Abtei lung II
B-4135/2010
{T 0/2}
U r t e i l v o m 3 . N o v e m b e r 2 0 1 0
Richter Stephan Breitenmoser (Vorsitz), Marc Steiner
und David Aschmann,
Gerichtsschreiberin Kinga Jonas;
X._______,
Beschwerdeführer,
gegen
Vollzugsstelle für den Zivildienst ZIVI
Regionalzentrum,
Vorinstanz;
Dienstverschiebung.
B u n d e s v e r w a l t u n g s g e r i c h t
T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i f f é d é r a l
T r i b u n a l e a m m i n i s t r a t i v o f e d e r a l e
T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i v f e d e r a l
Besetzung
Parteien
Gegenstand
B-4135/2010
Sachverhalt:
A.
Mit Verfügung vom 29. Oktober 2002 wurde der im Jahr 1982 ge-
borene Beschwerdeführer zum Zividienst zugelassen und zur Leistung
von insgesamt 450 Diensttagen verpflichtet. In der Folge wurde im
Rahmen einer Gesetzesrevision die Gesamtdauer der ordentlichen
Zivildienstleistung um 60 Diensttage reduziert. Abzüglich der bis anhin
geleisteten 109 Diensttage hat der Beschwerdeführer zum heutigen
Zeitpunkt und bis zu seiner Entlassung Ende 2016 noch 281 Dienst -
tage zu absolvieren.
Mit Verfügung vom 12. November 2009 wurde der Beschwerdeführer
zum zweiten Teil seines langen Einsatzes von 112 Diensttagen,
dauernd vom 7. Juni bis zum 29. September 2010, bei der A._______
aufgeboten.
Mit Schreiben vom 6. März bzw. 14. März 2010 ersuchte der Be-
schwerdeführer die Vorinstanz um Dienstverschiebung des zweiten
Teils seines langen Einsatzes auf das Jahr 2011. Zur Begründung
machte er im Wesentlichen geltend, dass im Falle des vorgesehenen
Zivildiensteinsatzes die Betreuung seiner Tochter an zwei Wochen-
tagen nicht mehr gewährleistet sei, da eine Fremdbetreuung aus
organisatorischen und finanziellen Gründen nicht in Frage käme,
ausser er könne den Dienst in Form von Teilzeit- oder Heimarbeit ab-
solvieren. Mit seiner Lebenspartnerin habe er für das Jahr 2011 eine
Änderung des Betreuungsmodells beschlossen, welche die Planung
des Zivildienstes vereinfachen werde.
Mit Verfügung vom 19. Mai 2010 lehnte die Vorinstanz das Gesuch des
Beschwerdeführers ab. Zur Begründung führte sie insbesondere aus,
dass Teilzeit- und Heimarbeit gesetzlich nicht erlaubt seien. Überdies
könne der Beschwerdeführer nicht glaubhaft darlegen, weshalb er
einen gesetzlichen Härtefall darstelle.
B.
Mit Eingabe vom 4. Juni 2010 erhob der Beschwerdeführer dagegen
Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht. Er beantragt die Auf-
hebung der vorinstanzlichen Verfügung und die Verschiebung seines
Zivildiensteinsatzes auf das Jahr 2011. Er bringt vor, ihm sei schon bei
Einreichung der Einsatzvereinbarung im Jahr 2009 bewusst gewesen,
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dass ein Zivildiensteinsatz im Jahr 2010 wegen seiner Betreuungs-
pflichten mit Schwierigkeiten verbunden sein würde. Aufgrund von
Familie, Beruf und Studium habe er aber die nötigen Ressourcen nicht
aufbringen können, um sich mit der Rechtslage näher auseinander-
zusetzen. Dies sei auch der Grund, weshalb er nicht bereits gegen das
Aufgebot vom 12. November 2009 Beschwerde erhoben und erst jetzt
ein Dienstverschiebungsgesuch eingereicht habe. An den Be-
treuungspflichten habe sich seit dem letzten Jahr aber grundsätzlich
nichts geändert. Die Entschädigung einer Tagesmutter sei für ihn und
seine Partnerin kaum zu bewerkstelligen. Als noch gewichtiger erachte
er den Umstand, dass der Zwang zu einer zusätzlichen Fremd-
betreuung der gemeinsamen Tochter einen unzulässigen Eingriff in
seine Familie darstelle. Die Vorinstanz sei deshalb zu verpflichten,
ihren rechtlichen Spielraum auszuschöpfen und die Härtefallregel bei
Konflikten zwischen Zivildienstpflicht und anderen Pflichten weniger
strikt anzuwenden.
C.
Mit Vernehmlassung vom 25. Juni 2010 beantragt die Vorinstanz die
Abweisung der Beschwerde. Zur Begründung macht sie geltend, der
Beschwerdeführer habe während der Dienstpflicht Anspruch auf
finanzielle Zulagen für zusätzliche Kosten, welche für die Kinder-
betreuung entstünden. Damit sei es ausgeschlossen, dass er in eine
finanzielle Notlage gerate. Der Beschwerdeführer habe seit längerem
die Möglichkeit gehabt, eine Lösung zu finden, seine familiären Auf-
gaben mit der Zivildienstpflicht in Einklang zu bringen. Entgegen der
Ansicht des Beschwerdeführers könne auch nicht von einem un-
zulässigen Eingriff in das Recht auf Familie gesprochen werden.
Ausserdem stehe die späte Gesuchseinreichung im Widerspruch zum
Gebot, Verschiebungsgesuche durch korrekte Absprachen, gezielte
Koordination und Planung zu vermeiden.
D.
Mit Verfügung vom 29. Juni 2010 hat das Bundesverwaltungsgericht
die Parteien ersucht, sich bis zum 15. Juli 2010 zu ihrer allfälligen
Bereitschaft zu äussern, eine Vereinbarung betreffend Dienstver-
schiebung mit genauer Angabe von Zeit und Ort der Leistung der ver-
bleibenden Diensttage abzuschliessen.
Mit Schreiben vom 6. Juli 2010 teilte die Vorinstanz mit, dass eine
Vereinbarung nicht in Betracht gezogen werden könne. Eine solche
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Vereinbarung widerspreche dem Zivildienstverordnungsrecht und dem
Rechtsgleichheitsgebot. Der Beschwerdeführer seinerseits liess sich
nicht vernehmen.
Auf die dargelegten und weiteren Vorbringen der Parteien wird, soweit
sie rechtserheblich sind, in den Erwägungen eingegangen.
Das Bundesverwaltungsgericht zieht in Erwägung:
1.
Der Entscheid der Vorinstanz vom 12. November 2009 ist eine Ver-
fügung im Sinne von Art. 5 Abs. 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes
vom 20. Dezember 1968 (VwVG, SR 172.021). Diese Verfügung kann
nach Art. 63 des Bundesgesetzes über den zivilen Ersatzdienst vom
6. Oktober 1995 (Zivildienstgesetz, ZDG, SR 824.0) im Rahmen der
allgemeinen Bestimmungen über die Bundesverwaltungsrechtspflege
(Art. 44 ff. VwVG i.V.m. Art. 31 ff. und 37 ff. des Bundesgesetzes über
das Bundesverwaltungsgericht vom 17. Juni 2005, Verwaltungs-
gerichtsgesetz, VGG, SR 173.32; Art. 65 Abs. 4 ZDG) mit Beschwerde
beim Bundesverwaltungsgericht angefochten werden.
Der Beschwerdeführer ist als Adressat der angefochtenen Verfügung
durch diese besonders berührt und hat deshalb ein schutzwürdiges
Interesse an ihrer Aufhebung oder Änderung. Er ist daher zur Be-
schwerdeführung legitimiert, zumal er auch am vorinstanzlichen Ver-
fahren teilgenommen hat (Art. 48 Abs. 1 VwVG). Die Eingabefrist und
die Anforderungen an Form und Inhalt der Beschwerdeschrift sind
gewahrt (Art. 50 und 52 Abs. 1 VwVG, Art. 66 Bst. b ZDG). Die übrigen
Sachurteilsvoraussetzungen liegen vor (Art. 47 ff. VwVG).
Auf die Beschwerde ist daher einzutreten.
2.
Nach dem Zivildienstgesetz leisten Militärdienstpflichtige, die den
Militärdienst mit ihrem Gewissen nicht vereinbaren können, auf Ge-
such hin einen länger dauernden zivilen Ersatzdienst (Art. 1 ZDG). Die
Zivildienstpflicht umfasst namentlich die Pflicht zur Erbringung ordent-
licher Zivildienstleistungen, bis deren gesetzliche Gesamtdauer er-
reicht ist (Art. 9 Bst. d i.V.m. Art. 8 ZDG). Der Bundesrat regelt die
Mindestdauer und die zeitliche Abfolge der Einsätze und erlässt Vor-
schriften über die Behandlung von Gesuchen um Dienstverschiebung
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sowie die Anrechnung der Diensttage an die Erfüllung der Zivildienst -
pflicht (Art. 20 und 24 ZDG).
2.1 Die zivildienstpflichtige Person hat ihre Einsätze so zu planen und
zu leisten, dass sie die Gesamtheit der nach Art. 8 ZDG verfügten
ordentlichen Zivildienstleistungen vor der Entlassung aus der Zivil -
dienstpflicht erbracht hat (Art. 35 Abs. 1 der Verordnung über den
zivilen Ersatzdienst vom 11. September 1996 [Zivildienstverordnung,
ZDV; SR 824.01]). Sie sucht Einsatzbetriebe und spricht die Einsätze
mit diesen ab (Art. 31a Abs. 1 ZDV). Die Mindestdauer eines Einsatzes
beträgt grundsätzlich 26 Tage (Art. 38 Abs. 1 ZDV; vgl. die [vorliegend
nicht relevanten] Ausnahmen in Art. 38 Abs. 2 ZDV). Gemäss den für
die Entlassung aus dem Zivildienst sinngemäss geltenden Be-
stimmungen über die Dauer der Militärdienstpflicht (Art. 13 Militär-
gesetz vom 3. Februar 1995 [MG, SR 510.10]) dauert die Zivildienst-
pflicht für Angehörige der Mannschaft und Unteroffiziere bis zum Ende
des Jahres, in dem sie das 30. Altersjahr vollenden, oder, wenn sie
ihre Ausbildungsdienstpflicht bis dahin nicht vollständig erfüllt haben,
längstens bis zum Ende des Jahres, in dem sie das 34. Altersjahr
vollenden (Art. 13 Abs. 2 Bst. a MG i.V.m. Art. 11 Abs. 2 ZDG).
2.2 Mit Bezug auf die zeitliche Abfolge der Einsätze trat auf den
1. Januar 2009 ein neues Verordnungsrecht in Kraft.
So schreibt der mit Verordnungsänderung vom 15. Oktober 2008 auf
den 1. Januar 2009 in Kraft gesetzte Art. 39a ZDV (AS 2008 4877) neu
vor, dass die zivildienstpflichtige Person ab dem Jahr, in dem sie das
27. Altersjahr vollendet, jährliche Zivildienstleistungen von mindestens
26 Tagen Dauer zu erbringen hat, bis die Gesamtdauer nach Art. 8
ZDG erreicht ist (Art. 39a Abs. 1 ZDV). Zivildienstpflichtige Personen,
die bei Eintritt der Rechtskraft ihrer Zulassungsverfügung das
26. Altersjahr noch nicht vollendet haben, leisten bis zum Ende des
Jahres, in dem sie das 27. Altersjahr vollendet haben, mindestens so
viele Diensttage, dass in den Folgejahren bis zum Erreichen der
ordentlichen Altersgrenze nach Art. 11 ZDG im Durchschnitt noch
maximal 26 zu leistende Diensttage verbleiben (Art. 39a Abs. 2 Bst. a
ZDV). Die zivildienstpflichtige Person, deren ordentliche Zivildienst -
leistungen 340 oder mehr Diensttage umfassen, leistet einen langen
Einsatz von mindestens 180 Tagen Dauer. Sie kann diesen in zwei
Teilen innerhalb von zwei Kalenderjahren leisten. Sie leistet den
langen Einsatz in einem einzigen Einsatzbetrieb, unabhängig davon,
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ob sie ihn in einem oder zwei Teilen leistet (Art. 37 Abs. 1, 3 und 4
ZDV). Der lange Einsatz ist spätestens in dem Jahr abzuschliessen, in
welchem die zivildienstpflichtige Person das 27. Altersjahr vollendet
(Art. 39a Abs. 2 Bst. b ZDV).
2.3 Der 1982 geborene und heute 28-jährige Beschwerdeführer hat
bisher 109 Diensttage geleistet, davon 68 Tage im Jahr 2009 im
Rahmen des ersten Teils seines langen Einsatzes. Um den Zivildienst
verordnungskonform durchzuführen, hätte der Beschwerdeführer im
Jahr 2010 125 Tage Zivildienst zu leisten, davon 112 Tage als zweiten
Teil seines langen Einsatzes. Dies ermöglicht das Absolvieren der
jährlich mindestens verlangten 26 Diensttage in den Folgejahren bis
zum Erreichen der ordentlichen Altersgrenze im Jahre 2016.
Nachdem im vorliegenden Fall der ursprünglich vorgesehene Dienst-
termin vom 7. Juni 2010 ohnehin verstrichen ist, bleibt lediglich die
Frage übrig, ob die Vorinstanz das Gesuch des Beschwerdeführers um
Verschiebung des zweiten Teils seines langen Einsatzes von 112
Tagen auf das Jahr 2011 zu Recht abgelehnt hat.
3.
Die zivildienstpflichtige Person hat bei der Vorinstanz ein schriftliches
Dienstverschiebungsgesuch einzureichen, wenn eine gesetzliche
Verpflichtung oder ein Aufgebot nicht befolgt werden kann. Die Ge-
suche müssen eine Begründung und die nötigen Beweismittel sowie
die Angabe des Zeitraums, in welchem der fragliche Einsatz geleistet
werden soll, enthalten (Art. 44 ZDV).
3.1 Die Vorinstanz macht geltend, dass der Beschwerdeführer seit
längerem die Möglichkeit gehabt hätte, eine Lösung zu finden, um
seine familiären, beruflichen und allenfalls schulischen Aufgaben mit
der Zivildienstpflicht in Einklang zu bringen. Aus seinen Darlegungen
sei nicht ersichtlich, dass er sich in den fünf Monaten seit Erlass des
Aufgebots genügend darum bemüht hätte. Sein Dienstverschiebungs-
gesuch habe er zu einem Zeitpunkt gestellt, in welchem ihm seine
Schwierigkeiten im Zusammenhang mit seinem Diensteinsatz längst
bewusst gewesen seien. Dennoch habe er es unterlassen, die Vor-
instanz auf allfällige Probleme hinzuweisen, damit rechtzeitig eine
Lösung hätte gefunden werden können. Ausserdem habe er gegen
das Dienstaufgebot keine Beschwerde eingereicht. Sie habe deshalb
in guten Treuen davon ausgehen können, dass der Leistung des
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zweiten Teils seines langen Zivildiensteinsatzes im Jahr 2010 nichts im
Wege stünde. Der Beschwerdeführer habe es aber offenbar vor-
gezogen, die Vorinstanz und danach auch den Einsatzbetrieb vor
"vollendete Tatsachen" zu stellen und den Einsatz am 7. Juni 2010 gar
nicht erst anzutreten. Gründe, dass sich seit dem Erhalt des Aufgebots
an seinen Betreuungspflichten etwas geändert habe, könne er nicht
geltend machen. Dieses Verhalten stehe deshalb nicht im Einklang mit
dem Gebot, Verschiebungsgesuche durch korrekte Absprachen sowie
durch eine gezielte Koordination und Planung zu vermeiden.
Hierzu entgegnet der Beschwerdeführer, dass er in Anbetracht seiner
dreifachen Belastung durch Familie, Erwerbstätigkeit und Studium sich
nicht hinreichend habe mit der Rechtslage auseinandersetzen können.
Dass er nicht schon gegen die Einsatzvereinbarung – welche nunmehr
in Rechtskraft erwachsen sei – Beschwerde erhoben habe, erachte er
als Fehler. Dies auch deshalb, weil er sich über die Schwierigkeit, den
Einsatz 2010 erfüllen zu können, bereits im Jahr 2009 im Klaren ge-
wesen sei und die Leistung des ersten Teil seines langen Einsatzes
nur deshalb möglich gewesen sei, weil seine Partnerin ihren Mutter -
schaftsurlaub habe verlängern können. Es sei ihm aber nicht bewusst
gewesen, dass das späte Vorbringen dieser Tatsachen Rechtsnach-
teile zur Folge haben könne.
3.2 Der Beschwerdeführer hat das Dienstverschiebungsgesuch am
6. März 2010 eingereicht, also gut vier Monate nach der Aufgebots-
verfügung und drei Monate vor dem verfügten Antrittsdatum. Di