nicht an die Wetter ausgezahlten Beträgen, andererseits. Der angefochtenen Entscheidung zufolge behält der PMU von 100 FF eingenommenen Wetten etwa 30 FF ein und zahlt 70 FF an die Wetter aus. Von den einbehaltenen 30 FF deckt er mit ca. 5,5 FF seine laufenden Ausgaben, ca. 18 FF gehen an die staatlichen Behörden und die Stadt Paris und der Rest wird an die Rennvereine abgeführt.
17 Die Kommission führte ferner aus, daß die Märkte für Glücksspiele zwar seit jeher national abgeschottet seien, daß Wetten über Pferderennen auf nationalen Rennbahnen jedoch international organisiert seien, und daß der PMU noch im Januar 1989 mit der Gründung des Pari mutuel international (PMI) klar seine Absicht bekundet habe, seine Tätigkeiten auf Märkte außerhalb Frankreichs auszudehnen, indem er in Deutschland und Belgien Vereinbarungen geschlossen habe und so mit anderen Wettveranstaltern und speziell mit der Klägerin in Wettbewerb getreten sei (Teil III der angefochtenen Entscheidung).
18 Sie vertrat die Auffassung, daß drei der sieben von der französischen Regierung zugunsten des PMU getroffenen Maßnahmen, auf die sich das gemäß Artikel 93 Absatz 2 EG-Vertrag eingeleitete Verfahren erstreckt hatte, staatliche Beihilfen im Sinne von Artikel 92 Absatz 1 des Vertrages darstellten.
19 So habe der von 1982 bis 1985 praktizierte teilweise Verzicht auf die Abführung der sich aus der Abrundung der Spielgewinne auf das untere Zehntel ergebenden Beträge (315 Millionen FF), die nach dem Haushaltsgesetz vom 17. Dezember 1966 seit 1967 in den allgemeinen Haushalt des Staates geflossen seien, eine Beihilfe dargestellt, weil es sich um eine $zeitlich begrenzte Maßnahme zur Lösung eines punktuellen Problems`, nämlich der Umstellung des PMU auf EDV-Betrieb, gehandelt habe, mit der seine Marktstellung habe gefestigt werden sollen (Teile IV und V, Nummer 2).
20 Auch die Befreiung vom einmonatigen Aufschub des Vorsteuerabzugs stelle eine Zahlungserleichterung dar, die einer staatlichen Beihilfe gleichzustellen sei, die jedoch seit 1989 durch eine bei der Staatskasse ständig hinterlegte Kautionssumme kompensiert worden sei, bis diese am 1. Juli 1993 abgeschafft worden sei (Teile IV und V, Nummer 6).
21 Schließlich habe zwar ein Urteil des Staatsrates aus dem Jahre 1962 den landwirtschaftlichen Charakter der Tätigkeiten der Rennvereine und damit ihre Freistellung vom Beitrag zum Wohnungsbau bestätigt; gleichwohl sei die Tätigkeit des PMU selbst, nämlich Organisation und Abwicklung von Wetten, aber offenkundig keine landwirtschaftliche Tätigkeit, so daß die betreffende Freistellung, da sie durch die Rechtsstellung des PMU nicht gerechtfertigt sei, eine staatliche Beihilfe darstelle (Teile IV und V, Nummer 7).
22 Dennoch war die Kommission der Ansicht, daß die fraglichen drei Maßnahmen gemäß Artikel 92 Absatz 3 Buchstabe c EG-Vertrag freigestellt werden könnten.
23 Bezüglich der Beihilfe in Form eines Verzichts auf die Abführung der sich der aus der Abrundung der Spielgewinne auf das untere Zehntel ergebenden Beträge vertrat die Kommission die Auffassung, daß trotz ihrer hohen Intensität (nahezu 29 % der gesamten Kosten der Umstellung auf EDV-Betrieb) $die zwischen 1982 und 1985 für die Umstellung des PMU auf EDV-Betrieb gewährten Beihilfen in Anbetracht des Standes der Entwicklung des Wettbewerbs und des Handels vor der Gründung des PMI im Januar 1989 unter Berücksichtigung der mittelbaren und unmittelbaren Auswirkungen dieser Beihilfen auf die Entwicklung des Wirtschaftszweigs in allen seinen wirtschaftlichen Komponenten einschließlich der Pferdezucht keine dem gemeinsamen Interesse zuwiderlaufenden störenden Auswirkungen auf dem Markt gehabt` hätten (Teil VII, Nummer 1).
24 Auch die Befreiung vom einmonatigen Aufschub des Vorsteuerabzugs sei aus denselben Gründen wie die vorgenannte Beihilfe bis Januar 1989 als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar anzusehen. In der Zeit nach 1989 seien die wettbewerbsschädigenden Auswirkungen der betreffenden Beihilfe in vollem Umfang durch eine bei der Staatskasse hinterlegte ständige Kaution ausgeglichen worden (Teil VII, Nummer 2).
25 Die Beihilfe, die sich aus der Freistellung vom Wohnungsbaubeitrag ergebe, falle ebenso wie die aus der Befreiung vom einmonatigen Aufschub des Vorsteuerabzugs bestehende Beihilfe bis 1989 unter die Ausnahme des Artikels 92 Absatz 3 Buchstabe c, müsse jedoch ab 1989 für mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar erklärt werden (Teil VII, Nummer 3).
26 Zur Rückforderung dieser seit 1989 gewährten Beihilfe vertrat die Kommission jedoch die Auffassung, daß zwar $eine Rückzahlung der Beihilfe ab diesem Zeitpunkt mit Rücksicht auf den Standpunkt der französischen Behörden, wonach der Abzug des fraglichen Beitrags angesichts des unter Teil IV Nummer 7 erwähnten Urteils des Staatsrates [von 1962] nicht möglich war, nicht verlangt` werden sollte (vgl. oben, Randnr. 21), daß dieses Argument aber $nach dem 11. Januar 1991, als den französischen Behörden die Einleitung des Verfahrens mitgeteilt wurde, ... nicht mehr greifen` könne. Die Kommission führte ferner aus, daß sie nicht in der Lage sei, den einzuziehenden Beihilfeanteil selbst zu bestimmen, und daß sie die französische Regierung aufgefordert habe, den wiedereinzuziehenden Beihilfebetrag selbst zu ermitteln und ihr mitzuteilen (Teil VIII).
27 Bei den anderen vier Maßnahmen hielt die Kommission die Voraussetzungen für eine Anwendung des Artikels 92 Absatz 1 EG-Vertrag für nicht erfuellt.
28 Bezüglich der Beträge der nicht beanspruchten Gewinne vertrat die Kommission die Ansicht, daß sie von jeher als normale Einnahmen gegolten hätten und mithin zu den nichtöffentlichen Entnahmen gehörten. Ihre Verwendung zur Deckung insbesondere von Sozialausgaben sowie von Kontroll-, Überwachungs- und Betriebsaufwendungen, von Anreizen für die Pferdezucht und von Investitionen in Zusammenhang mit der Veranstaltung von Pferderennen und der Toto-Wetten könne folglich nicht als staatliche Beihilfe angesehen werden, da das Kriterium der Gewährung aus staatlichen Mitteln nicht erfuellt sei (Teile IV und V, Nummer 1).
29 Zur veränderten Verteilung der öffentlichen Abgaben (vgl. oben, Randnr. 16) führte die Kommission aus, daß die Steuerregelungen für Pferderennen in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fielen und daß Anpassungen der Steuersätze nach oben oder unten keine staatlichen Beihilfen darstellten, solange diese einheitlich auf alle betroffenen Unternehmen anwendbar seien. Eine staatliche Beihilfe könne nur dann vorliegen, wenn eine spürbare Senkung des Steuersatzes dazu führen würde, die finanzielle Lage eines Unternehmens in Monopolstellung zu stärken. Dies sei vorliegend nicht der Fall, da es sich bei der Herabsetzung der öffentlichen Abgaben auf Wetten im Jahre 1984 um eine begrenzte Senkung (etwa 1,6 %) gehandelt habe, die in der Folgezeit beibehalten worden sei und nicht die Finanzierung einer punktuellen Maßnahme bezweckt habe. Die französischen Behörden hätten bezweckt, die Finanzmittel der Empfänger der nichtöffentlichen Entnahmen nachhaltig zu erhöhen. Mit Rücksicht auf die besondere Situation der Begünstigten der fraglichen Maßnahme sei diese keine staatliche Beihilfe gewesen, sondern eine $Reform in Form einer durch die Eigenart und die Anlage des Systems begründeten üSteueranpassungü` (Teile IV und V, Nummer 3).
30 Bezüglich der Befreiung von der Körperschaftsteuer war die Kommission der Ansicht, daß, da der PMU $aufgrund seiner Rechtsstellung als [GIE] ... nicht der Körperschaftsteuer [unterliegt]`, in einer solchen Befreiung $eine Folge der normalen Anwendung der allgemeinen Steuerregelung zu erblicken` sei (Teil V, Nummer 4).
31 Zu den dem PMU vom Haushaltsminister mit Entscheidungen vom 24. April 1980 und vom 19. Februar 1982 in Form eines Zahlungsaufschubs für die Zahlung der öffentlichen Abgaben bewilligten Zahlungserleichterungen, die eine Zahlungsfrist von fast zwei Monaten darstellten, vertrat die Kommission die Auffassung, daß diese Erleichterungen eine kontinuierliche Zunahme des Teils der nichtöffentlichen Entnahmen seit 1981 bewirkt hätten und es sich mithin $weder um einen zeitweiligen Verzicht der staatlichen Behörden auf Finanzeinnahmen noch um eine punktuelle Maßnahme` gehandelt habe, so daß sie ebenso zu bewerten seien wie die vorgenannte Maßnahme hinsichtlich der Verteilung der Abgaben (vgl. oben, Randnr. 29) (Teile IV und V, Nummer 5)."
3 Unter diesen Umständen hat die Ladbroke Racing Ltd beim Gericht Klage auf Nichtigerklärung der streitigen Entscheidung erhoben, soweit die Kommission darin feststellt,
1. daß folgende Maßnahmen nicht in den Anwendungsbereich von Artikel 92 Absatz 1 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 87 Absatz 1 EG) fallen:
a) Zahlungserleichterungen, die es dem PMU erlauben, die Zahlung bestimmter Wettabgaben an den Staat zu verschieben;
b) die Befreiung von der Körperschaftsteuer;
c) die Befreiung von der Einkommensteuer;
d) der Verzicht auf 180 Millionen FF an Wettabgaben im Jahr 1986;
e) das Recht des PMU, nicht beanspruchte Gewinne zu behalten;
f) die Befreiung vom einmonatigen Aufschub des Vorsteuerabzugs seit 1. Januar 1989;
2. daß folgende Maßnahmen gemäß Artikel 92 EG-Vertrag mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar sind:
a) die sich auf 315 Millionen FF belaufende Abrundung der Spielgewinne auf das untere Zehntel in der Zeit von 1982 bis 1985;
b) die Befreiung vom einmonatigen Aufschub des Vorsteuerabzugs vor dem 1. Januar 1989;
c) die Freistellung vom Wohnungsbaubeitrag der Arbeitgeber vor dem 1. Januar 1989;
3. a) daß die dem PMU gewährte Beihilfe in Form der Freistellung vom Wohnungsbaubeitrag der Arbeitgeber für die Zeit vor dem 11. Januar 1991 nicht zurückzuzahlen ist;
b) daß die Kommission nicht verpflichtet ist, selbst den auf die Freistellung vom Wohnungsbaubeitrag der Arbeitgeber entfallenden Beihilfebetrag zu bestimmen, dessen Rückzahlung vom 11. Januar 1991 an sie angeordnet hat.
Das angefochtene Urteil
4 Im angefochtenen Urteil hat das Gericht festgestellt, daß es im Rahmen der Qualifizierung einer Maßnahme als staatliche Beihilfe, die nach dem EG-Vertrag sowohl der Kommission als auch den nationalen Gerichten obliege, grundsätzlich nicht gerechtfertigt sei, der Kommission einen weiten Spielraum einzuräumen, wenn keine besonderen Umstände vorlägen, die insbesondere mit der komplexen Natur der betreffenden staatlichen Maßnahme zusammenhingen. Zwar fielen das Steuerrecht und die Einführung von Steuerregelungen in die Zuständigkeit der nationalen Behörden, doch könne sich die Ausübung einer solchen Zuständigkeit unter Umständen als mit Artikel 92 Absatz 1 EG-Vertrag unvereinbar erweisen (Randnrn. 51 bis 54).
5 Im Licht dieser Erwägungen hat das Gericht erstens die drei Kriterien geprüft, anhand deren die Kommission beurteilt hatte, ob die Änderung der Verteilung der Entnahmen in den Jahren 1985 und 1986 in den Anwendungsbereich von Artikel 92 Absatz 1 EG-Vertrag fiel (Randnrn. 55 bis 66). In der angefochtenen Entscheidung heiße es nämlich zunächst, daß die fragliche Maßnahme nur eine begrenzte Senkung (um etwa 1,6 %) des Abgabensatzes darstelle, mit der nicht die finanzielle Lage eines Unternehmens in Monopolstellung gestärkt worden sei, sodann, daß sie auf Dauer angelegt gewesen sei, und schließlich, daß sie nicht bezweckt habe, eine punktuelle Maßnahme zu finanzieren, sondern "die Finanzmittel der Empfänger der nichtöffentlichen Entnahmen ... zu erhöhen" (vgl. Randnr. 51).
6 Hierzu hat das Gericht entschieden, daß die drei genannten Kriterien, wie sie im vorliegenden Fall angewandt worden seien, nicht den Schluß der Kommission hätten rechtfertigen können, daß die Senkung des Abgabensatzes ihrer Natur nach keine Beihilfe im Sinne des Artikels 92 Absatz 1 EG-Vertrag, sondern eine Reform in Gestalt einer durch die Eigenart und den Aufbau des Systems begründeten Steueranpassung gewesen sei (Randnr. 62).
7 Was zweitens die Zahlungserleichterungen betrifft, die es dem PMU erlaubten, die Zahlung bestimmter Wettabgaben aufzuschieben, so hat