B u n d e s v e rw a l t u ng s g e r i ch t
T r i b u n a l ad m i n i s t r a t i f f éd é r a l
T r i b u n a l e am m in i s t r a t i vo f e d e r a l e
T r i b u n a l ad m i n i s t r a t i v fe d e r a l
Abteilung I
A-577/2013
U r t e i l v o m 2 0 . N o v e m b e r 2 0 1 3
Besetzung
Richter Markus Metz (Vorsitz),
Richter Pascal Mollard,
Richter Daniel Riedo,
Gerichtsschreiber Marc Winiger.
Parteien
A._______ SA, …,
vertreten durch …,
Beschwerdeführerin,
gegen
Eidgenössische Steuerverwaltung ESTV,
Hauptabteilung Direkte Bundessteuer, Verrechnungssteuer,
Stempelabgaben, Eigerstrasse 65, 3003 Bern,
Vorinstanz.
Gegenstand
Teilerlass der Emissionsabgabe.
A-577/2013
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Sachverhalt:
A.
Die A._______ SA (nachfolgend: A._______) wurde mit Statuten vom
2. Dezember 1999 und Handelsregistereintrag vom 22. März 2000 mit ei-
nem Aktienkapital von Fr. 100'000.-- unter der Firma B._______ SA …
gegründet. Das Aktienkapital wurde voll liberiert.
B.
Die Tochtergesellschaften der A._______ mussten zwischen 2006 und
2008 saniert werden, wodurch auch die A._______ als Muttergesellschaft
finanziell in Mitleidenschaft gezogen wurde. Per 31. Dezember 2009 wies
sie einen Verlust von Fr. 90'390'062.14 aus. Ihre Sanierung erfolgte da-
durch, dass ihre einzige Aktionärin, die C._______ Ltd. …, am 21. Juni
2010 rückwirkend auf den 1. Januar 2009 unwiderruflich auf eine Forde-
rung in der Höhe von Fr. 90'907'705.-- verzichtete.
C.
Am 30. August 2010 wurde dieser Forderungsverzicht bzw. Zuschuss ge-
genüber der Eidgenössischen Steuerverwaltung (ESTV) deklariert und
gleichentags um (Teil-)Erlass der Emissionsabgabe ersucht.
D.
Mit Stellungnahme vom 20. Dezember 2010 teilte die ESTV der
A._______ mit, dass deren Aktienkapital gestützt auf das Kreisschreiben
Nr. 6 vom 6. Juni 1997 betreffend verdecktes Eigenkapital bei Kapitalge-
sellschaften und Genossenschaften (nachfolgend: Kreisschreiben Nr. 6)
vor der Sanierung mindestens Fr. 21'400'000.-- hätte betragen müssen.
Bei einem tatsächlichen Aktienkapital von lediglich Fr. 100'000.-- sei die
A._______ demnach im Umfang von Fr. 21'300'000.-- unterkapitalisiert
gewesen. Da ein Erlass (u.a.) nur insoweit gewährt werden könne, als die
A._______ vor der Sanierung über genügend eigene Mittel verfügt habe,
sei der Erlass der Emissionsabgabe auf dem Betrag der festgestellten
Unterkapitalisierung zu verweigern, was eine zu entrichtende (bzw. nicht
erlasswürdige) Emissionsabgabe in der Höhe von Fr. 213'000.-- ergebe
(1% von Fr. 21'300'000.--).
E.
Mit Schreiben vom 19. Januar 2011 anerkannte die A._______ zwar, dass
ihre Eigenkapitalausstattung unter dem genannten Gesichtspunkt unge-
nügend gewesen sei. Ihre eigene Berechnung führe jedoch zu einer Un-
terkapitalisierung von (lediglich) Fr. 17'259'278.--. Die Differenz zum von
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der ESTV ermittelten Betrag von Fr. 21'300'000.-- sei darauf zurück zu
führen, dass diese es zu Unrecht unterlassen habe, die Konzernforde-
rungen mit den Konzernverbindlichkeiten zu verrechnen. Eine solche Ver-
rechnung erweise sich vorliegend namentlich deshalb als sachgerecht,
weil die A._______ eine reine Cashpooling- und Finanzierungsfunktion für
die europäischen Gesellschaften der weltweit tätigen A._______-Gruppe
ausübe. Im Übrigen sei der Sanierungsfreibetrag von Fr. 10 Mio. gemäss
Art. 6 Abs. 1 Bst. k des Bundesgesetzes vom 27. Juni 1973 über die
Stempelabgaben (StG, SR 641.10) vom Betrag der Unterkapitalisierung
und nicht vom Betrag der Gesamtsanierungsleistung (Fr. 90'907'705.--) in
Abzug zu bringen.
F.
Mit Entscheid vom 25. Mai 2012 stellte die ESTV fest, dass die
A._______ noch eine Emissionsabgabe von Fr. 143'648.60 (Fr. 213'000.--
abzüglich einer Zahlung vom 20. April 2010 von Fr. 69'351.40) schulde.
Ausserdem schulde sie auf dem Abgabebetrag von Fr. 213'000.-- einen
Verzugszins von 5% ab dem 1. Februar 2009.
G.
Dagegen erhob die A._______ – im Wesentlichen mit denselben Begeh-
ren und Begründungen wie im Schreiben vom 19. Januar 2011 – am
22. Juni 2012 Einsprache bei der ESTV.
H.
Mit Einspracheentscheid vom 19. Dezember 2012 wies die ESTV die
Einsprache ab und erkannte, die A._______ habe "die Emissionsabgabe
von Fr. 143'648.60 (Fr. 213'000.-- abzüglich einer Zahlung vom 20. April
2010 von Fr. 69'351.40) und die Verzugszinsen von 5 Prozent auf dem
Betrag von Fr. 69'351.40 für die Zeit vom 1. Februar 2009 bis zum
20. April 2010, ausmachend Fr. 4'228.50, sowie von 5 Prozent auf dem
Betrag von Fr. 143'648.60 vom 1. Februar 2009 bis zur Abgabeentrich-
tung" zu bezahlen. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, bei
der Ermittlung der adäquaten Eigenkapitalisierung sei aus Gründen der
Rechtsgleichheit auf besondere Konzerntatbestände keine Rücksicht zu
nehmen. Im Weiteren ergebe die systematische Auslegung von Art. 6
Abs. 1 Bst. k StG, dass der Sanierungsfreibetrag von der Gesamtsanie-
rungsleistung und nicht – wie beantragt – vom Betrag der Unterkapitali-
sierung abzuziehen sei.
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I.
Dagegen erhob die A._______ (nachfolgend: Beschwerdeführerin) mit
Eingabe vom 1. Februar 2013 Beschwerde beim Bundesverwaltungsge-
richt. Sie beantragt sinngemäss die Aufhebung des angefochtenen Ein-
spracheentscheids und verlangt erneut, bei der Berechnung der Unterka-
pitalisierung seien die Konzernforderungen mit den Konzernverbindlich-
keiten zu verrechnen, woraus ein ungenügendes Eigenkapital in der Hö-
he von Fr. 17'259'278.-- resultiere. Sodann sei von diesem Betrag der
Sanierungsfreibetrag von Fr. 10 Mio. in Abzug zu bringen. Insgesamt er-
gebe sich somit eine zu entrichtende, nicht erlasswürdige Emissionsab-
gabe von Fr. 72'592.80 (gerundet 1% von 7'259'278.--).
J.
In ihrer Vernehmlassung vom 25. März 2013 beantragt die Vorinstanz die
kostenfällige Abweisung der Beschwerde.
K.
Auf die Eingaben der Parteien wird – soweit entscheidwesentlich – in den
nachfolgenden Erwägungen näher eingegangen.
Das Bundesverwaltungsgericht zieht in Erwägung:
1.
Angefochten ist ein Einspracheentscheid der ESTV und damit eine Verfü-
gung nach Art. 5 des Bundesgesetzes vom 20. Dezember 1968 über das
Verwaltungsverfahren (VwVG, SR 172.021). Das Bundesverwaltungsge-
richt ist die zuständige Beschwerdeinstanz (Art. 31, Art. 32 e contrario
und Art. 33 Bst. d des Bundesgesetzes vom 17. Juni 2005 über das Bun-
desverwaltungsgericht [VGG, SR 173.32]). Das Verfahren vor dem Bun-
desverwaltungsgericht – und damit auch das vorliegende Verfahren –
richtet sich nach dem VwVG, soweit das VGG nichts anderes bestimmt
(Art. 37 VGG). Die Beschwerdeführerin ist zur Erhebung der vorliegenden
Beschwerde berechtigt (Art. 48 Abs. 1 VwVG), hat diese frist- und form-
gerecht eingereicht (Art. 50 Abs. 1 und Art. 52 Abs. 1 VwVG) und den
einverlangten Kostenvorschuss rechtzeitig geleistet (vgl. Art. 21 Abs. 3
VwVG).
Auf die vorliegende Beschwerde ist einzutreten.
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2.
2.1 Die Emissionsabgabe ist eine Verkehrssteuer, die an bestimmte, ge-
setzlich umschriebene Vorgänge des Rechtsverkehrs anknüpft (BGE 115
Ib 233 E. 2 mit Hinweisen). Gegenstand der Emissionsabgabe ist gemäss
Art. 5 Abs. 1 Bst. a StG die entgeltliche oder unentgeltliche Begründung
und Erhöhung des Nennwerts von Beteiligungsrechten an inländischen
Kapitalgesellschaften (Aktiengesellschaften, Kommanditaktiengesell-
schaften, Gesellschaften mit beschränkter Haftung) und Genossenschaf-
ten. Der Begründung von Beteiligungsrechten gleichgestellt sind u.a. die
Zuschüsse, welche die Gesellschafter oder Genossenschafter in die Re-
serven (Leistungen ins Eigenkapital ohne entsprechende Gegenleistung
und ohne Erhöhung des nominellen Kapitals) erbringen (Art. 5 Abs. 2
Bst. a StG). Dies unabhängig davon, in welcher Form diese Zuschüsse
erfolgen (vgl. THOMAS KUNZ/FREDY BRÜGGER, Emissionsabgabe – Mög-
lichkeiten und Grenzen des Erlasses, in: Steuer Revue 2006, S. 266).
2.2 Die Abgabe auf Beteiligungsrechten beträgt 1%. Sie wird bei der Be-
gründung und Erhöhung von Beteiligungsrechten vom Betrag berechnet,
welcher der Gesellschaft als Gegenleistung für die Beteiligungsrechte zu-
fliesst, mindestens aber vom Nennwert (Art. 8 Abs. 1 Bst. a StG). Auf Zu-
schüssen wird die Abgabe vom Betrag des Zuschusses berechnet (Art. 8
Abs. 1 Bst. b StG). Die Abgabeforderung bei Zuschüssen entsteht im
Zeitpunkt des Zuschusses (Art. 7 Abs. 1 Bst. e StG) und wird 30 Tage
nach deren Entstehung fällig (Art. 11 Bst. c StG).
2.3 Gemäss dem am 1. Januar 2009 in Kraft getretenen Art. 6 Abs. 1
Bst. k StG sind von der Emissionsabgabe ausgenommen die bei offenen
Sanierungen vorgenommene Begründung von Beteiligungsrechten oder
die Erhöhung von deren Nennwert bis zur Höhe vor der Sanierung sowie
Zuschüsse von Gesellschaftern oder Genossenschaftern bei stillen Sa-
nierungen, soweit (1.) bestehende Verluste beseitigt werden und (2.) die
Leistungen der Gesellschafter oder Genossenschafter gesamthaft Fr. 10
Mio. nicht übersteigen.
2.4 Art. 12 StG bestimmt, dass die Emissionsabgabe gestundet oder er-
lassen wird, wenn bei einer offenen oder stillen Sanierung ihre Erhebung
eine offenbare Härte für die Kapitalgesellschaft oder Genossenschaft be-
deuten würde. Sowohl die (offene oder stille) Sanierung als auch die of-
fenbare Härte sind unabdingbare Voraussetzungen für den Erlass der
Emissionsabgabe.
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2.4.1 Eine Sanierung im Sinn von Art. 12 StG liegt vor, wenn Massnah-
men getroffen werden, um ein Unternehmen aus einer wirtschaftlichen
Krisensituation herauszuführen und seinen Fortbestand zu sichern. Hand-
lungen, welche nur kurz greifen und die wirtschaftliche Tätigkeit des Un-
ternehmens nicht auch längerfristig abzusic