Tribunale federale Tribunal federal {T 7} U 394/06 Urteil vom 19. Februar 2008 I. sozialrechtliche Abteilung Besetzung Bundesrichter Ursprung, Präsident, Bundesrichterin Widmer, Bundesrichter Lustenberger, Bundesrichterin Leuzinger, Bundesrichter Frésard, Gerichtsschreiber Lanz. Parteien Allianz Suisse Versicherungs-Gesellschaft, Hohlstrasse 552, 8048 Zürich, Beschwerdeführerin, gegen 1. M.________, vertreten durch Advokatin Dr. Dorrit Freund, Nonnenweg 19, 4009 Basel, 2. Assura Kranken- und Unfallversicherung, Freiburgstrasse 370, 3018 Bern, Beschwerdegegnerinnen. Gegenstand Unfallversicherung, Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid des Kantonsgerichts Basel-Landschaft vom 7. April 2006. Sachverhalt: A. Die 1948 geborene M.________ war ab Juni 1991 als Pflegemitarbeiterin/Nachtwach-Hilfe im Alters- und Pflegeheim X.________ angestellt und dadurch bei der Berner Allgemeine Versicherungs-Gesellschaft (nachfolgend: Berner) obligatorisch gegen Unfallfolgen versichert. Am 24. Oktober 2000 verlor M.________, als sie im Wald auf einem liegenden Baumstamm stand, um Efeu von einem stehenden Baum zu schneiden, das Gleichgewicht und stürzte mehrere Meter eine Böschung hinunter in ein Bachbett, wo sie, nach einer Bewusstlosigkeit unbekannter Dauer, wieder zu sich kam. Im notfallmässig aufgesuchten Kantonsspital Y.________ wurden eine Distorsion der Halswirbelsäule (HWS) und eine commotio cerebri diagnostiziert, und es wurde eine volle Arbeitsunfähigkeit bestätigt. M.________ war vom 24. bis 26. Oktober und erneut vom 29. Oktober bis 13. Dezember 2000 im Kantonsspital Y.________ hospitalisiert. Anschliessend hielt sie sich bis 20. Januar 2001 in der Rehaklinik Z.________ auf. Die Berner gewährte Heilbehandlung und richtete ein Taggeld aus. Mit Verfügung vom 20. Oktober 2003 setzte die Allianz Suisse Versicherungs-Gesellschaft (nachfolgend: Allianz) als Rechtsnachfolgerin der Berner den Taggeldanspruch ab 24. Juli 2002 auf 60 % herab, da die Arbeitsunfähigkeit, so argumentierte sie, ab diesem Zeitpunkt höchstens noch in diesem Umfang der Unfallversicherung anzulasten und im Übrigen mit vorbestandenen Krankheiten zu erklären sei; die unfallbedingte Heilbehandlung werde weiter übernommen. Hiegegen erhob M.________ Einsprache. Mit Verfügung vom 3. Dezember 2004 verneinte die Allianz rückwirkend ab 24. Juli 2002 nunmehr jeglichen weiteren Leistungsanspruch, da die darüber hinaus bestandenen Gesundheitsbeschwerden nicht in einem adäquaten Kausalzusammenhang zum Unfall vom 24. Oktober 2000 stünden. Sie erklärte zudem, auf eine Rückforderung der über den 24. Juli 2002 hinaus bereits erbrachten Leistungen zu verzichten. Mit Schreiben vom gleichen Tag eröffnete sie M.________ überdies, dass aufgrund der verfügten rückwirkenden Leistungseinstellung die den Taggeldanspruch betreffende Verfügung vom 20. Oktober 2003 und die dagegen geführte Einsprache gegenstandslos geworden seien, weshalb das Einspracheverfahren als erledigt abgeschrieben werde. Gegen die Verfügung vom 3. Dezember 2004 erhoben M.________ und die Assura Kranken- und Unfallversicherung (nachfolgend: Assura) als ihr obligatorischer Krankenpflegeversicherer je Einsprache. Die Allianz hielt an der Verfügung fest (Einspracheentscheid vom 9. September 2005). B. M.________ und die Assura erhoben je Beschwerde mit dem übereinstimmenden Rechtsbegehren, der Einspracheentscheid vom 9. September 2005 sei aufzuheben und die Allianz sei zu verpflichten, auch nach dem 24. Juli 2002 die gesetzlichen Leistungen zu gewähren. M.________ beantragte überdies, die unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit sei auf 100 % festzusetzen. Das Kantonsgericht Basel-Landschaft vereinigte die Verfahren. Mit Entscheid vom 7. April 2006 hob es in Gutheissung der Beschwerden den Einspracheentscheid vom 9. September 2005 auf und verhielt die Allianz dazu, die gesetzlichen Leistungen über den 24. Juli 2002 hinaus zu erbringen. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Unfallversicherer habe die Adäquanz zu früh geprüft. C. Die Allianz führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Rechtsbegehren, der kantonale Entscheid sei aufzuheben. M.________ und die Assura beantragen je die Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das Bundesamt für Gesundheit verzichtet auf eine Vernehmlassung. Mit Eingabe vom 25. Januar 2007 nimmt die Allianz nochmals Stellung. Erwägungen: 1. Am 1. Januar 2007 ist das Bundesgesetz über das Bundesgericht vom 17. Juni 2005 (BGG; SR 173.110) in Kraft getreten (AS 2006 1205, 1243). Damit wurden das Eidgenössische Versicherungsgericht und das Bundesgericht in Lausanne zu einem einheitlichen Bundesgericht (an zwei Standorten) zusammengefügt (Seiler/von Werdt/Güngerich, Bundesgerichtsgesetz [BGG], Bern 2007, S. 10 Rz. 75). Dieses Gesetz ist auf die nach seinem Inkrafttreten eingeleiteten Verfahren des Bundesgerichts anwendbar, auf ein Beschwerdeverfahren jedoch nur dann, wenn auch der angefochtene Entscheid nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes ergangen ist (Art. 132 Abs. 1 BGG). Da der kantonale Gerichtsentscheid am 7. April 2006 und somit vor dem 1. Januar 2007 erlassen wurde, richtet sich das Verfahren nach dem bis 31. Dezember 2006 in Kraft gestandenen Bundesgesetz über die Organisation der Bundesrechtspflege (OG) vom 16. Dezember 1943 (vgl. BGE 132 V 393 E. 1.2 S. 395). 2. 2.1 Das kantonale Gericht hat im angefochtenen Entscheid die Bestimmungen über die Leistungspflicht des obligatorischen Unfallversicherers bei Berufsunfällen, Nichtberufsunfällen und Berufskrankheiten (Art. 6 Abs. 1 UVG), über den Anspruch auf Heilbehandlung (Art. 10 Abs. 1 UVG), auf Taggeld (Art. 16 Abs. 1 UVG) und auf eine Invalidenrente (Art. 18 Abs. 1 UVG) richtig wiedergegeben. Gleiches gilt für die Grundsätze über den für einen Leistungsanspruch nebst anderem erforderlichen natürlichen Kausalzusammenhang zwischen dem Unfall und dem eingetretenen Schaden (Krankheit, Invalidität, Tod; BGE 129 V 177 E. 3.1 S. 181 mit Hinweisen). Ebenfalls zutreffend dargelegt ist die Rechtsprechung über den zusätzlich zum natürlichen Kausalzusammenhang erforderlichen adäquaten Kausalzusammenhang. Danach spielt im Sozialversicherungsrecht die Adäquanz als rechtliche Eingrenzung der sich aus dem natürlichen Kausalzusammenhang ergebenden Haftung des Unfallversicherers im Bereich organisch objektiv ausgewiesener Unfallfolgen praktisch keine Rolle, da sich hier die adäquate weitgehend mit der natürlichen Kausalität deckt (BGE 127 V 102 E. 5b/bb S. 103 mit Hinweisen). Anders verhält es sich bei natürlich unfallkausalen, aber organisch nicht objektiv ausgewiesenen Beschwerden. Hier ist bei der Beurteilung der Adäquanz vom augenfälligen Geschehensablauf auszugehen, und es sind je nachdem weitere unfallbezogene Kriterien einzubeziehen (BGE 117 V 359 E. 6 S. 366 ff. und 369 E. 4 S. 382 ff., 115 V 133 E. 6 S. 138 ff.). Bei psychischen Fehlentwicklungen nach Unfall werden diese Adäquanzkriterien unter Ausschluss psychischer Aspekte geprüft (BGE 115 V 133 E. 6c/aa S. 140), während bei Schleudertraumen (BGE 117 V 359 E. 6a S. 367) und äquivalenten Verletzungen der HWS (SVR 1995 UV Nr. 23 S. 67 E. 2) sowie Schädel-Hirntraumen (BGE 117 V 369 E. 4b S. 383) auf eine Differenzierung zwischen physischen und psychischen Komponenten verzichtet wird (vgl. zum Ganzen auch BGE 127 V 102 E. 5b/bb S. 103 und SVR 2007 UV Nr. 8 S. 27, E. 2 ff., U 277/04, je mit Hinweisen). 2.2 Zu ergänzen ist, dass sich der zu beurteilende Sachverhalt vor dem Inkrafttreten des Bundesgesetzes über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) am 1. Januar 2003 ereignet hat. Damit sind die materiellrechtlichen Bestimmungen dieses Erlasses (zur sofortigen Anwendbarkeit der formellrechtlichen Normen: BGE 130 V 1 E. 3.2 S. 4 mit Hinweisen) nicht anwendbar (RKUV 2005 Nr. U 536 S. 57, U 126/04). Das ATSG hat im Übrigen nicht zu einer inhaltlichen Änderung der für die Beurteilung massgeblichen Bestimmungen und Grundsätze geführt. Das nachfolgend Gesagte gilt daher auch unter der Herrschaft des ATSG. 3. 3.1 Während die Allianz in ihrem Einspracheentscheid in Anwendung der für psychische Fehlentwicklungen nach Unfall geltenden Grundsätze einen adäquaten Kausalzusammenhang zwischen dem Unfall und den persistierenden Beschwerden verneint hatte, folgte die Vorinstanz in ihrem Urteil der Auffassung der Versicherten, die Allianz habe den adäquaten Kausalzusammenhang verfrüht beurteilt und damit den Fall zu früh abgeschlossen. Diese Prüfung sei erst nach Abschluss des normalen unfallbedingten Heilungsprozesses vorzunehmen. Solange von der Fortsetzung der ärztlichen Behandlung eine Besserung des Gesundheitszustandes erwartet werden könne, sei es dem Unfallversicherer verwehrt, die Adäquanzprüfung vorzunehmen und damit den Fallabschluss herbeizuführen. Im vorliegenden Fall sei ein somatisches "Verbesserungspotenzial" vorhanden, und es bestehe hinsichtlich der psychischen Beschwerden eine "Behandlungsbedürftigkeit". 3.2 Da das Gericht in jüngerer Zeit öfters mit Entscheidungen unterer Instanzen, die eine verfrühte Adäquanzprüfung bejahten, befasst wird und selbst Entscheide dieses Inhalts erlassen hat (vgl. etwa BGE 130 V 380 E. 2.3.1 S. 384 mit Hinweis; Urteile U 254/06 vom 6. März 2007, E. 6.1, U 11/06 vom 12. Oktober 2006, E. 4.1, U 380/04 vom 15. März 2005, in RKUV 2005 Nr. U 549 S. 236 nicht veröffentlichte E. 4.2, und U 246/03 vom 11. Februar 2004, zusammengefasst und kommentiert in HAVE 2004 S. 119, E. 2.4 mit weiteren Hinweisen), erscheint es als geboten, vorweg die Frage zu prüfen, in welchem Zeitpunkt der Unfallversicherer einen Fall abschliessen darf. Wenn davon gesprochen wird, die Adäquanzprüfung sei zu früh erfolgt, so erschwert dies das Verständnis insofern, als der Eindruck erweckt wird, die Adäquanzprüfung sei die Prüfung einer Rechtsfrage besonderer Art. Dabei handelt es sich um eine Rechtsfrage nebst anderen Rechtsfragen im Zusammenhang mit der Prüfung der Leistungsansprüche. Zu fragen ist nicht danach, in welchem Zeitpunkt die Adäquanzprüfung vorgenommen werden darf, sondern wann der Unfallversicherer einen Fall abzuschliessen hat. Beim Abschluss hat er den Anspruch auf eine Invalidenrente und eine Integritätsentschädigung zu prüfen. 4. Die Auslegung der einschlägigen Bestimmungen des Unfallversicherungsgesetzes ergibt diesbezüglich eine klare und in sich geschlossene Ordnung. 4.1 Der Dritte Titel des Gesetzes behandelt die Versicherungsleistungen. Das erste Kapitel dieses Titels ist den Pflegeleistungen und Kostenvergütungen, das zweite Kapitel den Geldleistungen und das dritte Kapitel deren Kürzung und Verweigerung aus besonderen Gründen gewidmet. Kerngehalt der Pflegeleistungen bildet die Heilbehandlung in Art. 10 UVG. Diese zählt wie das in Art. 16 f. UVG geregelte Taggeld und anders als etwa die als klassische Dauerleistung geltende Invalidenrente gemäss Art. 18 ff. UVG zu den vorübergehenden Leistungen (vgl. BGE 133 V 57 E. 6.6 und 6.7 S. 63 ff. mit Hinweisen). Bis zu welchem Zeitpunkt Heilbehandlung und Taggeld durch den Unfallversicherer zu gewähren ist, kann dem ersten Kapitel nicht entnommen werden. Dieser Zeitpunkt ergibt sich indessen aus Art. 19 UVG des zweiten Kapitels über Beginn und Ende der Invalidenrente, die, sofern die Voraussetzungen für deren Ausrichtung erfüllt sind, den vorübergehenden Leistungen folgt. Danach entsteht der Rentenanspruch, wenn von der Fortsetzung der ärztlichen Behandlung keine namhafte Besserung des Gesundheitszustandes des Versicherten mehr erwartet werden kann und allfällige Eingliederungsmassnahmen der Invalidenversicherung abgeschlossen sind (Abs. 1 erster Satz). Mit dem Rentenbeginn fallen die Heilbehandlung und die Taggeldleistungen dahin (Abs. 1 zweiter Satz; vgl. auch Art. 16 Abs. 2 zweiter Satz UVG, wo dies für den Taggeldanspruch nochmals statuiert wird). Nach konstanter Rechtsprechung heisst dies, der Versicherer hat - sofern allfällige Eingliederungsmassnahmen der Invalidenversicherung abgeschlossen sind - die Heilbehandlung (und das Taggeld) nur solange zu gewähren, als von der Fortsetzung der ärztlichen Behandlung noch eine namhafte Besserung des Gesundheitszustandes erwartet werden kann. Trifft dies nicht mehr zu, ist der Fall unter Einstellung der vorübergehenden Leistungen mit gleichzeitiger Prüfung des Anspruchs auf eine Invalidenrente und auf eine Integritätsentschädigung abzuschliessen (vgl. BGE 133 V 57 E. 6.6.2 S. 64, 128 V 169 E. 1b S. 171 mit Hinweisen, 116 V 41 E. 2c S. 44; RKUV 1995 Nr. U 227 S. 190 E. 2a; Urteil U 244/04 vom 20. Mai 2005, in RKUV 2005 Nr. U 557 S. 388 nicht veröffentlichte E. 2; siehe auch RKUV 2006 Nr. U 571 S. 82, U 294/04). 4.2 Nahtlos an diese Regelung schliesst sich Art. 21 Abs. 1 UVG an. Danach soll Heilbehandlung - wie die übrigen Pflegeleistungen und die Kostenvergütungen - nach Festsetzung der Rente durch den Unfallversicherer nur unter besonderen Voraussetzungen gewährt werden, so bei Berufskrankheit (lit. a), bei Rückfall oder Spätfolgen zur wesentlichen Besserung oder Bewahrung vor wesentlicher Beeinträchtigung der Erwerbsfähigkeit (lit. b), zur Erhaltung der verbleibenden Erwerbsfähigkeit (lit. c) und zur wesentlichen Verbesserung oder zur Bewahrung vor wesentlicher Beeinträchtigung des Gesundheitszustandes im Falle der Erwerbsunfähigkeit (lit. d). Im dazwischen liegenden Bereich, nämlich wenn einerseits von der Fortsetzung der ärztlichen Behandlung keine namhafte Besserung im Sinne von Art. 19 Abs. 1 UVG mehr erwartet werden kann und anderseits die Voraussetzungen von Art. 21 Abs. 1 UVG nicht erfüllt sind, hat der Unfallversicherer keine Heilbehandlung mehr zu übernehmen. An seine Stelle tritt der obligatorische Krankenpflegeversicherer. 4.3 Was unter einer namhaften Besserung des Gesundheitszustandes des Versicherten ("une sensible amélioration de l'état de l'assuré", "un sensibile miglioramento della salute dell'assicurato" in der französischen resp. italienischen Textfassung des Art. 19 Abs. 1 UVG) zu verstehen ist, umschreibt das Gesetz nicht näher. Mit Blick darauf, dass die soziale Unfallversicherung ihrer Konzeption nach auf die erwerbstätigen Personen ausgerichtet ist (vgl. etwa Art. 1 [seit 1. Januar 2003 Art. 1a mit unverändertem Wortlaut] und Art. 4 UVG), wird sich dies namentlich nach Massgabe der zu erwartenden Steigerung oder Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit, soweit unfallbedingt beeinträchtigt, bestimmen. Dabei verdeutlicht die Verwendung des Begriffes "namhaft" durch den Gesetzgeber, dass die durch weitere Heilbehandlung zu erwartende Besserung ins Gewicht fallen muss. Unbedeutende Verbesserungen genügen nicht (vgl. Urteile U 244/04 vom 20. Mai 2005, in RKUV 2005 Nr. U 557 S. 388 nicht veröffentlichte E. 2, und U 412/00 vom 5. Juli 2001, E. 2a; Maurer, Schweizerisches Unfallversicherungsrecht, 2. Aufl., Bern 1989, S. 274). 5. Der Grundsatz, dass der Unfallversicherer nur solange Heilbehandlung und Taggeld zu gewähren hat, als von der ärztlichen Behandlung eine namhafte Besserung des Gesundheitszustandes zu erwarten ist, steht insofern in einem Spannungsverhältnis zur Praxis betreffend die Adäquanzprüfung im Bereich der organisch nicht objektiv ausgewiesenen Beschwerden nach Unfall, als danach mehrere Kriterien massgebend sein können, deren Erfüllung von der Zeitkomponente "Dauer" abhängt. Dies trifft auf die Kriterien der ungewöhnlich langen Dauer der ärztlichen Behandlung, der Dauerbeschwerden resp. Dauerschmerzen sowie des Grades und der Dauer der Arbeitsunfähigkeit (BGE 117 V 359 E. 6a S. 367, 369 E. 4b S. 383, 115 V 133 E. 6c/aa S. 140) zu. Je länger der Sachverhalt, der den einzelnen Kriterien zugrunde liegt, dauert, desto eher sind diese bei der Adäquanzprüfung als erfüllt anzusehen. Es verwundert daher nicht, dass Versicherte, wie das Bundesgericht in letzter Zeit vermehrt feststellen konnte, dem Abschluss ihres Falles mit der Begründung opponieren, die Adäquanz sei mit Blick auf die dauerbezogenen Kriterien zu früh geprüft worden. Vor diesem Hintergrund sind auch die vorerwähnten Gerichtsentscheide (E. 3.2) zu sehen. Dieses Spannungsverhältnis erfordert eine Überprüfung der Rechtsprechung zur Kausalitätsbeurteilung bei organisch nicht objektiv ausgewiesenen Beschwerden. 6. 6.1 Bei den psychischen Fehlentwicklungen nach Unfall (sog. Psycho-Praxis, BGE 115 V 133) besteht diesbezüglich kein Handlungsbedarf. Die hier bei der Adäquanzprüfung einzig zu berücksichtigenden physischen Komponenten (BGE 115 V 133 E. 6c/aa S. 140; vgl. auch BGE 117 V 359 E. 6a in fine S. 367; E. 2.1 hievor) lassen sich im Zeitpunkt, in welchem von einer Fortsetzung der auf die somatischen Leiden gerichteten ärztlichen Behandlung keine namhafte Besserung mehr erwartet werden kann, zuverlässig beurteilen (vgl. SVR 2007 UV Nr. 29 S. 99, E. 3.1, U 98/06). 6.2 Anders verhält es sich bei der sog. Schleudertrauma-Praxis. 6.2.1 Das Eidgenössische Versicherungsgericht ging bei dieser mit BGE 117 V 359 begründeten Praxis davon aus, dass bei diagnostiziertem Schleudertrauma der HWS und Vorliegen eines für diese Verletzung typischen Beschwerdebildes (mit einer Häufung von Beschwerden wie diffuse Kopfschmerzen, Schwindel, Konzentrations- und Gedächtnisstörungen, Übelkeit, rasche Ermüdbarkeit, Visusstörungen, Reizbarkeit, Affektlabilität, Depression, Wesensveränderung usw.) der natürliche Kausalzusammenhang zwischen dem Unfall und der danach eingetretenen Arbeits- und Erwerbsunfähigkeit in der Regel anzunehmen ist (BGE 117 V 359 E. 4b S. 360). Es erkannte, ausgehend von den Ergebnissen der medizinischen Forschung, dass ein Unfall mit Schleudertrauma der HWS in der charakteristischen Erscheinungsform einer Häufung von typischen Beschwerden eine Arbeits- bzw. Erwerbsunfähigkeit verursachen kann, auch wenn die festgestellten Funktionsausfälle organisch nicht nachweisbar sind (BGE 117 V 359 E. 5d/aa S. 363 f.). Das Gericht erklärte deshalb für die Beurteilung des adäquaten Kausalzusammenhangs zwischen einem Unfall und der infolge eines Schleudertraumas der HWS auch nach Ablauf einer gewissen Zeit nach dem Unfall weiterbestehenden Arbeits- und Erwerbsunfähigkeit, die nicht auf organisch nachweisbare Funktionsausfälle zurückzuführen ist, die für psychische Störungen nach einem Unfall entwickelte Methode (BGE 115 V 133 E. 6 S. 138) im Einzelfall für analog anwendbar (BGE 117 V 359 E. 5d/bb S. 365). Im Gegensatz zu den bei psychischen Fehlentwicklungen nach Unfall relevanten Kriterien (BGE 115 V 133 E. 6c/aa S. 140) wurde indessen auf eine Differenzierung zwischen physischen und psychischen Komponenten verzichtet. Begründet wurde dies damit, dass im Hinblick auf die Beurteilung des adäquaten Kausalzusammenhangs als einer Rechtsfrage nicht entscheidend ist, ob die im Anschluss an ein Schleudertrauma der HWS auftretenden Beschwerden medizinisch eher als organischer und/oder psychischer Natur bezeichnet werden, zumal diese Differenzierung angesichts des komplexen und vielschichtigen Beschwerdebildes in heikeln Fällen gelegentlich grosse Schwierigkeiten bereitet (BGE 117 V 359 E. 5d/aa S. 364 mit Hinweisen und E. 6a S. 367). 6.2.2 Die dargelegten Grundsätze zum natürlichen und adäquaten Kausalzusammenhang bei Schleudertrauma der HWS (sehr häufig im Strassenverkehr verursachte Distorsion der HWS, medizinisch auch kraniozervikales Beschleunigungstrauma genannt [Stöckli et alii, Diagnostisches und therapeutisches Vorgehen in der chronischen Phase nach kraniozervikalem Beschleunigungstrauma (cKZBT, sog. Schleudertrauma) (ohne Commotio cerebri/mild traumatic brain injury), Pragmatische Empfehlungen der multidisziplinären Konsensusgruppe Olten vom 13. Januar 2005, in: Schweizerisches Medizin-Forum 2005, S. 1182 ff., nachstehend: "Empfehlungen Konsensusgruppe"]) ohne organisch objektiv ausgewiesene Beschwerden wurden seither auch für Beschwerden nach einem dem Schleudertrauma "äquivalenten" Mechanismus (SVR 1995 UV Nr. 23 S. 67 E. 2; vgl. überdies, auch zum Folgenden: RKUV 2000 Nr. U 395 S. 316 E. 3, U 160/98) und nach einem Schädel-Hirntrauma (BGE 117 V 369) für anwendbar erklärt, wenn und soweit sich die Folgen mit jenen eines Schleudertraumas der HWS vergleichen lassen. Gemeinhin wird deshalb für diese Art der Adäquanzprüfung der Begriff "Schleudertrauma-Praxis" (im Gegensatz etwa zum Begriff "Psycho-Praxis" für die Adäquanzprüfung bei psychischen Fehlentwicklungen nach Unfall, BGE 115 V 133) verwendet. 7. 7.1 Die Schleudertrauma-Praxis und namentlich die ihr zugrunde liegende Annahme, dass eine bei einem Unfall erlittene Verletzung im Bereich von HWS oder Kopf auch ohne organisch nachweisbare (objektivierbare) Funktionsausfälle zu länger dauernden, die Arbeits- und Erwerbsfähigkeit beeinträchtigenden Beschwerden führen kann, bildet seit Begründung dieser Rechtsprechung Gegenstand verschiedenartiger Diskussionen (vgl. etwa die Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Meinungsäusserungen bereits in BGE 119 V 335; sodann aus jüngerer Zeit und medizinischer Sicht: Thierry Ettlin, Schleudertrauma, in: Primary Care, 6/2007, S. 116 f.; Schmidt et alii, in: Schmidt/Senn [Hrsg.], Schleudertrauma - neuester Stand: Medizin, Biomechanik, Recht und Case Management, Zürich 2004, S. 174 ff., und aus juristischer Sicht etwa die von Erwin Murer in verschiedenen Aufsätzen [u.a. in: Nicht objektivierbare Gesundheitsbeeinträchtigungen: Ein Grundproblem des öffentlichen und des privaten Versi