A-3502/2016 - Abteilung I - Mehrwertsteuer - Mehrwertsteuer (1. Quartal 2010 bis 4. Quartal 201...
Karar Dilini Çevir:
B u n d e s v e rw a l t u ng s g e r i ch t
T r i b u n a l ad m i n i s t r a t i f f éd é r a l
T r i b u n a l e am m in i s t r a t i vo f e d e r a l e
T r i b u n a l ad m i n i s t r a t i v fe d e r a l


Entscheid bestätigt durch BGer mit
Urteil vom 05.10.2018 (2C_119/2017)








Abteilung I
A-3502/2016



Ur t e i l vom 1 9 . De zembe r 2 0 1 6
Besetzung
Richter Michael Beusch (Vorsitz),
Richterin Marie-Chantal May Canellas, Richterin Salome
Zimmermann,
Gerichtsschreiberin Anna Strässle.



Parteien
A._______ AG, (…),
vertreten durch
Patrick Loosli und Pierre Scheuner, Rechtsanwalt,
Von Graffenried AG Treuhand, (…),
Beschwerdeführerin,



gegen


Eidgenössische Steuerverwaltung ESTV,
Hauptabteilung Mehrwertsteuer,
Schwarztorstrasse 50, 3003 Bern,
Vorinstanz,




Gegenstand
Mehrwertsteuer (1. Quartal 2010 bis 4. Quartal 2013)
(Steuerumgehung),



A-3502/2016
Seite 2
Sachverhalt:
A.
Die A._______ AG mit Sitz in (Ort) (nachfolgend: Steuerpflichtige) be-
zweckt u.a. die Übernahme von Mandaten für Treuhand (…) und kann ins-
besondere auch Grundstücke erwerben oder weiterveräussern (…). Seit
dem 1. November 2004 ist sie im Register der mehrwertsteuerpflichtigen
Personen bei der Eidgenössischen Steuerverwaltung (ESTV) eingetragen.
B.
Am 21. März 2014 wurde bei der Steuerpflichtigen und deren Büropartne-
rin, der Einzelfirma B._______, eine Kontrolle u.a. der Steuerperiode 2010
bis 2013 (Zeitraum vom 1. Januar 2010 bis 31. Dezember 2013) durchge-
führt. Diese Kontrolle führte zur Einschätzungsmitteilung (EM) Nr. X vom
5. Dezember 2014. Die Steuerkorrektur zu Gunsten der ESTV betrug
Fr. 51‘299.-- nebst Verzugszinsen von 4 % ab dem 14. Oktober 2014. Die
ESTV begründete ihre Nachbelastung zur Hauptsache damit, dass das Fe-
rienhaus in (Ort) ausschliesslich durch die wirtschaftlich Berechtigten der
Steuerpflichtigen genutzt werde und die Steuerpflichtige somit zu Unrecht
Vorsteuern auf dem Umbau der Liegenschaft geltend gemacht habe.
C.
Am 19. Dezember 2014 erklärte sich die Steuerpflichtige mit der von der
ESTV vorgenommenen Nachbelastung nicht einverstanden. Sie liess den
Erlass einer anfechtbaren Verfügung beantragen, sollte die ESTV an der
Verweigerung des Vorsteuerabzugs festhalten. Sie führte u.a. aus, eine
Steuerumgehung könne gar nicht vorliegen, zumal sie als Steuerpflichtige
nicht ausschliesslich für Zwecke des Aktionärs diene. Die Verweigerung
des Vorsteuerabzugs in der EM Nr. X sei zu stornieren.
Die Zahlung der Nachbelastungen erfolgte am 23. Januar 2015.
D.
Am 29. April 2016 erliess die ESTV eine Verfügung und setzte die Steuer-
nachforderung auf Fr. 51‘299.-- zuzüglich Verzugszins von 4 % seit dem
14. Oktober 2014 fest; die Zahlung vom 23. Januar 2015 in Höhe von
Fr. 51‘633.-- werde angerechnet. Die ESTV gab im Wesentlichen zu be-
denken, dass sie in ihrer MWST-Branchen-Info 17 „Liegenschaftsverwal-
tung / Vermietung und Verkauf von Immobilien“ der ESTV (nachfolgend:
MBI 17) vom „Normalfall“ ausgehe und Steuerumgehungen in jedem Fall
vorbehalten bleiben würden. Die vorliegend zu beurteilende Faktenlage sei
ein „Extremfall“ ohne jegliche Drittnutzung (ununterbrochene Verfügbarkeit
A-3502/2016
Seite 3
des Ferienhauses zugunsten der wirtschaftlich Berechtigten der Woh-
nungs- bzw. Hauseigentümerin), wofür die Bestimmung in Ziffer 7.1.2 MBI
nicht gedacht sei. Seien die Grenzen der Gestaltungsfreiheit – die wirt-
schaftlichen Verhältnisse so gestalten zu können, wie sie steuerlich am
günstigsten erscheinen – überschritten, sei eine Steuerumgehung zu prü-
fen. Vorliegend sei nicht missbräuchlich, dass bloss für den Kauf der Im-
mobilie die Steuerpflichtige in Form einer AG gegründet worden wäre, son-
dern dass der Liegenschaftskauf über die Steuerpflichtige abgewickelt wor-
den sei, obwohl die Liegenschaft ausschliesslich für die privaten Bedürf-
nisse der wirtschaftlich Berechtigten verwendet werde, dies alles nur, um
sich eine Berechtigung zum Vorsteuerabzug zu verschaffen. Da die in 20
Jahren abzuliefernde Steuer geringer sei, als die im Jahr 2013 bereits gel-
tend gemachten Vorsteuern, habe die Beschwerdeführerin tatsächlich eine
Steuerersparnis erzielt. Auch inskünftig werde die Steuerpflichtige bei
sämtlichen Anschaffungen den Vorsteuerabzug geltend machen und zwar
ohne Erhöhung der geschuldeten Umsatzsteuer. Eine Steuerumgehung
liege vor, weshalb alle geltend gemachten Vorsteuern zurückbelastet und
die bereits auf Mietentgelten entrichtete Steuer erstattet werde.
E.
Dagegen erhob die Steuerpflichtige (nachfolgend auch: Beschwerdeführe-
rin) am 31. Mai 2015 [rechte: 2016] "Einsprache respektive Beschwerde"
bei der ESTV und beantragt, diese sei durch die ESTV als Beschwerde an
das Bundesverwaltungsgericht gemäss Art. 83 Abs. 4 des Bundesgeset-
zes vom 12. Juni 2009 über die Mehrwertsteuer (Mehrwertsteuergesetz,
MWSTG, SR 641.20) weiterzuleiten (Ziff. 1). Die Verfügung der ESTV vom
29. April 2016 sei betreffend die Steuerperiode 2013 aufzuheben und die
Steuerforderung [für diese Periode] auf Fr. 31‘432.20 festzusetzen (Ziff. 2).
Der Betrag von Fr. 50‘128.80 sei der Beschwerdeführerin zuzüglich eines
Vergütungszinses von 4 % seit 23. Januar 2015 auszubezahlen (Ziff. 3);
alles unter Kosten- und Entschädigungsfolge zu Lasten der ESTV.
Zur Begründung bringt die Beschwerdeführerin u.a. vor, die ESTV bestreite
nicht, dass die Vermietung nicht von der Steuer ausgenommen sei, son-
dern eine steuerbare Beherbergungsleistung darstelle. Der Hauptaktionär
sei mit der Beschwerdeführerin eng verbunden, weshalb die Beherber-
gungsleistung zu einem Preis wie für einen unabhängigen Dritten mit dem
Beherbergungssatz von 3.8 % zu versteuern sei. Zudem stelle die Vermie-
tung eine unternehmerische Tätigkeit dar; die im Zusammenhang mit den
Beherbergungsleistungen angefallenen Vorsteuern könnten also abgezo-
A-3502/2016
Seite 4
gen werden. Die ESTV habe die Voraussetzungen für eine Steuerumge-
hung nachzuweisen, begründe aber nicht, inwiefern der Kauf und Umbau
für die Beschwerdeführerin als ungewöhnliche, sachfremde oder abson-
derliche Rechtsgestaltung gelten solle. Zwar sei der Liegenschaftserwerb
nicht die Haupttätigkeit der Beschwerdeführerin, entspreche aber zumin-
dest dem Gesellschaftszweck. Da die ESTV in Ziffer 7.1.2 MBI 17 eine
Praxis festlege, halte sie selber fest, dass diese Rechtsgestaltung üblich
sei. Dort werde nämlich ein Sachverhalt umschrieben, welcher nur vorlie-
gen könne, wenn die Ferienimmobilie der eng verbundenen Person exklu-
siv überlassen werde. Würde es nämlich eine Drittnutzung geben, wäre ein
objektiver Drittpreis vorhanden und Ziffer 7.1.2 MBI 17 fände keine Anwen-
dung. Die Urteile des Bundesgerichts, auf welche die ESTV verweise,
seien nicht mit dem vorliegenden Sachverhalt vergleichbar, da es sich dort
um „single purpose“ Gesellschaften handle. Es liege überdies keine miss-
bräuchliche Wahl der Rechtsgestaltung vor, da die Immobilie von der Be-
schwerdeführerin mit eigenen, aus dem operativen Betrieb erwirtschafte-
ten Mitteln erworben worden sei. Letztlich genüge ein Vorsteuerüberhang
alleine nicht, um von einer Steuerumgehung auszugehen. Auch könne die
ESTV den „Steuervorteil“ nicht beziffern. Insgesamt ergebe sich keine de-
finitive Entlastung von der Mehrwertsteuer. Hätte die Beschwerdeführerin
die Immobilie bloss erworben und vermietet, wäre gar eine Steuerforde-
rung zu Gunsten der ESTV entstanden, was nicht eine Steuerumgehung
darstellen könne. Dass der Umbau und die Einrichtung der Immobilie eine
solche darstellen solle, könne nicht sein, da auch bei Vermietung an einen
unabhängigen Dritten ein Vorsteuerüberhang resultieren würde.
F.
Die ESTV (nachfolgend auch: Vorinstanz) beantragt mit Vernehmlassung
vom 15. August 2016, die Beschwerde sei unter Kostenfolge zu Lasten der
Beschwerdeführerin abzuweisen und die Verfügung vom 29. April 2016 sei
zu bestätigen. Sie verweist auf ihre Ausführungen in der Verfügung, welche
integrierenden Bestandteil der Vernehmlassung bilden würden. Die Be-
schwerdeführerin äussere keine wesentlichen, neuen Vorbringen und die
Vorinstanz habe bereits im Rahmen ihrer Verfügung zu sämtlichen Einwän-
den Stellung genommen. Als Begründung hält die Vorinstanz insbesondere
entgegen, die Beschwerdeführerin anerkenne für die Steuerperiode 2013
eine Steuerforderung zu Gunsten der Vorinstanz von Fr. 31‘432.20. Diese
erhöhe sich jedoch um Fr. 729.--, da dieser Betrag nichts mit der vorliegen-
den Immobilie zu tun habe und der Betrag zu den anerkannten Positionen
zuzuordnen sei. Der Hinweis der Beschwerdeführerin auf ihren, die Mög-
lichkeit des Grundstückserwerbs mitumfassenden Gesellschaftszweck sei
A-3502/2016
Seite 5
lediglich eine Standardformulierung. Daraus einen Geschäftstätigkeits-
zweig ableiten zu wollen, sei nicht stichhaltig. Was den (angeblich) unter-
nehmerischen Teilbereich der Vermietung betreffe, beschränke sich dieser
lediglich auf zwei Wohnungen. Der Kerngehalt von Art. 24 Abs. 2 MWSTG
bestimme, dass bei sämtlichen Leistungen an eng verbundene Personen
ein Drittpreisvergleich angezeigt sei. Wem die Leistung erbracht werde,
spiele keine Rolle bzw. es sei bei ausschliesslicher Leistungserbringung an
eng verbundene Personen der Marktwert zu bestimmen. Dass ein Dritt-
preis herangezogen werden müsse, sei von der Anschlussfrage zu tren-
nen, wie dieser Drittpreis konkret festgelegt werden müsse. Gelinge der
Vorinstanz der Nachweis der Steuerumgehung, falle es als Grundsatz aus-
ser Betracht, den Sachverhalt gemäss der Ziffer 7.1.2 in der MBI 17 abzu-
wickeln. Auch eine (teilweise) Steuerumgehung sei unstatthaft, nicht nur
die bisher gerichtlich beurteilten Fälle mit „single purpose“ Gesellschaften.
Es gelte nämlich zu verhindern, dass steuerpflichtige Unternehmen einen
grundsätzlich nicht zum Vorsteuerabzug berechtigenden Sachverhalt „um-
wandeln“ können, indem sie das fragliche Geschäft über das Unternehmen
abwickeln. Könne die steuerpflichtige Person keine Gründe nennen, die
eine überzeugende, relevante Rolle bei der Rechtsgestaltung gespielt hät-
ten und sei bspw. – soweit ein Flugzeug durch den wirtschaftlichen Eigen-
tümer oder diesem nahestehende Person genutzt werde – die geschäftli-
che Nutzung des Flugzeuges nicht bzw. nicht vollständig nachgewiesen,
so sei die ESTV berechtigt, von einer Steuerumgehung auszugehen. Vor-
liegend müssten dieselben Regeln gelten. Ein Steuervorteil könne auch in
der Erwirkung von Steuerrückvergütungen – und nicht bloss in der Vermei-
dung einer Steuererhebung – liegen. Sie könne sehr wohl für die vorliegend
relevanten Steuerperioden den Steuervorteil beziffern; für die Steuerperi-
ode 2013 betrage er Fr. 49‘833.--. Es verstehe sich von selbst, dass sich
das Total der inskünftig noch anfallenden Steuervorteile nicht exakt bezif-
fern lasse. Wie die Situation bei Ausklammerung der Investitionen bzw. bei
Abschluss eines Mietvertrages mit einem unabhängigen Dritten aussehen
würde, brauche nicht erörtert zu werden.
G.
In ihrer unaufgefordert eingereichten Stellungnahme vom 2. September
2016 bringt die Beschwerdeführerin vor, sie habe lediglich festgehalten,
dass bei einer Immobilienmiete ausschliesslich durch eine eng verbundene
Person ein Drittvergleich definitionsgemäss ausgeschlossen sei, weil ge-
rade kein Dritter die Immobilie miete. Deshalb sei der nach Art. 24 Abs. 2
MWSTG zu versteuernde Wert anders zu ermitteln, eben nach der von der
Vorinstanz publizierten Praxis. Die Vorinstanz wende die Voraussetzungen
A-3502/2016
Seite 6
für die Annahme einer Steuerumgehung nicht richtig an, da es bei dieser
um eine ungewöhnliche, sachfremde oder absonderliche Rechtsgestaltung
gehe und nicht um den involvierten Wert. Ob folglich ein Ferienstudio oder
– wie vorliegend – ein Ferienhaus vermietet werde, sei irrelevant. Wenn
die Vermietung einer Ferienimmobilie ausschliesslich an eine eng verbun-
dene Person eine Steuerumgehung darstelle, sei die Praxisfestlegung zur
Ermittlung des Drittpreises überflüssig. Da genau für diese Rechtsgestal-
tung eine Praxis in der MBI 17 bestehe, sei diese nicht ungewöhnlich, sach-
fremd oder absonderlich. Überdies müsse die Steuerersparnis eine dau-
ernde sein, wobei der Betrachtungszeitraum nicht auf einzelne Steuerperi-
oden reduziert werden könne. Der Vorsteuerbetrag in Höhe von Fr. 729.--
habe in der Tat nichts mit dem Ferienhaus zu tun, die isolierte Belastung
durch die Vorinstanz und die Erhöhung der Steuerforderung erfolge jedoch
zu Unrecht.
H.
Die Vorinstanz verzichtete mit Schreiben vom 20. September 2016 auf eine
weitere Stellungnahme.
I.
Auf die weiteren Ausführungen der Parteien sowie die eingereichten Un-
terlagen wird – soweit entscheidwesentlich – im Rahmen der nachfolgen-
den Erwägungen eingegangen.

Das Bundesverwaltungsgericht zieht in Erwägung:
1.
1.1 Das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht richtet sich nach
dem VwVG, soweit das VGG nichts anderes bestimmt (Art. 37 VGG). Ge-
mäss Art. 31 VGG beurteilt das Bundesverwaltungsgericht Beschwerden
gegen Verfügungen nach Art. 5 VwVG. Eine Ausnahme nach Art. 32 VGG
liegt nicht vor. Die Vorinstanz ist zudem eine Behörde im Sinn von Art. 33
VGG. Das Bundesverwaltungsgericht ist demnach für die Beurteilung der
vorliegenden Beschwerde sachlich zuständig.
1.2 Auf die funktionelle Zuständigkeit ist im Folgenden einzugehen, wobei
zunächst das anwendbare Recht zu bestimmen ist:
A-3502/2016
Seite 7
1.2.1 Am 1. Januar 2010 ist das (neue) MWSTG in Kraft getreten. Der vor-
liegende Sachverhalt betrifft die Steuerperioden 2010 bis 2013, womit ein-
zig dieses zur Anwendung kommt. Soweit im Folgenden auf die Rechtspre-
chung zum früheren Mehrwertsteuergesetz vom 2. September 1999
(aMWSTG, AS 2000 1300) verwiesen wird, liegt der Grund darin, dass
diese – wie nachfolgend teilweise ausdrücklich ausgeführt – im vorliegen-
den Fall auch für das MWSTG übernommen werden kann.
1.2.2
1.2.2.1 Die Einsprache ist das vom Gesetz besonders vorgesehene förm-
liche Rechtsmittel, mit dem eine Verfügung bei der verfügenden Verwal-
tungsbehörde zwecks Neuüberprüfung angefochten wird. Die Einsprache
ist kein devolutives Rechtsmittel, welches die Entscheidungszuständigkeit
an eine Rechtsmittelinstanz übergehen lässt (vgl. BGE 132 V 368 E. 6.1
und BGE 131 V 407 E. 2.1.2.1). Das Einspracheverfahren ermöglicht eine
Abklärung komplexer tatsächlicher oder rechtlicher Verhältnisse und eine
umfassende Abwägung der verschiedenen von einer Verfügung berührten
Interessen (ULRICH HÄFELIN et al., Allgemeines Verwaltungsrecht, 7. Aufl.
2016, Rz. 1194; zum Ganzen: Urteil des BVGer A-7176/2014 vom 12. März
2015 E. 1.2.4.1, mit weiterem Hinweis).
1.2.2.2 Im Bereich der Mehrwertsteuer ist das Einspracheverfahren in
Art. 83 MWSTG gesetzlich vorgesehen. Gegen Verfügungen der ESTV ist
also – in der Regel – zunächst Einsprache an die ESTV selbst zu erheben,
bevor das Gericht angerufen wird. Eine Ausnahme hierzu bildet die sog.
«Sprungbeschwerde»: Richtet sich die Einsprache gegen eine einlässlich
begründete Verfügung der ESTV, so ist sie auf Antrag oder mit Zustimmung
des Einsprechers als Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht wei-
terzuleiten (Art. 83 Abs. 4 MWSTG; vgl. zur Sprungbeschwerde: Urteile
des BVGer A-3497/2015 vom 25. Februar 2016 E. 1.2.3 und A-1184/2012
vom 31. Mai 2012 E. 2 ff.).
1.2.2.3 Im vorliegenden Fall ist kein Einspracheentscheid der ESTV ergan-
gen. Die Beschwerdeführerin hat gegen die (erste) Verfügung der ESTV
vom 29. April 2016 eine Einsprache mit einem Antrag auf Behandlung als
Sprungbeschwerde bei der ESTV eingereicht, welche die Sache dann ih-
rerseits mit einem Antrag vom 2. Juni 2016 zur Behandlung als Sprungbe-
schwerde an das Bundesverwaltungsgericht weiterleitet hat. In Bezug auf
die Entgegennahme der Beschwerde liegen damit übereinstimmende An-
träge vor. Die angefochtene Verfügung ist einlässlich begründet, weshalb
A-3502/2016
Seite 8
die Beschwerde auch aufgrund der Aktenlage als Sprungbeschwerde ent-
gegengenommen werden kann.
1.2.3 Das Bundesverwaltungsgericht ist damit auch in funktioneller Hin-
sicht zuständig.
1.3 Die Beschwerdeführerin ist zur Erhebung der vorliegenden Be-
schwerde berechtigt (Art. 48 Abs. 1 VwVG). Auf die im Übrigen frist- und
formgerecht eingereichte Beschwerde (Art. 50 Abs. 1 und Art. 52 Abs. 1
VwVG) ist demnach einzutreten.
1.4 Das Bundesverwaltungsgericht kann den angefochtenen Entscheid in
vollem Umfang überprüfen. Die Beschwerdeführerin kann neben der Ver-
letzung von Bundesrecht (Art. 49 Bst. a VwVG) und der unrichtigen oder
unvollständigen Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts (Art. 49
Bst. b VwVG) auch die Unangemessenheit rügen (Art. 49 Bst. c VwVG;
ANDRÉ MOSER et al., Prozessieren vor dem Bundesverwaltungsgericht,
2. Aufl. 2013, Rz. 2.149 ff.; HÄFELIN et al., a.a.O., Rz. 1146 ff.).
2.
2.1
2.1.1 Der Bund erhebt eine allgemeine Verbrauchssteuer nach dem Sys-
tem der Nettoallphasensteuer (auch als Allphasensteuer mit Vorsteuerab-
zug bzw. Mehrwertsteuer bezeichnet [Art. 1 Abs. 1 MWSTG]; Art. 130 BV).
Die Steuer wird auf den im Inland von steuerpflichtigen Personen gegen
Entgelt erbrachten Leistungen (Inlandsteuer), auf dem Bezug von Leistun-
gen von Unternehmen mit Sitz im Ausland durch Empfänger und Empfän-
gerinnen im Inland (Bezugssteuer) und auf Einfuhren von Gegenständen
(Einfuhrsteuer) erhoben (Art. 1 Abs. 2 MWSTG). Die Erhebung erfolgt nach
den Grundsätzen der Wettbewerbsneutralität, der Wirtschaftlichkeit der
Entrichtung und der Erhebung und der Überwälzbarkeit (Art. 1 Abs. 3
MWSTG; vgl. auch KLAUS A. VALLENDER, in: Ehrenzeller/Schind-
ler/Schweizer/Vallender [Hrsg.], Die schweizerische Bundesverfassung,
St. Galler Kommentar, 3. Aufl. 2014, Art. 130 Rz. 8 ff.; zum Ganzen: Urteil
des BVGer A-5534/2013 vom 5. November 2014 E. 2.1.1).
2.1.2 Der Grundsatz der Wettbewerbsneutralität verlangt, dass ein moder-
nes Verbrauchssteuersystem wie die Mehrwertsteuer nach Möglichkeit in
seinen Auswirkungen neutral sein muss. Das heisst, es darf den Wettbe-
werb zwischen den Unternehmen nicht beeinträchtigen und hat das Gleich-
A-3502/2016
Seite 9
behandlungsgebot zu beachten. Die Mehrwertsteuer muss deshalb umfas-
send sein und alle Waren und Dienstleistungen im Inland gleichmässig er-
fassen. Andererseits muss vermieden werden, dass eine Steuerkumulation
entsteht, weil die Waren und Dienstleistungen auf allen Stufen der Produk-
tion und Verteilung und bei der Einfuhr besteuert werden. Diesem Zweck
dient der Vorsteuerabzug. Damit wird die Wettbewerbsneutralität der Mehr-
wertsteuer dem Grundsatz nach verwirklicht, indem sichergestellt wird,
dass die Endbelastung beim Konsumenten immer gleich hoch ist, und zwar
unabhängig davon, auf welchem Weg die Ware oder Dienstleistung zu ihm
gelangt (vgl. BGE 125 II 326 E. 6a, BGE 124 II 193 E. 8a, mit Hinweisen;
Urteile des BVGer A-1382/2015 vom 11. August 2015 E. 3.2 und
A-5534/2013 vom 5. November 2014 E. 2.1.2; DIEGO CLAVADETSCHER, in:
Kommentar zum Schweizerischen Steuerrecht, Bundesgesetz über die
Mehrwertsteuer, Zweifel/Beusch/Glauser/Robinson [Hrsg.], 2015 [nachfol-
gend: Kommentar zum MWSTG], Art. 1 Rz. 156 ff.; FELIX GEIGER, in:
MWSTG Kommentar, Schweizerisches Bundesgesetz über die Mehrwert-
steuer mit den Ausführungserlassen sowie Erlasse zum Zollwesen, Gei-
ger/Schluckebier [Hrsg.], 2012 [nachfolgend: MWSTG Kommentar], Art. 1
Rz. 21; vgl. auch ALOIS CAMENZIND et al., Handbuch zum Mehrwertsteuer-
gesetz [MWSTG], 3. Aufl. 2012, Rz. 105 ff.).
2.2
2.2.1 Steuerobjekt der Mehrwertsteuer (Inlandsteuer) sind die durch die
steuerpflichtige Person gegen Entgelt erbrachten Leistungen; sie sind
steuerbar, soweit das Gesetz keine Ausnahme vorsieht (Art. 18 Abs. 1
MWSTG). Als Leistung gilt die Einräumung eines verbrauchsfähigen wirt-
schaftlichen Wertes an eine Drittperson in Erwartung eines Entgelts (Art. 3
Bst. c MWSTG). Die Leistung umfasst als Oberbegriff sowohl Lieferungen
(Art. 3 Bst. d MWSTG) als auch Dienstleistungen, wobei als Dienstleistung
jede Leistung gilt, die keine Lieferung ist (Art. 3 Bst. e MWSTG; Urteil des
BVGer A-1382/2015 vom 11. August 2015 E. 3.3.1).
2.2.2 Ausgangspunkt einer Steuererhebung bildet ein wirtschaftlicher, be-
steuerungswürdiger Sachverhalt, welcher als Steuerquelle anvisiert wird,
das sogenannte Steuergut (BLUMENSTEIN/LOCHER, System des schweize-
rischen Steuerrechts, 7. Aufl. 2016, S. 182 f.; DANIEL RIEDO, Vom Wesen
der Mehrwertsteuer als allgemeine Verbrauchsteuer und von den entspre-
chenden Wirkungen auf das schweizerische Recht, 1999, S. 13). Bei der
Mehrwertsteuer (Inlandsteuer) ist das Steuergut der nicht unternehmeri-
sche Endverbrauch im Inland (Art. 1 Abs. 1 MWSTG; BGE 123 II 295 E. 5a
und E. 7a; CAMENZIND et al., a.a.O., Rz. 85; RIEDO, a.a.O., S. 14). Erfasst
A-3502/2016
Seite 10
werden soll der Konsum der (End-)Verbraucher (BGE 138 II 251 E. 2.1).
Steuergut und Steuerobjekt der Mehrwertsteuer fallen demnach auseinan-
der (vgl. Urteil des BVGer A-3149/2012 vom 4. Januar 2013 E. 2.3; Bot-
schaft des Bundesrats vom 25. Juni 2008 zur Vereinfachung der Mehrwert-
steuer [nachfolgend: Botschaft MWSTG], BBl 2008 6885, S. 6910 f.; RALF
IMSTEPF, Der Einfluss des EU-Rechts auf das schweizerische Mehrwert-
steuerrecht, 2011, S. 18; RIEDO, a.a.O., S. 14). Infolgedessen wird die
Steuer nicht direkt beim Endverbraucher erhoben, sondern bei den Perso-
nen und anderen am Markt tätigen Gebilden, die Leistungen erbringen, für
welche die Endverbraucher Vermögen aufwenden, das heisst ein Entgelt
bezahlen. Erhebungstechnisch knüpft die Mehrwertsteuer damit an die
Leistung des Steuerpflichtigen an (vgl. IVO P. BAUMGARTNER et al., Vom al-
ten zum neuen Mehrwertsteuergesetz, 2010, § 1 Rz. 41; zum Ganzen: Ur-
teile des BVGer A-1382/2015 vom 11. August 2015 E. 3.3.2 und
A-5534/2013 vom 5. November 2014 E. 2.2.2).
2.2.3 Die in Art. 21 Abs. 2 Ziff. 21 MWSTG genannte Überlassung von
Grundstücken und Grundstücksteilen zum Gebrauch oder zur Nutzung ist
von der St

Üyelik Paketleri

Dünyanın en kapsamlı hukuk programları için hazır mısınız? Tüm dünyanın hukuk verilerine 9 adet programla tek bir yerden sınırsız ulaş!

Paket Özellikleri

Programların tamamı sınırsız olarak açılır. Toplam 9 program ve Fullegal AI Yapay Zekalı Hukukçu dahildir. Herhangi bir ek ücret gerektirmez.
7 gün boyunca herhangi bir ücret alınmaz ve sınırsız olarak kullanılabilir.
Veri tabanı yeni özellik güncellemeleri otomatik olarak yüklenir ve işlem gerektirmez. Tüm güncellemeler pakete dahildir.
Ek kullanıcılarda paket fiyatı üzerinden % 30 indirim sağlanır. Çalışanların hesaplarına tanımlanabilir ve kullanıcısı değiştirilebilir.
Sınırsız Destek Talebine anlık olarak dönüş sağlanır.
Paket otomatik olarak aylık yenilenir. Otomatik yenilenme özelliğinin iptal işlemi tek butonla istenilen zamanda yapılabilir. İptalden sonra kalan zaman kullanılabilir.
Sadece kredi kartları ile işlem yapılabilir. Banka kartı (debit kart) kullanılamaz.

Tüm Programlar Aylık Paket

9 Program + Full&Egal AI
Ek Kullanıcılarda %30 İndirim
Sınırsız Destek
350 TL
199 TL/AY
Kazancınız ₺151
Ücretsiz Aboneliği Başlat