B u n d e s v e rw a l t u ng s g e r i ch t
T r i b u n a l ad m i n i s t r a t i f f éd é r a l
T r i b u n a l e am m in i s t r a t i vo f e d e r a l e
T r i b u n a l ad m i n i s t r a t i v fe d e r a l
Abteilung II
B-3096/2018
Zw i s ch en en t s c he i d
vom 1 2 . Feb r u a r 2 0 1 9
Besetzung
Richter Keita Mutombo (Vorsitz),
Richterin Maria Amgwerd, Richter Christian Winiger,
Gerichtsschreiber David Roth.
Parteien
A._______-Gruppe, bestehend aus:
1. A._______ AG,
2. B._______ AG,
3. C._______ AG,
alle vertreten durch Dr. iur. Gerald Brei, Rechtsanwalt,
Voillat Facincani Sutter + Partner,
Fortunagasse 11-15 / Rennweg, 8001 Zürich,
Beschwerdeführerinnen,
gegen
Wettbewerbskommission WEKO,
Hallwylstrasse 4, 3003 Bern,
Vorinstanz.
Gegenstand
Untersuchung […] betreffend Hoch- und
Tiefbauleistungen Engadin I wegen unzulässiger
Wettbewerbsabrede gemäss Art. 5 Abs. 3 KG
(Sanktionsverfügung vom 26. März 2018).
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Sachverhalt:
A.
Mit Verfügung vom 26. März 2018 untersagte die Wettbewerbskommission
WEKO (nachfolgend: Vorinstanz) der A._______ AG, der B._______ AG
und der C._______ AG (A._______-Gruppe, nachfolgend: Beschwerde-
führerinnen) näher bezeichnete Verhaltensweisen im Zusammenhang mit
der Erbringung von Hoch- und Tiefbauleistungen (Dispositivziffer 1). Weiter
belastete die Vorinstanz die Beschwerdeführerinnen wegen Beteiligung an
gemäss Art. 5 Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 1 des Kartellgesetzes vom
6. Oktober 1995 (KG, SR 251) unzulässigen Wettbewerbsabreden gemäss
Übersicht in Abschnitt C.3.6 (recte: C.4.6) der Verfügung solidarisch mit
einem Betrag von Fr. [4.7 – 5.5 Mio.] (Dispositivziffer 2.2) und auferlegte
ihnen solidarisch Verfahrenskosten in der Höhe von Fr. […] (Dispositivziffer
4.2).
B.
Mit Beschwerde vom 28. Mai 2018 stellten die Beschwerdeführerinnen
beim Bundesverwaltungsgericht folgende Hauptanträge:
„1. Dispositiv Ziffer 2.2 der Verfügung der Weko vom 26. März 2018 sei aufzuhe-
ben und die de[n] Beschwerdeführerin[nen] auferlegte Sanktion nach Ermes-
sen des Gerichts auf ein angemessenes Mass zu reduzieren.
2. Bei der Bestimmung des Basisbetrags für erwiesene Wettbewerbsverstösse
sei auf den Umsatz der Beschwerdeführerin[nen] auf den relevanten projekt-
spezifisch abzugrenzenden Märkten abzustellen.
3. Zur Bestimmung des Basisbetrags nach Art. 3 [der KG-Sanktionsverordnung
vom 12. März 2014 (SVKG, SR 251.5)] für den Tatkomplex Zusammenarbeit
mit der [X._______] AG sei ein Umsatz der Beschwerdeführerin[nen] auf den
relevanten Märkten im Zeitraum vom 1. November 2009 bis 30. Oktober 2012
in Höhe von CHF […], eventualiter in Höhe von CHF […], sub-eventualiter in
Höhe von CHF […] und sub-sub-eventualiter maximal in Höhe von CHF […]
massgebend.
4. Bei der Sanktionsbemessung für den Tatkomplex Zusammenarbeit mit der
[X._______] AG sei de[n] Beschwerdeführerin[nen] nach Art. 12 Abs. 3 SVKG
ein Bonus in der Höhe von 80 % zu gewähren.
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5. Es sei für den Tatkomplex Vorversammlungen festzustellen, dass für die Jahre
2007 und 2008 das Bestehen oder die Fortsetzung einer allfällig vorher beste-
henden Gesamtabrede als horizontale Preis- und Geschäftspartnerabrede im
Sinne von Art. 5 Abs. 3 lit. a und lit. c KG nicht erwiesen ist.
6. Alles unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zu Lasten der Vorinstanz.“
C.
Mit Vernehmlassung vom 4. September 2018 stellte die Vorinstanz den
Hauptantrag, dass auf die Beschwerde nicht einzutreten sei, und den Ver-
fahrensantrag, dass das Beschwerdeverfahren auf die Eintretensfrage zu
beschränken sei. Eventualiter sei die Beschwerde kostenfällig abzuweisen.
D.
Mit Replik vom 26. Oktober 2018 beantragten die Beschwerdeführerinnen
ergänzend die Abweisung des vorinstanzlichen Verfahrensantrags. Sie be-
gründeten dies mit prozessökonomischen Überlegungen und dem verfas-
sungsrechtlichen Anspruch auf Beurteilung innert angemessener Frist.
E.
Mit Zwischenverfügung vom 29. Oktober 2018 teilte der Instruktionsrichter
den Parteien mit, dass das Bundesverwaltungsgericht über das Vorliegen
der Eintretensvoraussetzungen entsprechend dem vorinstanzlichen Ver-
fahrensantrag einen selbständigen Zwischenentscheid fällen werde und
hierzu kein weiterer Schriftenwechsel vorgesehen sei.
F.
Auf die weiteren entscheiderheblichen Vorbringen der Parteien wird in den
nachfolgenden Erwägungen eingegangen.
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Das Bundesverwaltungsgericht zieht in Erwägung:
1.
Der vorliegende Zwischenentscheid erweist sich entgegen der Auffassung
der Beschwerdeführerinnen insofern als prozessökonomisch, als die Par-
teien Gelegenheit erhalten, eine von ihren Anträgen abweichende Beurtei-
lung der Prozessvoraussetzungen einer unmittelbaren Entscheidung durch
das Bundesgericht zuzuführen. Die Vorinstanz hat ihren Verfahrensantrag
ausdrücklich mit dieser Möglichkeit begründet. Tatsächlich käme das Ver-
fahren bei Nichteintreten zum Abschluss; es würden sich umfangreiche Er-
wägungen in sachlicher und rechtlicher Hinsicht erübrigen, infolgedessen
das Verfahren voraussichtlich um einiges rascher abgeschlossen werden
könnte. Letzteres gälte selbst bei einem teilweisen Nichteintreten. Allfällige
zeitweilige Verzögerungen erscheinen deswegen in der Gesamtbetrach-
tung durchaus objektiv gerechtfertigt. Somit wird das Verfahren vor dem
Bundesverwaltungsgericht durch diesen Zwischenentscheid beziehungs-
weise dessen allfällige bundesgerichtliche Kontrolle nicht ungebührlich ver-
zögert. Das Vorgehen ist vielmehr zweckmässig und im Einklang mit dem
Beschleunigungsgebot von Art. 29 Abs. 1 der Bundesverfassung der
Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 (BV, SR 101).
2.
Das Bundesverwaltungsgericht prüft von Amtes wegen und mit freier Kog-
nition, ob die Prozessvoraussetzungen erfüllt sind und inwieweit auf eine
Beschwerde einzutreten ist (vgl. nur BVGE 2007/6 E. 1 mit Hinweisen).
3.
Die Beschwerde vom 28. Mai 2018 richtet sich gegen die vorinstanzliche
Verfügung vom 26. März 2018 und damit gegen ein Beschwerdeobjekt im
Sinne von Art. 31 des Verwaltungsgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005
(VGG, SR 173.32) in Verbindung mit Art. 5 VwVG. Das Bundesverwal-
tungsgericht ist gemäss Art. 33 Bst. f VGG in Verbindung mit Art. 47 Abs. 1
Bst. b VwVG zur Behandlung der vorliegenden Streitsache zuständig, zu-
mal keine Ausnahme im Sinne von Art. 32 VGG vorliegt. Die Beschwerde-
führerinnen sind als Verfügungsadressatinnen zur Beschwerdeführung le-
gitimiert (Art. 48 Abs. 1 VwVG). Die angefochtene Verfügung wurde am
27. April 2018 zugestellt, infolgedessen die Beschwerdefrist gewahrt
wurde (Art. 50 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 f. VwVG). Der Kostenvorschuss wurde
rechtzeitig bezahlt (Art. 63 Abs. 4 VwVG).
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4.
Die Vorinstanz bezeichnet die Rechtsbegehren der Beschwerdeführerin-
nen als unzulässig. Hinsichtlich der Antragsziffer 1 macht sie geltend, das
Begehren verletze das Bestimmtheitsgebot, indem es die auszuspre-
chende Sanktion ins Ermessen des Gerichts stelle. Die Beschwerdeführe-
rinnen wären in der Lage gewesen, präzise Rechtsbegehren zu stellen. Mit
Verweis auf das Urteil des BGer 2C_101/2016 vom 18. Mai 2018 E. 16.1 f.
(nicht publiziert in BGE 144 II 246) führt die Vorinstanz weiter aus, dass
das Erfordernis von bestimmten und gegebenenfalls bezifferten Anträgen
im Rechtsmittelverfahren auch im Bereich des Kartellrechts gelten müsse
(siehe sogleich E. 5 hiernach). Zudem befänden sich die Antragszif-
fern 1 bis 3 ausserhalb des Streitgegenstands, indem die Beschwerdefüh-
rerinnen geltend machten, dass sie anstelle einer Gesamtabrede für ein-
zelne projektspezifische Submissionsabreden zu sanktionieren seien.
Letztere seien nicht Anfechtungsgegenstand, weil über sie keine Verfü-
gung ergangen sei, und deren erstmalige Beurteilung und Sanktionierung
durch das Bundesverwaltungsgericht wäre unrechtmässig. Auch würden
die Beschwerdeführerinnen ausschliesslich einen reformatorischen Ent-
scheid anstreben, insofern ein Rückweisungsentscheid nicht zur Disposi-
tion stehe. Weiter würden sich die Antragsziffern 2 bis 4 in unzulässiger
Weise gegen die Verfügungsbegründung richten, welche nicht angefoch-
ten werden könne. Schliesslich handle es sich bei Antragsziffer 5 um ein
unzulässiges Feststellungsbegehren, indem es auf die Feststellung einer
Tat- anstelle einer Rechtsfrage ziele, ein schutzwürdiges Interesse nicht
ersichtlich sei und der Grundsatz der Subsidiarität von Feststellungsverfü-
gungen missachtet werde (siehe E. 6 hiernach).
5.
5.1
5.1.1
Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet in der Sache selbst oder weist
diese ausnahmsweise mit verbindlichen Weisungen an die Vorinstanz zu-
rück (Art. 61 Abs. 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes vom 20. Dezem-
ber 1968 [VwVG, SR 172.021]). Gemäss Art. 107 Abs. 2 des Bundesge-
richtsgesetzes vom 17. Juni 2005 (BGG, SR 173.111) entscheidet das
Bundesgericht bei Gutheissung der Beschwerde in der Sache selbst oder
weist diese zu neuer Beurteilung zurück. Aufgrund des reformatorischen
Charakters der Beschwerde ans Bundesgericht darf sich ein Beschwerde-
führer grundsätzlich nicht darauf beschränken, die Aufhebung des ange-
fochtenen Entscheids zu beantragen, sondern muss einen Antrag in der
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Seite 6
Sache stellen (vgl. BGE 137 II 313 E. 1.3; Urteil des BGer 2C_101/2016
vom 18. Mai 2018 E. 16.1, je mit Hinweisen).
5.1.2
Der Wortlaut der vorzitierten Normen ist weitgehend entsprechend, und der
Beschwerdecharakter stimmt ebenfalls überein. Dies legt an sich nahe,
dass sich die Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht im Grundsatz
ebenso wenig auf einen kassatorischen Antrag beschränken darf. In der
Lehre finden sich hingegen mitunter Hinweise, dass ein blosser Antrag auf
Aufhebung nicht „schade[…]“ beziehungsweise ein Sachantrag „nicht
zwingend notwendig“ sei. Diesfalls stelle der Beschwerdeführer die
Rechtsfolge ins Ermessen der Behörde (ISABELLE HÄNER, Anforderungen
an eine Beschwerde, in: Häner/Waldmann [Hrsg.], Brennpunkte im Verwal-
tungsprozess, 2013 [hiernach: Brennpunkte], S. 27 ff., 30; SEETHA-
LER/PORTMANN, in: Waldmann/Weissenberger [Hrsg.], Praxiskommentar
Verwaltungsverfahrensgesetz, 2. Auflage 2016 [hiernach: Praxiskommen-
tar VwVG], Art. 52 N 47). Zudem entscheide das Bundesverwaltungsge-
richt in der Regel in der Sache selbst, und dies selbst dann, wenn bloss die
Aufhebung des angefochtenen Entscheids beantragt sei (MO-
SER/BEUSCH/KNEUBÜHLER, Prozessieren vor dem Bundesverwaltungsge-
richt, 2. Auflage 2013, Rn. 3.191 mit Hinweisen). Unter Verweis auf den
vorzitierten BGE 137 II 313 E. 1.3 findet sich aber auch die Forderung, „wo
möglich und sinnvoll [müsse] ein Antrag in der Sache selbst – und nicht ein
blosser Aufhebungsantrag – gestellt werden“ (ZIBUNG/HOFSTETTER, in:
Pra