1B_419/2015 21.12.2015 - Schweizerisches Bundesgericht
Karar Dilini Çevir:
 Bundesgericht Tribunal fédéral Tribunale federale Tribunal federal        {T 0/2}    1B_419/2015               Urteil vom 21. Dezember 2015    I. öffentlich-rechtliche Abteilung   Besetzung Bundesrichter Fonjallaz, Präsident, Bundesrichter Merkli, Karlen, Eusebio, Chaix, Gerichtsschreiberin Pedretti.  Verfahrensbeteiligte A.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Roland Winiger,   gegen   Staatsanwaltschaft Zofingen-Kulm, Untere Grabenstrasse 32, Postfach 1475, 4800 Zofingen.  Gegenstand Abweisung des Gesuchs um Anordnung von Ersatzmassnahmen,  Beschwerde gegen den Entscheid vom 19. November 2015 des Obergerichts des Kantons Aargau, Beschwerdekammer in Strafsachen.    Sachverhalt:    A.  Die Staatsanwaltschaft Zofingen-Kulm führt gegen den tunesischen Staatsangehörigen A.________ eine Strafuntersuchung wegen Verdachts der mehrfachen Drohung und mehrfachen Nötigung (im Rahmen häuslicher Gewalt). Ihm wird vorgeworfen, seine von ihm getrennt lebende Ehefrau bedroht und genötigt zu haben. A.________ wurde am 24. August 2015 festgenommen und mit Entscheid des Zwangsmassnahmengerichts des Kantons Aargau einstweilen bis zum 24. November 2015 wegen Kollusions- und Wiederholungsgefahr in Untersuchungshaft versetzt. Ein von A.________ gestelltes Haftentlassungsgesuch, dem die Staatsanwaltschaft nicht entsprechen wollte, wies das Zwangsmassnahmengericht mit Entscheid vom 21. September 2015 ab. Es ging von einem ausreichend intensiven Tatverdacht aus und bejahte sowohl Flucht- wie auch Kollusionsgefahr; das Vorliegen von Wiederholungs- und Ausführungsgefahr liess es offen. Zudem befand es, es seien keine Ersatzmassnahmen von ausreichender Sicherungsqualität ersichtlich, die eine Untersuchungshaft zu ersetzen vermöchten. Insbesondere lehnte es die Anordnung einer Schriftensperre ab, da diese angesichts der erheblichen Fluchtgefahr ein Untertauchen bzw. eine Flucht nicht verhindern könne.   B.  Am 19. Oktober 2015 beantragte die Staatsanwaltschaft beim Zwangsmassnahmengericht gestützt auf Art. 227 Abs. 1 und Abs. 2 sowie Art. 237 StPO die Anordnung von Ersatzmassnahmen anstelle der bestehenden Untersuchungshaft. Im Einzelnen ging es um Folgendes:  "1. 1.1. Der Beschuldigte sei zu verpflichten, ein Antiaggressionstraining oder eine Psychotherapie auf eigene Kosten zu absolvieren.  1.2. Der Beschuldigte sei zu verpflichten, der Staatsanwaltschaft vor der Haftentlassung den gewählten Psychiater bekannt zu geben und eine Bestätigung für den ersten Behandlungstermin bzw. den Zeitpunkt der Therapieaufnahme einzureichen.  1.3. Die Staatsanwaltschaft sei zu ermächtigen, über die Eignung des gewählten Psychiaters zu entscheiden.  1.4. Der Beschuldigte sei zu verpflichten, der Staatsanwaltschaft unaufgefordert jeweils Ende des Monats einen Zwischenbericht des behandelnden Psychiaters über den Verlauf der Therapie einzureichen.  1.5. Die Staatsanwaltschaft sei zu ermächtigen, über allfällige Änderungen der aufzusuchenden Stellen (Psychiater, Therapeuten) selbstständig nach allfällig notwendiger Rücksprache mit dem Psychiater oder Therapeuten zu entscheiden.  1.6 Der Beschuldigte sei zu verpflichten, die behandelnden Ärzte, Therapeuten oder andere Fachpersonen gegenüber der Staatsanwaltschaft unwiderruflich vom Arzt- oder Berufsgeheimnis zu entbinden.  2. 2.1. Dem Beschuldigten sei bis zur Scheidung oder für die vorläufige Dauer von 6 Monaten jeglicher Kontakt (direkt, über Drittpersonen und über alle Medien) mit seiner Ehefrau B.________ zu verbieten.  2.2. Dem Beschuldigten sei zu verbieten, sich der Ehefrau B.________ mehr als 50 Meter zu nähern.  3. Der Beschuldigte sei deutlich darauf hinzuweisen, dass ein Verstoss gegen die Ersatzmassnahmen eine erneute Inhaftierung zur Folge haben kann (Art. 237 Abs. 5 StPO) und dass er für die Einhaltung der Ersatzmassnahmen verantwortlich ist und nicht seine Ehefrau.  Wie unter Ziff. 2 aufgeführt, besteht beim Beschuldigten Fluchtgefahr. Es ist daher zwingend erforderlich, dass auch diesbezüglich Ersatzmassnahmen angeordnet werden. Demnach wird die Anordnung folgender Ersatzmassnahmen beantragt.  4. 4.1. Es sei eine Ausweis- und Schriftensperre anzuordnen.  4.2. Der Beschuldigte sei zu verpflichten, sich einmal wöchentlich auf dem Polizeiposten C.________ zu melden.  Der Beschuldigte sei erst aus der Untersuchungshaft zu entlassen, wenn er bzw. sein Vertreter alle erforderlichen Unterlagen und Angaben der Staatsanwaltschaft zugestellt hat und die Verfügung der Ersatzmassnahmen rechtskräftig wurde."   C.  A.________ erklärte sich grundsätzlich mit den beantragten Ersatzmassnahmen einverstanden, verlangte aber mit Eingabe vom 22. Oktober 2015, dass in Ziff. 1.1. der Passus "auf eigene Kosten" gestrichen und eine flexiblere Rapportierungspflicht als die in Ziff. 1.4. vorgesehene angeordnet werde.   D.  Das Zwangsmassnahmengericht wies mit Verfügung vom 26. Oktober 2015 das Gesuch der Staatsanwaltschaft um Anordnung von Ersatzmassnahmen ab. Es bejahte Flucht- sowie Wiederholungsgefahr und erwog, die vorgeschlagenen Ersatzmassnahmen, mit denen der Fluchtgefahr begegnet werden sollte, seien nicht von ausreichender Sicherungsqualität. Eine Schriftensperre und eine wöchentliche Meldepflicht auf dem Polizeiposten könnten angesichts der erheblichen Fluchtgefahr nicht als geeignet erachtet werden, ein Untertauchen resp. eine Flucht zu verhindern. Insbesondere bestünden innerhalb des Schengenraums nur stichprobenweise Personenkontrollen bei den Grenzübergängen. Ebenso wenig hätten die Schweiz und Tunesien einen bilateralen Auslieferungsvertrag abgeschlossen.   E.  Die gegen diese Verfügung von A.________ erhobene Beschwerde wies das Obergericht des Kantons Aargau mit Entscheid vom 19. November 2015 ab.   F.  Mit Beschwerde in Strafsachen vom 2. Dezember 2015 gelangt A.________ an das Bundesgericht und beantragt, der Entscheid des Obergerichts sei aufzuheben und er sei, allenfalls unter Anordnung von Ersatzmassnahmen, aus der Untersuchungshaft zu entlassen. In prozessualer Hinsicht ersucht er um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung. Die Staatsanwaltschaft schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Das Obergericht verzichtet auf eine Vernehmlassung. Der Beschwerdeführer hält in der Replik an seinen Anträgen fest.    Erwägungen:    1.  Gegen den kantonal letztinstanzlichen Haftentscheid des Obergerichts steht die Beschwerde in Strafsachen offen (Art. 78 Abs. 1 i.V.m. Art. 80 Abs. 1 BGG). Der Beschwerdeführer nahm vor der Vorinstanz am Verfahren teil und ist als direkt betroffener Adressat des angefochtenen Entscheids nach Art. 81 Abs. 1 BGG zur Beschwerdeführung berechtigt. In seiner Beschwerdeschrift informiert er das Bundesgericht, dass das Zwangsmassnahmengericht inzwischen die Untersuchungshaft auf Antrag der Staatsanwaltschaft um zwei Monate bis zum 24. Januar 2016 verlängert hat. Dieser liegt somit ein neuer Hafttitel zugrunde. Ob dadurch sein aktuelles Rechtsschutzinteresses dahinfällt, kann offenbleiben, da sich die mit der Beschwerde aufgeworfene Frage jederzeit und unter gleichen oder ähnlichen Umständen wieder stellen könnte, an ihrer Beantwortung wegen ihrer grundsätzlichen Bedeutung ein hinreichendes öffentliches Interesse besteht und eine rechtzeitige bundesgerichtliche Prüfung im Einzelfall kaum je möglich wäre (vgl. BGE 135 I 79 E. 1.1 S. 81 mit Hinweis).   2.    2.1. Gemäss Art. 221 StPO ist Untersuchungshaft nur zulässig, wenn die beschuldigte Person eines Verbrechens oder Vergehens dringend verdächtig ist und ein im Gesetz genannter Haftgrund vorliegt. Überdies hat die Haft wie alle strafprozessualen Zwangsmassnahmen verhältnismässig zu sein (vgl. Art. 197 StPO) und sie darf nicht länger dauern als die zu erwartende Freiheitsstrafe (Art. 212 Abs. 3 StPO).   2.2. Der Beschwerdeführer führt zum dringenden Tatverdacht und zur Fluchtgefahr in der Beschwerdeschrift lediglich aus, man könne darüber verschiedener Meinung sein. Er stellt diese Haftgründe somit nicht substanziiert in Abrede. Indes macht er eine Verletzung des Grundsatzes der Verhältnismässigkeit geltend, da es dem Zwangsmassnahmengericht verwehrt sei, Untersuchungshaft anzuordnen, wenn die Staatsanwaltschaft lediglich Ersatzmassnahmen beantragt habe. Er beruft sich dabei insbesondere auf Art. 226 Abs. 4 lit. c StPO, wonach das Zwangsmassnahmengericht in seinem Entscheid an Stelle der Untersuchungshaft Ersatzmassnahmen anordnen kann. Dies schliesst seiner Ansicht nach die Aufrechterhaltung von Untersuchungshaft anstelle der von der Staatsanwaltschaft beantragten Ersatzmassnahmen aus. Bekräftigt wird sein Argument durch die Botschaft zur Vereinheitlichung des Strafprozessrechts. Danach hat das Zwangsmassnahmengericht nach Buchstabe c die Möglichkeit, auch ohne Antrag der Staatsanwaltschaft Ersatzmassnahmen anzuordnen; hingegen ist es ihm verwehrt, die Untersuchungshaft anzuordnen, wenn die Staatsanwaltschaft lediglich Ersatzmassnahmen beantragt hat (BBl 2006 1085, S. 1232).   3.  Zu prüfen ist somit, ob das Zwangsmassnahmengericht berechtigt war, das Gesuch der Staatsanwaltschaft um Anordnung von Ersatzmassnahmen abzulehnen und die Untersuchungshaft aufrechtzuerhalten.   3.1. Die StPO sieht hierfür keine ausdrückliche Regelung vor. Gemäss Art. 226 Abs. 4 lit. c StPO genauso wie nach Art. 227 Abs. 5 StPO kann das Zwangsmassnahmengericht anstelle von Untersuchungshaft Ersatzmassnahmen anordnen. Diesen Bestimmungen liegt somit die Vermutung zugrunde, die Staatsanwaltschaft beantrage in der Regel (nur oder zumindest im Eventualstandpunkt) Untersuchungshaft. Wie es sich jedoch im Falle eines Gesuchs der Staatsanwaltschaft allein um Anordnung von Ersatzmassnahmen verhält, lässt sich daraus nicht schliessen. Auch nich

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