Abtei lung II I
C-4227/2008
{T 0/2}
U r t e i l v o m 2 8 . J u l i 2 0 0 9
Richter Andreas Trommer (Vorsitz),
Richter Antonio Imoberdorf,
Richter Blaise Vuille,
Gerichtsschreiberin Denise Kaufmann.
N._______,
Beschwerdeführerin,
vertreten durch Rechtsanwältin Ruth Dönni,
gegen
Bundesamt für Migration (BFM),
Quellenweg 6, 3003 Bern,
Vorinstanz.
Verweigerung eines Visums zu Besuchszwecken.
B u n d e s v e r w a l t u n g s g e r i c h t
T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i f f é d é r a l
T r i b u n a l e a m m i n i s t r a t i v o f e d e r a l e
T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i v f e d e r a l
Besetzung
Parteien
Gegenstand
C-4227/2008
Sachverhalt:
A.
Der 1984 geborene ägyptische Staatsangehörige B._______ (im Fol-
genden: Gesuchsteller) beantragte am 26. März 2008 bei der Schwei-
zerischen Botschaft in Kairo ein Visum für einen zweimonatigen Be-
suchsaufenthalt bei N._______ (im Folgenden: Gastgeberin bzw. Be-
schwerdeführerin) in X._______ (ZH). Die Schweizer Vertretung lehnte
es ab, ein Visum in eigener Kompetenz zu erteilen und leitete das Ge-
such zur Prüfung und zum Entscheid an die Vorinstanz weiter.
B.
Zum Antrag begrüsst, holte das Migrationsamt des Kantons Zürich bei
der Gastgeberin ergänzende Auskünfte ein und leitete sie an die Vorin-
stanz weiter. Letztere lehnte es in einer Verfügung vom 28. Mai 2008
ab, das beantragte Besuchsvisum zu erteilen. Dies im Wesentlichen
mit der Begründung, der Gesuchsteller lebe in einer Region, aus der
als Folge der dort herrschenden wirtschaftlichen und soziokulturellen
Verhältnisse ein anhaltend starker Zuwanderungsdruck festzustellen
sei. Die anstandslose und fristgerechte Wiederausreise könne deshalb
vorliegend nicht als gesichert betrachtet werden. Es lägen keine Grün-
de vor, welche eine Einreise trotzdem als zwingend erscheinen lies-
sen.
C.
Mit Beschwerdeeingaben vom 23. Juni und 14. Juli 2008 beantragt die
Gastgeberin beim Bundesverwaltungsgericht die Aufhebung der vorin-
stanzlichen Verfügung und die Erteilung des Besuchsvisums. Zur Be-
gründung macht sie im Wesentlichen geltend, die Vorinstanz habe mit
der angefochtenen Verfügung in unzulässiger Weise einzig auf die im
Ursprungsland herrschende sozioökonomische Situation abgestellt,
ohne auch nur im Ansatz eine einzelfallbezogene Beurteilung vorge-
nommen zu haben. Schon deshalb wäre die angefochtene Verfügung
aufzuheben. Tatsächlich seien in den persönlichen Verhältnissen des
Gesuchstellers genügend Elemente für eine Verwurzelung im ange-
stammten Umfeld zu erkennen. Der Gesuchsteller sei seit langem er-
werbstätig; er arbeite bereits seit sechs Jahren im Verkauf und erziele
dabei ein für ägyptische Verhältnisse überdurchschnittliches Einkom-
men. Mit diesem sorge er auch für den Unterhalt seiner Eltern und
dreier Schwestern.
Seite 2
C-4227/2008
Komme hinzu, dass der beabsichtigte Aufenthalt einem besonderen
Zweck diene, nämlich der Prüfung, ob die zwischen ihr und dem Ge-
suchsteller bestehende Freundschaft eine genügende Basis für eine
spätere gemeinsame Zukunft in der Schweiz abgeben könnte. Sie (die
Beschwerdeführerin) garantiere für die fristgerechte Wiederausreise
des Gesuchstellers nach dessen Besuchsaufenthalt.
D.
Die Vorinstanz hält in ihrer Vernehmlassung vom 4. September 2008
an der angefochtenen Verfügung fest und schliesst auf Abweisung der
Beschwerde. Sie habe ihren Entscheid in Berücksichtigung aller we-
sentlichen Umstände getroffen. Der Gesuchsteller sei erst 24 Jahre alt
und ledig. Der Umstand allein, dass er erwerbstätig sei, lasse keine
andere Risikoeinschätzung zu. Auch die Zusicherungen der Beschwer-
deführerin könnten zu keinem anderen Entscheid führen. Sie kenne ih-
ren Gast noch nicht lange und habe ihn erst zwei- oder dreimal an-
lässlich von Ferienaufenthalten getroffen.
E.
In einer Replik vom 13. Oktober 2008 hält die Beschwerdeführerin an
ihrem Antrag und an dessen Begründung fest. Zwar gehe die Vorin-
stanz in der Vernehmlassung zumindest ansatzweise auf die persönli-
che Situation des Gesuchstellers ein. Eine Heilung des ursprünglich
gesetzten Mangels im Rechtsmittelverfahren komme jedoch nicht in
Frage. Im Übrigen sei die Einlassung der Vorinstanz lückenhaft. Sie
habe insbesondere nicht beachtet, dass der Gesuchsteller bereits seit
sechs Jahren im Verkauf arbeite und dabei ein überdurchschnittliches
Einkommen erziele. Ebenfalls unberücksichtigt sei geblieben, dass der
Gesuchsteller nicht nur für seinen eigenen Unterhalt, sondern auch für
denjenigen seiner Eltern und dreier Schwestern aufkomme. Gerade
diese Aspekte deuteten auf eine tiefe Verwurzelung im Heimatland hin.
Weiter teilt die Beschwerdeführerin mit, dass sie im vergangenen Au-
gust erneut zwei Wochen beim Gesuchsteller in Ägypten verbracht
habe.
Das Bundesverwaltungsgericht zieht in Erwägung:
1.
1.1 Gemäss Art. 31 des Verwaltungsgerichtsgesetzes vom 17. Juni
2005 (VGG, SR 173.32) beurteilt das Bundesverwaltungsgericht unter
Vorbehalt der in Art. 32 VGG genannten Ausnahmen Beschwerden ge-
Seite 3
C-4227/2008
gen Verfügungen nach Art. 5 des Bundesgesetzes vom 20. Dezember
1968 über das Verwaltungsverfahren (VwVG, SR 172.021), welche von
einer in Art. 33 VGG aufgeführten Behörde erlassen wurden. Darunter
fallen u.a. Verfügungen des BFM, mit denen die Ausstellung eines Ein-
reisevisums verweigert wird. In dieser rechtlichen Materie entscheidet
das Bundesverwaltungsgericht endgültig (Art. 83 Bst. c Ziff. 1 des Bun-
desgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005 [BGG, SR 173.110]).
1.2 Sofern das Verwaltungsgerichtsgesetz nichts anderes bestimmt,
richtet sich das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht nach
dem VwVG (Art. 37 VGG).
1.3 Die Beschwerdeführerin ist gemäss Art. 48 Abs. 1 VwVG zur Be-
schwerde berechtigt. Auf die frist- und formgerechte Beschwerde ist
einzutreten (Art. 50–52 VwVG).
2.
Mit Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht kann die Verletzung
von Bundesrecht einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des
Ermessens, die unrichtige oder unvollständige Feststellung des rechts-
erheblichen Sachverhaltes und – sofern nicht eine kantonale Behörde
als Beschwerdeinstanz verfügt hat – die Unangemessenheit gerügt
werden (Art. 49 VwVG). Das Bundesverwaltungsgericht wendet im Be-
schwerdeverfahren das Bundesrecht von Amtes wegen an. Es ist ge-
mäss Art. 62 Abs. 4 VwVG an die Begründung der Begehren nicht ge-
bunden und kann die Beschwerde auch aus anderen als den geltend
gemachten Gründen gutheissen oder abweisen. Massgebend ist
grundsätzlich die Rechts- und Sachlage zum Zeitpunkt seines Ent-
scheides (vgl. E. 1.2 des in BGE 129 II 215 teilweise publizierten Ur-
teils 2A.451/2002 vom 28. März 2003).
3.
3.1
Die Beschwerdeführerin beanstandet, die Vorinstanz habe das Gesuch
allein gestützt auf die allgemeinen Verhältnisse im Heimatland des Ge-
suchstellers abgelehnt, ohne die konkreten Umstände des Einzelfalles
einzubeziehen. Auf eine rechtliche Qualifizierung der Rüge verzichtet
die Beschwerdeführerin. In Anbetracht der gesamten Umstände kann
jedoch davon ausgegangen werden, dass sie im Vorgehen der Vorin-
stanz eine Verletzung der sich aus dem Anspruch auf rechtliches Ge-
hör ergebenden Begründungspflicht erblickt (Art. 29 i.V.m. Art. 35
Abs. 1 VwVG).
Seite 4
C-4227/2008
3.2 Die Begründungspflicht verlangt von der Behörde unter anderem,
dass sie die Gründe offenlegt, weshalb sie so und nicht anders ent-
scheidet. Dieser Verpflichtung kam die Vorinstanz nicht nach, denn die
persönliche Situation des Gesuchstellers, deren zentrale Bedeutung
für die Risikoeinschätzung sie anerkennt und die gewürdigt zu haben
sie in der Vernehmlassung behauptet, findet keinen Niederschlag in
der Begründung der angefochtenen Verfügung. Eine sachgerechte An-
fechtung durch den Betroffenen und eine Kontrolle durch die Rechts-
mittelinstanz ist in einer solchen Situation in Frage gestellt.
3.3 Trotz grundsätzlich formeller Natur des rechtlichen Gehörs ist in
casu das Fehlen der Begründung als geheilt zu betrachten, da diese in
der Vernehmlassung der Vorinstanz enthalten war, die Beschwerdefüh-
rerin dazu Stellung nehmen konnte und das Bundesverwaltungsgericht
über volle Kognition verfügt (vgl. BGE 129 I 129 E. 2.2.3 S. 135). Die
Heilung der Gehörsverletzung rechtfertigt sich umso mehr, als die
rechtskundig vertretene Beschwerdeführerin nicht etwa Wiederholung
des Verfahrens vor der Vorinstanz verlangt, sondern direkt eine materi-
elle Gutheissung beantragt.
4.
Das schweizerische Ausländerrecht kennt weder ein allgemeines
Recht auf Einreise noch gewährt es einen besonderen Anspruch auf
Erteilung eines Visums. Die Schweiz ist daher – wie andere Staaten
auch – grundsätzlich nicht gehalten, Ausländerinnen und Ausländern
die Einreise zu gestatten. Vorbehältlich völkerrechtlicher Verpflichtun-
gen handelt es sich dabei um einen autonomen Entscheid (vgl. Bot-
schaft zum Bundesgesetz über Ausländerinnen und Ausländer vom
8. März 2002, BBl 2002 3774; BGE 133 I 185 E. 2.3 S. 189).
5.
Der Bundesbeschluss vom 17. Dezember 2004 über die Genehmigung
und die Umsetzung der bilateralen Abkommen zwischen der Schweiz
und der EU über die Assoziierung an Schengen und an Dublin (SR
362) wurde in der Volksabstimmung vom 5. Juni 2005 angenommen.
Die entsprechenden Assoziierungsabkommen (darunter das Abkom-
men vom 26. Oktober 2004 zw