Urteilskopf
118 Ib 17
3. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 11. Februar 1992 i.S. August Brändle und Mitb. gegen Käsereigenossenschaft Mosnang und Verwaltungsgericht des Kantons St. Gallen (Verwaltungsgerichtsbeschwerde).
Regeste
Art. 24 RPG; Bewilligung für einen Schweinemaststall. 1. Standortgebundenheit für den Schweinemaststall bejaht, da er in einer Bauzone in der näheren Region nicht verwirklicht werden kann und eine Lösung über eine Zonenplanrevision im vorliegenden Fall wenig sinnvoll wäre (E. 2). 2. Im Rahmen der Interessenabwägung nach Art. 24 Abs. 1 lit. b RPG sind nicht nur raumplanerische und umweltschutzrechtliche Gesichtspunkte zu berücksichtigen, sondern auch solche des Tierschutzes (E. 3).
Sachverhalt ab Seite 17
BGE 118 Ib 17 S. 17 Die Käsereigenossenschaft Mosnang beabsichtigt, einen neuen Schweinestall für 480 Mastschweine (inkl. Abräumstall und Futter- und Installationsraum) zu errichten. Die Baute soll auf der rund 300 m südlich des Dorfkerns von Mosnang liegenden Parzelle Nr. 1866 in der Landwirtschaftszone erstellt werden. Beim nächstgelegenen eingezonten Land handelt es sich um eine zweigeschossige Wohnzone. Der Neubau soll den im Dorf befindlichen, seit einem Jahr stillgelegten und baufälligen Schweinestall ersetzen. Das projektierte Gebäude ist ca. 31 m lang und 20 m breit und liegt in einem kleinen Tälchen unmittelbar an der Strasse Mosnang-Libingen. Den 480 BGE 118 Ib 17 S. 18Mastschweinen soll vor allem die aus der Käserei anfallende Schotte zweimal pro Tag verfüttert werden. Die Schotte wird gegenwärtig täglich in einem Tankwagen in die rund 50 km entfernte Milchpulverfabrik Sulgen/TG abgeführt.Gegen das Bauvorhaben erhoben August Brändle, Beat Gmür und die Erbengemeinschaft Josef Brändle Einsprache beim Gemeinderat Mosnang. Dieser wies die Einsprache am 16. Februar 1989 sowohl in öffentlich- als auch privatrechtlicher Hinsicht (Art. 684 ZGB) ab. Gleichzeitig erteilte der Gemeinderat Mosnang der Käsereigenossenschaft die Baubewilligung unter verschiedenen Auflagen und Bedingungen.August Brändle, Beat Gmür und die Erbengemeinschaft Josef Brändle gelangten hierauf erfolglos an den Regierungsrat des Kantons St. Gallen. Das in der Folge von den Einsprechern angerufene Verwaltungsgericht des Kantons St. Gallen wies die Beschwerde am 26. März 1991 ebenfalls ab. Zur Begründung führte das Gericht im wesentlich aus, es sei unbestritten, dass der geplante Schweinestall in der Landwirtschaftszone nicht zonenkonform sei. Er könne daher nur bewilligt werden, wenn die Voraussetzungen von Art. 24 Abs. 1 des Bundesgesetzes über die Raumplanung vom 22. Juni 1979 (RPG) erfüllt seien. Die positive Standortgebundenheit falle nicht in Betracht. Jedoch könne dem Betrieb die negative Standortgebundenheit zugebilligt werden, da sich die spezifischen Immissionen des geplanten Schweinemaststalles auch in einer Industriezone störend auswirken würden. Auch sonst stünden der Ausnahmebewilligung gemäss Art. 24 RPG keine Hindernisse entgegen.August Brändle, Beat Gmür und die Erbengemeinschaft Josef Brändle führen Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht. Sie beantragen, das Urteil des Verwaltungsgerichtes vom 26. März 1991 sei aufzuheben und die Baubewilligung sei zu verweigern.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
2. a) Unbestritten ist, dass das Bauvorhaben in der Landwirtschaftszone nicht zonenkonform ist, da es sich um einen bodenunabhängigen Betrieb handelt (vgl. dazu BGE 115 Ia 297 mit Hinweisen). Es ist daher eine Bewilligung gestützt auf Art. 24 RPG für Bauten und Anlagen ausserhalb der Bauzonen notwendig. Gemäss dieser Bestimmung können solche Bauten errichtet werden, BGE 118 Ib 17 S. 19wenn ihr Zweck einen Standort ausserhalb der Bauzonen erfordert (Art. 24 Abs. 1 lit. a) und wenn keine überwiegenden Interessen entgegenstehen (Art. 24 Abs. 1 lit. b). Diese beiden Voraussetzungen müssen kumulativ erfüllt sein (BGE 116 Ib 230 E. 3 mit Hinweis). Da es sich um einen Neubau handelt, kommt Art. 24 Abs. 2 RPG nicht zur Anwendung.b) Die Beschwerdeführer machen in erster Linie geltend, das Bauvorhaben sei nicht standortgebunden. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts darf die Standortgebundenheit nur dann bejaht werden, wenn eine Baute aus technischen oder betriebswirtschaftlichen Gründen oder wegen der Bodenbeschaffenheit auf einen Standort ausserhalb der Bauzone angewiesen ist (sog. positive Standortgebundenheit; BGE 116 Ib 230; BGE 115 Ib 299 E. a, je mit Hinweisen) oder wenn ein Werk wegen seiner Immissionen in Bauzonen ausgeschlossen ist (sog. negative Standortgebundenheit; BGE 115 Ib 300; BGE 114 Ib 187, BGE 111 Ib 218). Dabei beurteilen sich die Voraussetzungen nach objektiven Massstäben, und es kann weder auf die subjektiven Vorstellungen und Wünsche des Einzelnen noch auf die persönliche Zweckmässigkeit oder Bequemlichkeit ankommen (BGE 116 Ib 230; 115 Ib 300). Dass der hier zur Diskussion stehende Schweinemaststall, der bodenunabhängig betrieben wird, aus technischen oder betriebswirtschaftlichen Gründen auf einen Standort ausserhalb der Bauzone angewiesen wäre, wird von keiner Seite geltend gemacht und ist auch nicht einzusehen. Zu prüfen ist daher, ob der Schweinemaststall in einer Bauzone überhaupt sinnvoll betrieben werden könnte.c) Das Bundesgericht hat im nicht veröffentlichten Entscheid vom 21. März 1984 i.S. Hui die Meinung vertreten, für Tierheime sei die Standortgebundenheit in der Regel zu bejahen, soweit sie immissionsträchtig seien. Dieselbe Ansicht vertrat es auch in bezug auf die Behausungen von 60 Schlittenhunden (Huskies) (Urteil vom 16. Juni 1989 i.S. Schmid, in ZBl 91/1990, S. 188, E. 5b); dabei erwog es, Voraussetzung für die Standortgebundenheit sei, dass die geplante Nutzung sich in einer Bauzone nicht verwirklichen lasse. Das Bundesgericht hielt sodann fest, die Standortgebundenheit sei zu bejahen, wenn eine so intensive Beeinträchtigung der allgemeinen Siedlungsnutzung durch das Bauvorhaben erfolge, dass die betreffende Nutzung nicht oder nur unter übermässig erschwerten Bedingungen ausgeübt werden könne. Diese Voraussetzungen wurden für eine Papageienzucht sowie in zwei Fällen auch für Pferdestallungen verneint (unveröffentlichte Urteile des Bundesgerichts vom 7. April BGE 118 Ib 17 S. 201989 i.S. Messer, E. 3, vom 22. Juni 1988 i.S. Gilardoni, E. 4 und vom 27. Februar 1989 i.S. Theiler, E. 3). Das Bundesgericht hielt weiter fest, das Vorliegen einer Standortgebundenheit dürfe nicht von den konkreten planerischen Gegebenheiten abhängig gemacht werden. Es sei deshalb grundsätzlich auch ohne Belang, dass in einer bestimmten Gemeinde offensichtlich kein Bedürfnis nach einer neuen, reinen Gewerbe- oder Industriezone bestehe. Entscheidend sei lediglich, ob sich ein Bauvorhaben in keiner entsprechenden Zone verwirklichen lasse (unveröffentlichtes Urteil vom 10. Dezember 1987 i.S. Bundesamt für Raumplanung c. Beyeler, E. 2). In BGE 115 Ib 301 führt das Bundesgericht schliesslich aus, die - dort behandelte - Haltung von 80 Mutterschweinen zur jährlichen Produktion von 1400 bis 1700 Jagern in einem vollklimatisierten, gegen aussen praktisch abgeschlossenen hochmodernen Schweinestall könne nicht mit einem Tierheim verglichen werden. Ein Schweinezuchtbetrieb müsse ganz allgemein den Anforderungen der Umweltschutzgesetzgebung genügen. Die in diesem Gesetz und den Verordnungen umschriebenen Vorschriften bezweckten, eine übermässige Beeinträchtigung der Umgebung zu verhindern (Art. 1 Abs. 1 USG). Lästige Gerüche, beispielsweise aus Schweine- oder Geflügelhaltungen oder aus der Silagelagerung, seien aufgrund von Art. 11 Abs. 2 USG so weit zu begrenzen, als dies technisch und betrieblich möglich und wirtschaftlich tragbar sei. Eine erhebliche Störung der Bevölkerung in ihrem Wohlbefinden sei zu vermeiden (Art. 15 lit. b USG). Emissionsbegrenzungen baulicher und betrieblicher Art, insbesondere für geruchsintensive Massentierhaltungen, könnten aufgrund von Verordnungen oder nötigenfalls direkt gestützt auf Art. 12 USG angeordnet werden. Es bestünden somit, vor allem bei UVP-pflichtigen Anlagen, genügend rechtliche Möglichkeiten, um zu verhindern, dass von einem Schweinezuchtbetrieb in einer Industrie- oder Gewerbezone eine übermässige Belästigung der Umgebung bewirk