Bundesgericht Tribunal fédéral Tribunale federale Tribunal federal {T 0/2} 6B_8/2014 Urteil vom 22. April 2014 Strafrechtliche Abteilung Besetzung Bundesrichter Mathys, Präsident, Bundesrichter Oberholzer, Rüedi, Gerichtsschreiber Näf. Verfahrensbeteiligte X.________, vertreten durch Rechtsanwalt Markus Peyer, Beschwerdeführer, gegen 1. Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich, Florhofgasse 2, 8001 Zürich, 2. A.________, vertreten durch Ueli Grüter und Céline Schwarzenbach, Rechtsanwälte, Beschwerdegegnerinnen. Gegenstand Üble Nachrede, Entlastungsbeweis; Willkür, Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, I. Strafkammer, vom 4. November 2013. Sachverhalt: A. In der Druckausgabe der Zeitung "Tages-Anzeiger" erschien in der Rubrik "Hintergrund" unter der Überschrift "Die eingebildete Astronautin" ein von X.________ verfasster Artikel. Im Ingress wird ausgeführt: "Eine Schweizerin erobert als Nasa-Mitarbeiterin die Titelseiten, tritt als Promi im 'Samschtig-Jass' auf und parliert mit Kurt Aeschbacher. Weil ihre Geschichte so gut ist, fragt keiner genau nach. Ein Fehler." Im Zeitungsartikel wird berichtet, dass sich die Journalisten ernsthaft für die junge Frau zu interessieren begannen, die scheinbar lebte, was alle andern nur träumten. Die "Schweizer Illustrierte" habe geschrieben, A.________ habe ein "Nasa-Astronauten-Camp besucht" und beim Basteln einer Miniaturrakete eine derart gute Falle gemacht, dass "die Nasa-Leute anerkennend genickt" hätten. Am Ende des "Astronauten-Camps" sei eine dreistündige Mission im Space-Shuttle-Simulator auf dem Programm gestanden. Die "Schweizer Illustrierte" habe A.________ mit den Worten zitiert: "Die Nasa-Leute lobten mich: Noch nie habe ein Weltall-Neuling eine Mission derart perfekt gemeistert." Im Zeitungsartikel im "Tages-Anzeiger" wird berichtet, danach habe es für Schweizer Journalisten kein Halten und schon gar kein Innehalten mehr gegeben. Man habe "unsere Frau bei der Nasa" (so der "Blick") gerne gebucht, und A.________ habe gerne zugesagt. Sie sei unter anderem im Schweizer Fernsehen als Promi-Jasserin im "Samschtig-Jass" und als angehende Astronautin bei "Aeschbacher" aufgetreten. Allein in den Printmedien sei ihre Geschichte über 60-mal erschienen. Im Artikel wird weiter berichtet, A.________ habe sich auf einem Plakat für ein Benefiz-Konzert unter dem Patronat von Micheline Calmy-Rey als "Astrophysikerin, Nasa-Mitarbeiterin" aufführen lassen. An der Universität Zürich habe sie einen Vortrag gehalten unter dem Titel "Ich will ins Weltall - Mein Weg von der Uni zur Nasa". Danach habe sie verkündet, sie trete nun ihren Job als "Instruktorin im Nasa Education Center" in Huntsville, Alabama, an. Im Zeitungsartikel wird berichtet, ein kleiner Schönheitsfehler in den Ausführungen von A.________ habe stutzig gemacht. Ein "Nasa Education Center" gebe es nicht. Dies hätten ein paar Telefonanrufe in den USA klargemacht. Alle hätten sich von A.________ an der Nase herumführen lassen. Zwar sei diese sowohl 2009 als auch 2010 in Huntsville, Alabama, gewesen, aber nicht an einem Nasa Education Center, sondern am U.S. Space and Rocket Center (Spacecenter). Dieses stehe zwar auf dem gleichen Gelände wie das Nasa Marshall Space Flight Center, habe damit aber nicht viel zu tun. Das Spacecenter sei, wie das Verkehrshaus in Luzern, eine Einrichtung, in der Schüler für die Naturwissenschaften begeistert werden sollen. Auf demselben Gelände befinde sich auch ein Educators Resource Center der Nasa. Dieses stelle dem Spacecenter aber nur Material und Infrastruktur für Führungen und Kurse zur Verfügung. Der Sprecher des Spacecenter habe betont, es gebe keine Nasa-Instruktoren beim Spacecenter. A.________ sei nicht als Instruktorin angestellt, weder jetzt noch künftig, weder von der Nasa noch vom Spacecenter. Sie habe sich für den Sommerkurs gemeldet als Volunteer Instructor, als freiwillige Instruktorin, und keinen Lohn erhalten. Es habe sie seines Wissens auch nie jemand aufgefordert, sich für das Astronautenprogramm der Nasa zu bewerben. In der Folge schreibt X.________ in seinem Zeitungsartikel: "Als Steigbügelhalter für ihre kurze Karriere als Hochstaplerin nutzte A.________ das Staatssekretariat für Bildung und Forschung (SBF). Eine ihrer Schülerinnen gewann den jährlichen Wissenschaftswettbewerb des SBF. Der 1. Preis war eine Woche Sommercamp im Spacecenter. A.________ durfte als Lehrerin mitfliegen. Vor ihrem Abflug gab sie noch ein Interview zusammen mit ihrer Schülerin, nach der Rückkehr redete sie hauptsächlich von sich und ihrem Job bei der Nasa." A.________, die ihr Studium mit einer Bachelor-Arbeit zu Gravitationslinsen abgeschlossen habe, sei schon bald als "Astrophysikerin" bekannt gewesen, habe als IWC-Botschafterin fungiert, mit dem US-Botschafter diniert, für Tischtennisbälle, Flüge ins Weltall und vor allem für sich selbst geworben. X.________ schreibt, dass A.________ heute gegenüber dem "Tages-Anzeiger" alles als ein grosses Missverständnis bezeichne. Man habe ihr immer gesagt, sie sei in einer Nasa-Einrichtung. Dass sie keine Anstellung und keinen Lohn erhalten habe, sei ein Visa-Problem gewesen. Dass man ihr eine Vergütung für das Engagement als Instruktorin am Spacecenter in Aussicht gestellt habe (9.50 Dollar pro Stunde), könne sie mit einem E-Mail tatsächlich nachweisen. Doch Briefe und einen Arbeitsvertrag mit Nasa-Logo, die sie "ganz sicher erhalten" habe, finde sie nicht mehr. Der Journalist schreibt: "Den 'Blick' und '20Minuten' will sie wiederholt darauf hingewiesen haben, sie nicht mit der Nasa in Zusammenhang zu bringen." Er zitiert A.________ mit den Worten: "Es ist so viel geschrieben worden. Ich konnte das nicht mehr alles kontrollieren." Abschliessend fragt sich der Journalist im Zeitungsartikel, warum es A.________ "viel zu weit" getrieben habe. Erkundigungen in der Schweizer Astronomenszene zeigten, dass sie einen guten Ruf geniesse. Viele hätten von den Vorträgen von A.________ geschwärmt, bei denen sie das Himmelsgeschehen live vom Teleskop auf die Leinwand übertrage. Sie habe auf Anregung von Bundesrat Couchepin SBF-Gelder für die Durchführung eines Astronomietages erhalten. Diesen halte sie auch in diesem Jahr ab. Der Journalist fragt sich, ob A.________ ihr Leben als Bachelor-Studentin und Lehrerin zu wenig aufregend gefunden habe und einfach einen Bekanntheitsgrad habe erreichen wollen, den ihr Sponsoren mit einem richtigen Flug ins All vergüten würden. Man wisse es nicht, von ihr erfahre man es nicht. B. Mit Eingabe vom 17. November 2010 reichte A.________ als Privatstrafklägerin gemäss der damals geltenden zürcherischen Strafprozessordnung beim Bezirksgericht Zürich gegen X.________ und Unbekannt Ehrverletzungsklage ein mit den Anträgen, die Beklagten seien wegen übler Nachrede (Art. 173 StGB) und Verleumdung (Art. 174 StGB), eventuell wegen Beschimpfung (Art. 177 StGB) zu bestrafen. Am 14. Juni 2012 reichte A.________ endgültige Anklage im Sinne von § 303 Abs. 1 aStPO/ZH ein. Sie beantragte, X.________ sei wegen Verleumdung (Art. 174 StGB), übler Nachrede (Art. 173 StGB), eventualiter Beschimpfung (Art. 177 StGB) zu bestrafen. C. C.a. Das Bezirksgericht Zürich, 10. Abteilung, sprach X.________ mit Urteil vom 24. Oktober 2012 der üblen Nachrede im Sinne von Art. 173 Ziff. 1 StGB schuldig und bestrafte ihn mit einer Geldstrafe von 75 Tagessätzen zu Fr. 90.--, bedingt vollziehbar bei einer Probezeit von zwei Jahren. X.________ beantragte mit Berufung, er sei freizusprechen. Die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich verzichtete auf einen Antrag. A.________ beantragte die Bestätigung des bezirksgerichtlichen Entscheids. C.b. Das Obergericht des Kantons Zürich, I. Strafkammer, sprach X.________ am 4. November 2013 der üblen Nachrede im Sinne von Art. 173 Ziff. 1 StGB schuldig und bestrafte ihn mit einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu Fr. 90.--, bedingt vollziehbar bei einer Probezeit von zwei Jahren. D. X.________ führt Beschwerde in Strafsachen mit den Anträgen, er sei vom Vorwurf der üblen Nachrede (Art. 173 Ziff. 1 StGB) freizusprechen, eventualiter sei das Urteil des Obergerichts vom 4. November 2013 aufzuheben und die Sache zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Erwägungen: 1. Die Beschwerdegegnerin 2 richtete ihre endgültige Anklage einzig gegen den Beschwerdeführer und nicht auch gegen Unbekannt. Die erste Instanz ging gestützt auf die Aussagen des Beschwerdeführers und in Anwendung der Maxime "in dubio pro reo" davon aus, dass die Überschrift "Die eingebildete Astronautin" nicht vom Beschwerdeführer verfasst worden war. Die Beschwerdegegnerin 2 focht dies im Berufungsverfahren nicht an. Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist damit einzig die Bezeichnung der Beschwerdegegnerin 2 als "Hochstaplerin" in dem vom Beschwerdeführer verfassten Zeitungsartikel. Zu prüfen ist, ob der Beschwerdeführer dadurch den Tatbestand der üblen Nachrede im Sinne von Art. 173 Ziff. 1 StGB erfüllte und ob er gegebenenfalls den Entlastungsbeweis in der Form des Wahrheits- oder des Gutglaubensbeweises erbracht hat. 2. Gemäss Art. 173 Ziff. 1 Abs. 1 StGB wird, auf Antrag, wegen übler Nachrede mit Geldstrafe bis zu 180 Tagessätzen bestraft, wer jemanden bei einem andern eines unehrenhaften Verhaltens oder anderer Tatsachen, die geeignet sind, seinen Ruf zu schädigen, beschuldigt oder verdächtigt. 2.1. Die Ehrverletzungstatbestände gemäss Art. 173 ff. StGB schützen nach ständiger Rechtsprechung den Ruf, ein ehrbarer Mensch zu sein, d.h. sich so zu benehmen, wie nach allgemeiner Anschauung ein charakterlich anständiger Mensch sich zu verhalten pflegt. Äusserungen, die sich lediglich eignen, jemanden in anderer Hinsicht, zum Beispiel als Geschäfts- oder Berufsmann, als Politiker oder Künstler in der gesellschaftlichen Geltung herabzusetzen, sind nicht ehrverletzend im Sinne von Art. 173 ff. StGB. Voraussetzung ist aber, dass die Kritik an den strafrechtlich nicht geschützten Seiten des Ansehens nicht zugleich die Geltung der Person als ehrbarer Mensch trifft (BGE 119 IV 44 E. 2a; 117 IV 27 E. 2c; je mit Hinweisen; Urteil 6B_333/2008 vom 9. März 2009 E. 1.1, in sic! 6/2009 S. 442). Welcher Sinn einer Äusserung zukommt, ist eine Rechtsfrage. Bei Äusserungen in Presseerzeugnissen ist auf den Eindruck des unbefangenen Durchschnittslesers mit durchschnittlichem Wissen und gesunder Urteilskraft abzustellen. Dabei ist die Äusserung in dem für den Leser erkennbaren Gesamtzusammenhang zu würdigen (BGE 131 IV 160 E. 3.3; 117 IV 27 E. 2c; je mit Hinweisen). Gegenstand eines Strafverfahrens wegen übler Nachrede sind Tatsachenbehauptungen, nicht ein Gesamtbild, welches durch mehrere Tatsachenbehauptungen gezeichnet wird. Ein solches Gesamtbild kann aber für die Auslegung der einzelnen eingeklagten Äusserungen im Gesamtzusammenhang von Bedeutung sein (BGE 124 IV 162 E. 3b zu Art. 23 i.V.m. Art. 3 lit. a UWG betreffend unrichtige, irreführende und unnötig verletzende Äusserungen; Urteil 6B_333/2008 vom 9. März 2009 E. 1.2, in sic! 6/2009 S. 442). 2.2. 2.2.1. Das Bundesgericht erwog im Urteil 6B_648/2011 vom 30. Dezember 2011 (E. 3.3), die Vorinstanz qualifiziere die inkriminierte Äusserung "hochverschuldeter Hochstapler" zu Recht als ehrverletzend, da sie geeignet sei, den Ruf und das Gefühl des Betroffenen, ein ehrbarer Mensch zu sein, zu beeinträchtigen, was der Beschuldigte denn auch nicht in Abrede stelle. Es definierte in einer Klammerbemerkung (E. 3.3) das hochstaplerische Verhalten als Vortäuschen einer besonderen Fähigkeit, einer besonderen Ausbildung oder Funktion, die in Tat und Wahrheit nicht gegeben sei, womit es im Wesentlichen eine Umschreibung der Vorinstanz übernahm. Es erkannte unter Hinweis auf BGE 77 IV 168, die Bezeichnung eines Menschen als Hochstapler sei bereits für sich ehrverletzend (E. 3.5), weshalb offenbleiben könne, ob der Beschuldigte den Betroffenen in guten Treuen als "hochverschuldet" bezeichnen durfte. Das Bundesgericht führte in der nicht publizierten Erwägung 1 von BGE 77 IV 168 aus, Hochstapler im engeren Sinne sei ein weltmännisch auftretender Betrüger, der sich auf Kosten anderer ein luxuriöses Leben verschafft. Im weiteren Sinne kennzeichne das Wort aber auch einen Menschen, der über seinen Verhältnissen, insbesondere auf hohem Fusse, lebt, ohne Vermögen zu haben und ohne solide Arbeit zu leisten. Das Bundesgericht ging ohne weiteres davon aus, dass die Bezeichnung eines andern als Hochstapler im einen wie im andern Sinne ehrverletzend ist. 2.2.2. Ein Hochstapler ist gemäss Brockhaus Enzyklopädie (21. Aufl. 2006) ursprünglich: