Urteilskopf
136 III 313
48. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. X. gegen Y. (Beschwerde in Zivilsachen)4A_122/2010 vom 26. Mai 2010
Regeste
Gratifikation; Lohnausweis; Leistungsverweigerungsrecht des Arbeitnehmers (Art. 322d sowie Art. 82 und 324 Abs. 1 OR). Wesen der Gratifikation (E. 2 Ingress). Der Lohnausweis stellt keine Schuldanerkennung dar. Ob eine Gratifikation geschuldet ist, bestimmt sich nach der zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarung (E. 2.1). Wurde das Ausrichten einer Gratifikation vereinbart, hat der Arbeitgeber diese nach billigem Ermessen festzusetzen. Die berechtigte Arbeitsverweigerung bei Zahlungsverzug bildet keinen zulässigen Herabsetzungsgrund (E. 2.2 und 2.3). Verweigert der Arbeitnehmer die Arbeitsleistung wegen eines Rückstandes bei der Zahlung der Gratifikation, besteht keine Lohnfortzahlungspflicht des Arbeitgebers (E. 2.4).
Sachverhalt ab Seite 314
BGE 136 III 313 S. 314
A. X. (Beschwerdeführer) arbeitete ab 1. Juni 2007 bei Y. (Beschwerdegegner). Ein schriftlicher Arbeitsvertrag existiert nicht. Mit Schreiben vom 22. Dezember 2007 teilte der Beschwerdeführer dem Beschwerdegegner die Einstellung der Arbeitsleistung zufolge Lohnrückstandes mit. Daraufhin kündigte der Beschwerdegegner das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 27. Dezember 2007, welches dem Beschwerdeführer am 7. Januar 2008 zugestellt wurde. Mit Klage vom 28. Mai 2008 verlangte der Beschwerdeführer vor dem Arbeitsgericht Kulm im Wesentlichen, es sei der Beschwerdegegner zu verpflichten, ihm Fr. 24'494.70 nebst Zins zu bezahlen und die gegen ihn eingeleitete Betreibung über Fr. 45'000.- zurückzuziehen. Eventuell sei diese zu löschen. Ausserdem verlangte der Beschwerdeführer Rechtsöffnung in der von ihm gegen den Beschwerdegegner angestrengten Betreibung. Der Beschwerdegegner erhob Widerklage und beantragte, den Beschwerdeführer unter Strafandrohung zu verpflichten, ordnungsgemässe Arbeitsrapporte für die Monate Juni-Dezember 2007 einzureichen und die Betreibung zurückzuziehen. BGE 136 III 313 S. 315
B. Am 2. Juni 2009 sprach das Arbeitsgericht dem Beschwerdeführer Fr. 15'744.30 nebst Zins zu, erteilte für diesen Betrag und Kosten definitive Rechtsöffnung und wies die Widerklage ab. Es wies das Betreibungsamt an, die gegen den Beschwerdeführer eingeleitete Betreibung über Fr. 45'000.- zu löschen. In teilweiser Gutheissung der Appellation des Beschwerdegegners verpflichtete das Obergericht des Kantons Aargau diesen mit Urteil vom 19. Januar 2010 zur Zahlung von Fr. 4'377.95 nebst Zins, beseitigte im Umfang von Fr. 197.90 nebst Zins den vom Beschwerdegegner erhobenen Rechtsvorschlag und auferlegte ihm, mit dem Urteil in Einklang stehende Lohnausweise auszustellen. Mit Bezug auf die Löschungsanweisung an das Betreibungsamt blieb es beim Urteil des Arbeitsgerichts.
C. Mit Beschwerde in Zivilsachen beantragt der Beschwerdeführer dem Bundesgericht im Wesentlichen, den Entscheid des Arbeitsgerichts zu bestätigen. Der Beschwerdegegner schliesst auf kostenfällige Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten sei, während das Obergericht auf Vernehmlassung verzichtet.Das Bundesgericht heisst die Beschwerde teilweise gut.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1. Zwischen den Parteien war im kantonalen Verfahren umstritten, ob der Beschwerdeführer zufolge Verzugs des Beschwerdegegners mit der Lohnzahlung zur Verweigerung der Arbeitsleistung berechtigt war, ob der Arbeitgeber nach Ablauf der Probezeit einen höheren Lohn schuldete und ob der Beschwerdeführer anteilsmässig Anspruch auf einen 13. Monatslohn beziehungsweise eine Gratifikation hat.
1.1 Beide kantonalen Instanzen stellten auf eine E-Mail vom 28. März 2007 ab, mit welcher der Beschwerdegegner die Anstellung bestätigte. Dort ist unter dem Stichwort Anfangslohn festgehalten: "Fr. 6'500.-/Mt. plus Gratifikation". Die Behauptung des Beschwerdeführers, nach Ablauf der Probezeit sei ein höherer Lohn vereinbart gewesen, erachtete bereits das Arbeitsgericht nicht für erwiesen, was im kantonalen Rechtsmittelverfahren nicht mehr streitig war. Wie das Arbeitsgericht ging auch die Vorinstanz davon aus, der Beschwerdeführer sei aufgrund der ständig verspäteten Lohnzahlungen und der massiven Verspätung bei der Bezahlung des Novemberlohns 2007 ab dem 22. Dezember 2007 bis Ende Jahr zur Arbeitsverweigerung berechtigt gewesen, da der Lohn für November 2007 erst am BGE 136 III 313 S. 31624. Dezember 2007, also innerhalb der vom 23. Dezember 2007 bis zum 5. Januar 2008 dauernden Betriebsferien, beim Beschwerdeführer eingetroffen war. Da sich der Arbeitgeber am ersten Arbeitstag (Montag, 7. Januar 2008) mit dem Dezemberlohn in Verzug befand, war nach Auffassung der Vorinstanz auch im neuen Jahr die Arbeitsverweigerung gerechtfertigt bis zur Überweisung des Dezemberlohns am 22. Januar 2008. Ab diesem Zeitpunkt hätte der Beschwerdeführer nach Auffassung der Vorinstanz seine Arbeitsleistung wieder erbringen müssen, zumal er nicht freigestellt worden sei und der in diesem Zeitpunkt noch bestehende Lohnrückstand von Fr. 197.90 keine Arbeitsverweigerung rechtfertige.
1.1.1 In diesem Punkt war das Arbeitsgericht zu einem abweichenden Ergebnis gelangt. Es ging von einem höheren Ausstand aus, da es auf den Lohnausweis 2007 abstellte, in welchem ein Nettolohn von Fr. 44'997.- ausgewiesen wurde. Dieser Betrag ist höher als die tatsächlich erfolgten Auszahlungen von sieben Monatslöhnen für die Monate Juni 2007 bis Dezember 2007. Das Arbeitsgericht schloss daraus, dem Beschwerdeführer sei eine Gratifikation zugesprochen worden. Es sah im Lohnausweis eine Schuldanerkennung und sprach dem Beschwerdeführer für das Jahr 2007 den Differenzbetrag zwischen den im Lohnausweis ausgewiesenen und den tatsächlich erfolgten Zahlungen zu. Damit verblieb auch nach Zahlung des Dezemberlohns ein substantieller Ausstand, welcher in den Augen des Arbeitsgerichts die Arbeitsverweigerung rechtfertigte.
1.1.2 Die Vorinstanz erkannte demgegenüber, beim Lohnausweis handle es sich um eine letztlich an die Steuerbehörde gerichtete Wissenserklärung, die inhaltlich falsch sein könne. Aber selbst wenn man darin auch eine an den Arbeitnehmer gerichtete Willenserklärung erblicken wollte, wäre diese nach dem Vertrauensprinzip auszulegen. Diesbezüglich entspreche der ausgewiesene Bruttolohn von Fr. 49'292.- zwar exakt dem Bruttolohn für die sieben Anstellungsmonate zuzüglich eines pro rata temporis geschuldeten 13. Monatslohns. In der E-Mail vom 28. März 2007 sei aber von einer Gratifikation die Rede. Die Gratifikation stelle grundsätzlich eine freiwillige Leistung des Arbeitgebers dar. Der Beschwerdegegner habe dem Beschwerdeführer den Dezemberlohn, mit welchem Gratifikationen häufig ausbezahlt würden, ohne Zulage ausgerichtet. Demgemäss habe der Beschwerdeführer von einem Versehen im Lohnausweis ausgehen müssen. Der Beschwerdeführer habe denn auch vor Arbeitsgericht nie behauptet, er habe den Lohnausweis als Anerkennung verstanden. BGE 136 III 313 S. 317
1.2 Vor Bundesgericht vertritt der Beschwerdeführer die Auffassung, er habe Anspruch auf Auszahlung einer Gratifikation pro rata temporis für das Jahr 2007. Er verweist darauf, der Arbeitgeber sei gegenüber dem Arbeitnehmer zur Ausstellung des Lohnausweises verpflichtet, der eine Urkunde darstelle. Zudem sei der Ausweis ausgestellt worden, nachdem dem Beschwerdegegner aufgrund eines Schreibens des Beschwerdeführers und der eingeleiteten Betreibung habe klar sein müssen, dass dieser einen anteilsmässigen 13. Monatslohn forderte. Der Beschwerdeführer verweist sodann auf Aussagen des Be