B u n d e s v e rw a l t u ng s g e r i ch t
T r i b u n a l ad m i n i s t r a t i f f éd é r a l
T r i b u n a l e am m in i s t r a t i vo f e d e r a l e
T r i b u n a l ad m i n i s t r a t i v fe d e r a l
Abteilung I
A-592/2016
Te i l u r t e i l u n d Zw i s ch en en t s c he i d
vom 2 2 . J u n i 2 0 1 7
Besetzung
Richter Michael Beusch (Vorsitz),
Richterin Marianne Ryter,
Richter Pascal Mollard,
Gerichtsschreiber Beat König.
Parteien
A._______ AG,
vertreten durch Prof. Dr. Urs Behnisch, Rechtsanwalt,
Beschwerdeführerin,
gegen
Eidgenössische Steuerverwaltung ESTV,
Hauptabteilung Direkte Bundessteuer, Verrechnungssteuer,
Stempelabgaben,
Vorinstanz.
Gegenstand
Verrechnungssteuer 2005 - 2008 (Erhebung).
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Seite 2
Sachverhalt:
A.
Die A._______ AG (nachfolgend: die Gesellschaft) mit Sitz in B._______
bezweckt insbesondere die Durchführung von Handels-, Finanz- und
Rechtsgeschäften aller Art. Sie firmierte bis zum 22. Januar 2013 unter
dem Namen C._______ AG.
Die (seinerzeit unter dem Namen D._______ AG firmierende) frühere
E._______ AG, deren Rechtsnachfolgerin die F._______ AG mit Sitz in
B._______ ist, übernahm mit Fusionsvertrag vom 30. Juni 2011 die Aktiven
und Passiven der damals bestehenden G._______ AG mit Sitz in
H._______. Deren Aktien hatte sie im April 2005 vom I._______-Nachlass
erworben, wobei sie zur Finanzierung des Aktienkaufpreises nach Darstel-
lung der Gesellschaft von Letzterer ein Darlehen erhalten hatte.
Die E._______ AG verkaufte unmittelbar, nachdem sie die Aktien der
G._______ AG übernommen hatte, deren Immobilien zum Verkehrswert
von Fr. 361,4 Mio. an die Gesellschaft.
Am 5. Juli 2011 wurde die G._______ AG im Handelsregister gelöscht.
B.
Nach einer von der Abteilung Strafsachen und Untersuchungen der Eidge-
nössischen Steuerverwaltung (nachfolgend als ASU bezeichnet) durchge-
führten besonderen Untersuchung im Sinne von Art. 190 ff. des Bundesge-
setzes vom 14. Dezember 1990 über die direkte Bundessteuer (DBG;
SR 642.11) sowie reger Korrespondenz zwischen der Eidgenössischen
Steuerverwaltung (nachfolgend: ESTV) und der Gesellschaft bzw. ihrem
Vertreter verfügte die ESTV mit Entscheid Nr. […] vom 11. Juni 2015, dass
ihr die Gesellschaft Fr. 60'449'899.80 Verrechnungssteuern schulde und
unverzüglich zu entrichten habe. Ferner ordnete die ESTV an, dass die
Gesellschaft auf dem genannten Steuerbetrag ab Fälligkeit einen Verzugs-
zins von 5 % bis zum Tage der Entrichtung schulde.
Zur Begründung erklärte die ESTV im Wesentlichen, es lägen verschie-
dene geldwerte Leistungen an Aktionäre bzw. an diesen nahestehende
Personen vor.
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Seite 3
C.
Gegen diesen Entscheid liess die Gesellschaft am 14. August 2015 Ein-
sprache erheben. Sie beantragte sinngemäss, der angefochtene Ent-
scheid sei aufzuheben. In prozessualer Hinsicht verlangte sie, das Verfah-
ren sei bis zum Vorliegen eines rechtskräftigen Entscheids in einem von
der ASU beantragten (Steuer-)Strafverfahren zu sistieren.
D.
Nach weiterer Korrespondenz mit der Gesellschaft wies die ESTV (nach-
folgend auch: Vorinstanz) die Einsprache mit Einspracheentscheid vom
18. Dezember 2015 vollumfänglich ab, wobei sie auch die Fälligkeitszeit-
punkte für die Berechnung des geschuldeten Verzugszinses festlegte.
E.
Gegen diesen Einspracheentscheid liess die Gesellschaft (nachfolgend:
Beschwerdeführerin) mit Eingabe vom 28. Januar 2016 Beschwerde an
das Bundesverwaltungsgericht erheben und folgende Rechtsbegehren
stellen (Beschwerde, S. 2):
«A. Prozessuale Rechtsbegehren
1. Der Einspracheentscheid sei aufzuheben und die Sache zur Gewäh-
rung des rechtlichen Gehörs sowie Ergänzung des Sachverhaltes an
die Vorinstanz zurückzuweisen.
2. Eventualiter: Das Verfahren sei bis zu den rechtskräftigen Entschei-
den in dem von der Abteilung Strafuntersuchungen der ESTV bean-
tragten (Steuer-/)Strafverfahren zu sistieren.
3. Es seien die Akten des Kantonalen Steueramtes J._______ aus der
Buchprüfung der Beschwerdeführerin zu edieren.
B. Materiellrechtliche Rechtsbegehren
5. Der angefochtene Einspracheentscheid betreffend Erhebung von Ver-
rechnungssteuern für die Steuerperioden 2005 bis 2008 gegenüber
der Beschwerdeführerin sei aufzuheben und von der Erhebung einer
Verrechnungssteuer sei abzusehen.
6. Alles unter Kosten- und Entschädigungsfolge zu Lasten der Be-
schwerdegegnerin [recte: Vorinstanz].»
Im Sinne eines Beweisantrages verlangt die Beschwerdeführerin überdies
«die Einvernahme von K._______, L._______ und M._______ im Beisein
der Beschwerdeführerin (bzw. ihres Vertreters) und von N._______» (Be-
schwerde, S. 24 und 39). In der Begründung des Rechtsmittels stellt die
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Beschwerdeführerin sodann den Antrag, ihr sei eine «Frist zur materiell-
rechtlichen Ergänzung der Beschwerde für allfällige Verrechnungssteuer-
schulden aus den Jahren 2006 bis 2008 oder einem Teil dieser Jahre an-
setzen», soweit das Gericht nicht zum Schluss kommen sollte, dass diese
Steuerschulden zwischenzeitlich verjährt sind (Beschwerde, S. 17).
F.
Mit Vernehmlassung vom 10. März 2016 stellt die Vorinstanz den Antrag,
die Beschwerde sei vollumfänglich und kostenpflichtig abzuweisen.
G.
Die Beschwerdeführerin ersuchte mit unaufgefordert eingereichter Ein-
gabe vom 22. März 2016 um Einsicht in die Vernehmlassungsbeilagen 14-
19. Ferner verlangte sie, die Vorinstanz sei zu verpflichten, die «gesamten
relevanten Akten» – insbesondere beschlagnahmte Steuererklärungen der
Beschwerdeführerin für die betreffenden Jahre – vorzulegen, und der Be-
schwerdeführerin sei Einsicht in die von der Vorinstanz nachzureichenden
Dokumente zu gewähren. Zudem ersuchte die Beschwerdeführerin wiede-
rum um Edition von Unterlagen beim Kantonalen Steueramt J._______.
Ferner bat sie um Gewährung der Einsicht in diese Unterlagen.
H.
Mit Instruktionsverfügung vom 31. März 2016 gab das Bundesverwaltungs-
gericht der Vorinstanz Gelegenheit, zu den Editionsbegehren der Be-
schwerdeführerin Stellung zu nehmen.
I.
Mit Schreiben vom 11. April 2016 reichte die Vorinstanz Kopien der Jahres-
rechnungen 2005-2008 der Beschwerdeführerin ein.
J.
Mit Instruktionsverfügung vom 15. April 2016 gewährte das Bundesverwal-
tungsgericht der Beschwerdeführerin Einsicht in die dem Gericht vorliegen-
den Akten der Vorinstanz.
K.
Mit innert erstreckter Frist eingereichter Replik vom 9. Juni 2016 erklärte
die Beschwerdeführerin unter Einreichung verschiedener Beilagen, an ih-
ren Rechtsbegehren festzuhalten. Sie beantragte überdies, die Vorinstanz
sei aufzufordern, zur Erwähnung einer angeblich falschen Dossiernummer
in den Verfahrensakten Stellung zu nehmen (Replik, S. 3). In der Replik
wird ferner ausgeführt, die Vorinstanz müsse, sollte sie im Zusammenhang
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mit einer streitbetroffenen Up-front Fee und Drittkosten betreffend das Jahr
2005 etwas ableiten wollen, dies vorab substantiieren. Gegebenenfalls sei
der Beschwerdeführerin anschliessend das rechtliche Gehör einzuräumen
(Replik, S. 19). Die Beschwerdeführerin ruft sodann folgende Beweismittel
an bzw. stellt (teilweise erneut) folgende Beweisanträge (Replik, S. 31 f.):
«- amtliche Akten der ASU inklusive die beschlagnahmten, nicht ge-
scannten Akten,
- amtliche Akten des Steueramtes J._______,
- Beilagen gemäss Verzeichnis,
- Edition der Akten der Buchprüfung von Herrn O._______, Steueramt
J._______,
- Einvernahme von Zeugen (P._______ und Q._______ von
T._______; Herr R._______ von der U._______; Herren L._______,
M._______ und S._______ von der V._______).»
L.
Die Vorinstanz bekräftigte mit Duplik vom 29. Juni 2016 sinngemäss ihren
Antrag auf (kostenpflichtige) Abweisung der Beschwerde.
M.
Mit unaufgefordert eingereichter Stellungnahme vom 15. Juli 2016 hält die
Beschwerdeführerin unter Einreichung eines von ihr erstellten Sachver-
haltsschemas und einer Zwischenverfügung des Bundesverwaltungsge-
richts im Parallelverfahren A-550/2016 betreffend die E._______ AG bzw.
die F._______ AG an ihren Rechtsbegehren fest. Sie fordert zudem, das
aktenkundige Formular betreffend einen Rückvergütungsauftrag über
Fr. 18'383'562.64 mit der Dossier-Nummer […] sei aus dem Recht zu wei-
sen (vgl. Stellungnahme vom 15. Juli 2016, S. 10). Zudem stellt sie den
Beweisantrag, es seien im Fall der Bestreitung der Echtheit einer Unter-
schrift auf einem Zahlungsauftrag von K._______ und der Echtheit von
Bankauszügen der U._______ diesbezügliche Gutachten einzuholen
(vgl. Stellungnahme vom 15. Juli 2016, S. 4).
N.
Die Vorinstanz hält mit Eingabe vom 18. August 2016 an ihrem mit der Ver-
nehmlassung vom 10. März 2016 gestellten Antrag fest.
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Seite 6
O.
Mit Eingabe vom 8. November 2016 reichte der Rechtsvertreter der Be-
schwerdeführerin eine Kostennote ein.
P.
Auf die Vorbringen der Verfahrensbeteiligten und die eingereichten Akten
wird, soweit entscheidwesentlich, im Folgenden eingegangen.
Das Bundesverwaltungsgericht zieht in Erwägung:
1.
1.1 Gemäss Art. 31 des Bundesgesetzes vom 17. Juni 2005 über das Bun-
desverwaltungsgericht (Verwaltungsgerichtsgesetz, VGG, SR 173.32) be-
urteilt das Bundesverwaltungsgericht Beschwerden gegen Verfügungen
nach Art. 5 des Bundesgesetzes vom 20. Dezember 1968 über das Ver-
waltungsverfahren (Verwaltungsverfahrensgesetz, VwVG, SR 172.021).
Als anfechtbare Verfügungen gelten auch Einspracheentscheide der ESTV
(Art. 5 Abs. 2 VwVG in Verbindung mit Art. 33 Bst. d VGG). Das Bundes-
verwaltungsgericht ist somit für die Beurteilung der vorliegenden Be-
schwerde zuständig.
Das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht richtet sich nach dem
VwVG, soweit das VGG nichts anderes bestimmt (Art. 37 VGG). Die Be-
schwerdeführerin ist zur Erhebung der vorliegenden Beschwerde berech-
tigt (vgl. Art. 48 Abs. 1 VwVG).
1.2 Auf die im Übrigen frist- und formgerecht eingereichte Beschwerde
(Art. 22a Abs. 1 Bst. c in Verbindung mit Art. 50 Abs. 1 VwVG; Art. 52 Abs. 1
VwVG) ist demnach einzutreten.
1.3 Mit Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht kann die Verletzung
von Bundesrecht – einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Er-
messens (Art. 49 Bst. a VwVG) –, die unrichtige bzw. unvollständige Fest-
stellung des rechtserheblichen Sachverhalts (Art. 49 Bst. b VwVG) wie
auch die Unangemessenheit der vorinstanzlichen Verfügung (Art. 49 Bst. c
VwVG) gerügt werden. Das Bundesverwaltungsgericht kann den ange-
fochtenen Entscheid grundsätzlich in vollem Umfang überprüfen (sog. um-
fassende Kognition).
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Seite 7
2.
2.1 Der Teilentscheid ist eine Variante des Endentscheids, mit welchem
das Verfahren nur für einen Teil der Streitgenossen abgeschlossen wird
(subjektive Klagenhäufung) oder über ein oder einige von mehreren
Rechtsbegehren abschliessend befunden wird (objektive Klagenhäufung).
Bei der objektiven Klagenhäufung handelt es sich nicht um verschiedene
materiell-rechtliche Teilfragen eines Rechtsbegehrens, sondern um ver-
schiedene Rechtsbegehren (BGE 138 V 106 E. 1.1).
Mit einem Teilentscheid befindet die Behörde verfahrensabschliessend
über Rechte und Pflichten (REGINA KIENER et al., Öffentliches Verfahrens-
recht, 2. Aufl. 2015, N. 449).
Auch wenn weder das VwVG noch das VGG das Institut des Teilentscheids
erwähnen bzw. regeln, ergibt sich aus Art. 91 Abs. 1 Bst. a des Bundesge-
richtsgesetzes vom 17. Juni 2005 (BGG, SR 173.110), dass das Bundes-
verwaltungsgericht als Vorinstanz des Bundesgerichts einen Entscheid fäl-
len darf, der nur einen Teil der gestellten Begehren behandelt, wenn diese
Begehren unabhängig von den anderen beurteilt werden können (Teilur-
teile des BVGer B-5202/2014 und B-7280/2014 vom 2. Oktober 2015 E. 2,
A-2519/2012 vom 21. November 2013 E. 2). Rechtsbegehren sind vonei-
nander unabhängig, wenn diese auch Gegenstand eines eigenen Prozes-
ses hätten bilden können sowie wenn ein Teil des gesamten Prozessge-
genstands abschliessend beurteilt werden kann, so dass keine Gefahr wi-
dersprüchlicher Entscheide entsteht. Das Beschleunigungsgebot und der
Grundsatz der Prozessökonomie können dabei für einen Teilentscheid
sprechen (vgl. Teilurteile des BVGer B-5202/2014 und B-7280/2014 vom
2. Oktober 2015 E. 2, B-5041/2014 vom 29. Juni 2015 E. 2).
2.2 Materielle Zwischenverfügungen bzw. materielle Zwischenentscheide
sind demgegenüber «Verfügungen, welche vorweg eine rechtliche Teil-
frage beantworten, ohne bereits materielle Rechte oder Pflichten anzuord-
nen» (KIENER et al., a.a.O., N. 452). Namentlich wird mit solchen Zwischen-
verfügungen entschieden, ob bestimmte Voraussetzungen eines Rechts-
anspruches – nicht jedoch der Anspruch selber – gegeben sind (BGE 134
II 137 E. 1.3.2; KIENER et al., a.a.O., N. 452).
2.3 Wird bezüglich eines materiell-rechtlichen Anspruches einzig entschie-
den, dass die Verjährung eingetreten ist, und liegen im betreffenden Ver-
fahren noch weitere materiell-rechtliche Rechte oder Pflichten im Streit, die
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der Beurteilung harren, handelt es sich um einen verfahrensabschliessen-
den Teilentscheid. Hingegen ist ein Entscheid, mit welchem die Verjährung
eines materiell-rechtlichen Anspruches verneint wird, aber die weiteren Vo-
raussetzungen dieses Anspruches nicht geprüft und damit nicht über des-
sen Bestehen oder Nichtbestehen befunden wird, als materielle Zwischen-
verfügung bzw. als materieller Zwischenentscheid zu qualifizieren
(vgl. zum Ganzen FELIX UHLMANN, in: Marcel Alexander Niggli et al. [Hrsg.],
Basler Kommentar Bundesgerichtsgesetz, 2. Aufl. 2011, Art. 91 N. 4).
3.
3.1 Der Bund erhebt eine Verrechnungssteuer unter anderem auf dem Er-
trag beweglichen Kapitalvermögens (Art. 132 Abs. 2 der Bundesverfas-
sung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 [BV,
SR 101]; Art. 1 Abs. 1 des Verrechnungssteuergesetzes vom 13. Oktober
1965 [VStG, SR 642.21]). Gegenstand der Verrechnungssteuer auf dem
Ertrag beweglichen Kapitalvermögens sind insbesondere die Zinsen, Ren-
ten, Gewinnanteile und sonstigen Erträge der von einem Inländer ausge-
gebenen Aktien, Anteile an Gesellschaften mit beschränkter Haftung, Ge-
nossenschaftsanteile, Partizipationsscheine und Genussscheine
(vgl. Art. 4 Abs. 1 Bst. b VStG). Art. 20 Abs. 1 der Vollziehungsverordnung
vom 19. Dezember 1966 zum Verrechnungssteuergesetz (VStV,
SR 642.211) bezeichnet als steuerbaren Ertrag jede geldwerte Leistung
der Gesellschaft an die Inhaber gesellschaftlicher Beteiligungsrechte oder
an ihnen nahestehende Dritte, die sich nicht als Rückzahlung der im Zeit-
punkt der Leistung bestehenden Anteile am einbezahlten Grund- und
Stammkapital darstellt (Dividenden, Boni, Gratisaktien, Gratis-Partizipati-
onsscheine, Liquidationsüberschüsse und dergleichen).
Zu den geldwerten Leistungen in diesem Sinne zählen auch verdeckte Ge-
winnausschüttungen. Im Einzelnen setzt die Annahme einer geldwerten
Leistung in Form einer verdeckten Gewinnausschüttung gemäss ständiger
Rechtsprechung voraus, dass die folgenden Voraussetzungen (kumulativ)
erfüllt sind (statt vieler: BGE 119 Ib 431 E. 2b, 115 Ib 274 E. 9b;
BVGE 2011/45 E. 4.1; Urteile des BVGer A-7956/2015 vom 30. Juni 2016
E. 2.3.1, A-5006/2014 vom 2. April 2015 E. 2.5, A-4789/2012 vom 30. Ja-
nuar 2014 E. 2.3; MARCO DUSS et al., in: Martin Zweifel et al. [Hrsg.], Kom-
mentar zum Schweizerischen Steuerrecht, Bundesgesetz über die Ver-
rechnungssteuer, 2. Aufl. 2012, Art. 4 N. 132a):
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(1) Eine Leistung, die keine Rückzahlung des einbezahlten Grundkapi-
tals darstellt, wird ohne entsprechende, gleichwertige Gegenleis-
tung erbracht, was eine Entreicherung der Gesellschaft zur Folge
hat.
(2) Die Leistung wird einem Inhaber gesellschaftlicher Beteiligungs-
rechte direkt oder indirekt (z.B. über eine ihm nahestehende Person
oder Unternehmung) zugewendet und sie hat ihren Rechtsgrund im
Beteiligungsverhältnis, das heisst, sie wäre – eben weil die Gesell-
schaft keine oder keine gleichwertige Gegenleistung erhält – unter
den gleichen Verhältnissen einem unbeteiligten Dritten nicht er-
bracht worden. Insoweit erscheint die Leistung als ungewöhnlich.
(3) Der ungewöhnliche Charakter der Leistung, insbesondere das
Missverhältnis zwischen der gewährten Leistung und der erhalte-
nen Gegenleistung, muss für die handelnden Gesellschaftsorgane
erkennbar gewesen sein.
3.2 Bei Kapitalerträgen entsteht die Steuerforderung im Zeitpunkt, in dem
die steuerbare Leistung fällig wird (Art. 12 Abs. 1 VStG). Die Verrechnungs-
steuer selbst wird 30 Tage nach Entstehen der Steuerforderung fällig
(Art. 16 Abs. 1 Bst. c VStG). Die Steuer beträgt 35 Prozent der steuerbaren
Leistung (Art. 13 Abs. 1 Bst. a VStG).
3.3 Die Verrechnungssteuerpflicht wird gemäss Art. 11 Abs. 1 VStG entwe-
der durch Entrichtung der Steuer (Art. 12 ff. VStG) oder durch Meldung der
steuerbaren Leistung (Art. 19 f. VStG) erfüllt.
3.4
3.4.1 Das Verrechnungssteuerrecht wird vom so genannten Selbstveran-
lagungsprinzip beherrscht. Die Steuerpflichtigen, also die Schuldner der
nach Art. 4 f. VStG der Verrechnungssteuer unterliegenden steuerbaren
Leistung (Art. 10 Abs. 1 VStG), haben sich unaufgefordert bei der ESTV
anzumelden, bei Fälligkeit der Steuer unaufgefordert die vorgeschriebene
Abrechnung mit den Belegen einzureichen und gleichzeitig die Steuer zu
entrichten oder die an ihre Stelle tretende Meldung zu erstatten (Art. 38
VStG). Der Steuerpflichtige hat folglich die Steuerforderung selbst festzu-
stellen und den Betrag der nach seiner Ansicht geschuldeten Steuer unter
Beifügung einer Abrechnung fristgerecht einzubezahlen. Die Verantwor-
tung für die Ablieferung und die Abrechnung der Verrechnungssteuer
ist ausschliesslich dem Steuerpflichtigen auferlegt (vgl. Urteile des BVGer
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A-1878/2014 vom 28. Januar 2015 E. 4.2.1, A-633/2010 vom 25. August
2010 E. 2.1.1).
3.4.2 Jede inländische Aktiengesellschaft hatte gemäss Art. 21 Abs. 1 VStV
in der bis 31. Dezember 2008 gültig gewesenen Fassung innert 30 Tagen
nach Genehmigung der Jahresrechnung der ESTV den Geschäftsbericht
oder eine unterzeichnete Abschrift der Jahresrechnung sowie eine Aufstel-
lung nach amtlichem Formular einzureichen, worin diverse in dieser Be-
stimmung genannte Angaben ersichtlich sind. Diese Vorschrift galt für steu-
erbare Leistungen, die vor dem 1. Januar 2009 fällig geworden
sind (vgl. der Übergangsbestimmung zur Änderung der VStV vom 15. Ok-
tober 2008 [AS 2008 5073]).
Art. 21 Abs. 2 VStV sieht vor, dass «[d]ie Steuer auf Erträgen, die nicht mit
Genehmigung der Jahresrechnung fällig oder die nicht aufgrund der Jah-
resrechnung ausgerichtet werden (Interimsdividenden, Bauzinsen, Gratis-
aktien, Liquidationsüberschüsse, Ablösung von Genussscheinen, geld-
werte Leistungen anderer Art)», aufgrund der Abrechnung nach amtlichem
Formular innert 30 Tagen nach Fälligkeit des Ertrages der ESTV zu ent-
richten ist.
Ist für einen Ertrag ein Fälligkeitstermin nicht bestimmt, beginnt nach
Art. 21 Abs. 3 VStV der Lauf der 30-tägigen Abrechnungsfrist am Tag, an
welchem die Ausrichtung beschlossen oder, mangels eines solchen Be-
schlusses, an dem der Ertrag ausgerichtet wird.
3.5 Wer vorsätzlich oder fahrlässig, zum eigenen oder zum Vorteil eines
anderen dem Bund Verrechnungssteuern vorenthält, wird, sofern nicht die
Strafbestimmung von Art. 14 des Bundesgesetzes vom 22. März 1974 über
das Verwaltungsstrafrecht (VStrR, SR 313.0) zutrifft, wegen Hinterziehung
bestraft (Art. 61 Bst. a VStG).
3.6 Art. 67 Abs. 1 VStG unter dem vierten Abschnitt («Strafbestimmun-
gen») des Gesetzes erklärt das VStrR für anwendbar.
3.7 Ist infolge einer Widerhandlung gegen die Verwaltungsgesetzgebung
des Bundes eine Abgabe nicht erhoben worden, so sind die Abgabe und
der Zins, ohne Rücksicht auf die Strafbarkeit einer bestimmten Person, ge-
mäss Art. 12 Abs. 1 VStrR nachzuentrichten oder zurückzuerstatten. Leis-
tungs- oder rückleistungspflichtig ist, wer in den Genuss des unrechtmäs-
sigen Vorteils gelangt ist, insbesondere der zur Zahlung der Abgabe Ver-
A-592/2016
Seite 11
pflichtete (Art. 12 Abs. 2 VStrR). Ein Verschulden und erst recht eine Straf-
verfolgung ist nicht Voraussetzung der Nachleistungs- oder Rückleistungs-
pflicht; es genügt, dass der durch die Nichtleistung der Abgabe entstan-
dene unrechtmässige Vorteil seinen Grund in einer Widerhandlung im ob-
jektiven Sinn gegen die Verwaltungsgesetzgebung des Bundes hat
(vgl. grundlegend Urteil des BGer vom 4. August 1999, ASA 68 S. 438 ff.,
E. 2b, mit Hinweisen; Urteil des BVGer A-4084/2007 vom 5. November
2008 E. 7.2).
4.
4.1 Die Verjährung von Abgabeforderungen ist von Amtes wegen zu prüfen
(vgl. BGE 133 II 366 E. 3.3, 73 I 129 E. 1; Urteil des BVGer A-2078/2016
vom 1. November 2016 E. 4.1, mit zahlreichen Hinweisen; vgl. auch MI-
CHAEL BEUSCH, Der Untergang der Steuerforderung, 2012, S. 278).
Die Verjährung ist ein Institut des materiellen Rechts (vgl. Urteile des
BVGer A-1449/2015 vom 2. November 2015 E. 3.2, A-7148/2010 vom
19. Dezember 2012 E. 4.2; BEUSCH, a.a.O., S. 282 f.). Aus diesem Grund
richtet sich die Verjährung der Steuerforderung unter Vorbehalt abweichen-
der Übergangsbestimmungen grundsätzlich nach demjenigen Recht, das
im Zeitpunkt ihrer Entstehung Geltung hatte (vgl. BGE 126 II 1 ff. E. 2a;
Urteil des BVGer A-2078/2016 vom 1. November 2016 E. 4.2.1; a.M. STE-
FAN OESTERHELT, Verjährung im Steuerrecht, ASA 79, S. 817 ff., S. 852 f.).
4.2 Die Verrechnungssteuerforderung verjährt gemäss Art. 17 Abs. 1 VStG
fünf Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie entstanden ist. Die
Verjährung der Steuerforderung beginnt nicht oder steht still, solange die
Steuerforderung sichergestellt ist oder keiner der Zahlungspflichtigen
Wohnsitz im Inland hat (Art. 17 Abs. 2 VStG). Gemäss Art. 17 Abs. 3 VStG
wird die Verjährung unterbrochen durch jede Anerkennung der Steuerfor-
derung von Seiten eines Zahlungspflichtigen sowie durch jede auf Geltend-
machung des Steueranspruchs gerichtete Amtshandlung, die einem Zah-
lungspflichtigen zur Kenntnis gebracht wird; mit der Unterbrechung beginnt
die Verjährung von neuem. Stillstand und Unterbrechung der Verjährung
wirken gemäss Art. 17 Abs. 4 VStG gegenüber allen Zahlungspflichtigen.
Zur Unterbrechung der Verjährung genügt jede Mitteilung der ESTV an den
Steuerpflichtigen, in welcher diese unmissverständlich zum Ausdruck
bringt, dass sie einen bestimmten Tatbestand als steuerbar betrachtet, wo-
bei dieser nicht notwendigerweise bereits nach allen Richtungen hin abge-
klärt sein muss. Ein einfacher Brief der ESTV kann genügen (siehe zum
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Seite 12
Ganzen Urteile des BVGer A-1571/2006 vom 21. Januar 2010 E. 2.5.1, mit
Hinweisen).
4.3
4.3.1 Die Verjährung der Pflicht, Verrechnungssteuern nach Art. 12 VStrR
nachzuleisten, richtet sich nicht nach Art. 17 VStG, sondern nach Art. 12
Abs. 4 VStrR (Urteil des BVGer A-2078/2016 vom 1. November 2016
E. 4.2.2, mit Hinweisen). Nach dieser Vorschrift verjährt (soweit hier inte-
ressierend) die (Nach-)Leistungspflicht nicht, «solange die Strafverfolgung
und Strafvollstreckung nicht verjährt sind».
4.3.2 Nach Art. 2 VStrR gelten die allgemeinen Bestimmungen des
Schweizerischen Strafgesetzbuches vom 21. Dezember 1937 (StGB,
SR 311.0) für Taten, die in der Verwaltungsgesetzgebung des Bundes mit
Strafe bedroht sind, soweit das VStrR oder das einzelne Verwaltungsge-
setz nichts anderes bestimmt.
Der Allgemeine Teil des StGB wurde am 13. Dezember 2002 revidiert (in
Kraft seit 1. Januar 2007). Dabei wurden die am 1. Oktober 2002 in Kraft
getretenen Neuerungen im Verjährungsrecht gemäss Art. 70 ff. aStGB
(AS 2002 2993 und AS 2002 3146; vgl. zu diesen Neuerungen auch so-
gleich E. 4.3.3) bereits wieder ersetzt.
4.3.3 Da das Nebenstrafrecht (insbesondere auch im VStrR) infolge der
Neuerungen im Verjährungsrecht per 1. Oktober 2002 keine Anpassungen
erfuhr, wurde für diesen Bereich Art. 333 Abs. 5 aStGB (sog. «Transforma-
tionsnorm»; Fassung vom 22. März 2002, in Kraft gewesen vom 1. Oktober
2002 bis 31. Dezember 2006; AS 2002 2986) bzw. Art. 333 Abs. 6 StGB (in
Kraft seit 1. Januar 2007; AS 2006 4359) geschaffen.
Die Verfolgungsverjährungsfrist für Übertretungen im VStrR beträgt – ent-
gegen dem Gesetzestext von Art. 11 Abs. 1 VStrR – vier Jahre (Art. 333
Abs. 5 Bst. b aStGB und Art. 333 Abs. 6 Bst. b StGB). Für qualifizierte Über-
tretungen in Form einer Hinterziehung oder einer Gefährdung von Abgaben
nach Art. 11 Abs. 2 VStrR gilt gemäss der Rechtsprechung – und entgegen
dem Wortlaut des Gesetzes – eine Verfolgungsverjährungsfrist von sieben
Jahren entsprechend dem nach Art. 70 Abs. 1 Bst. c aStGB bzw. Art. 97
Abs. 1 Bst. c StGB für Vergehen (und damit auch für den Abgabebetrug im
Sinne von Art. 14 Abs. 2 VStrR) geltenden Mass (eingehend: BGE 134 IV
328 E. 2.1; vgl. auch BGE 139 IV 62 E. 1.3.2; BVGE 2009/59 E. 4.3 ff.;
vgl. ferner Urteile des BVGer A-1381/2013 vom 27. März 2014 E. 2.6.2,
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A-3638/2012 vom 21. März 2013 E. 2.4.2, A-566/2012 vom 24. Januar
2013 E. 3.7.2, A-6977/2009 vom 29. November 2010 E. 4.3, A-2293/2008
vom 28. Mai 2010 E. 2.4; zum Ganzen ANDREAS EICKER et al., Verwal-
tungsstrafrecht und Verwaltungsstrafverfahrensrecht, 2012, S. 83 f.; MI-
CHAEL BEUSCH/JASMIN MALLA, in: Zweifel et al. [Hrsg.], a.a.O., Vorbemer-
kungen zu Art. 61-67 N. 54a).
4.3.4 Der Beginn der Verjährung bei Nachforderungen gemäss Art. 12
VStrR richtet sich unter Vorbehalt abweichender Regelungen im VStrR und
dem einzelnen Verwaltungsgesetz nach dem StGB (statt vieler: Urteile des
BVGer A-1381/2013 vom 27. März 2014 E. 2.6.1, A-566/2012 vom 24. Ja-
nuar 2013 E. 3.7.1).
4.3.5 Hinsichtlich des Beginns der Verjährungsfrist bestehen zwischen der
früheren und der am 1. Oktober 2002 in Kraft getretenen neuen Fassung
des StGB (vgl. E. 4.3.2) keine Unterschiede, ist doch dafür sowohl nach
Art. 71 Bst. a aStGB als auch nach Art. 98 Bst. a StGB auf den Zeitpunkt
der Ausführung der deliktischen Handlung abzustellen (vgl. Urteil des
BVGer A-1381/2013 vom 27. März 2014 E. 2.6.1). Massgebend ist dabei
der Zeitpunkt des tatbestandsmässigen Verhaltens, nicht der Zeitpunkt des
Eintritts des allenfalls zur Vollendung des Delikts erforderlichen Erfolges
(BGE 134 IV 297 E. 4.2, mit zahlreichen Hinweisen).
4.3.6
4.3.6.1 Der Lauf der Verjährung ist grundsätzlich für jede Tathandlung ge-
sondert zu beurteilen (vgl. BGE 131 IV 83 E. 2.4.5). Unter verjährungs-
rechtlichen Gesichtspunkten lassen sich mehrere tatsächliche Handlun-
gen, nachdem in der Rechtsprechung die Rechtsfiguren des fortgesetzten
Deliktes und der verjährungsrechtlichen Einheit aufgegeben wurden, nur
noch ausnahmsweise als Einheit auffassen (BGE 133 IV 256 E. 4.5.3, mit
Hinweisen; Urteil des BGer 6S.158/2005 vom 9. Juni 2006 E. 1.2). Recht-
lich als Einheit qualifiziert können mehrere tatsächlichen Handlungen nach
der neueren Rechtsprechung zum einen bei Fällen der tatbestandlichen
Handlungseinheit, d.h., «wenn das tatbestandsmässige Verhalten schon
begrifflich, faktisch oder doch typischerweise mehrere Einzelhandlungen
voraussetzt» (BGE 131 IV 83 E. 2.4.5, mit Hinweis auf CLAUS ROXIN, Straf-
recht, Allgemeiner Teil, Bd. II, München 2003, S. 801 ff.; vgl. auch BGE 132
IV 49 E. 3.1.1.3).
A-592/2016
Seite 14
4.3.6.2 Mehrere Einzelhandlungen können zum anderen im Sinne einer
natürlichen Handlungseinheit zusammengefasst werden, wenn sie auf ei-
nem einheitlichen Willensakt beruhen und wegen des engen räumlichen
sowie zeitlichen Zusammenhangs bei objektiver Betrachtung noch als ein
einheitliches Geschehen erscheinen (z.B. eine «Tracht Prügel»; BGE 133
IV 256 E. 4.5.3, 131 IV 83 E. 2.4.5; Urteil des BVGer A-3060/2015 und
A-3113/2015 vom 10. November 2015 E. 4.3.1). Eine natürliche Hand-
lungseinheit ist freilich nur mit Zurückhaltung zu bejahen, da ansonsten das
fortgesetzte Delikt oder die verjährungsrechtliche Einheit unter anderer Be-
zeichnung wieder eingeführt würde (BGE 133 IV 256 E. 4.5.3; Urteil des
BGer 6S.158/2005 vom 9. Juni 2006 E. 1.2; BVGE 2009/59 E. 6.4.2).
4.3.7 Gemäss Art. 333 Abs. 5 Bst. c aStGB und Art. 333 Abs. 6 Bst. c StGB
werden grundsätzlich alle Regeln über die Unterbrechung und das Ruhen
der Verfolgungsverjährung aufgehoben. Vorbehalten bleibt ausdrück-
lich die Regelung in Art. 11 Abs. 3 VStrR. Nach letzterer Vorschrift ruht die
Verjährung bei (von der Behörde geltend gemachten) Vergehen und Über-
tretungen (soweit hier interessierend) «während der Dauer eines Einspra-
che-, Beschwerde- oder gerichtlichen Verfahrens über die Leistungs- oder
Rückleistungspflicht oder über eine andere nach dem einzelnen Verwal-
tungsgesetz zu beurteilende Vorfrage». Ruhen bedeutet Anhalten einer be-
reits laufenden Verjährungsfrist für eine bestimmte Zeit, um nach Wegfall
des Grundes weiterzulaufen, und ist auch bei absoluten Verjährungsfristen
denkbar (BGE 119 IV 330 E. 3c; BEUSCH/MALLA, a.a.O., Vorbemerkungen
zu Art. 61-67 N. 56). Die Beibehaltung der Sonderregel über das Ruhen
der Verjährungsfrist ist nötig, weil insbesondere in Fiskalsachen oft über
längere Zeit verwaltungsrechtliche Einsprache-, Beschwerde- oder Ge-
richtsverfahren betreffend die verwaltungsrechtliche Leistungspflicht ge-
führt werden, deren Ergebnis das Strafverfahren (als Vorfrage) erheblich
beeinflussen kann (EICKER et al., a.a.O., S. 84; siehe zum Ganzen Urteil
des BVGer A-3680/2012 vom 21. März 2013 E. 2.4.3).
Wie das Bundesgericht in seinem zur Publikation vorgesehenen Urteil
2C_1154/2015 vom 31. März 2017 (in E. 5.2 ff.) klargestellt hat, bedeutet
das Ruhen der Verjährung während der «Dauer des Einspracheverfah-
rens» im Sinne von Art. 11 Abs. 3 VStrR, dass die Verjährungsfrist nach
dieser Vorschrift bereits im Zeitpunkt der Eröffnung des Entscheids der
Steuerbehörde, mit welcher die Leistungspflicht des Steuerpflichtigen ver-
fügt wird, anhält.
A-592/2016
Seite 15
Nicht mehr anwendbar ist aufgrund von Art. 333 Abs. 5 Bst. c aStGB und
Art. 333 Abs. 6 Bst. c StGB die Regel über die Unterbrechung gemäss
Art. 11 Abs. 2 VStrR letzter Halbsatz (Urteil des BVGer A-3680/2012 vom
21. März 2013 E. 2.4.3; EICKER et al., S. 84; BEUSCH/MALLA, a.a.O., Vor-
bemerkungen zu Art. 61-67 N. 54a f. [insbesondere betreffend die Möglich-
keit der Unterbrechung für vor dem 1. Oktober 2002 begangene Strafta-
ten]).
4.4
4.4.1 Rechtsprechungsgemäss ist der objektive Tatbestand der Hinterzie-
hung von Verrechnungssteuern nach Art. 61 Bst. a VStG (vgl. E. 3.5) erfüllt
und greift deshalb (unter Vorbehalt der Verjährung) die Nachleistungs-
pflicht nach Art. 12 Abs. 1 VStrR (vgl. E. 3.7), wenn eine Aktiengesellschaft
eine für die Beteiligten ohne weiteres erkennbare geldwerte Leistung er-
bringt, ohne die Verrechnungssteuer spontan zu deklarieren und zu ent-
richten (Urteil des BGer vom 26. März 1987, ASA 56, S. 203 ff., E. 4; Urteil
des BGer vom 6. März 1986, ASA 55, S. 285 ff., E. 2b und 2c; Urteil des
BVGer A-5433/2015 und A-5505/2015 vom 2. März 2017 E. 4.1; vgl. auch
BEUSCH/MALLA, a.a.O., Art. 61 N. 11).
4.4.2 Das Bundesgericht befand in einem Urteil vom 26. März 1987
(ASA 56, S. 203 ff.), dass die Verjährungsfrist für die Leistungs- und Rück-
leistungspflicht nach Art. 12 Abs. 4 VStR bei zu Unrecht nicht erfolgter Ent-
richtung von Verrechnungssteuern auf geldwerten Leistungen einer inlän-
dischen Gesellschaft an einen Aktionär erst nach dem Termin zu laufen
beginnt, an dem die unrichtige Jahresrechnung bei der ESTV eingereicht
wurde. Es begründete dies im betreffenden Fall damit, dass sich die delik-
tischen Handlungen nicht in der Nichtdeklaration der geleisteten Zuwen-
dungen bzw. im Nichterbringen der darauf geschuldeten Verrechnungs-
steuer erschöpft hätten, sondern bei der ESTV Jahresabschlüsse einge-
reicht worden seien, aus welchen die fraglichen Zuwendungen an den Ak-
tionär bei korrekter Buchführung hätten ersichtlich sein müssen. Weil in
diesen Jahresabschlüssen Anhaltspunkte für diese Zuwendungen fehlten,
nahm das Bundesgericht an, dass die unrichtigen Jahresrechnungen dazu
dienten, «die durch die nicht vollzogene Deklaration und Leistung des
Steuerbetrages in die Wege geleitete Steuerhinterziehung zu vollenden»
(E. 5 des Urteils). Durch die eingereichten unrichtigen Jahresrechnungen
seien die deliktischen Handlungen sogar möglicherweise als Abgabebetrug
im Sinne von Art. 14 Abs. 2 VStrR zu qualifizieren.
A-592/2016
Seite 16
Mit Blick auf das erwähnte Urteil des Bundesgerichts geht auch das Bun-
desverwaltungsgericht in seiner Rechtsprechung davon aus, dass bei un-
terlassener Entrichtung geschuldeter Verrechnungssteuern auf geldwerten
Leistungen einer inländischen Gesellschaft an einen Aktionär die Verjäh-
rungsfrist erst nach dem Termin der Einreichung der unrichtigen Jahres-
rechnung bei der ESTV zu laufen beginnt. Gemäss dem Bundesverwal-
tungsgericht gilt in einer solchen Konstellation bei einer Zustellung der Jah-
resrechnung an die ESTV auf dem Postweg der Zeitpunkt der Übergabe
der Sendung an die schweizerische Post als verjährungsrechtlich massge-
bender Zeitpunkt der Einreichung der Jahresrechnung (vgl. zum Ganzen
Urteil des BVGer A-5433/2015 und A-5505/2015 vom 2. März 2017
E. 4.3.3, mit weiteren Hinweisen).
In der Doktrin wird schliesslich aus dem genannten Urteil des Bundesge-
richts vom 26. März 1987 (ASA 56, S. 203 ff.) ebenfalls abgeleitet, dass
die Verjährung praktisch «wohl regelmässig nicht mit dem Ablauf des Ge-
schäftsjahres beginnt, in welchem die geldwerte Leistung erfolgte, sondern
zum späteren Zeitpunkt der Einreichung der Jahresrechnung […] bei der
ESTV» (so MARKUS WEIDMANN/STEFAN OESTERHELT, Nachentrich-
tung der Verrechnungssteuer gemäss Art. 12 VStrR, in: SteuerRevue
[StrR] 62/2007, S. 622 ff., S. 634).
4.5
4.5.1 Im VStrR wird klar zwischen dem Verfahren zur Festsetzung der Leis-
tungs- oder Rückleistungspflicht (vgl. Art. 63 VStrR) zum einen und dem
Strafverfahren (vgl. Art. 62 VStrR) zum anderen unterschieden: Während
für die Strafverfolgung grundsätzlich das VStrR massgebend ist
(vgl. Art. 67 Abs. 1 VStG), finden auf das Verfahren für die Festsetzung der
nachzuentrichtenden oder zurückzuzahlenden Abgaben die Zuständig-
keits- und Verfahrensvorschriften des betreffenden Verwaltungsgesetzes –
also vorliegend die Bestimmungen des VStG – Anwendung (Art. 63 Abs. 1
VStrR; vgl. auch BGE 115 Ib 216 E. 3a, 114 Ib 94 E. 5b). Für das Verwal-
tungsverfahren gelten die strafprozessualen Garantien nicht, da es einzig
der Festsetzung der Höhe der Leistungs- oder Rückleistungspflicht
dient (vgl. BGE 115 Ib 216 E. 3b; ANDRÉ HAIBÖCK, Der Einfluss des Ver-
waltungsrechts auf das Verwaltungsstrafverfahren im Zollstrafrecht, in: An-
dreas Eicker [Hrsg.], Aktuelle Herausforderungen für die Praxis im Verwal-
tungsstrafverfahren, 2013, S. 70; WEIDMANN/OESTERHELT, a.a.O., S. 631 f.;
siehe dazu aber auch nachfolgend E. 4.5.2). Die Pflicht zur Nachzahlung
von Steuern ohne punitiven Charakter bildet keine strafrechtliche Anklage
im Sinn von Art. 6 Abs. 1 der Konvention vom 4. November 1950 zum
A-592/2016
Seite 17
Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK, SR 0.101;
MARK E. VILLIGER, Handbuch der Europäischen Menschenrechtskonven-
tion [EMRK], 2. Aufl. 1999, N. 399).
4.5.2 Auch wenn zwischen dem Verfahren zur Festsetzung der Leistungs-
oder Rückleistungspflicht einerseits und dem Strafverfahren andererseits
zu unterscheiden ist, hindert dies die Verwaltungsbehörde nicht, sowohl
über die Leistungs- oder Rückleistungspflicht als auch über die Strafe im
gleichen Verfahren und in einem einzigen Entscheid zu befinden, sofern
sie in beiden Verfahren erstinstanzlich zuständig ist (vgl. Art. 63 Abs. 2
VStrR sowie Urteil des BGer 2C_201/2013 vom 24. Januar 2014 E. 4.2).
Anders als das Recht der direkten Steuern (vgl. etwa Art. 153 Abs. 1 sowie
Art. 183 Abs. 1 und 1bis des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 1990 über
die direkte Bundessteuer [SR 642.11]; ROMAN J. SIEBER/JASMIN MALLA, in:
Martin Zweifel/Michael Beusch [Hrsg.], Kommentar zum Schweizerischen
Steuerrecht, Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer, 3. Aufl. 2017,
Art. 183 N. 2) hat das Verwaltungsstrafrecht die Trennung zwischen Leis-
tungs- (bzw. [in direktsteuerlicher Terminologie: Nachsteuer-) resp. Rück-
leistungsverfahren und Strafverfahren nicht vollzogen. Verbindet eine Ver-
waltungsbehörde die beiden Verfahren, muss sie im Hinblick auf den Straf-
entscheid die strafprozessualen Garantien zu Gunsten des Beschuldigten
beachten (Urteil des BGer 2C_201/2013 vom 24. Januar 2014 E. 4.2). Ob
die Rechte Beschuldigter verletzt worden sind und welche Folgen sich da-
raus ergeben, wäre zu prüfen, wenn ein Strafbescheid ergeht (so explizit
Urteil des BGer 2C_112/2010 vom 30. September 2010 E. 3.3; siehe zum
Ganzen Urteil des BGer 2C_201/2013 vom 24. Januar 2014 E. 4.2).
Werden das Leistungs- bzw. Rückleistungsverfahren zum einen und das
Strafverfahren getrennt durchgeführt, richten sich die Rechte und Pflichten
der Beteiligten grundsätzlich allein nach den für das jeweilige Verfahren
geltenden Bestimmungen (vgl. – allerdings zur direkten Bundessteuer –
SIEBER/MALLA, a.a.O., Art. 183 N. 5 ff., auch zum Folgenden). Freilich er-
klärt das Bundesgericht, dass in Konstellationen, bei welchen «parallel ein
konnexes Strafverfahren geführt wird, eine Forcierung der Aussage- bzw.
Mitwirkungspflicht im Verwaltungsverfahren mittels direktem oder indirek-
tem Zwang (Androhung von Sanktionen bzw. eines negativen Beweis-
schlusses im Falle des Schweigens) problematisch sein könnte, da so dem
strafprozessualen Schweigerecht des Beschuldigten entgegengewirkt
würde» (Urteil des BGer 2C_901/2012 vom 30. Januar 2013 E. 2.2). Nach
der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte
(EGMR) kann ein Verstoss gegen das in Art. 6 Abs. 1 EMRK garantierte
A-592/2016
Seite 18
Recht auf ein faires Verfahren vorliegen, wenn bei der Sachverhaltsermitt-
lung im Verwaltungsverfahren Zwang oder Druck ausgeübt wird und die
Möglichkeit besteht, die auf diesem Wege erlangten Informationen im
Strafprozess gegen dieselbe Person zu verwenden (Urteil des EGMR
Chambaz gegen Schweiz vom 5. April 2012, 11663/04, Ziff. 52 ff.; vgl. dazu
auch Urteil des BGer 2C_901/2012 vom 30. Januar 2013 E. 2.2).
4.5.3 Zwar dürfen Beweismittel, welche aufgrund der Mitwirkungspflichten
im Verwaltungsverfahren erhoben werden konnten, im Verwaltungsstraf-
verfahren aufgrund des strafprozessualen, in Art. 14 Abs. 3 Bst. g des In-
ternationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte (SR 0.103.2)
garantierten und aus Art. 6 Abs. 1 und 2 EMRK sowie Art. 32 Abs. 1 BV
abgeleiteten Verbots des Selbstbelastungszwangs («nemo tenetur se ip-
sum accusare»; vgl. BGE 131 IV 36 E. 3.1; SIEBER/MALLA, a.a.O., Art. 182
N. 50) unter Umständen nicht verwendet werden. Hingegen ist es in der
Regel unproblematisch, im Verwaltungsverfahren auf die Sachverhaltsfest-
stellung des Strafverfahrens abzustellen (vgl. zur Verwendung von im
Strafverfahren sichergestellten Beweismitteln im Verwaltungsverfahren Ur-
teile des BGer 2C_112/2010 vom 30. September 2010 E. 5.2, 2A.701/2006
vom 3. Mai 2007 E. 5.1; Urteile des BVGer A-3056/2015 vom 22. Dezem-
ber 2016 E. 3.1.7, A-3659/2012 vom 3. Februar 2014 E. 3.3.1, A-845/2011
vom 7. Februar 2012 E. 3.3; siehe zum Ganzen ferner ALFRED KÖLZ et al.,
Verwaltungsverfahren und Verwaltungsrechtspflege des Bundes, 3. Aufl.
2013, N. 2037).
5.
5.1 Der Anspruch auf rechtliches Gehör ist als selbständiges Grundrecht in
Art. 29 Abs. 2 BV verankert und in den Art. 26-33 VwVG exemplarisch kon-
kretisiert (Art. 30-33 VwVG finden freilich nach Art. 2 Abs. 1 VwVG im Steu-
erverfahren keine Anwendung). Der Gehörsanspruch umfasst im Wesent-
lichen das Recht einer Partei auf Teilnahme am Verfahren und auf Einfluss-
nahme auf den Prozess der Entscheidfindung. In diesem Sinne dient das
rechtliche Gehör einerseits und in Ergänzung des Untersuchungsgrundsat-
zes der Sachaufklärung, stellt andererseits aber auch ein persönlichkeits-
bezogenes Mitwirkungsrecht beim Erlass von Verfügungen dar, die in die
Rechtsstellung des Einzelnen eingreifen. Zu den Mitwirkungsrechten ge-
hört insbesondere das Recht einer Partei, vor Erlass einer Verfügung ori-
entiert zu werden und sich zur Sache zu äussern, Einsicht in die Akten zu
nehmen und mit erheblichen Beweisanträgen gehört zu werden. Der An-
spruch auf rechtliches Gehör umfasst als Mitwirkungsrecht mithin alle Be-
fugnisse, die einer Partei einzuräumen sind, damit sie ihren Standpunkt in
A-592/2016
Seite 19
einem Verfahren wirksam zur Geltung bringen kann (BGE 135 II 286 E. 5.1;
Urteil des BGer 1C_77/2013 vom 19. Juli 2013 E. 3.2; Urteil des BVGer
A-1251/2012 vom 15. Januar 2014 E. 2.2; BERNHARD WALDMANN/JÜRG BI-
CKEL, in: Bernhard Waldmann/Philippe Weissenberger [Hrsg.], Praxiskom-
mentar Verwaltungsverfahrensgesetz, 2. Aufl. 2016, Art. 29 N. 70 ff.).
5.2 Nach der bundesgerichtlichen Praxis besteht grundsätzlich kein An-
spruch darauf, zur rechtlichen Würdigung oder zur juristischen Begründung
des Entscheids angehört zu werden (BGE 116 V 182 E. 1a; Urteile des
BGer 8C_529/2016 vom 26. Oktober 2016 E. 4.2.2, 8C_294/2014 vom
23. September 2014 E. 5.1, 1C_584/2012 vom 4. Juli 2013 E. 4.1). Freilich
ist zur Gehörswahrung dann eine vorgängige Anhörung (zu Rechtsfragen)
geboten, wenn eine Behörde ihren Entscheid mit einer Rechtsnorm oder
einem Rechtsgrund zu begründen beabsichtigt, die oder der im bisherigen
Verfahren nicht herangezogen und von den beteiligten Parteien nicht an-
gerufen wurde, sofern die Parteien mit der Erheblichkeit der Rechtsnorm
oder des Rechtsgrundes im konkreten Fall nicht rechnen konnten
(BGE 128 V 272 E. 5b/bb, mit Hinweisen).
Ein Anspruch darauf, die eigenen Anliegen mündlich vorbringen zu können,
besteht unter Vorbehalt diesbezüglicher Sonderregelungen nicht (Urteil
des BVGer A-5198/2013 vom 20. Oktober 2014 E. 3.1).
5.3 Aus dem Anspruch auf rechtliches Gehör ergibt sich keine allgemeine
Pflicht zur Abnahme aller angebotenen Beweise. Die Abweisung eines Be-
weisantrages ist namentlich dann zulässig, wenn sich die Behörde oder
das Gericht die eigene Meinung aufgrund zuvor erhobener Beweise bereits
bilden konnte und ohne Willkür in vorweggenommener (antizipierter) Be-
weiswürdigung annehmen darf, die gewonnene Überzeugung werde durch
weitere Beweiserhebungen nicht erschüttert (vgl. BGE 136 I 229 E. 5.2 f.;
Urteil des BGer 2C_794/2013 vom 2. Mai 2014 E. 2; Urteile des BVGer
A-227/2016 vom 7. Februar 2017 E. 3, A-5198/2013 vom 20. Oktober 2014
E. 3.3).
5.4
5.4.1 In gesetzlicher Konkretisierung des Anspruchs auf rechtliches Gehör
sieht Art. 26 Abs. 1 VwVG vor, dass die Partei oder ihr Vertreter Anspruch
darauf hat, in ihrer Sache die Eingaben von Parteien und Vernehmlassun-
gen von Behörden, alle als Beweismittel dienenden Aktenstücke sowie die
Niederschriften eröffneter Verfügungen am Sitz der verfügenden oder einer
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durch diese zu bezeichnenden kantonalen Behörde einzusehen. Die Ak-
teneinsicht ist auf Gesuch der Partei zu gewähren, sofern nicht wesentliche
öffentliche oder private Interessen eine Geheimhaltung erfordern
(vgl. Art. 27 VwVG).
Die genannte gesetzliche Konkretisierung des Gehörsanspruchs bzw. des
Akteneinsichtsrechts gilt sinngemäss auch bei besonderen Untersu-
chungsmassnahmen der ESTV im Sinne von Art. 190 ff. DBG (vgl. Art. 191
Abs. 1 Satz 1 und Art. 192 Abs. 1 Satz 1 DBG in Verbindung mit Art. 36
VStrR).
5.4.2 Die Wahrnehmung des Akteneinsichtsrechts durch den von ei-
ner Verfügung Betroffenen setzt eine Aktenführungspflicht der Verwaltung
voraus. Die Behörden haben alles in den Akten festzuhalten, was zur Sa-
che gehört und entscheidwesentlich sein kann (BGE 130 II 473 E. 4.1). In
der Regel ist ein Aktenverzeichnis zu erstellen, welches eine chronologi-
sche Auflistung sämtlicher in einem Verfahren gemachter Eingaben ent-
hält (Urteil des BGer 2C_327/2010 und 2C_328/2010 vom 19. Mai 2011
E. 3.2). Hierzu gehört auch eine kurze Beschreibung der Dokumentart bzw.
des Inhalts des jeweiligen Dokuments (Urteil des BGer 8C_319/2010 vom
15. Dezember 2010 E. 2.2.2; Urteile des BVGer A-5757/2015 vom 19. Feb-
ruar 2016 E. 2.5, A-5275/2015 und A-5278/2015 vom 4. November 2015
E. 8.7.4).
5.5 Der Anspruch auf rechtliches Gehör verlangt sodann als persönlich-
keitsbezogenes Mitwirkungsrecht, dass die Behörde die Vorbringen der
Parteien tatsächlich hört, prüft und in ihrer Entscheidfindung berücksichtigt.
Damit häng