Abtei lung I
A-6437/2008
{T 0/2}
U r t e i l v o m 1 6 . F e b r u a r 2 0 0 9
Richter Beat Forster (Vorsitz), Richterin Claudia
Pasqualetto Péquignot, Richter Jérôme Candrian,
Gerichtsschreiberin Mia Fuchs.
A._______,
B._______,
Beschwerdeführer,
gegen
Bundesamt für Kommunikation (BAKOM),
Zukunftstrasse 44, Postfach, 2501 Biel,
Vorinstanz,
Rechtsverweigerung.
B u n d e s v e r w a l t u n g s g e r i c h t
T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i f f é d é r a l
T r i b u n a l e a m m i n i s t r a t i v o f e d e r a l e
T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i v f e d e r a l
Besetzung
Parteien
Gegenstand
A-6437/2008
Sachverhalt:
A.
Am 17. August 2008 reichten A._______ und B._______ (nachfolgend:
Beschwerdeführer) eine Beschwerde bei der Eidgenössischen Kom-
munikationskommission ComCom gegen das Bundesamt für Kommu-
nikation (BAKOM) ein. Darin verlangten sie gestützt auf Art. 13 der
Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte
und Grundfreiheiten (EMRK, SR 0.101) die Feststellung, dass ihr
Recht auf freie Kommunikation gemäss Art. 10 EMRK verletzt worden
sei.
Der Eingabe ist zu entnehmen, dass A._______ am 15. August 2008
B._______ eine E-Mail hat senden wollen, diese aber nicht angekom-
men sei. Stattdessen habe A._______ die Mitteilung erhalten, die E-
Mail könne wegen „policy reasons“ nicht zugestellt werden. Versuche
hätten dann ergeben, dass die E-Mail vom Provider des Adressaten
blockiert worden sei, offensichtlich wegen einem Link zur Internetseite
eines Referendumkomitees. Bei weiteren Versuchen sei die gleiche E-
Mail an 20 persönlich bekannte Adressaten versendet worden. Bei vier
Adressaten habe der Absender die Mitteilung erhalten, die E-Mail sei
wegen „policy reasons“ oder „unsolicited content“ nicht zustellbar.
Art. 10 EMRK garantiere das Recht auf freie Kommunikation. E-Mails,
die keine Viren enthielten, müssten von den Providern ausgeliefert
werden. Würden sie von den Providern als Spam kategorisiert, dürften
sie nur in der Betreffszeile zur weiteren Beurteilung durch den Adres-
saten als spamverdächtig markiert werden. Eine Ausfilterung verletze
Art. 10 EMRK.
Der Staat als Konzessionär müsse dafür sorgen, dass die Internetbe-
treiber die freie Kommunikation nach Art. 10 EMRK gewährleisten wür-
den. Komme es zu einer Behinderung, sei der Staat verantwortlich,
weil er seine Aufsichtspflicht nicht wirksam wahrgenommen habe und
es könne gegen ihn direkt auf Verletzung von Art. 10 EMRK geklagt
werden.
Um an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu gelan-
gen, werde von der ComCom ein beschwerdefähiger, mit einer
Rechtsmittelbelehrung versehener Entscheid verlangt.
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B.
Die ComCom überwies die Beschwerde am 20. August 2008 zustän-
digkeitshalber an das BAKOM.
C.
Am 27. August 2008 forderte das BAKOM die Beschwerdeführer auf,
mitzuteilen, ob ihre Eingabe als Aufsichtsanzeige an das BAKOM (ge-
richtet gegen die Anbieterinnen von Fernmeldediensten) oder als Auf-
sichtsanzeige an das Eidgenössische Departement für Umwelt, Ver-
kehr, Energie und Kommunikation (UVEK; gerichtet gegen die Auf-
sichtstätigkeit des BAKOM) zu verstehen sei.
D.
Die Beschwerdeführer teilten dem BAKOM am 31. August 2008 mit, es
werde die Behandlung der Beschwerde durch das BAKOM verlangt.
E.
Mit einem ausdrücklich nicht als Verfügung qualifizierten Schreiben
vom 3. September 2008 teilte das BAKOM den Beschwerdeführern
mit, ein Recht zur Beschwerde über Provider beim BAKOM verbunden
mit einem Anspruch auf Durchsetzung privater Rechte sei im schwei-
zerischen Recht nicht vorgesehen. Die Eingabe werde deshalb als
Aufsichtsanzeige entgegen genommen. Im Aufsichtsverfahren hätten
die Anzeiger keine Parteirechte. Ihre Rechte gegenüber den Providern
müssten sie auf dem Rechtsweg vor Gericht durchsetzen.
F.
Am 4. Oktober 2008 gelangten die Beschwerdeführer an das UVEK. In
ihrer als Beschwerde bezeichneten Eingabe wiederholen sie das am
17. August 2008 vor der ComCom Ausgeführte. Zusätzlich halten sie
fest, das BAKOM habe mit der Weigerung, einen förmlichen Entscheid
zu fällen, ihnen Parteirechte einzuräumen und eine Rechtsmittelbeleh-
rung zu erteilen, ihr Recht auf wirksame Beschwerde und damit Art. 13
EMRK verletzt. Verlangt werde ein beschwerdefähiger, mit einer
Rechtsmittelbelehrung versehener Entscheid, um den nationalen In-
stanzenzug ausschöpfen zu können.
G.
Das UVEK überwies die Beschwerde am 10. Oktober 2008 zuständig-
keitshalber an das Bundesverwaltungsgericht.
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H.
Mit Vernehmlassung vom 17. November 2008 beantragt das BAKOM
(Vorinstanz) die Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten
sei.
Vorliegend seien E-Mails von Vertretern des Referendumskomitees ge-
gen biometrische Schweizer Pässe und Identitätskarten zum Teil nicht
bis zu den Empfängern gelangt, sondern von den Anbieterinnen von
Fernmeldedienstleistungen oder E-Mailkonten als Spam ausgefiltert
worden. Auf Aufforderung hin habe das BAKOM die fraglichen Unter-
nehmungen daran erinnert, dass politische Werbung nicht den Regeln
des unlauteren Wettbewerbs unterliege und diese gebeten, mitzutei-
len, ob sie diese Ansicht teilten. Weiter habe sie von ihnen Auskunft
darüber verlangt, warum E-Mails die Empfänger nicht erreicht hätten.
Die kontaktierten Anbieterinnen hätten die erforderlichen Massnahmen
ergriffen und es sei nun sichergestellt, dass die E-Mails des Refe-
rendumskomitees bis zu ihren Empfängern gelangen könnten. Die
Meldung der Beschwerdeführer sei als Aufsichtsanzeige entgegen ge-
nommen worden. Ihnen seien im Aufsichtsverfahren keine Parteirechte
eingeräumt worden.
Auf den Erlass einer Verfügung sei verzichtet worden, weil kein ent-
sprechender Anspruch bestehe. Denn über das Aufsichtsverfahren hin-
aus sehe weder das Fernmelderecht noch sonst das öffentliche Recht
des Bundes vor, dass Private im Zusammenhang mit fernmeldetechni-
schen Übertragungen die Durchsetzung ihrer eigenen Rechte vor dem
BAKOM gegenüber Dritten verlangen könnten. Vorliegend gehe es um
die Durchsetzung vertraglicher Ansprüche, wofür die Zivilgerichte zu-
ständig seien. Auch die Beurteilung des im Fernmelderecht enthalte-
nen Straftatbestandes der Unterdrückung von Informationen erfolge
durch die kantonalen Strafverfolgungsbehörden. Die Beschwerdeführer
seien auf die Rechtslage hingewiesen worden und für das BAKOM
habe über die Einleitung eines Aufsichtsverfahrens hinaus kein Anlass
bestanden, tätig zu werden oder eine Verfügung zu erlassen.
Auch aus Art. 10 EMRK folge kein Anspruch auf Erlass der verlangten
Verfügung. Denn eine entsprechende positive Schutzpflicht des Staa-
tes bestehe nach der Rechtsprechung nur bei Übergriffen durch Priva-
te, die einen gewissen Schweregrad, vergleichbar einer drohenden Er-
mordung, erreichten. Dies sei vorliegend nicht der Fall. Zudem habe
sich auf Grund der Abklärungen im Rahmen des Aufsichtsverfahrens
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ergeben, dass sich die Filterung wohl kaum gegen die politische
Äusserung des Referendumskomitees gerichtet habe, sondern auf
Grund abstrakter Filterkriterien im Rahmen der gesetzlich geforderten
Spambekämpfung erfolgt sei. In diesem Zusammenhang geht das
BAKOM ausführlich auf die Vorgehensweise bei der automatisierten
Spambekämpfung im Allgemeinen, deren Bedeutung und die Ergeb-
nisse seiner Abklärungen bei den Dienstanbieterinnen ein. Weiter fol-
gert es, wegen der fehlenden Schwere des Übergriffs, mangels Ab-
sicht der Anbieterinnen und weil die Zustellung mittlerweile sicherge-
stellt sei, könne eine Verletzung von Art. 10 EMRK nicht ernstlich in
Frage stehen. Da das Recht auf wirksame Beschwerde gemäss Art. 13
EMRK nur im Zusammenhang mit einer anderen Konventionsverlet-
zung geltend gemacht werden könne, lasse sich auch daraus kein An-
spruch auf Erlass der verlangten Verfügung ableiten.
I.
Die Beschwerdeführer replizierten am 20. November 2008 und – nach-
dem sie für die Einsichtnahme in die Verfahrensakten vorübergehend
einen Rechtsvertreter beigezogen hatten – ergänzend am 14. Dezem-
ber 2008. Sie halten an einer Verletzung von Art. 10 und 13 EMRK
fest, weil die fraglichen E-Mails bis heute nicht zugestellt, sondern of-
fensichtlich vernichtet worden seien. Die Konsequenz müsse nach der
Rechtsprechung die förmliche Feststellung der Konventionsverletzung
sein und die Sache dürfe nicht in einem Geheimverfahren erledigt wer-
den. Weiter unterliege die Pflicht, zu überwachen, ob die Provider bei
der Nutzung der Konzessionen auch das Menschenrecht der freien
Kommunikation gewährleisten würden, nicht der Zivilgerichtsbarkeit,
sondern sei Aufgabe des BAKOM. Dieses dürfe es nicht dabei bewen-
den lassen, die Provider an ihre Pflichten lediglich zu erinnern. Die
Frage der Drittwirkung der Menschenrechte stelle sich gar nicht, da es
sich nicht um eine privatrechtliche Angelegenheit handle, sondern der
Staat via Konzession für die Einhaltung der Rechte zu sorgen habe.
Zusätzlich beantragten die Beschwerdeführer für den Fall, dass sich
das Bundesverwaltungsgericht als nicht zuständig erachten sollte, die
Rückweisung der Sache mit verbindlichen Weisungen an die Vorin-
stanz.
In ihrer ergänzenden Eingabe rügen die Beschwerdeführer darüber
hinaus, das von der Vorinstanz dokumentierte Aufsichtsverfahren habe
sich gar nicht auf die von ihnen angezeigten Vorkommnisse, sondern
auf Meldungen eines Dritten, des Referendumskomitees, bezogen. Mit
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der Verschleierung der verschiedenen Parteien sei ihnen verunmög-
licht worden, ihren Anspruch auf rechtliches Gehör adäquat wahrzu-
nehmen. Auch seien die in ihrem Fall involvierten Provider Cablecom
und nicht oder nicht vollständig über ihren Fall dokumentiert
ins Aufsichtsverfahren einbezogen worden. Zudem verlangen die Be-
schwerdeführer, es sei aufzuklären, wer versucht habe, der Öffentlich-
keit unter dem Deckmantel der Spambekämpfung Informationen über
ein laufendes Referendum vorzuenthalten, sei es doch fraglich, ob die
Zensur ohne menschliches Zutun erfolgt sei. Erstaunlich sei, dass ge-
mäss weiteren Versuchen ein grosser internationaler und zwei kleine
Schweizer Provider die fraglichen E-Mails weder zensuriert noch als
Spam behandelt hätten. Das BAKOM müsse somit von allen Providern
eine zensurfreie Verarbeitung der E-Mails verlangen.
J.
Am 13. Januar 2009 teilten die Beschwerdeführer mit, der Schriften-
verkehr sei wieder direkt an sie zu richten und nicht mehr an ihren
Rechtsvertreter.
Das Bundesverwaltungsgericht zieht in Erwägung:
1.
Das Bundesverwaltungsgericht prüft von Amtes wegen, ob es zur Be-
urteilung der vorliegenden Beschwerde zuständig ist.
1.1 Gemäss Art. 31 des Verwaltungsgerichtsgesetzes vom 17. Juni
2005 (VGG, SR 173.32) beurteilt das Bundesverwaltungsgericht Be-
schwerden gegen Verfügungen nach Art. 5 des Bundesgesetzes vom
20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (VwVG, SR
172.021).
1.1.1 Eine Verfügung liegt vor bei einer hoheitlichen, individuell-kon-
kreten, auf Rechtswirkungen ausgerichteten und verbindlichen Anord-
nung einer Behörde, die sich auf öffentliches Recht des Bundes stützt,
oder bei einer autoritativen und individuell-konkreten Feststellung be-
stehender Rechte oder Pflichten (Art. 5 Abs. 1 VwVG; ULRICH HÄFELIN/
GEORG MÜLLER/FELIX UHLMANN, Allgemeines Verwaltungsrecht, 5. Aufl.,
Zürich/Basel/Genf 2006, Rz. 854 ff.; PIERRE TSCHANNEN/ULRICH ZIMMERLI,
Allgemeines Verwaltungsrecht, 2. Aufl., Bern 2005, § 28 Rz. 17).
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1.1.2 Verfügungen sind den Parteien schriftlich zu eröffnen (Art. 34
VwVG). Sie sind, auch wenn sie in Briefform ergehen, als solche zu
bezeichnen, zu begründen und mit einer Rechtsmittelbelehrung zu
versehen (Art. 35 Abs. 1 VwVG). Aus mangelhafter Eröffnung darf den
Parteien kein Nachteil erwachsen (Art. 38 VwVG).
1.1.3 Im Falle von Unklarheiten über den Verfügungscharakter eines
Schreibens ist nicht massgebend, ob die Verwaltungshandlung als Ver-
fügung gekennzeichnet ist oder den gesetzlichen Formvorschriften für
eine Verfügung entspricht, sondern ob die Strukturmerkmale einer Ver-
fügung vorhanden sind (TSCHANNEN/ZIMMERLI, a.a.O., § 29 Rz. 3). Eine
anfechtbare Verfügung liegt selbst dann vor, wenn die Vorinstanz es
wegen Fehlens von Prozessvoraussetzungen ausdrücklich ablehnt, auf
ein Gesuch einzutreten (ALFRED KÖLZ/ISABELLE HÄNER, Verwaltungsverfah-
ren und Verwaltungsrechtspflege des Bundes, 2. Aufl., Zürich 1998,
S. 255).
1.1.4 Die Beschwerdeführenden haben von der Vorinstanz die Fest-
stellung verlangt, ihr auf Art. 10 EMRK abgestütztes Recht auf freie
Kommunikation sei dadurch verletzt worden, dass Anbieterinnen von
Fernmeldediensten E-Mails auf Grund ihres politischen Inhalts nicht
zugestellt bzw. als Spam behandelt hätten. Weiter beantragten sie, ihr
Begehren sei in einem förmlichen Beschwerdeverfahren, in welchem
ihnen Parteirechte zuständen, zu behandeln, es sei ein beschwerdefä-
higer Entscheid zu erlassen und sie seien über die Rechtsmittel zu be-
lehren.
Die Vorinstanz hat den Beschwerdeführern mitgeteilt, ihre Eingabe
werde bloss als Aufsichtsanzeige entgegen genommen, denn sie ver-
fügten vor dem BAKOM über kein Beschwerderecht gegen Provider
zur Durchsetzung von privaten Rechten. Weiter hat es festgehalten,
diese Mitteilung könne nicht als Verfügung qualifiziert werden.
1.1.5 Die Vorinstanz hat somit den Beschwerdeführern das Recht ab-
gesprochen, die von ihnen geltend gemachten Ansprüche gegenüber
Fernmeldedienstanbieterinnen in einem förmlichen Verwaltungsverfah-
ren durchzusetzen. Weiter hat sie sich ausdrücklich geweigert, hier-
über eine Verfügung zu erlassen. Auch wenn das Schreiben der Vorin-
stanz vom 3. September 2008 trotz fehlender Anforderungen gemäss
Art. 35 VwVG Merkmale einer Verfügung aufweist, indem sinngemäss
über die Rechte der Beschwerdeführer befunden wurde, kann darin
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keine Verfügung gesehen werden. Einer solchen Annahme steht die
klare Willensäusserung der Vorinstanz entgegen, welche sich trotz un-
missverständlicher Aufforderung der Beschwerdeführer geweigert hat,
in dieser Sache zu verfügen, indem sie auf das Gesuch ausdrücklich
nicht eingetreten ist (vgl. dazu Urteil des Bundesgerichts 2C_245/2007
vom 10. Oktober 2007 E. 3.1, Urteil des Bundesverwaltungsgericht
A-2723/2007 vom 30. Januar 2008 E. 1.1).
1.2 Damit liegt keine anfechtbare Verfügung vor. Davon sind auch die
Beschwerdeführer ausgegangen, machen sie mit ihrer Beschwerde
doch eine Rechtsverweigerung geltend.
1.3 Nach Art. 46a VwVG kann gegen das unrechtmässige Verweigern
oder Verzögern einer Verfügung ebenfalls Beschwerde geführt werden.
Beschwerdeinstanz ist jene Behörde, die zuständig wäre, wenn die
Verfügung ordnungsgemäss ergangen wäre (Botschaft zur Totalrevisi-
on der Bundesrechtspflege, BBl 2001 4408; vgl. auch ANDRÉ MOSER/
MICHAEL BEUSCH/LORENZ KNEUBÜHLER, Prozessieren vor dem Bundesver-
waltungsgericht, Basel 2008, Rz. 5.18 mit Hinweisen). Die Vorinsta